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DIE ABKÜRZUNGEN
LP = LP, 7” = Single, CD = CD, MCD = CD-Maxisingle, 2LP = Doppel-LP, 2CD = Doppel-CD
DIE BEWERTUNGSSKALA
10 Ein (zukünftiger) Klassiker. 9 Eine „Platte des Jahres“. 8 Überdurchschnittlich gut. 7 Rundum gelungen. 6 Okay, ohne Höhen und Tiefen 5 Einfach durchschnittlich 4 Kann man noch durchgehen lassen 3 Rumdum schwach 2 Wirklich schlecht 1 Schrott der allerübelsten Sorte
UNSERE REvIEW-poLITIK
Wir besprechen jeden Tonträger, der im weitesten Sinne in unser Heft passt. Einen Anspruch auf Rezension gibt es aber nicht, und wir behalten es uns vor, Tonträger unrezensiert in unsere „Kiste des Grauens“ auszusortieren. Grundsätzlich bestehen wir auf der Zusendung kompletter Releases, das heißt „nackte“ gebrannte CDs ohne Cover etc. werden nicht berücksichtigt bzw. nur dann, wenn wir sicher gehen können, dass wir auch die fertige CD geschickt bekommen. Auf keinen Fall besprechen wir CDs mit ausgeblendeten Stücken sowie wie mit Watermark versehene CDs. Letztere werden von uns ohne Kommentar als unfreie, versicherte Pakete an das Label zurückgeschickt. Wir akzeptieren überdies keine Eigentumsvorbehalte, wie sie oft auf Promo-CDs aufgedruckt sind. Mit der Zusendung an das Ox gehen diese CDs wie auch alle anderen Tonträger in unser Eigentum über. Mit der Zusendung erklärt sich der Zusender ausdrücklich mit diesen Bedingungen einverstanden.
Noch mEhR REvIEWS GEfäLLIG?
EIN pAAR WoRTE ZU UNSERER SKALA
Wir werden immer wieder darauf angesprochen, dass zu viele Platten gut bewertet werden. Dazu ist zu sagen: Da wir
200
Stokkhólmssyndromið CD | tutl.com | tveyhundrad.net | 36:14 || 200 (spell it TVEYHUNDRAD) sind die erste und bisher wohl auch die einzige Punkband von den Färöerinseln. Man sollte dieses Atoll zwischen England und Island mitten in der Nordsee subkulturell nicht unterschätzen, da sind in den letzten Jahren einige sehr interessante Bands entstanden. Unter anderem auch 200, die mit „Stokkhólmssyndromið“ schon ihr fünftes Album vorlegen. Der Rest der Welt hat wohl von den vier vorherigen nicht viel mitbekommen und die Frage ist: Warum eigentlich? Denn diese Band ist – egal ob Exotenbonus oder nicht – gelinde gesagt: großartig! Das ist in erster Linie Punkrock, wie er sein sollte: Vielfältig, wütend und schnodderig. Drei Teile 77er-Punk, eine ordentliche Portion Garagerock, das Ganze noch versetzt mit einem gut rotzigem Garagensound und einem Sänger, der sich stimmlich nahe an einem derangierten Elvis befindet und über die Zustände in seiner Heimat abkotzt. Gesungen wird in der Muttersprache Färingisch, wer das jetzt total lustig findet, sollte auch darüber informiert werden, dass die Band durchaus kritisch mit dem Leben und den politischen Umständen auf den Inseln auseinandersetzt. Auch mit der Beziehung zu Dänemark, denn dazu gehören die Färöerinseln faktisch, besitzen allerdings große Autonomierechte. So, das war’s. Ich bin raus, ans Meer, und muss erst einmal ein Boot klauen und die Herren für eine Tour nach Deutschland holen. Macht ja sonst keiner! (9) Timbob Kegler
AAA ANDRÁSSY
schon im Vorfeld die nicht mal ansatzweise ins Heft passenden Platten aussortieren, fallen viele Kandidaten für eine Wertung unter 5 schon von vornherein weg. Dazu kommt, dass wir versuchen, jede Platte einem Spezialisten für das entsprechende Genre zuzuteilen, was den Notenschnitt erfahrungsgemäß ebenfalls anhebt. Und: Wenn mal wieder der Platz eng wird, fliegen die miesen Platten als erstes raus – und die guten bleiben. Abgesehen davon: Alles ist subjektiv, auch unsere Bewertungen. Und fehlt eine Note, wollte der Autor keine vergeben, was aber nicht bedeutet, dass die Platte schlecht ist.
This Is Where We Met CD | Queen Laika | queenlaika.com | 49:56 || ANDRÁSSY aus München versuchen bereits mit ihrem Debütalbum ganz großes: ein Konzeptalbum. Man hat dann gleich Angst, dass hier wieder MARS VOLTA-Fans am Werk sind, was vielleicht auch so ist, aber zum Glück nicht überhand nimmt. Vielmehr überwiegt die Frage: was ist das Konzept? Die Referenz an einen stolzen Kämpfer für die ungarische Tradition im Großreich des 19. Jahrhunderts? Dann wohl eher die klassische Traumwelt zwischen Schlaf und Tod, zwischen Leben und wirklichem Wachsein. Musikalisch bewegen sich die fünf Bayern im weitesten Sinne im Postrock, der aber nicht den Steigerungen von leise zu laut folgt, sondern seine Vielseitigkeit auslebt. Genauso die Instrumentierung, so haben sie fast so viele Gastmusiker auf der Platte wie MySpace-Freunde im Internet. Man kann ihnen eigentlich nichts vorwerfen, außer dass diese ganze Fusion-Sache irgendwie auch nicht mehr so spannend ist wie sie vielleicht mal war. Und mir fehlen die Ecken und Kanten, an denen man sich im Zweifelsfall festhalten kann, so dass man nicht fortschwimmt im Meer der
Unter www.ox-fanzine.de gibt’s über 27.000 Reviews aus über 60 Ausgaben, alphabetisch und nach Ausgabe geordnet, und teilweise sogar noch mehr Reviews als sich im Heft finden, denn oft können wir einfach nicht alles unterbringen. Das Ganze mit komfortabler Suchfunktion nach Bandname, Plattentitel und Label.
ausproduzierten musikalischen Möglichkeiten. Gut gefallen mir die sehr melodischen und langen Instrumentalparts, so überzeugt das Songwriting mehr als der Gesang und die vielen Effekte. Aber trotzdem ein stolzes erstes Werk mit gelungenen Artwork! (6) Christoph Schulz
ACCIDENTS
Stigmata Rock’n’Rolli 10“ | Bootleg Booze | bootlegbooze.com || Ich behaupte mal, die ACCIDENTS aus Schweden sehen heute nicht mehr so aus wie noch vor Jahren, als sie in jugendlicher Frische auf Burning Heart veröffentlichten. Da sind einige Biere die Kehlen hinuntergeflossen, ein paar zehntausend Kilometer mehr Straßen wurden bereist, und hunderte Nächte mehr auf irgendwelchen Matratzen verbracht. Entsprechend faltiger sind die Gesichter, und „faltiger“ ist auch die Musik: Punkrock mit erkennbarer Vorliebe für MISFITS, MOTÖRHEAD und AC/DC, ordentlich abgehangen, schön grölig (aber nicht prollig) und jenseits plumper Rockismus-Posen gereift, das verdient Respekt. Tausend Stück hat Bootleg Booze von dieser 10“ im handgestempelten Pappcover hergestellt, sechs neue Tracks finden sich darauf, und ich habe angesichts von „Goiß-Maß“ den Verdacht, dass sich die Band hin und wieder in Bayern herumtreibt und dort gerne mal einer lokalen Provinzkneipen-Bierspezialität zuspricht ... (8) Joachim Hiller
AHKMED
Distance CD | Elektrohasch | elektrohasch.de | 59:08 || Knapp eine Stunde brauchen die Jungs aus Australien für sieben überwiegend instrumental gehaltene Songs. Ein Schelm, wer da nicht gleich an ausufernde Postrockspielereien denkt. Doch weit gefehlt, denn hier haben wir eine imposante Mixtur aus PELICAN, MOGWAI, PINK FLOYD (was den Gedanken an Postrock zunächst unterstützt), kombiniert mit einem gehörigen Schuss Wüste der Marke KYUSS und Konsorten. Das Ganze wird dabei so lockerflockig vorgetragen, dass die ganze Platte wie ein einziger, megagroßer Jam der beteiligten Musiker wirkt. Hier stecken Herzblut und die Liebe zum Detail drin, welche sich mit dem eindeutig vorhandenen Talent der Instrumentalisten zu einer hervorragenden Kombination entwickeln. Da wird man schnell dazu verleitet, die Luftgitarre zu zücken und sich an besagtem Jam zu beteiligen. Rief das Info zu dieser Platte ob seiner teilweise wirklich hanebüchenen Beschreibung noch das eine oder andere Gähnen hervor, belehrt einen die Band selbst mit ihrem Werk schnell eines Besseren.Tolles Album. (9) Jens Kirsch
AMERICAN STEEL
Dear Friends And Gentle Hearts CD | Fatwreck | fatwreck.com | 35:28 || Dies ist das fünfte Album von AMERICAN STEEL insgesamt, das zweite nach ihrer Reunion im Jahr 2005 und dem damit verbun-
denen Output „Destroy Their Future“ aus 2007. Die Trademarks sind längst gesetzt und werden sich ziemlich sicher auch nicht mehr ändern. Entspannter Midtempo-Punkrock, immer melodisch, ab und zu mit kleinen OffbeatPassagen und harmonischem Chorgesang. Auch die Verweise auf andere Bands dürften Genre-Freunden bekannt sein: LAWRENCE ARMS, HOT WATER MUSIC, AGAINST ME!, um einige Hochkaräter zu nennen, die allerdings in einer anderen Liga spielen. Auf diesem neuen Album sind die Folkanteile, die auf „Destroy ...“ noch hervorzuheben waren, deutlich reduziert worden. Stattdessen kommen die Songs eher rockig und haben Elemente (auch gesanglich) von ALKALINE TRIO oder COCK SPARRER. Das steht AMERICAN STEEL gut zu Gesicht, auch wenn die Band grundsätzlich das Rad nicht neu erfindet und in Teilen der Scheibe tatsächlich etwas langweilig und beliebig agiert. Wer aber eine unterhaltsame Streetpunk- und Rock-Scheibe gebrauchen kann, der sollte „Dear Friends And Gentle Hearts“ mal antesten. (6) Zahni Müller
ALEXISONFIRE
ADICTS
ALLES AUF ANFANG
Life Goes On CD | People Like You | peoplelikeyou.com | 48:37 || Die nächste Kapelle steigt aus der Gruft. Auch die ADICTS, England-Punkband der ersten Stunde, wollen nicht als rüstige Rentner enden, sondern auf ihre alten Tage noch mal ein wenig auf die Kacke hauen. Nennen wir es mal das COCK SPARRERSyndrom. Und genau in diese Richtung zielt auch „Life Goes On“, das nagelneue Album der Clockwork-OrangeRocker. Bodenständiger Punkrock, rustikal, etwas altbacken, dafür aber mit reichlich Singalongs. Früher nannten wir das auch mal Pub-Rock. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie die ADICTS in die heutige Zeit passen wollen. Sie klingen so was von gestrig und überholt, dass es schon wieder gut ist. Natürlich gibt es keinen All-Time-Hit wie „Viva La Revolution“ mehr, aber dafür zahlreiche kleine Ohrwurm-Perlen, die direkt in die Muschel und nur schwer wieder heraus gehen. Live konnten die ADICTS bereits in den vergangenen Monaten überzeugen, es gab zum Beispiel eine vielbeachtete Show im Hamburger Knust sowie einige Support-Gigs vor den TOTEN HOSEN. Das sollte als Popularitätsschub bei der breiten Masse und dem Nachwuchs ausreichen. Jetzt gilt es abzuwarten, wie diese ein solches Oldschool-Album aufnehmen. (7) Abel Gebhardt
APA STATE MENTAL
The Reunited Heavy Metal States Of ... CD | The Almighty Kong | myspace.com/apastatemental | 33:02 || 2007 erschien der erste Longplayer der Schweden, jetzt ist das neue Album raus, mit schlappen 20 Songs. Wo waren die Jungs die letzten beiden Jahre? In der Anstalt ...? Wild genug für diese Vermutung klingen sie auch diesmal, spannen einen weiten Bogen von eher an die STOOGES erinnerndem Proto-Punk über rücksichtslose NEW BOMB TURKS-Blasts und frühe(!) HIVES bis zu HENRY FIAT’S OPEN SORE-mäßigem LoFi-Geschraddel. Was sie loswerden wollen, das tun sie in knapp über 30 Minuten, macht im Schnitt rund 1:30 pro Song, und das ist immer ein Argument für mich: „Keep it short and simple“ lautet die goldene Regel. Gut auch der Gesang von Jacob Zetterholm: leicht megaphonig verzerrt, gehetzt, monoton, snotty – perfekt. (8) Joachim Hiller
AND ALSO THE TREES
When The Rains Come CD | AATT | andalsothetrees.co.uk | 50:58 || (K)ein neues Album im eigentlichen Sinne: Die 1979 gegründete englische Band, die sich immer im Umfeld des düsteren Post-Punks bewegt hat, ohne sich je irgendwelche Genreklischees anzueignen, hat für „When The Rains Come“ 13 ihrer Songs in sparsam instrumentierte Akustik-Versionen verwandelt und nebst einem neuen Stück aufgenommen. Verpackt in ein sehr schön gestaltetes Papp-Digipak, ergeben sich für den altgedienten Fan ganz neue Sichtweisen auf die bekannten Stücke, aus denen sich das Cello deutlich heraushören lässt und bei denen Simon Huw Jones’ Stimme noch präsenter ist als sonst. (7) Joachim Hiller
AIDEN
Knives CD | Victory | victoryrecords.com || AIDEN sind neben MY CHEMICAL ROMANCE wahrscheinlich sowas wie die Marktführer im Sektor des geschminkten PostScreamo-Gothic-Rock-Genres, benutzen Synonyme wie „Angel“ (Gitarre) und „Zombie“ (Bass), verkaufen damit Abertausende von Platten an Kids, für die Punkrock in erster Linie auf MTV stattfindet, und gehen mir somit komplett am Arsch vorbei. Vielleicht bin ich aber inzwischen auch einfach nur zu alt für Songs über gefallene Engel und Elizabeth Bathory. Hmm. (6) David Schumann
Old Crows/Young Cardinals CD | Vagrant/Roadrunner | vagrant.com || Sie sind gerade damit fertig, ihr Denkmal zu bauen, und schon wollen sie es wieder abreißen. ALEXISONFIRE sind sowas von zurück, da kann Screamo aber einpacken. ALEXISONFIRE sind keine Screamo-Band. Sie sind viel mehr Punkrock und dreckiger Rock’n’Roll, als du glaubst. Und das Beste kommt noch: Sie haben immer noch was zu sagen, sind wütender als je zuvor. Ihren dreistimmigen Gesang haben sie noch weiter ausgereift und so ist neben Dallas Green (der Mann mit der Engelsstimme) nun vor allem Wade McNeil für Punkrockers Gänsehaut zuständig. Frontschreier Georg hat an seinem Gesang gefeilt und klingt jetzt noch roher und weniger „Screamo“. ALEXISONFIRE wird man wohl nie abschreiben können – die veröffentlichen bestimmt auch noch mit 60 fantastische Platten, die einem dann sowas von den Krückstock wegziehen. Ich muss gar nichts anderes mehr hören. (9) Sebastian Wahle Das Ende vom Anfang CD | myspace.com/allesaufanfang | 32:20 || Melodisch-melancholischer Punkrock trifft auf, nun, nennen wir es „Pop-Sounds“. Und treibende Gitarren treffen auf wohlüberlegte, wortspielgespickte deutsche Texte, abgesehen von der wunderbar atmosphärischen Instrumentalnummer „Regen“ natürlich . Ein kleines Manko an jenen Stellen, an welchen der Punkrockanteil im Vordergrund steht, ist, dass trotz all der feinen Melodien und fiesen Gitarren dann und wann (bei Track Nummer drei, „Flucht“, etwa), das Ganze etwas zu brav, zu wenig kantig daherkommt, es fehlen ein wenig der Druck und der Dreck. Dann lieber gleich den Verzerrer aus-, drei Gänge runterschalten und wunderbar nach Gänsehaut schreiende Pop-Nummern produzieren, „Wand vorm Kopf“ beispielsweise, „Wiedermal“, der Song mit der Gastsängerin. Denn so funktioniert „Das Ende vom Anfang“ am besten. Der Gesamteindruck dieses – so vermute ich, Infotext liegt mir keiner vor – ersten Albums dieser labellosen jungen Band ist aber auf alle Fälle ein guter. (7) H.C. Roth
ALEX FACE
Never Been Alright CD | Alleycat | alleycatrecords.com | 38:40 || Mal wieder ein problematischer Fall: ALEX FACE, mit dem zweiten Album dabei, spielen schon einigermaßen schmissigen rumpeligen Garagerock mit starken Anleihen an die HIVES. Dafür gibt es ja durchaus einen Markt, und da die vier jungen Schwedenrocker zugegebenermaßen recht schnuckelig ausschauen, sind für sie kreischende Teenagermädchen in der ersten Reihe bestimmt kein ungewohnter Anblick. Leider, und das können die kreischenden Backfische nicht wissen, ist die Musik des Quartetts so unglaublich abgestanden und unoriginell, so tausendfach erlebt (zumeist allerdings deutlich besser!) und so substanzlos, dass es schon wirklich ärgerlich ist. (6) Gereon Helmer
ALL TIME HIGH
Friends In High Places CD | Nicotine/NMD | nicotinerecords.com | 42:09 || Willkommen in den frühen Neunzigern, einer Zeit, als sich die gefühlte Coolness des Rock’n’Roll im Nordwesten der USA – Seattle, um genau zu sein – verorten ließ. Ob berechtigt oder nicht, damals galten die SCREAMING TREES,TAD, SOUNDGARDEN oder MUDHONEY als Bands der Stunde. Genau dieselbe Mischung aus abgehangenem Blues, Garage-infiziertem Rock und drogenbedingtem Psychedelic präsentieren ALL TIME HIGH auf ihrem Album „Friends In High Places“. Dass wir inzwischen 2009 haben, interessiert die Band nicht im Geringsten, und das ist auch gut so. Produziert wurde das Ganze übrigens von Jack Endino, der diesen Anachronismus perfekt macht. Sehr schön. (8) Lars Koch
ALL TIME LOW
Nothing Personal CD | Hopeless/Rude | hopelessrecords.com || Eigentlich hatte ich ja vor „Nothing Personal“, dem lange herbeigesehnten Nachfolger zum genialen 2007er Album „So Wrong, It’s Right“, ungehört direkt die volle Punktzahl zu geben, so absolut großartig und herausragend waren ALL TIME LOW, spätestens seit ihrer EP „Put Up Or Shut Up“, für mich die ganze Zeit. Ja, es gab sogar Momente, in denen ich gedacht habe, dass da endlich eine Band wäre, die die Lücke, die THE STARTING LINE mit ihrer Auflösung hinterlassen haben, nachhaltig schließen könnte. Umso aufgeregter war ich natürlich, als mir das Label den Download-Link (ja, so macht man das heutzutage leider ...) zu „Nothing Personal“ schickte, und ich die zwölf Songs des
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neuen Albums zum ersten Mal in Ruhe zu Hause hören konnte, zumal ich die Band nur wenige Tage vorher in Tokio zusammen mit der wahrscheinlich besten Hardcore-Band dieses Jahrtausends – SET YOUR GOALS – live gesehen habe, und von den neuen Songs erstmal nicht wirklich überzeugt war. Das ist jetzt zwei Wochen her und ich habe „Nothing Personal“ seitdem jeden Tag mehrere Male gehört. An meinem ersten Eindruck hat sich allerdings leider nichts geändert, im Gegenteil, er hat sich eher verfestigt. ALL TIME LOW haben es nicht geschafft, den jugendlichen Enthusiasmus und die musikalische Unbeschwertheit von „So Wrong, It’s Right“ ins Jahr 2009 herüberzuretten. Irgendwas ist auf dem Weg hierher verloren gegangen. Wahrscheinlich war die Band einfach zu schnell zu groß – wer könnte es ihnen verdenken – und ist so an den allgegenwärtigen Erwartungshaltungen gescheitert. Wobei „Scheitern“ eigentlich ein viel zu großes Wort ist, denn natürlich ist „Nothing Personal“ ein gutes Album einer nach wie vor verdammt guten Band. Mir fehlt nur dieser kleine Funke Genialität, der ALL TIME LOW bis jetzt von ihren Pop-Punk-Mitstreitern wie THE MAINE oder WE THE KINGS abgehoben hatte. (7) David Schumann
ALPINIST
minus.mensch LP | Phobiact/Alerta Antifascista/Contraszt! | nopasaran.org || Münster ist vielleicht nicht Portland, aber mit den (Teil-)Münsteranern THE NOW-DENIAL gibt es in Westfalens Fahrradmekka zumindest eine Band, die Portländer Crust-Klassikern wie FROM ASHES RISE, TRAGEDY oder HIS HERO IS GONE das Wasser reichen kann. In diese Fußstapfen tritt nun auch die Szene-Nachwuchsband ALPINIST, die mit „minus.mensch“ ein wirklich gutes Stück Vinyl vorlegt. Wüster Krach und filigrane Melodien fließen in dunkler, massiver Atmosphäre harmonisch ineinander, nach vorne gepeitscht von verzweifelt-wütendem Wechselgesang. Vor allem der Vergleich zu FROM ASHES RISE ist dabei ziemlich offensichtlich, wobei ALPINIST aber nie nur als müder Abklatsch daherkommen. Das Geheimrezept wenden sie zwar gekonnt an, drücken dem Sound aber allein schon mit ihren deutschen Texten den eigenen Stempel auf. Auf dem beigelegten Textblatt gibt es zu den Lyrics auch noch kurze Erläuterungen, sehr sympathisch! Allen alten Fans der oben genannten Klassiker kann ich das ALPINIST-Album jedenfalls nur wärmstens ans Herz legen, ebenso wie allen jungen Hüpfern, denen trübsinniges Dahinvegetieren zu seelenlosem Metalcore zum Hals raushängt. Bei ALPINIST gibt’s Hardcore mit Herz und Attitüde! (8) Bernd Fischer
ANGERCORE
Time Reveals CD | Myphonic/Phd | myphonic.com | 39:33 || Der Release von „Consequences“, dem ersten Kleinformat von ANGERCORE, ist schon rund fünf Jahre her, aber dafür legen die Italiener mit „Time Reveals“ nun ein äußerst reifes Debüt vor. Irgendwo zwischen THRICE, HELMET und FACE TOMORROW überzeugt man mit einer Spielfreude, die einfach ansteckt und vielen Ideen, die weit weg von momentanen Trends sind. Das Album kommt als Digipak, ist ein wahrer Eyecatcher und bietet das Video zu „Theory Of Integrity“. Dem Fünfer gelingt hier das Kunststück, kraftvoll zu klingen, ohne ins Stumpfe abzudriften, und melodische Passagen fernab jeglicher Weinerlichkeit zu bieten. (7) Thomas Eberhardt
ANIMALS AS LEADERS
s/t CD | Prosthetic | prostheticrecords.com | 52:04 || Mit seiner Vorgängerband REFLUX tobte sich Gitarrist Tosin Abasi im deftigen Metalcore aus, der vor allem aufgrund seiner immens technischen, progressiven Strukturen begeistern konnte. Mit ANIMALS AS LEADERS hat er nun ein neues Betätigungsfeld auf rein instrumentaler Ebene und dies hat es wirklich in sich. Zumindest wenn man Musiker, im Optimalfall sogar Gitarrist ist, denn die hier gebotenen Songs stehen dem extrem technischen, manchmal vielleicht sogar etwas überambitionierten Gefrickel von DREAM THEATER, CYNIC und Co. in nichts nach. Auf sieben respektive acht Saiten (was sich ja inzwischen immer größerer Beliebtheit erfreut) zeigt Mr. Abasi, was er drauf hat. Flankiert von wuchtigen Metalriffs, bei denen gelegentlich der Hardcore-Background des Meisters durchscheint, soliert, frickelt und tapt er, was die Saiten hergeben. Akkorde finden hier nur selten Verwendung, was zur Folge hat, dass die Platte auf Dauer leider etwas abstumpft. Es ist einfach zu anstrengend, diesem tonalen Wirrwarr lange zu folgen, was die Halbwertzeit entsprechend verkürzt. Sollte Mr. Abasi seinen Stücken künftig etwas mehr Struktur verpassen, könnte sich hier jedoch eine kleine Perle offenbaren. (6) Jens Kirsch
ANNITA BABYFACE AND THE TASTY PONEYS
s/t MCD | Dirty Witch | myspace.com/dirtywitchrecords | 7:55 || Au weh: Damit, keine Geringeren als die DESCENDENTS und die QUEERS als Querverweis ins Felde zu führen, hat das Label seinen Schützlingen gewiss keinen Gefallen getan. Was das südfranzösische Quartett hier auf seiner Debüt-EP liefert, ist zwar durchaus recht angenehm bei Zimmerlautstärke zu hörender, leicht melancholischer Pop-Punk mit rauher Frauenstimme, aber die Brillanz genannter Bands wird natürlich bei weitem nicht erreicht. Unterm Strich bleiben ein ganz netter, oldschooliger Hardcore-Klopfer und drei Songs, die ein wenig an eine angepunkte C-Version von SUZY & LOS QUATTRO erinnern. Nicht mehr und nicht weniger. (6) Ben Bauböck
ANYWAY
Burden CD | Election | election-records.com | 37:39 || Die vier Tschechen ANYWAY schütteln auf ihrem neuen Album elf Stücke aus dem Ärmel, die mich nach den ersten Hördurchläufen etwas verwirrt zurücklassen. Für klassischen Rock sind die Rhythmen zu verquer, für Punk enthalten die Harmonien zu viel Pathos und für progressiven Hardcore ist die Musik zu interessant. „Burden“ verhält sich wie ein Flummi, der von begriffsstutzigen Kindern immer wieder durch einen alternativen Plattenladen geschleudert wird. Unterhaltsam in jedem Fall, aber selten zu Ende gedacht. Vielleicht macht aber auch gerade das den Charme der Platte aus. Wer zwischen THERAPY?, den DEAD KENNEDYS und FUGAZI noch Platz im Regal hat, sollte ruhig mal reinhören. (7) Lars Koch
APE SCHOOL
s/t CD | Counter | counterrecords.com | 41:04 || Counter Records, ein Unterlabel von Alfred Darlingtons Ninja Tune, präsentiert uns den Alleskönner Michael Johnson und sein One-man-does-all-Album. Er unterrichtet(e) an der Universität von Philadelphia Musiktechnologie und fand dort eines Tages in einer Ecke einen verstaubten Moog aus dem Jahre 1965. Damit war der Grundstein für die Affenschule gelegt. Spiritueller Psych-Folk trifft Moog-Modular-Synthesizer-Elektro-Pop. Teils mit schönen Melodien (Referenzen zu BEACH BOYS, SHINS, ELECTRIC SOFTPARADE), die aber schon im nächsten Augenblick von Psychdelic-Attacken im Stile von Todd Rund-
/LESERchARTS • ANTI-FLAG The People Or The Gun • NOFX Coaster • DINOSAUR JR. Farm • GALLOWS Grey Britain • PROPAGANDHI Supporting Caste
So funktioniert´s:
• Wir wollen von euch wissen, welche 5(!) Platten momentan am häufigsten gehört werden. Wir stellen aus allen genannten Platten monatlich die Ox-Lesercharts zusammen und präsentieren diese auf www.ox-fanzine. de und dann alle zwei Monate auch an dieser Stelle. • Unter allen Mitmachenden verlosen wir jeden Monat diverse CDs, Platten, T-Shirts, Poster, etc. • Mitmachen unter www.ox-fanzine.de und da unter „Charts” oder via eMail an [emailprotected]
/vERKAUfSchARTS CORE TEX
1. RANCID Let The Dominoes Fall CD | 2. TROOPERS Rücksichtslos & Geisteskrank DVD+CD | 3. ANTI-FLAG The People Or The Gun CD | 4. CASTING OUT, THE Go Crazy! Throw Fireworks CD | 5. BERLINER WEISSE In Toifel’s Küche CD | 6. V.A. Tribute To SLIME CD | 7. RANCID Let The Dominoes Fall T-SHIRT BUNDLE | 8. NEW YORK HARDCORE – The Way It Was BUCH | 9. PROPAGANDHI Supporting Caste CD | 10. KICKBACK No Surrender CD | 11. HAVE HEART Songs To Scream At The Sun CD | 12. CRO-MAGS Age Of Quarrel/Best Wishes CD | 13. V.A. Berlin HC Vol. 2 CD | 14. RAZORS Dirty Thirty CD | 15. DEADLINE Live & Loud In Germany CD
FLIGHT 13
1. AGAINST ME Orginal Cowboy LP/CD | 2. BILLY CHILDISH Archive From 1959 3LP/2CD | 3. DEAD WHEATHER Horehound 2LP | 4. DEAR LANDLORD Dream Hopes LP/CD | 5. DINOSAUR JR. Farm 2LP/CD | 6. FUTURE OF THE LEFT Travels LP/CD | 7. GOSSIP Music For Men 2LP/CD | 8. NEBULA Heavy Psych LP/CD | 9. NOUVELLE VAGUE 3 LP/CD | 10. OIRO Blut und Schleim 7“ | 11. RANCID Let The Dominoes Fall 2LP/CD | 12. SONIC YOUTH Eternal 2LP/CD | 13. SONNY VINCENT W/ RFTC s/t LP+CD | 14. SPINNERETTE s/t LP/ CD | 15. STUPIDS The Kids Don’t Like It LP/CD
SOUNDFLAT
1. MONKS Pretty Suzanne 7“ | 2. STAGS Do The Ton LP | 3. V.A. Buttshakers! Soul Party Vol.4 LP | 4. CHESTERFIELD KINGS Up And Down 7“ | 5. SHEETAH ET LES WEISSMUELLER Hola Ye-Yeah! LP/CD | 6. LES TERRIBLES Ils Sont Formidables! LP/CD | 7. PETER BERRY & THE SHAKE SET Berry Express 7“ | 8. NEW CHRISTS Gloria LP/CD | 9. 60s SECOND SWINGERS Same 7“ | 10. RIPPERS Why Should I Care About You? LP/CD | 11. BRANDED Fiver 7“ | 12. V.A. Music To Get Smart By: Do The Dive Vol.2 LP | 13. V.A. Twistin Rumble Vol.8 LP | 14. JACK O & THE TENNESSEE TEARJERKERS Disco Outlaw LP/CD | 15. WAU Y LOS ARRRGHS It’s Great 7“
/pLAyLISTS Joachim Hiller In der Anlage: BOXHAMSTERS Brut Imperial | BIG BUSINESS Mind The Drift | CRASH NORMAL Finger Shower Diese zwei LPs habe ich zuletzt gekauft: DINOSAUR JR Farm | THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES Communion Das musst du gelesen haben: Hubert Selby - Der Dämon Hassenswert: Verwilderte, noch durchzugrabende Gartenecken
André Bohnensack In der Anlage: EARTHLESS Live At Roadburn | NOFX Coaster | SUNN O))) Monoliths & Dimensions Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: DINOSAUR JR Farm | THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES Communion Das musst du gesehen haben: NOFX Backstage Passport Hassenswert: Katzenkotze unterm nackten Fuß
Guntram Pintgen In der Anlage: HEAVEN & HELL The Devil You Know | BLACKFOOT Marauder | WOLFPACK A New Dawn Fades Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: HEAVEN & HELL The Devil You Know | NICK ROYALE GANG I Don’t Wanna Go Outside Das musst du gehört haben: alles von SMALL BUT ANGRY Hassenswert: Reiki, Handauflegen, Astro-TV etc.
Jan Eckhoff In der Anlage: NOFX Frisbee | RANCID Let the Dominoes Fall | CARUSELLA s/t Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: RANCID Let The Dominoes Fall | MGMT Oracular Spectacular Das musst du gesehen haben: CARUSELLA live Hassenswert: Wahlkampf
Simon Dillo In der Anlage: LUDICRA Fex Urbis Lex Orbis | Hank Williams III Damn Right, Rebel Proud | LEATHERFACE Mush Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: ZERO BOYS Vicious Circle | P.J. Bonneman Jeg Kendte Dem Ikke Das musst du gehört/ gesehen haben: irgend ein nettes kleines Punkrock-Festival Hassenswert: Regen, Kälte, Wolken
Ollie Fröhlich In der Anlage: CLUTCH Strange Cousins From The West | ANAAL NATHRAKH In The Constellation Of The Black Widow | Resplendent Grotesque Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: SARKE Vorunah | HEAVEN AND HELL The Devil You Know Das musst du gesehen haben: CLUTCH live Liebenswert: Louis
Claus Wittwer In der Anlage: SMOKESTACK LIGHTNIN Roadmasters | HOTEL CALIFORNIA The New Sounds Of Folk | PETER PAN SPEEDROCK Lucky Bastards Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: Soundtrack Into the Wild by Eddie Vedder | Neil Young Fork In The Road Das musst du erfahren haben: We are MOTÖRHEAD ... and we play Rock’n’Roll Hassenswert: Dass mittlerweile alle Vertragspartner in Sachen Medien & Kommunikation mafiöse Strukturen haben
Abel Gebhardt In der Anlage: LAMBCHOP Oh (Ohio) | V.A. - Dancehall-The Rise Of Jamaican Dancehall Culture | DEPECHE MODE Sounds Of The Universe Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: IGGY POP Preliminaires | V.A. - Trojan Roots Reggae Box Das musst du gesehen haben: BUBI ELEKTRICK Live / Video-Clip Hassenswert: Umweltpolitik in Deutschland, Hamburg speziell
Kay Werner In der Anlage: ALMOST CHARLIE The Plural Of Yes | DAMON & THE HEATHENS Sin Pablo Avenue | LJILJANA BUTTLER Frozen Roses Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: SONIC YOUTH The Eternal Specials | NOUVELLE VAGUE Bande À Part Das musst du erfahren haben: GEMA-Petition hat über 100.000 Unterstützer Liebenswert: Chrissie Hynde rockt mit 57
Myron Tsakas In der Anlage: PROPAGANDHI Supporting Caste | Perry Keyes Meter | Die Drei ??? Geisterstadt Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: GASLIGHT ANTHEM Sink Or Swim | BRUCE SPRINGSTEEN Working On A Dream Das musst du gehört haben: Afghanistan ist kein Krieg Hassenswert: Deutsches „Wir sind wieder wer“
Marcus Latton In der Anlage: THE GASLIGHT ANTHEM The ’59 Sound | THE MARS VOLTA Octahedron | FAMINE Every Road Leads Back Here Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: JOHN COLTRANE A Love Supreme | THE GASLIGHT ANTHEM The ’59 Sound Das musst du gelesen haben: „QQ“ von Max Goldt Liebenswert: London, Camden Town
Christian Meiners In der Anlage: AMERICAN FOOTBALL s/t | COALESCE Ox | DECEMBERISTS The Hazards Of Love Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: GHOST OF A THOUSAND New Hopes New Demonstrations | THIS TOWN NEEDS GUNS Animals Das musst du gelesen haben: Judith Hermann - Alice Hassenswert: Sibylle Weischenberg
Beware The Limits | ANNIHILATION TIME Tales Of The Ancient Age Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: NOFX Frisbee | NEIN NEIN NEIN Endstation Bullshit Das musst du gehört haben: Michael Jackson ist tot Liebenswert: Saufen mit PRESS GANG und IDLE HANDS
HOMOPOLICE Ass Fucker | HUNCHES Exit Dreams Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: INSECT WARFARE World Extermination | WOODEN SHJIPS Dos Das musst du gesehen haben: THE INTELLIGENCE live Hassenswert: Anything related to Michael Jackson
Zahni Müller
Arndt Aldenhoven
In der Anlage: ANTI-FLAG The People Or The Gun | MULETRAIN CrashbeaT | RIVERBOAT GAMBLERS Underneath The Owl Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: PROPAGANDHI Supporting Caste | NOFX Coaster Das musst Du gesehen haben: Trail Of Dead (gestern im Musikzentrum Hannover) Hassenswert: Atlantik-Brücke e.V.
In der Anlage: MÖTLEY CRÜE Greatest Hits | V.A - Flower Power | FAITH NO MORE King For A Day ... Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: SMASH MOUTH Fush Yu Mang | O.S.T. Reservoir Dogs Das musst du gesehen haben: Martyrs Hassenswert: Schwüles Sommerwetter
Tobias Weber In der Anlage: Fallout 3 Soundtrack | ANAAL NATHRAKH Satanarchrist | DISTEMPER ... ! Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: POOSTEW Struggle | CALL MCCLANE Demo Das musst du gelesen haben: BILL HICKS Love All The People Hassenswert: Die Klimaerwärmung
In der Anlage: MISERY INDEX Traitors | MOLOTOV SOLUTION The Harbinger | ICHOR The Siege Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: MARILLION Misplaced Childhood | ALEXISONFIRE Old Crows/Young Cardinals Das musst du gehört haben: SUICIDE SILENCE No Time To Bleed Hassenswert: Die gestrige Blattlaus-Invasion
Gina Schwarz
Matilda Gould
In der Anlage: SIVA. Same Sight New Lights | JACK PENATE Matinee | METRIC Fantasies Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: RILO KILEY Take Offs And Landings | BRIGHT EYES Lifted Das musst du gesehen haben: SIVA. Live. Unfassbar wundervoll. Hassenswert: 1Live Tagesrotation
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Timbob Kegler
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Christoph Parkinson
Christoph Schulz
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Ben Bauböck
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Mario Turiaux
Jens Kofoed-Pihl
In der Anlage: IDLE HANDS Volatile Matters | SHITTY LIMITS
In der Anlage: THE INTELLIGENCE Crepuscule With Pacman |
Christian Maiwald
Andreas Kuhlmann
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Lars Weigelt
Bernd Fischer In der Anlage: NOBUNNY | Raw Romance Tape | HEXTALLS Call It A Comeback | MARKED MEN Ghosts Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: ALPINIST minus.mensch | APACHE Boomtown Gems Das musst du gelesen haben: DANIEL EKEROTH Schwedischer Death Metal
Jürgen Schattner In der Anlage: SONNY VINCENT & ROCKET FROM THE CRYPT s/t | ATOM NOTES s/t | THE HEARTBURNS Fixin To Die Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: THE HOLD STEADY Stay Positive | NIGHT MARCHERS See You In Magic Das musst du gelesen haben: LOW DOWN - The Story of Wire Liebenswert: BIG JOHN BATES & THE VOODOO DOLLZ
Tobias Ernst In der Anlage: GALLOWS Grey Britain | DEFEATER Travels | GLASSJAW Everything You Ever Wanted To Know About Silence Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: STIGMA New York Blood | HAVE HEART What Counts Das musst du gelesen haben: JOHN SAVAGE Teenage. Die Erfindung der Jugend 1875 1945 Hassenswert: Kaffee ohne Milch
Carsten Hanke In der Anlage: GALLOWS Grey Britain | MOTÖRHEAD Iron Fist | GASLIGHT ANTHEM The ’59 Sound Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: PROPAGHANDI Supporting Caste DEVILS BLOOD Come Reap Das musst du gehört und gesehen haben: VINCENT PRICE unknown, occult blood metal Hassenswert: mein gebrochener Arm
Sebastian Wahle In der Anlage: PORTUGAL. THE MAN The Satanic Satanist | DARKEST HOUR The Eternal Return | WHITEST BOY ALIVE Rules Diese zwei Platten habe ich zuletzt gekauft: FILTHY DUKES Nonsense In The Dark | die neue DREDG Das musst du erfahren haben: Auch eine Holzvertäfelung macht keinen Finnland-Urlaub Hassenswert: Eine Wohnung voller Holzwände
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ATOMIC BITCHWAX
TAB4 CD | Tee Pee/Cargo | teepeerecords.com | 39:22 || Der Albumtitel „TAB4“ dieser amerikanischen StonerBand deutet selbstgerecht an, womit man es in den nächsten vierzig Minuten zu tun haben wird: mit THE ATOMIC BITCHWAXs Album Nummer vier. Das sind elf neue Songs, die im Gegensatz zu der Vergangenheit der Gruppe ähnlich konkret klingen wie der Albumtitel selbst. Aber vorweg: Wer steckt dahinter? Bassist/Sänger Chris Kosnik kennt man von GODSPEED. An den Drums begleitet ihn MONSTER MAGNETs Bob Pantella. Sein Kollege Ed Mundell ist nicht mehr an der Gitarre, dafür Finn Ryan von CORE. Also größere Namen, die sich hier anderweitig austoben wollen. Ein Einfluss ist RUSH, und da denkt sich der Musikliebhaber, dass TAB es einem nicht einfach machen werden. So auch die frühere musikalische Ausrichtung auf den drei Vorgängern. Die war alles andere als „normal“, denn die Alben waren mit überlangen Instrumentals oder mit seltsamen Soloinstrumental-Tracks gestreckt. Nun aber beweist das Trio, dass es auch anders kann. Dass es seinen Fokus auf gut funktionierende und größtenteils eingängige (Stoner-)Rock-Songs legt, die keineswegs anbiedernd oder kommerziell erscheinen, sondern ihre Integrität, ihre Kreativität und ihrem Drang nach Individualismus gerecht werden. (8) Arndt Aldenhoven
ANAAL NATHRAKH
grens „Self control“ überlagert werden. Die 13 Songs haben gute Momente, aber insgesamt ist mir das meiste zu verkopft, ja vielleicht zu musiktheoretisch. Kann, aber muss nicht gefallen. (5) Jürgen Schattner
ASSEMBLE HEAD IN SUNBURST SOUND
When Sweet Sleep Returned CD | Tee Pee/Cargo | teepeerecords.com | 40:44 || Stoner, Hardrock und Neo-Psychedelia sind wohl die Umschreibungen, die am besten zu ASSEMBLE HEAD IN SUNBURST SOUND aus San Francisco passen. Sie macht in dieser Hinsicht aber sofort sympathisch, dass sie größten Wert auf Vermeidung allzu klischeehafter Sounds legen, die damit oft einhergehen. Es gibt viele Bands, die einem zu diesem Thema einfallen, etwa PINK FLOYD, BLUE CHEER, CANNED HEAT, QUICKSILVER MESSENGER SERVICE oder 13TH FLOOR ELEVATORS, aber keine passt hundertprozentig auf AHISS. Und das betrifft ebenso die zeitliche Ebene, denn auch wenn ihr drittes Album „When Sweet Sleep Returned“ nicht den Einfluss von sonnigem, verpopptem und folkigem 60s Westcoast-Psychedelicrock verleugnet, klingt die Platte nicht wie eine reine Nostalgieveranstaltung, denn die rauhen, scharfkantigen Gitarrensounds stammen definitiv aus diesem Jahrzehnt. Großen Anteil an der Qualität dieser Platte hat auch der Kontrast zwischen eingängigen Harmonien und epischen Instrumentalteilen, die aber keinesfalls zielloses Jammen oder selbstzweckhaftes Gitarrengedudel sind, sondern gelungen in den Restkontext der Songs eingebunden sind. Die sind dicht und kraftvoll instrumentiert, klingen aber nie breiig – erneut fachmännisch produziert von Tim Green. Acidrock, der tatsächlich mal Substanz besitzt – eine angenehme Überraschung! (9) Thomas Kerpen
ASSOPHON
Sternenstaub CD | Nebula Fünf | nebula-fuenf.com | 32:23 || „Sieht aus wie’ne Deutschpunk-Platte“ denke ich, als ich mir das Artwork der CD näher anschaue. Cut&pasteSchriftzug, Schnipsellayout im Bravo-80er-Porno-Stil, das ist alles schon ganz amüsant. Gegen alle Erwartungen gibt es hier aber nicht irgendwas mit Gitarren, sondern die volle Ladung Elektro-Absurditäten. Billo-Gameboy-Sounds trashen mit Scooter-Dumpf-Techno und HeMan-Samples um die Wette, garniert mit Texten, die auch Andreas Dorau & Co. nicht hätten besser machen können. Wahrscheinlich ist die Platte dieses Stuttgarter Einzelkämpfers (nach eigenen Angaben halb Mensch, halb Autoscooter und somit einer der schwäbischen Transformers) auch die einzige auf dem Planeten, auf der gleichzeitig KNOCHENFABRIK und ASIAs „Heat of the moment“ gecovert werden. Beim ersten Hören bin ich wegen dieser wahren Trashlawine noch verwirrt, beim zweiten Anlauf hat diese Platte aber schon ein Plätzchen in meinem Herzchen sicher. Kommt mit crazy Palindrom-Spielzeit. (7) Timbob Kegler
AS YOU DROWN
Reflection CD | Metal Blade | metalblade.com | 34:12 || AS YOU DROWN aus Schweden machen Death Metal der unmelodischen Art. Ganz dem schwedischen Typus entrückt, knattert ihr Debüt „Reflection“ dick produziert und übellaunig nach vorn, dass insbesondere Freunde moderneren Metals ihre wahre Freude daran haben könnten. Obwohl man durchaus dem Oldschool zu frönen versucht, macht die gute, aber auch glatte Produktion hier aus alt definitiv neu. Das ist nicht verkehrt, denn musikalisch tanzt hier bei neun Songs der Fleischklopfer. Für ein Debüt sehr ordentlich! (7) Carsten Hanke
In The Constellation Of The Black Widow CD | Candlelight | candlelightrecords.co.uk | 34:31 || Dass ich vor meiner Anlage kniee und ehrfürchtig mein Haupt neige, passiert reziprok zum Lebensalter immer seltener, aber bei ANAAL NATHRAKH ist es beim dritten Release in Folge so. Die Herren Kenney und Hunt aka Irrumator und V.I.T.R.I.O.L. reißen mal wieder Genreschranken nieder und besetzen musikalisches Grenzland neu, wenn nicht sogar zum ersten Mal. Die musikalische Basis dieses unfassbaren Infernos ist von Kenney im Alleingang entworfener und exekutierter rasender Black Metal, der sich dieses mal häufiger Grindcore Marke NAPALM DEATH oder klassische NWoBHM-Melodien einverleibt. Aber ANAAL NATHRAKH erreichen nicht nur die Komplexität einer Band wie EMPEROR oder ARCTURUS, sondern haben noch eine Mischintoxikation aus LSD und Speed zu verdauen. Anders ist der Gesang von Dave Hunt, Sänger bei BENEDICTION, nicht zu erklären, der „In The Constellation Of The Black Widow“ erst zu einem irren Meisterwerk macht. Er faucht, kreischt, heult bis zum Exzess, nur um im nächsten Moment mit glasklarem Gesang den Songs eine abrupte Wende zu geben. Unfassbar gut. (10) Dr. Oliver Fröhlich
THE AUDITION
Self-Titled Album CD | Victory | victoryrecords.com || Das dritte Album einer Band wird ja gerne als ihr wichtigstes, stilprägenstes bezeichnet, warum auch immer. Im Falle von THE AUDITION scheint das allerdings, gerade vor dem Hintergrund, dass viele Bands aus dem Post-Emo/Pop-Punk-Bereich oft gar nicht über ihr Debüt herauskommen, für keinerlei Druck gesorgt zu haben, denn „Self-Titled Album“ (ja, das heißt wirklich so) ist mit Sicherheit ihr bis dato bester Release. Stilistisch ist eigentlich alles beim Alten geblieben, hochmelodischer und angenehm verspielter Pop/ Rock, irgendwo zwischen BAYSIDE, FALL OUT BOY und meinetwegen punkigeren MAROON 5, aber im Vergleich zu den vorherigen Alben wurde das Songwriting nochmal verbessert und sorgt so, unterstützt von illustren Gastauftritten von Alex Gaskarth (ALL TIME LOW) und Andrew McMahon (JACK’S MANNEQUIN) für ein extrem rundes und stimmiges Gesamtbild. (7) David Schumann
BBB BEAUTIFUL LIES
Yeah, Finally CD | Stargazer/Broken Silence | stargazerrecords. com | 49:37 || Erst das dritte Album schafft es in die OxRedaktion. So einer Band hätten wir längst Aufmerksamkeit schenken müssen. Schande! Was dieses Bostoner Quartett seit 2006 abliefert, ist die Renaissance des Indiepop und Alternative Rock der Neunziger. Songs wie aus einem Guss im Sinne von Größen wie WEEZER, VELVET CRUSH oder SUGAR. Gerade stelle ich mir einen hübschen Plot vor: Loser verliebt sich in die Highschool-Schönheit. Die wiederum hängt ab mit dem blonden Football-Trottel ... to be continued. Ich stehe voll auf diesen amerikanischen Mist, einfach und oberflächlich. Und den Soundtrack liefern BEAUTIFUL LIES mit ihrem Opener „The end“ mit den einleitenden Worten: „You’re an asshole“. Gemeiner kann eine so zuckersüße Aussage nicht sein. „A girl like Jenna“ erinnert durch den Keyboardsound an SPORTFREUNDE STILLER und WIR SIND HELDEN. Aber selbst Freunde dieser Bands werden mit BEAUTIFUL LIES ihre Freude haben. Etwas vermessen finde ich die Vergleiche mit JIMMY EAT WORLD und den FOO FIGHTERS im Band-
info. Auf die sind die Bostoner nun wirklich nicht angewiesen. „Yeah, Finally“ hat mit Hidden Track elf wunderschöne, mal mehr, mal weniger energische Popsongs zu bieten. Jedes Stück ein Highlight, ansonsten alles nur wundervoll erlogen. (8) Simon Brunner
BAD LUCK RIDES ON WHEELS
s/t CD+DVD | Wifagena | wifagena.com | 78:07 || Die nordostdeutsche Formation BAD LUCK RIDES ON WHEELS besteht aus Leuten, die auch an WOJCZECH, IDIOT SAVANT und WHO’S MY SAVIOUR beteiligt sind. Sie bewegen sich zwar nicht gänzlich weg von deren metallischem Hardcore- und Grind-Geballer, haben aber damit dann doch auch eher wenig zu tun. BLROW nutzen auch diese Pfade, gehen jedoch wesentlich subtiler zu Werke: Crust wird schick mit Doom verknüpft und mit einer leichten Death-Metal-Kante, einem latenten 70s-RockFeeling und streckenweise mit sludgiger Trägheit versehen. Daraus ergibt sich eine interessante Mischung, die zeitgemäß und relevant klingt, ohne dabei mit Trendanbiederung zu ekeln. Sechs der acht Album-Songs gibt es auf der DVD zusätzlich als Live-Versionen in Ton und Bewegtbild. Schick gemacht; ich ziehe meinen Hut! Konstantin Hanke
BANANE METALIK
Nice To Meat You CD | People Like You | peoplelikeyou.de | 38:57 || Die französischen Psycho-Gore’n’Roller BANANE METALIK gab es schon einmal von 1992 bis 1995. Dann waren sie zehn Jahre von der Bildfläche verschwunden, um ab 2005 die Bühnen der Welt wieder mit ihrem bunten Mix aus Horror, Theater, Punk und Psycho unsicher zu machen. Jetzt legen sie mit „Nice To Meat You“ ihr neues Album vor und dieses gefällt mir überraschend sehr gut. Die Songs sind deutlich schneller und punkiger, als dies bei Pychobilly-Bands sonst der Fall ist, und vor allem ist es der Charme des vermischt französisch-englischen Gesangs, der mich bei diesem Werk begeistern kann. Dazu kommt ein Sänger, der seine typischen Horrortexte so zwischen den Zähnen hervorschmirgelt, dass es eine Freude ist, diesem Reibeisen zuzuhören. Gut gefallen mir sowohl die Mariachi-Trompeten bei „Santa Muerta“ als auch die Geigen bei „Maniac“ und die allseits bekannte Zirkusmelodie bei „Le cirque des horreurs“. Diese Songs seien auch denen als Anspieltip empfohlen, die ansonsten nichts mit geslapten Bässen anfangen können. Ein rundum gelungenes Album also, das mir schlussendlich deutlich besser mundet, als das letzte Werk der Labelmates DEMENTED ARE GO!. (8) Christoph Lampert
BIG D AND THE KIDS TABLE
Fluent In Stroll CD | Side One Dummy/Cargo | sideonedummy.de | 55:19 || Mir scheint, als gingen BIG D AND THE KIDS TABLE vor jeder Produktion eines Albums zu Coaches, um sich dort beraten zu lassen, wie sie ihr Album dem aktuellen Trend anpassen können. Neben ihren Ska-Wurzeln haben sie hier vor allem partytauglichen und sehr modernen Soul, HipHop, Reggae, Swing und Jazz integriert. Cool finde ich, dass sich BIG D AND THE KIDS TABLE seit zwei, drei Alben neu erfinden und sich wenig wiederholen, ähnlich wie THE CLASH, die bei jedem Album ihren ganz eigenen Sound kreiert haben, aber deshalb auch nicht nur auf Gegenliebe stießen. Neben ihrem Debüt, das ja noch ein ganz anderes Ska-Genre bediente, ist „Fluent In Stroll“ definitiv das beste Album ihres 14-jährigen Bestehens. Dass es so klingt, wie es klingt, daran hat der Gesang zweier namenloser Damen großen Anteil, denen die Bezeichnung „Background“-Sängerinnen überhaupt nicht gerecht wird. Ohne die beiden wäre dieses Album nur halb so energisch. So gelingt es den Ladys, die noch nicht mal im Bandinfo oder auf irgendeiner Internetseite erwähnt werden, dass „Fluent In Stroll“ neben dem gehörigen MIGHTY MIGHTY BOSSTONES- und PIETASTERS-Touch auch ein kleines bisschen nach Gwen Stefani klingt oder einen Hauch CHUMBAWAMBA besitzt. Mit den genannten Größen hänge ich mich weit aus dem Fenster, aber diese unverkennbaren Parallelen gibt es nur durch die geballte Frauenpower. Allein schon wegen ihnen lohnt sich „Fluent In Stroll“. (9) Simon Brunner
BANKRUPT
Razor Wires And Neon Lights MCD | Bankrupt | bankrupt.hu | 12:31 || Die ungarischen Spitzen-Punkrocker BANKRUPT haben ein neues Lebenszeichen von sich gegeben, in Form einer Mini-CD. Und hier überraschen die Budapester mit rauheren, deutlich härteren Songs, als man es bisher von ihnen gewohnt. Zwar kommen die Melodien immer noch nicht zu kurz, aber insgesamt erinnert es eher an LIVING END oder PEACOCKS, als, wie noch zuletzt, an die RAMONES. Kurz und knackig, eingängig auf den Punkt, so soll Punkrock klingen. Und vor allem machen die sechs Songs auf „Razor Wires And Neon Lights“ Lust auf mehr. Ich würde mich aber auch mal über den einen oder anderen Song in ungarischer Sprache freuen, Englisch kann ja jeder. (7) Abel Gebhardt
BASTILA
s/t CD | Sunday Best | sundaybest.net | 42:39 || Nach den ersten beiden Titeln bin ich versucht, das Ganze unter Ska-Punk abzulegen, aber mit Ska haben die vier aus Großbritannien wenig am Hut: „No-one in the band really listens to ska, we’re more influenced by bands like THE STONE ROSES and THE BETA BAND, and we’re all massive fans of GOMEZ, the best British band of the last ten years“, sagen sie, und tatsächlich, es folgen neun weitere Titel zwischen Indie-Gitarrenpop, Powerpop und Bluesrock. Vielseitig sind sie und Songs wie „Come out and fight“ klingen zwar wie von GANG OF FOUR beeinflusster Rock mit Trompete, aber mir fehlt hier die Linie. (6) Kay Werner
BEHIND THE SCREEN
Dust CD | Myphonic/Phd | myphonic.com | 31:39 || Der anfängliche Schock darüber, dass der sechste Mann hier ein DJ ist, ließ zum Glück schnell nach, weil er recht selten in Erscheinung tritt und man sich ansonsten vorbildlich an EVERY TIME I DIE orientiert. Zehn Mal moderner Hardcore, der sich aber auf Distanz zum Metal hält und neben Stakkatogballer, Crew Shouts und hohem Tempo auch vereinzelt mal melodische Fragmente integriert. Auf Albumlänge verliert das zwar alles etwas an Fahrt, aber beachtlich ist „Dust“ allemal, besonders „Echoes“ fällt angenehm aus dem Raster und zeigt noch Potenzial für die Zukunft auf. (7) Thomas Eberhardt
BEN RACKEN
+ CD | myspace.com/benracken || Beurteile ein Buch nie nach dem Umschlag und eine CD nie nach dem Cover, auch wenn meistens ein Zusammenhang zwischen Artwork und Musik besteht. Die drei Herren in fortgeschrittenem (meinem) Alter täuschen das Auge, denn trotz freier Oberkörper gibt es keinen Muckibuden-Hardcore und kein Wechseljahretestosteron, sondern überraschend guten Punk, bei dem man nicht umhin kommt, den Namen einer Mönchengladbacher Band als Referenzpunkt zu nennen. Das Original bleibt zwar das Original (wer hat’s erfunden?), aber BEN RACKEN machen sich sehr gut zwischen den anderen EA80-Infizierten, ob sie nun DIE STRAFE, LSK oder wie auch immer heißen, außerdem machen sie nicht die Fehler der jüngeren Epigonen, eins zu eins klingen zu wollen oder zu viel Pathos aufzutragen. BEN RACKEN geben einfach so viel eigenes Profil dazu, dass es passt. Da ist noch ein bisschen Hamburg, ein wenig FLIEHENDE STÜRME mit im Spiel, außerdem macht das mitunter einfache Versmaß, auf das man in Magdeburg meistens nicht verzichten will, einen Unterschied. „Fluss“ ist ein verdammter Hit, auch sonst gibt es keinen Durchhänger, sondern bis auf das Cover (ein Punkt Abzug) eine sehr gute erwachsene Platte. Eine weitere Scheibe ist in Planung. Wo die Optimierungsmöglichkeiten liegen, sticht sofort ins Auge, alles andere kann so bleiben, ich bin jedenfalls gespannt und angenehm angetan. (8) Kalle Stille
BILLY TALENT
III CD | Warner | warnermusic.de | 54:13 || BILLY TALENT ist ja eine Band, die spaltet. Einfach eine gute Band, so die Meinung der einen, „Buuuh! Pop! Ausverkauf!“, schreien die anderen. Wahr ist, dass BILLY TALENT auf jeden Fall eine Band mit Wiedererkennungswert ist, allein schon aufgrund der einzigartigen Stimme von Sänger Ben Kowalewicz. Zu BILLY TALENT „III“ kann man vorab also schon mal folgendes sagen: Wer BILLY TALENT vorher schon nicht mochte, braucht sich das Album nicht anzuhören, aber wer die Band mag, könnte trotzdem überrascht sein. Wie das? BILLY TALENT geben auf ihrem dritten Album zwar auch wieder Vollgas, die Songs sind interessant gemacht, super gespielt und gut produziert, wie auch schon auf den Vorgängeralben. Allerdings wurde das Tempo heruntergeschraubt, wie man schon an der Vorabsingle „Rusted From The Rain“ hören konnte. Die Songs bleiben nicht, wie gewohnt, sofort im Ohr pappen, sondern entwickeln sich erst mit der Zeit, nach zwei- bis dreimaligem Hören. Es gibt hier keine offensichtlichen Hits wie „Try honesty“, „Devil in a midnight mass“ oder „Red flag“ und vielleicht wird das Album auf Grund mangelnder Catchyness nicht so hoch charten wie die Vorgänger (was der Band helfen könnte, sich von ihrem Ruf als Produktionsstätte für Mainstreamrock zu emanzipieren ...). Ein gutes Album ist es auf jeden Fall, es gibt seine Stärken eben nur nicht jedem auf den ersten Blick zu erkennen. (8) Nadine Maas
BLAKFISH
Champions CD | Hassle | hasslerecords.com | 42:00 || So richtig scheinen BLAKFISH aus Birmingham nicht zu wissen, was sie wollen. Anstrengen? Nein, denn dazu klingt ihr jazzigvertrackter Hardcore auf ihrem Debüt „Champions“ nicht krank genug, um mit THE LOCUST oder ähnlichen Kakophonisten mithalten zu können. Herausfordern? Das schon eher. Denn BLAKFISH brechen hier in der Tat mit genretypischen Hörgewohnheiten; klassische Strophe-RefrainSchemata werden bewusst ignoriert und eingängige Gitarrenriffs sucht man ebenso vergebens wie fließende Songübergänge. Was bleibt, ist der Groove. Und der hat es hier in sich. Da treffen lockere Funkakkorde auf krumme Taktarten und filigrane Schlagzeugsoli, nur um sich im nächsten Moment mit geballter Brutalität in gebrüllte Pseudo-
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/Top of ThE ox BOXHAMSTERS
Brut Imperial LP/CD | Unter Schafen/Alive | unterschafen.de | 40:42 || Der Punkrocker als solcher ist ja konservativ. Konservativ nicht im Sinne des CDU/CSU-Gesindels, sondern der Art, dass er eben „seine“ Bands findet, in jungen Jahren, und dann mit ihnen alt wird. Punkrock als Lebensentwurf, eine Band als Begleiter durch die Höhen und Tiefen, die bei so manchem mehr Bestand hat als andere Dinge im Leben, die gemeinhin als wichtiger erachtet werden, etwa Job oder Partner. So eine Band sind die BOXHAMSTERS, die mir einst von meinem guten Freund Reiner noch vor Gründung des Ox ans Herz gelegt wurden. Irgendwann das erste Konzert in Donauwörth, man lernte sich anlässlich eines Interviews kennen, und es folgten viele weitere – Interviews wie Konzerte. Lese ich über Menschen, die ihre Lieblinsgband schon fünfzig Mal gesehen habe, schüttle ich den Kopf über so viel beklopptes Fantum, doch rechne ich mal nach, komme ich auf locker so viele von mir besuchte Konzerte der Gießener – dafür reichen ja schon zwei bis drei pro Jahr. Total bekloppt! Aber dennoch: Das macht die BOXHAMSTERS zum Soundtrack meines Lebens, und dabei kenne ich noch nicht mal ihre Songtitel. Echt, die Lieder kenne ich, ich singe die mit (ähem ...), aber wie die heißen, muss ich immer mal nachschauen. So auch beim neuen Album: Im Studio gewesen, als das endgemixt wurde, verblüfft gewesen, wie anders das klingt als alles bisherige – und wie es doch wieder die Hamster sind, durch und durch, nur eben auf ihre alten Tage nochmal mit neuem Dreh. Unglaublicher Bass-Sound (jaja, die WIPERS), mit „Mogli“ und „Gottmodus“ zwei Songs mit beinahe sechs Minuten, zum Glück aber keine Rockoper von Rockopas. Und dann das Duett mit Eva von JULI. Ich kann die Band ja nicht leiden, aber wie die Co in diesem Lied den Kopf verdreht, das ist wundervoll, das coolste Duett seit Nancy Sinatra und Lee Hazlewood. Und die „Control“-Verarbeitung von „1982“, in der Alex Harvey stirbt und nicht Herr Curtis. Oder der Brüller schlechthin, „Der 3. Ton“, die Oi!-Gröl-Nummer, die so schrecklich ist, dass wir im Studio Champagner saufend Tränen in den Augen hatten vor Lachen – ach, die „Boxies“ (Tod den Band-Kosenamen!) sind einfach wieder wundervoll. Wer sie nicht versteht oder verstehen will: Fuck off and die! Ich entkorke jetzt erstmal eine Flasche „Brut Imperial“, frisch von der Tanke. (10) Joachim Hiller
CLUTCH
Strange Cousins From The West CD | Weathermaker | weathermaker.com | 45:05 || Das Groove-Rock-Fossil CLUTCH veröffentlicht dieser Tage sein neuntes Album auf dem eigenen Label Weathermaker. Die Band hat ihren auf den Vorgängeralben eingeschlagenen Weg zu den musikalischen Ursprüngen des Rock weiter fortgesetzt und präsentiert zehn Songs, die durch unglaubliche Lässigkeit und Unaufgeregtheit überzeugen. Mit jedem einzelnen Riff wird klar, dass hier vier Leute am Werk sind, die mehr als die Hälfte ihres Lebens zusammen Musik machen und sich blind verstehen. Sei es Drummer J-P Gaster, der mit dem verzerrtem Bass Dan Maines’ jeden Part ans Grooven bringt, oder die hocheffektive Gitarrenarbeit Tim Sults, der Blues und Hardrock zitiert, nicht zu vergessen die große rauhe Stimme des kleinen sympathischen Mannes am Mikro, der mehr Seele hat, als irgendeine polierte Soul-Tante jemals haben wird. Hier überzeugt jeder Song auf seine Weise, „50.000 unstoppable watts“ oder „Freakonomics“ rocken, „Abraham Lincoln“ ist düster und „Let a poor man be“ purer Blues. „Strange Cousins From The West“ gehört zu den großartigsten Scheiben der letzten Monate und jeder, der von CLUTCH noch nie gehört hat, sollte diese Bildunglücke schnell schließen. (10) Dr. Oliver Fröhlich
COALESCE
Ox CD | Relapse | relapse.com | 37:21 || Schon die letzte Platte „012:2“ war ein Brocken von einem Album, der mich damals stark in seinen Bann zog. Leider sollte danach ja für etliche Jahre Schluss sein mit den unglaublich großartigen COALESCE. Nun melden sie sich plötzlich wieder zurück und im Gepäck haben sie „Ox“, eine Platte, die neben dem fantastischen Namen vor allem eines bietet: unfassbar fantastische Musik! Ich muss bei jedem Durchlauf aufs Neue staunen, wie perfekt scheinbar absolut nicht zusammenpassende Stile zu einem großen Ganzen verquirlt werden, und das auch noch, ohne dass das Album irgendwie holprig und zerfahren wirkt. Hier trifft alles aufeinander: brutaler Hardcore im Newschool-Gewand, nicht minder brutaler Hardcore im Oldschool-Gewand,
einige Schlenker in Richtung Southernrock, Jazz, und gelegentlich erscheinen vor meinem geistigen Auge vier mittlerweile ganz schön in die Jahre gekommene Herren aus Birmingham, UK, die ihrerseits den Heavy Metal revolutionierten. Das alles erstaunlicherweise manchmal sogar innerhalb eines Songs. Normalerweise unmöglich, da noch eine Struktur zu erkennen, aber dennoch funktioniert es, was dieses Album jedes Mal aufs Neue beweist. COALESCE sind Meister ihres Fachs und zeigen sämtlichen Bands, die den Plan hegten, in ihre Fußstapfen zu treten, mal eben, wer hier der Chef im Ring ist. Da wird es verdammt schwer für die Kollegen von DILLINGER ESCAPE PLAN oder CONVERGE mitzuhalten, was einiges heißen soll, denn zumindest Letztgenannte sind schließlich im Grunde nicht minder fantastisch. Bleibt nun noch abzuwarten, ob das Bandgefüge stabil und COASLESCE uns auch noch eine Weile erhalten bleiben. Bekannterweise ist das mit Reunions ja immer so eine Sache. Bei einem derartigen Koloss von einem Album im Rücken dürfte das jedoch nicht sonderlich schwer werden. Sensationell! (10) Jens Kirsch
DEAR LANDLORD
Dream Homes CD | No Idea | noidearecords.com | 28:18 || Erst vorhin lief wieder ein unerträglicher neuer GREEN DAYSong im Radio, und ich frage mich, wer diesen Weichspülerkram noch ernsthaft mit dem Genre Punk in Verbindung bringt. Grausam, und nur weniger grausam sind die Blender RANCID, die auch jeder kritiklos abfeiert, obwohl sie dastehen wie der Kaiser in seinen neuen Kleidern. Aber warum ich mich so aufrege? Weil es ja aus den USA auch ganz wundervolle echte Punk-Platten gibt, die all das verkörpern, was man an oben erwähnten Bands vor 15 Jahren mal gut fand. Ich kann jedenfalls gut verstehen, warum Var von No Idea nach einem Konzert vor DEAR LANDLORD stand und sagte, er müsse unbedingt ihr Album rausbringen: „Dream Homes“ ist ein 14 Songs umfassendes Meisterwerk peitschenden, simplen Pop-Punks ohne Zuckerguss und Kitsch, sowas wie eine Mischung aus alten DILLINGER 4 und SCREECHING WEASEL, gepaart mit etwas Streetpunk und rauhen Vocals in bester No Idea-Tradition. Ein Feger von einem Album, Vollgas-Punk mit simplen Melodien und smarten Texten („Whiskey and records“), gespielt von Leuten aus Minneapolis, die auch bei RIVETHEAD und THE COPYRIGHTS spielen. Eine makellose Scheibe, auf der in jeweils zwei Minuten alles gesagt wird, was zu sagen ist. Punk braucht keine Opern und Konzeptalben. (9) Joachim Hiller
MAD MONKS
Flying Circus CD | ANR/Broken Silence | anrmusic.org | 47:22 || Ich habe mir wirklich alle Mühe gegeben, die MAD MONKS doof zu finden. Ich habe einen äußerst schlechten Tag, gerade wirklich überhaupt keine Lust auf Ska-Punk und tierisch Bock mal so richtig über jemanden herzuziehen. Aber, nein, die MAD MONKS müssen ja geradezu penetrant alles richtig machen. Ich wollte ihnen zuerst vorwerfen, dieser rauhe Gesang sei unelegant und machistisch, aber sie grooven gleichzeitig so derbe, dass gerade aus dieser Kombination die geschmacklich perfekte SkaPunk-Würze rieselt. Dann wollte ich sie von der anderen Seite packen und ihnen nachweisen, dass sie dafür nicht kräftig genug auf die Punk-Pauke hauen könnten. Aber auch dieser Versuch stand von Anfang an auf wackeligen Beinen und brach spätestens mit dem Gänsehaut-Skatepunk-Chor von „The black monk returns“ aufs Peinlichste in sich zusammen. Na okay, dann haben sie eben eine ziemlich gute Rezeptur gefunden – aber die wird doch auch irgendwann eintönig, nicht? Würde sie vielleicht, aber nicht, wenn man noch mal eben Mariachi-Sounds dazwischen schmeißt, wie sie die VOODOO GLOW SKULLS in ihren besten, ruhigen Momenten nicht schicker hinbekommen hätten, oder kämpferische Blechhymnen, nicht schlechter als die der alten CATCH 22. Und, meine Güte, zugegeben, das Artwork ist ebenfalls toll und im Booklet befindet sich auch noch ein netter, achtseitiger Comic. Sonst noch was? Ach so, man kann das ganze Album alternativ auch kostenlos auf eurer Homepage herunterladen? Ey, haut doch ab, ihr Streber. (9) Ferdinand Praxl
MARK & THE SPIES
Give Me A Look LP | Screaming Apple/Cargo | screamingapple.de | 35:20 || Schade, denen ist offenbar der Tastenmann abhanden gekommen. Denn gerade das REMAINS-artige E-Piano zog sich wie ein roter Faden durch die ersten Platten des Neo-Nederbeat-Ensembles, welches mich seinerzeit mit der Debütplatte umboxte wie selten etwas zuvor. Aber zur Entwarnung: „Give Me A Look“ folgt der bewährten Formel des Erstlings, ist ein ganz und gar stimmiges, modernes, aber auch authentisches Album randvoll mit wunderschönen Melodien, Harmonien wie vom Zuckerbäcker und einem außerordentlichen Gespür für präzise, prägnante Kompositionen mit Hitqualität. GOLDEN EARRING oder auch die ZOMBIES gingen ähnlich entschlossen und ausschließlich auf brillantes Songwriting fokussiert zu Werke. Und genau wie diese können MARK & THE SPIES stolz darauf sein, nicht einen einzigen mittelmäßigen oder mangelhaften Song auf dem Album zu haben. Hier gibt es ausschließlich Songs, die im allerobersten Qualitätssegment liegen. Ein Riesenlob für soviel Konsistenz. Nur eines am Rande: Was für ein unglaublich schnarchlangweiliges Coverartwork! Das lässt leider (auch aufgrund des völlig ungeeigneten Bandfotos) nicht im Geringsten erahnen, was für eine Riesengranate von Platte in dieser Hülle steckt. (9) Gereon Helmer
das glauben macht, ist das Album nicht – oder irgendwie doch. Der letzte Track wartet noch mit 30 Minuten echten Kaminfeuers auf: Wer seine Ohren nicht durch zu viele zu laute Konzerte versaut hat, kann es leise knacken hören im Kamin von Herrn Ragan. (8) Joachim Hiller Auf der Ox-CD zu hören.
TOXPACK
Epidemie CD | People Like You | peoplelikeyou.de || Das giftige Pack ist zurück und veröffentlicht seinen fünften Longplayer, als Einstand auf People Like You Records. Und allen Befürchtungen, die mehr oder weniger offen kursierten, gleich entgegen geschrieen: TOXPACK sind in Höchstform, liefern ein verdammt geiles Album ab und haben ihren Stil, den sie immer noch (berechtigt) Streetcore nennen, ohne groß erkennbare Zugeständnisse an Massenkompatibilität beibehalten. Sänger Schulle schreit seine Wut immer noch gekonnt brachial, aber etwas melodischer heraus, und wer schon immer Parallelen zu den Frankfurtern oder TROOPERS ziehen wollte, wird sie auch hier erkennen wollen. (Und die Vergleiche sind meiner Meinung nach immer noch genauso falsch und dumm.) Die musikalische Bandbreite aus Oi!, Metal, Hardrock-Elementen und Streetpunk bis Hardcore funktioniert tadellos. Déjà-vu-Momente bei Soli, Refrains oder den Gitarrenriffs an große Namen gibt es zuhauf und eine Aufzählung erspare ich mir und euch. Diese Versatzstücke klingen aber nicht langweilig abgekupfert oder gar berechnend auf Erfolg inszeniert, sondern als perfekt gefüllter Baukasten, wo eben ein Holzklötzchen auf das andere gesetzt ein musikalisch stimmiges Bauwerk ergibt. Oder wie es die Band auf dem besten Song des Albums klarstellt: Das bin „100 % ich“. Denn auch auf früheren Scheiben hat die Band sich in Erfüllung eines persönlichen Traum stets „Promis“ ins Studio geholt. Warum also diesmal nicht auch wieder, und mit DISCIPLINE- und PRO-PAIN-Bandmitgliedern gibt’s hier auch die richtigen Kaliber. Erstaunlicherweise finde ich diese beiden Songs im Vergleich zum grandiosen Rest aber eher schwächer – zusammen mit dem einzig wirklichen Ausfall der Scheibe, nämlich der nervigen „Hey hey hey“-Refrain-Übertreibung bei „Was gestern war“. Einzig hier könnte man wirklich auf belangloses Onkelz-Repertoire tippen. Alles in allem sind die 13 Songs neben dem „Aggressive Kunst“Album definitiv das Beste, was TOXPACK je gemacht haben und dürfte nicht nur bei mir für Begeisterung sorgen. Gratulation, TOXPACK, damit habt ihr die derzeit grassierende Street/Deutschrock-Epidemie mit drittklassigen Bands gnadenlos weggeimpft – die Scheibe ist ein Knaller! Und eine persönliche Anmerkung zum Schluss sei gestattet: Ich gönne euch den hoffentlich kommenden Erfolg, trotz ... ihr wisst schon. (9) Christian Fischer
GHOST OF A THOUSAND
New Hopes, New Demonstrations CD | Epitaph | epitaph.com | 34:49 || Es grenzt ans Paradoxe, dass die GALLOWS und ihre Busenfreunde GHOST OF A THOUSAND in England einen Hype ausgelöst haben, der seinesgleichen sucht: Auf der einen Seite zieren sie Titelblätter einschlägiger Rockmagazine, treten im TV auf, heimsen Musikpreise ein und und und. Auf der anderen Seite spielen beide Bands einen Sound, der sich kommerziell eigentlich gar nicht vermarkten lassen dürfte. Warum es dennoch so gut funktioniert? Ich weiß es nicht. Wohl aber, dass „New Hope, New Demonstrations“ ein extrem starkes Punkrock-Album ist. Und ja, GOAT und die GALLOWS haben eine gewisse Ähnlichkeit, sie trennen aber auch wichtige Unterschiede. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass beide Bands ähnlich wie frühe BRONX und THIS IS HELL klingen sowie 80er Hardcore-Einflüsse haben. Die Unterschiede sind aber, dass die GALLOWS mit ihrer blanken Wut an die niederen Instinkte appellieren – GOAT sind da viel intimer, subtiler und musikalisch versierter. Sehr persönliche Texte, melodisch-verschwurbelte Soli („Knees, toes, teeth“) das Ineinandergreifen von Pop und brachialen HC-Einflüssen („Nobody likes a hero“) oder psychisch schwerwiegende Midtempo-Brocken („Good old fashioned loss“) sucht man bei den GALLOWS vergeblich, diese Elemente machen GOAT aber einzigartig – und überdurchschnittlich gut! (8) Lauri Wessel
TRAINWRECK
CHUCK RAGAN
Gold Country CD | Side One Dummy/Cargo | sideonedummy.de | 70:23 || Ein schöner Albumtitel, den sich der Ex-undwieder-Frontmann von HOT WATER MUSIC da ausgesucht hat: Einerseits eine durchaus passende Beschreibung des musikalisch Gebotenen, zum anderen einfach nur der Name des Heimat-Landkreises von Chuck, der ja vor Jahremn schon das heimische Florida gen Nordkalifornien verlassen hat. Ragan war vor Jahren einer der ersten Punkrocker, die ihr gewohntes Terrain gen Akustik-Klampferei verließen, um das mal etwas despektierlich zu formulieren. Nicht jeder, der das heute tut, sollte das auch tun, aber Chuck Ragan hat die Stimme und das Songwriting dafür, und hier und da von leisem Schlagzeugspiel, Akustik- oder Slideguitar, Bass und Fiedel begleitet, macht er heute uramerikanische Volksmusik jenseits kommerziellen Kitsches. Seine Stimme bleibt meist entspannt, was ihr gut tut, brüllen soll er besser bei seiner anderen Band, weshalb die Stücke bei aller textlichen Engagiertheit nie wütend wirken – man möchte ihm zuhören, man sollte ihm zuhören, weshalb mir auch immer noch die Galle hochkommt bei der Erinnerung an den ignoranten, die Fresse nicht halten könnenden Dummpöbel bei seinem letzten Konzert in Düsseldorf. Hatte sein HWM-Kollege Chris Wollard mit seinem kürzlich erschienenen Soloalbum gleichgezogen, hat jetzt Chuck wieder leicht die Nase vorn. Ein sehr angenehmes Werk – und bitte, keine Nachahmer, die nicht mindestens genauso gut sind. Übrigens: So lang, wie die Spielzeit
Of Concrete Canyons And Inner Wastelands LP | Adagio 830 | adagio830.de | 23:19 || Wären TRAINWRECK ein Mensch und wärst du dieser Mensch, dann wärst du ein Straßenarbeiter auf der A5 FrankfurtBasel. Sommerferien. Alle Familien fahren gen Süden in den Urlaub. Gefühlte 60 Grad im Schatten. Vor dir heißer Teer, den du oberkörperfrei zur Fahrbahn modellierst. Dann: Du bist einen Moment unachtsam. Drehst dich um und ... Zack! Eine 100-Tonnen-Planierraupe überrollt dich, macht dich mit dem tausend Grad heißen Teer dem Erdboden gleich. Und genau in dem Moment deines letzten Augenaufschlages, als du denkst, dass du mit dem Teer verschmilzt, genau da kommt die rettende Hand und holt dich raus und gibt dir neue Hoffnung. So ist es, so sind TRAINWRECK und so ist auch „Of Concrete Canyons And Inner Wastelands“. Die Band, die weniger zu schlafen scheint als Al Pacino in „Insomnia“ und Christian Bale in „The Machinist“ zusammen, macht wieder mal alles richtig. Denn auch die neuen Songs sind so unglaublich hart, gehen nach vorne, schneiden Glas und sind trotzdem nicht nur schnell und brachial, sondern auch schleppend, moshend, rollend und vor allem sowohl lyrisch als auch musikalisch weiter super emotional. Diese Emotionalität gipfelt in „Dem Staub keine Träne“, mit dem sich TRAINWRECK ein deutsches Screamo-Denkmal setzten (Screamo im Sinne von Screamo und nicht Metalcore mit Zuckerstimme in der Hook). Im Großen und Ganzen gibt es etwas mehr Melodien und Tiefe als bei den Releases davor. Was gleich bleibt, ist diese typische dreckige, rauhe Produktion und die teilweise deutschsprachigen Textpassagen. Abgerundet wird das Ganze von einem HammerLayout und Linernotes. Absoluter Volltreffer. (9) Michael Echomaker
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Hooklines aufzulösen. Dennoch klingt es, als hätte hier eine Band ihr Potenzial noch nicht ganz ausgereizt. Statt nachhaltig zu faszinieren, klingen BLAKFISH auf ihrem ersten Langspieler leider zu ziellos und an manchen Stellen zu wenig auf den Punkt gebracht. Dennoch darf man gespannt sein, ob die Band bei ihrem zukünftigen Material dieses Defizit ausgleichen kann. Zuzutrauen wäre es ihr allemal. (7) Marcus Latton
BOOZE BROTHERS
Rock’n’Roll Mutiny CD | Wolverine | wolverine-records.de | 28:58 || Würde ich auch nur drei Minuten so „singen“, wie Dave Head von den Heinsberger BOOZE BROTHERS es tut, ich wäre so heiser, das ich nur noch mit Handzeichen kommunizieren könnte. „Rock’n’Roll Mutiny“ ist der zweite Streich des 2005 gegründeten Fünfers, der seit dem Debüt doch erheblich zugelegt hat und sich heute als grölige Band zwischen Streetpunk-Attitüde, irisch-folkigen Einsprengseln, BONES-Rock, Psychobilly und KINGS OF NUTHIN’ präsentiert. Positiv fällt das Honkytonk-Piano auf, dass immer wieder mal dazwischenklimpern darf und einen guten Gegensatz zum rauhbeinigen Gesang darstellt. Textlich sind die BOOZE BROTHERS zum Glück subtiler, als es der Name vermuten lässt: Sauftexte sind ihre lyrischen Ergüsse nur am Rande, es sind eher die klassischen Rock’n’Roll-Verlierergeschichten. Der Soundtrack zum gepflegten Umtrunk, als Zwischengang nach DROPKICK MURPHYS und vor FLOGGING MOLLY. Joachim Hiller Auf der Ox-CD zu hören.
BLACKMAIL PARADE
s/t CD | Myphonic/Phd | myphonic.com | 27:30 || Im Vergleich zu den anderen Myphonic-Veröffentlichungen müssen sich die ehemaligen JOLLY GOOD MEAL definitiv mit der Position des Schlusslichtes zufrieden geben. Grund hierfür ist einmal das heisere, nervtötende Gekeife von Michele De Francesco und andererseits das übermotivierte Gitarrengeschrammel, welches zwar geschäftig wirkt, aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Songstrukturen nicht die Stärke der Band sind. Breiten wir besser den Mantel des Schweigens darüber. (4) Thomas Eberhardt
BLACKOUT
The Best In Town CD | Epitaph/Indigo | Epitaph.com | 34:20 || Es gibt gewisse Dinge, die glaubt man Bands einfach nicht! Zum Beispiel, wenn sie wie BLACKOUT in ihrer Bandbio angeben, diverse Labels hätten ihnen eine Milliarde (!) Pfund für einen Vertag geboten. Die habe man aber abgelehnt und lieber bei Epitaph unterschrieben, weil „it feels warm and cozy“. Bei solchen Statements bekomme ich Schüttelfrost und bei „The Best In Town“ wird mir kaum wärmer. Denn auch wenn das Album sicherlich okay geht, ist es am Ende des Tages ein Standardalbum, wie es von AIDEN,THE USED, SAOSIN oder irgendeiner anderen Emo-Screamo-Band hätte kommen können. (6) Lauri Wessel
BORN OF SIN
Imperfect Breed Of Humanity CD | Unexploded | unexplodedrecords.com | 35:42 || Schwedischer Death ist ja nichts Neues und auch BORN OF SIN kochen Feinde und Christen nur mit Wasser. Musikalisch und geografisch in der Nähe Göteborgs angesiedelt, haben die geborenen Sünder einen gewissen Grad an Härte, ohne gänzlich auf Melodien zu ver-
zichten. Immer wieder klingen die Übergroßväter AT THE GATES durch, deren Genialität und Eingängigkeit erreichen BORN OF SIN aber nie. Was man der Band trotz einer gewissen Gleichförmigkeit im Laufe von „Imperfect Breed Of Humanity“ nicht absprechen kann, ist die Tatsache, dass sie ordentlich Drive hat und sich damit von einem ganzen Haufen ähnlich gelagerter Bands positiv absetzt. Für ein Debütalbum sehr ordentlich und mit einer Menge Potenzial. (6) Dr. Oliver Fröhlich
Hörer trifft die volle Wucht aus zelebriertem Weltschmerz, dunkler Romantisierung und plakativer Dramaturgie. Man darf das Album gerne hören, nachdem der Rotwein und das gepflegte Wimmern des Dramaqueen-Duetts Nick Cave und Blixa Bargeld im großartigen „The weeping song“ eine solide Stimmungsbasis dafür geschaffen haben. Schönes melancholisches Album mit einem aufwändigen mit zahlreichen Holzschnittdrucken versehenen Artwork. (8) Markus Kolodziej
BIG BUSINESS
PETER BRODERICK
Mind The Drift CD | Hydra Head | hydrahead.com | 34:45 || Schlecht waren sie nie, die Alben von Jared Warren und Coady Willies, die, 2004 gegründet, in den ersten vier Jahren als Duo spielten und seit März 2008 als Trio unter dem Namen BIG BUSINESS antreten und seit 2006 zu 50 % die Belegschaft der MELVINS stellen. Doomiger, sludgiger Rock war von jeher ihr Ding, doch mit der Hinzunahme von Toshi Kasai als Gitarrist wurde der Sound der in Los Angeles ansässigen Band nochmal umgekrempelt: düster und wuchtig sind BIG BUSINESS immer noch, aber ihr Sound ist als Trio dichter geworden, psychedelischer und komplexer, und „Mind The Drift“ – das Artwork des aus dicker Pappe hergestellten Booklets besticht durch eine bis ins Detail durchgezogene Postkarten-Thematik – begeistert durch einen mitreißenden Groove, ist ein seltsamer Crossover aus MELVINS, BLACK SABBATH und NOMEANSNO. Einmal mehr erweist sich Bassist Jared Warren als Ausnahmesänger (Drummer Willis ist für „Screaming“ zuständig), mit einer sehr markanten, rauhen und zugleich hohen Stimme – faszinierend! BIG BUSINESS sind hier vielschichtiger als zuvor, wie man etwa bei „Ayes have it“ hören kann, einem ruhigeren, mit Orgelklängen gepimpten Song, der beinahe schon Pop ist. Eine höchst variable Band, und wenn Warren und Willis sich stärker bei den MELVINS einbringen dürfen, könnte auch deren nächstes Album eine Überraschung werden. (9) Joachim Hiller
BROKEN RECORDS
Until The Earth Begins To Part CD | 4AD | 4ad.com | 41:38 || Eine große Affinität zum Drama, zur Nostalgie und schwelgerischen Tiefe ist den Schotten nicht abzusprechen, was ihren Sound mitunter nahe in Richtung THE NATIONAL, CALEXICO und NICK CAVE & THE BAD SEEDS (insbesondere was einige Arrangements zu Zeiten von Caves „The Good Son“Album anbelangt) rückt. Rory Sutherlands Art und Weise, die Violine zu spielen, erinnert stark an Warren Ellis bei den BAD SEEDS und den DIRTY THREE. Das Debütalbum der Schotten brilliert mit gekonntem orchestralen BreitwandFolkrock und lässt die großen Gesten und Deutungen in den Songs nicht aus: „If the news makes you sad, don’t watch it / If Eilert Loevborg wrote a song, it would sound like this“. Der Verweis auf den Protagonisten aus dem literarischen Monolithen „Hedda Gabler“ von Henrik Ibsen lässt erahnen, dass die Inspirationsquellen der Band denen des geschulten Bibeldeuters Nick Cave ähnlich sind. Den
Falling From Trees CD | Erased Tapes/Indigo | erasedtapes.com | 28:49 || Schön, im umfangreichen Info zu lesen, was der mittlerweile in Dänemark lebende Amerikaner Peter Broderick schon so alles gemacht hat, aber was hilft’s, wenn bisher dennoch kaum jemand von ihm gehört haben dürfte. Dabei spricht seine Musik durchaus für sich, Neo-Klassik-Kompositionen mit Postrock-Feeling, irgendwo zwischen Micheal Nyman und den RACHEL’S, basierend auf Piano- und Streicherklängen. Mit knapp 30 Minuten eine recht kurze Angelegenheit für so eine Art von Musik, die aufgrund ihres abstrakten und rein instrumentalen Charakters normalerweise recht ausufernd sein kann, und die Broderick für ein Londoner Tanzstück aufgenommen hat. Wunderschön emotionale und melodische Musik an der Schwelle zu Ambient, aber deutlich nach Prinzipien der Klassik arrangiert, bei der Broderick mit äußerst reduzierten Mitteln zu erstaunlich akzentuierten Ergebnissen kommt, weshalb man sich letztendlich doch wundert, warum man von diesem talentierten Musiker bisher noch nichts gehört hat. (8) Thomas Kerpen
nen Metal(core)-Sektor aber durchaus für einiges Aufsehen sorgen dürfte. Vor allem, weil es eigenständig ist und im Gegensatz zu all seinen Vorgängern eines vorweisen kann: die Wiedererkennbarkeit jedes einzelnen Songs. Ich bin positiv überrascht. (8) Andreas Kuhlmann
BURNING FICTION
Don’t Lose Touch CD | Pee | peerecords.com | 28:05 || Dieser Fünfer aus dem australischen Perth setzt sich aus Mitgliedern ehemaliger Ska-Punk- und HC-Bands zusammen. Glücklicherweise nimmt man die Ska-Einflüsse bei BURNING FICTION nur bedingt wahr. Hier wird einem feiner melodischer Punkrock mit ordentlichem HC-Touch geboten, der an Bands wie LAGWAGON, PROPAGANDHI oder A WILHELM SCREAM erinnert. Und auch wenn die ganz großen Momente auf diesem Longplayerdebüt noch fehlen: jedem, der etwas mit den oben genannten Bands anfangen kann, sei auch BURNING FICTION ans Herz gelegt. (7) Tim Masson
ccc CANDY NOW!
Up The Irons CD | myspace.com/thebuccaneers77 | 34:50 || Beim ersten Anspielen dachte ich, Bier-Tom von SCRAPY hat was Neues am Start, aber zwischen THE BUCCANEERS und SCRAPY scheint es keine Verbindung zu geben. „Up The Irons“ ist das erste Album der Oberpfälzer/Niederbayern, nachdem 2007 bereits eine EP erschien. Musikalisch findet man eine Lücke zwischen REAL McKENZIES und DROPKICK MURPHYS mit abwechslungsreicher Gitarrenarbeit und einem Schuss Streetpunk. Die Texte sind mir allerdings zu konservativ und der Schlagzeug-Mix ist verbesserungswürdig. Mit zwei Promille ist das alles aber nicht mehr so wichtig, und ist „Up The Irons“ für ein trinkfreudiges Gelage bestens geeignet, denn an den Singalongs scheitert die Platte ganz bestimmt nicht. Simon Brunner Auf der Ox-CD zu hören.
s/t CD | Greedy Worldwide/MVD Audio | greedyworldwide.com | 32:42 || DWARVES-Fans aufgepasst! Blag Dahlia hat mit einem neuen Nebenprojekt ein Album auf den Markt geworfen: CANDY NOW! heißt es, und der Name ist Programm. Wer den DWARVES-Sänger kennt, der weiß vermutlich um sein Faible für Bubblegum-Pop und wird sich nur wenig über dieses Album wundern, dafür um so erfreuter darüber sein. Das Album ist voll mit Pop zwischen B52’s-artigem Pop’n’Roll, 70er Jahre-Lounge und Disko-Sounds, kombiniert mit Rock und Country. Hier findet, wie schon im DWARVES-Universum, alles an musikalischen Elementen aus achtzig Jahren Popgeschichte seinen Platz und dank der Stimme von Angelina Moysov (PENELOPE’S BEES) einen ganz eigenen Charme. Das Ganze natürlich mit den, ich möchte mal sagen, Dahlia-üblichen charmanten Texten und zahlreicher Unterstützung verschiedener Musiker, wie zum Beispiel Nash Kato oder Hewhocannotbenamed. Als kleines Extra gibt es noch zwei Blag Dahlia-Solostücke: Das an Monthy Pythons „Always look on the bright side of life“ erinnernde „He who laughs last“ und das schon auf seiner MySpaceSeite veröffentlichte „Bitch I love you“. Ein Must-have für DWARVES-Fans und eine lohnenswerte Anschaffung für Freunde des schmissigeren Rocks. (8) Nadine Maas
BURY YOUR DEAD
MICHAEL CARPENTER
BUCCANEERS
It’s Nothing Personal CD | Victory | victoryrecords.com | 48:27 || Das, wofür BURY YOUR DEAD bisher gestanden haben, lässt sich locker mit einem Wort umschreiben: Mosh. Alles in allem war jeder Song, jedes Album seit „Cover Your Tracks“ auf nichts anderes als die unvermeidlichen, allgegenwärtigen Mosh-Parts ausgerichtet. Was sich inzwischen krass geändert hat. Myke Terry hat sich nach seinem Einstand auf dem letztjährigen, sterbenslangweiligen selbstbetitelten Album endlich ordentlich eingelebt und shoutet nicht mehr simpel im Stil seines Vorgängers, sondern zeigt, dass er ganz hervorragend clean singen kann. Daraus resultiert – gemeinsam mit den auch sonst wesentlich abwechslungsreicheren, melodischeren Songs – ein Album, das zwar kaum noch etwas mit Hardcore zu tun hat, im moder-
Redemption #39 CD | Big Radio | bigradio.com.au | 39:48 || Schon wieder, genau genommen zum achten Mal, hat Michael Carpenter ein Album komplett im Alleingang aufgenommen. Normalerweise sind solche Einzelkämpfermissionen ja eher was für Leute ohne Freunde, die einfach keine Band mehr auf die Beine stellen können oder wollen. Bei Michael Carpenter aus Sydney sieht es anders aus. Ob mit den CUBAN HEELS oder den FINKERS, Carpenter war immer auch ein guter Teamplayer, der an Bass und Schlagzeug ebenso talentiert und unverwechselbar wie an sechsoder zwölfsaitigen Gitarren elektrischer oder akustischer Art. Auf „Redemption #39“ verarbeitet Michael Carpenter nun eine Art von Midlifecrisis, die ihn mit 39 Jahren wohl ganz tüchtig gepackt hat. Und das kann er nun am
/SINGLES A MODEST PROPOSAL
Songs On 33 7“ | Lolila | lolilarecords.de || Bei den meisten Bands ist es ja so, dass die frühen Platten die besten sind, weil die noch jungen Musiker einfach unbekümmert drauflos spielen, anstatt sich zu viele Gedanken über ihre Musik zu machen. Späterer Output wirkt oft bemüht und langweilig. Ganz anders A MODEST PROPOSAL, bei denen man sagen darf: das Beste kommt zum Schluss! Auf ihrer auf 500 Exemplare limitierten Abschiedssingle haben sie die vier besten Songs aufgenommen, die der Fünfer je geschrieben hat. Herausragend ist das mit deutschem Text versehene „Potenziell unsterblich“. Schade, dass Sänger Pascal das Mikrofon und die Bühne jetzt freiwillig (?) gegen einen Kinderwagen austauscht. Alter, das wird dir noch verdammt leid tun. Und glaub’ mir, ich weiß, wovon ich hier schreibe! (9) Guntram Pintgen
AUTISTIC YOUTH
I Want To See Every Tower Fall 7“ | Rock Bottom | myspace.com/rockbottomwrex || Unglaublich produktive Band, die immer noch nach den von mir hoch geschätzten STICK & STONES und klassischem 80er Hardcore-Punk klingt, nur ohne dessen Produktionsschwächen. Vier gute Songs, schöne Textbeilage mit Farbposter auf der Rückseite, es bleiben keine Wünsche offen! (8) Kalle Stille
BARRAKUDA McMURDER
Slow Crawl 7“ | House Party/P.Trash | ptrashrecords.com || Soweit ich hier durchblicke, ist diese „Band“ das Baby von STEINWAYS-Frontmann Grath Madden. Der hat allein zu Hause vier hübsche kleine Pop-Punk-Nummern geschrieben und Chris Pierce (DOC HOPPER, GROUCHO MARXISTS) und Matt Lame dazu gezwungen, ihn bei den Aufnahmen an Schlagzeug und Bass zu unterstützen. Wer die STEINWAYS und New-Jersey-Punkrocker wie die ERGS! oder MEASURE [SA] mag, liegt hier natürlich vollkommen richtig. Knackige Songs, tolle Melodien, rotzige und bittersüß-ironische Herzschmerz-Lyrics: das passt, von vorne bis hinten. (8) Bernd Fischer
BIBLE OF THE DEVIL / BLADE OF THE RIPPER
Split 7“ | Scarey | scareyrecords.com || BLADE OF THE RIPPER um Adam Neal (ex-NASHVILLE PUSSY) legen mit „Cast me in the fire“ einen weiteren Klassesong im Stil ihres „Taste The Blade“-Debüts vor, der im weitesten Sinne als Metalpunk durchgeht und trotz mangelnder Innovation einfach Laune macht. BIBLE OF THE DEVIL auf der Flipside schlagen in die gleiche Kerbe und rumpeln mit „Hot deth“ derart räudig drauflos, dass es eine wahre Freude ist. (7/7) Guntram Pintgen
BLACK MAMBO
Soul Punk Rebel 7“ | Bad Oxygen | [emailprotected] || Das „Vastavirta“ ist ein wichtiger Treffpunkt der Punks in Tampere, Finnland, und da sind auch BLACK MAMBO zu hause, die sich redlich bemühen, so zu klingen, als seien sie eine englische Band von Ende der Siebziger, die gerade in Finnland tourt. THE CLASH lassen grüßen, auch Joe Strummers Solo-Schaffen, die Dänen THE MOVEMENT – ja, die Richtung stimmt. Allerdings sind die Songs zwar
recht ausgereift, weniger aber der etwas wackelige Gesang – das gibt Punktabzug. Dennoch sollte man die Band im Blick behalten. (6) Joachim Hiller
BOSS MARTIANS
Out Of Time Again 7“ | Still Unbeatable | still-unbeatable-records.de || Still Unbeatable ist ein neues, cooles Label aus Neuwied, auf dem sowohl aktuelle Bands veröffentlichen wie Rereleases erscheinen. Unter der Katalognummer SUR004 (dreistellig, man hat sich also was vorgenommen!) gibt’s zwei neue(!) Songs der BOSS MARTIANS, die sich in letzter Zeit ja auch mal eine Spur zu weit gen Hardrock aus dem Fenster gelehnt haben. Mit „Out of time again“ und „Time bomb“ hat sich Evan Foster aber mal wieder seiner Wurzeln besonnen und zwei wundervolle Power-PopNummern abgeliefert, die an die frühen BOSS MARTIANS erinnern. Bravo! (8) Joachim Hiller
THE BOYS
Jimmy Brown 7“ | Still Unbeatable | still-unbeatable-records. de || Die Single an sich ist neu, die Band und die Aufnahmen sind es nicht: Ende der Siebziger sollte „Jimmy Brown“ schon mal eine Single der Londoner werden, die Band entschied sich dagegen – und jetzt doch dafür. Der Titelsong und die B-Seiten-Tracks „Walk my dog“ und „I love me“ (letzterer der BOYS-Favorit von Drummer Vom) sind allerdings nicht exklusiv, sondern schon von „Odds & Sods“ bekannt. Egal, das Format zählt, die Aufmachung stimmt, deshalb ab ins Regal mit diesem kleinen Schatz. (8) Joachim Hiller
BROADWAY CALLS
s/t 7“ | SideOneDummy/Cargo | sideonedummy.de || Als ALKALINE TRIO zuletzt auf Tour waren, hatten sie eine überraschend gute Vorband dabei. Man hatte schon die Befürchtung, irgendeinen mediokren Crap ertragen zu müssen, aber nein, schon das T-Shirt des Drummers ließ erwarten, dass da jemand Geschmack hat, und siehe da, die Band aus Oregon, die bereits ein Album auf Adeline vorweisen kann und ein anstehendes neues auf S1D, erwies sich als eine, die der reinen Lehre des Pop-Punks anhängt und die richtigen Platten im Schrank stehen hat, von ALL bis SCREECHING WEASEL. So überzeugend wie live klingen sie auch auf dieser 2-Song-7“ mit den Nummern „Be all that you can be“ und „Jump at the shadows“ – ich bin auf das Album gespannt. (8) Joachim Hiller
BULEMICS
Burn Baby Burn 7“ | Scarey | scareyrecords.com || Austin, Texas bescherte uns Ende der Neunziger so einige exzellente Vollgas-Punkbands, doch davon hat kaum eine gibt es noch. Immerhin, die BULEMICS haben überlebt, waren neulich sogar nochmal in Deutschland unterwegs und hatten dabei diese 4-Song-EP im Gepäck mit neuen Aufnahmen von 2008. Zugegeben, 1998 hat mich das noch mehr begeistert, aber vom pöbelig-rotzigen Gestus und der giftigen Rockriffigkeit jener Zeit haben die Texaner um Sänger Gerry Atric sich auch zehn Jahre später noch so viel bewahrt, dass sie damit noch mehr aggro sind als die lendenlahmen Reunion-HAMMERHEAD. (7) Joachim Hiller
CIVIL VICTIM
Mehr Krieg 7“ | Loud Punk | myspace.com/civilvictim || Schön angepisster und in einem Affenzahn heruntergespulter Hardcore-Punk ohne viele Schnörkel, der nicht so geradlinig ist, dass es stumpf wäre. Einziger Kritikpunkt: das Cover – obwohl es gestalterisch noch um Längen besser aussieht als das der letzten EP. (7) Kalle Stille
DISCO VIETNAM
s/t 7“ | Search For Fame | [emailprotected] || „My band is crap“, heißt es bei DISCO VIETNAM im gleichnamigen Song. Einspruch! Vielmehr spielen die vier Berliner einen saugeilen, sauangepissten Thrashcore. Für sie spricht weiterhin, dass Comic-Zeichner Michalke (siehe im Ox: „BigBeatLand“!) die Band-Shirts für sie entworfen hat. Zwar ist die Debütsingle, erschienen auf dem D.I.Y-Label von SNIFFING GLUE und auf 300 Stück limitiert, vom Sound her eher saumäßig, trotzdem wusste ich gleich beim Aufsetzen der Nadel, beim ersten Schrei beziehungsweise dieser Mischung aus Kotzen und Husten am Anfang von „L.I.D.L.“: diese Band gefällt mir. „Lidl is crap“, heißt es hier später – und wer wollte ihnen da widersprechen? Ute Borchardt
DREIPUNKTBANDE
Gott hasst die Dreipunktbande denn die sind berühmt 7“ | Verboten in Deutschland | verboten-in-deutschland.de || Hahahaha, wie hervorragend! Drei kleine Rotzlöffel, die nicht nur musikalisch, sondern wohl auch altersmäßig locker die Enkelkinder der guten, alten SHOCKS sein könnten, klatschen uns hier eine brillante Oldschool-Deutschpunk-Granate reinsten Wassers vor den Latz. Das klingt hier so herzerfrischend und authentisch nach 1982, man glaubt es kaum. Tolle Texte auch: „Ich hoffe der Krieg geht nie vorbei, denn solange Papi an der Front ist, habe ich schulfrei“ Hahahaha. Der absolute Überhit ist jedoch definitiv „Dolph Lundgren“ Muss ich baldmöglichst mal live sehen, um dann in der ersten Reihe mit hochgereckter Faust lauthals mitzugrölen. (8) Ben Bauböck
DREIVIERTELSTÜNDCHEN
s/t 7“ | Squoodge | squoodge.de || Perfekt zusammengebastelt. Jedem Sammler und Freund liebevoller Darreichung wird das Herz aufgehen: Einseitig bespielt, B-Seite bemalt, schickes Cover und sweet sweet Bandname (sic!) – was will man mehr? Ist doch klar: Dass die Musik dem entspricht, was man sieht und schön findet. Tut sie leider nicht. Rumpeliger Deutschpunk – der, ehrlich gesagt, alles kann – außer seine Instrumente zu beherrschen. Coole Stimme mit ein bisschen Rio Reiser drin, gute Texte, schöne, wenngleich auch nicht vor Virtuosität strotzende Songs ... Aber eben sehr, sehr dilettantisch gespielt und aufgenommen. Schade. Aber es bleibt die Vorfreude auf „mehr später“. JörKK Mechenbier
EDDIE MOONEY AND THE GRAVE
I Bought Three Eggs 7“ | Still Unbeatable | still-unbeatable-records.de || Punk-Archäologie: Eddie Mooney nahm Ende 1978 die beiden Songs „I bought three eggs“ und „Zombie“ auf, die auf der „Identity Parade“-Compilation veröffentlicht wurden, doch bevor dann die Single so richtig gepresst
war, ging das Label bankrott und nur ein paar wenige wurden verkauft. Eddie Mooney macht noch bis 1980 weiter, spielte Mitte der Neunziger mal auf dem „Holidays in the Sun“-Festival – und darf es jetzt erleben, dass die beiden amüsanten Pop-Punk-Nummern nochmal als Single veröffentlicht werden. (7) Joachim Hiller
GASLIGHT ANTHEM
The ’59 Sound 7“ | Side One Dummy | sideonedummy.com || Damit müsste nun auch die letzte Single aus der LP rausgequetscht sein. Auf der B-Seite gibt’s als PEARL JAM-Cover „State of love and trust“ live in NY, das aber nicht zündet und unter dem dünnen Sound leidet wie Wassereis in der Sonne. Klares Vinyl, und eindeutig die schwächste Single der „’59 Sound“-Auskopplungs-Reihe. (4) Kalle Stille
HATEPINKS / CHINESE LUNGS
Split 7“ | TKO | tkorecords.com || Wunderschönes buntes Vinyl mit einer Hälfte klarem gesprenkeltem (gelb) Vinyl und einer Hälfte milchig-gesprenkeltem (pink). Sieht sehr schön aus und macht was her. Von den HATEPINKS und den CHINESE LUNGS gibt es jeweils zwei Songs, die zumindest bei den HATEPINKS extrem ausgereift klingen. Zwei Mal 77er-Punk der besseren Sorte auf einem wunderschönen Stück Plastik. (8) Kalle Stille
HAUNTED GEORGE
The Buzzards Ate His Flesh 7“ | Savage | savagemagazine.com || Geil, auf 33 klingt die A-Seite eierig und völlig untertourt, wird aber auf 45 nicht besser, außer dass die Vocals da zu Black Metal mutieren. Eiern tut es auf jeden Fall, was offenbar gewollt ist, vielleicht um den Spooky-Faktor zu erhöhen. Die B-Seite kann man anhören, klingt fetter als sonst, weil eine zweite Gitarre dabei ist. Gewohnter Sound vom gejagten Schorsch, der hier wissentlich eine zur Hälfte undelektierbare Single produziert hat. (6) Kalle Stille
HEARTBREAK KID
Power To The Kids 7“ | Finalexit/Deafcult | deafcult.org | 11:26 || Klingt nach MY HERO DIED TODAY, war mein erster Gedanke und wie üblich fügt sich das Puzzle rasch zusammen, denn HBK kommen aus München und entstanden aus PAINT THE TOWN RED, den Erben der oben erwähnten Combo. Das Debüt „Life Thrills“ erschien letztes Jahr und jetzt, da ich die aktuellen Songs höre, ärgere ich mich, dass mir das entging. „Power To The Kids“ bietet nämlich frühen Newschool-Hardcore der UNBROKEN-Schule, wie man ihn besser nicht machen kann. Zur 7“ gibt es obendrauf noch einen Download-Code. (7) Thomas Eberhard
IAN FAYS / USA
The Flying Balloon O.S.T.-Split 7“ | Noisedeluxe | noisedeluxe.de || „The Flying Balloon“ ist ein Comic der französischen Künstlerin Miss Lonely Heart, welche auch für die auf 500 Stück limitierte Single „The Flying Balloon O.S.T“ ein kleines Heft mit Geschichten beigesteuert hat. Da hinter beiden Bands jeweils ein Geschwisterpaar mit Liebe zur guten Popmusik steht, liegt auch eine gemeinsame Split-7“ nahe. Hinter IAN FAYS aus San Francisco stehen die eineiigen Zwillinge Lizz und Sara Fay und bei der niederländischen Band USA
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besten mit packenden Powerpop-Songs und klingelnden Alternative-Country-Hymnen. Die großen Bands mit „B“ sind ihm dabei stets Quelle der Inspiration, BEATLES, BEACH BOYS, BYRDS, BAND, Carpenter weiß einfach, wie ein qualitativ hochwertiger Song klingen muss, und er kann trotz all der Bezüge auf die großen Vorbilder jeden Song zu etwas völlig Einzigartigem machen. Irgendwie habe ich allerdings den Eindruck, dass er sich stellenweise etwas vergaloppiert, einige Schlagzeugpassagen klingen unglaublich wackelig – vielleicht funktioniert Powerpop im Bandgefüge doch besser. (7) Gereon Helmer
CASPIAN
Tertia CD | Make My Day | makemydayrecords.de | 58:16 || Schon das letzte Album von CASPIAN mit dem Titel „The Four Trees“ war ein wirklich schönes Stück Musik. Zwar revolutionierte die Band mit dieser Platte den Postrock nicht, verstand es aber dennoch, sich von artverwandten Veröffentlichungen abzuheben. Das mir nun vorliegende neue Album „Tertia“ reiht sich da nahtlos ein, will heißen: ambitioniert vorgetragener Postrock, der vielleicht nichts wirklich Neues entdecken lässt, aber auch bei weitem nicht diese einschläfernde Attitüde besitzt, wie man es leider viel zu oft in diesem Genre erlebt. Dazu verstehen es CASPIAN einfach zu gut, den Moment der Stille unfassbar brutal wirken zu lassen. Die Band zögert immer wieder äußerst geschickt ihre bombastischen Gitarrenattacken heraus, so dass den Hörer ständig eine gewisse Ungeduld beschleicht, bis es dann endlich passiert. Wenn es dann jedoch soweit ist, dann umso mächtiger. Im Zusammenhang mit diesen Eruptionen habe ich mal den Begriff „Bratzgitarren“ vernommen; doofes Wort irgendwie, aber definitiv treffend. Langweilig geht auf jeden Fall anders. (8) Jens Kirsch
CAVE SINGERS
Welcome Joy CD | Matador | matadorrecords.com | 35:37 || Das mit der „Indie-Supergroup“ im Info werte ich mal als feine Ironie, auf jeden Fall war „Invitation Songs“, das Debüt der CAVE SINGERS um Derek Fudesco, den ehemaligen Bassisten von PRETTY GIRLS MAKE GRAVES, eine erfreuliche Alternative zum sonstigen folkigen IndierockAllerlei. Und das ist auch beim Nachfolger so, insofern könnte ich auch einfach meine Besprechung vom letzten Mal abschreiben, denn die CAVE SINGERS erinnern mit ihrem Minimalfolk erneut an eine Mischung aus Bob Dylan, Woody Guthrie, CALIFONE, MIRACLE LEGION und PERE UBU, bei der sehr schöne, harmonische Songs im Mittelpunkt stehen, denen das eigenwillige Gequäke von Sänger Pete Quirk eine äußerst charakteristische Note verleiht. Und so ganz genau weiß man immer noch nicht, was die CAVE SINGERS besser oder anders machen. Auf jeden Fall besitzt „Welcome Joy“ einen sofort ansteckenden Drive, auch wenn hier letztendlich nur drei Leute die typischen Zutaten von Lagerfeuermusik neu arrangieren, aber mit fast schon punkiger Attitüde, so wie hier teilweise vollmundig losgerockt wird. (8) Thomas Kerpen
CESARIANS
s/t CD | Imprint | thecesarians.com | 41:33 || Bei den CESARIANS handelt es sich um eine sechsköpfige Band aus London und ich bin ja fast versucht, für ihren Musikstil einen neuen Begriff zu erfinden: Darksoul! Mit Horn, Posaune, Klarinette, Schlagzeug und Piano haben die
sind es die Geschwister Thijs und Marieke van den Broek, die zuvor bei JOHN WAYNE SHOT ME aktiv waren. Beide Bands spielen netten Indiepop, daher ist diese 7“ nicht nur für sonnige Tage zu empfehlen. (7) Kay Werner
IDLE HANDS
CESARIANS ihre Wurzeln in den 30er Jahren, bei Kurt Weill und George Grosz. Die rauhen und dunklen Klänge erinnern mich des weiteren teilweise an MIRANDA SEX GARDEN, Gavin Friday und Nick Cave. Neben Jan Noble/ ex-MONKEY ISLAND am Schlagzeug, Alison Beckett, Suzi Owen sowie Alison Hutchinson sind vielleicht die Namen Justine Armatage und Charlie Finke ein Begriff. Justine Armatage am Piano tourte zuvor bereits mit dem GothicUrgesteinen CHRISTIAN DEATH und der Sänger Charlie Finke (und mittlerweile Justines Ehemann) galt mit seiner Ex-Band PENTHOUSE gar als englische Antwort auf JESUS LIZARD. Da überrascht es mich auch nicht, dass einen dieses Album nicht mehr los lässt. Zumal mich der eine oder andere Titel an „Just you and me“ von BIRTHDAY PARTY erinnert. Großartig. (9) Kay Werner
THE CHURCH
Untitled #23 CD | Second Motion/Cargo | secondmotionrecords. com | 50:34 || „Untitled #23“? Was ist denn das für ein Titel? Fällt den Australiern, die ja gar keine richtigen sind, nichts mehr ein? Und ist das tatsächlich schon das 23. Album? Bei THE CHURCH hatte sich ja schon länger der Trend abgezeichnet, dass man mehr an einem atmosphärischen Gesamtsound interessiert war als an herausstechenden Einzelsongs, und dennoch hatten sich die letzten, in diesem Jahrtausend aufgenommenen Platten der Herren Peter Koppes, Steve Kilbey und Marty Willson-Piper auf einem erstaunlich hohen Niveau befunden. Und auch „Untitled #23“ ist kein schlechtes Album, allerdings so nach innen gekehrt und soft, dass es nicht richtig zünden will. Mitreißende Explosionen bleiben aus, eher handelt es sich um Implosionen, denn die Vorliebe der Band für Shoegaze-Sounds ist diesmal in dicke rosa Wattebäuschchen eingewickelt. THE CHURCH sind diesmal so weit oben in der Milchstraße unterwegs, dass ihre Platte zwar ein gelungenes Beispiel für sphärischen, atmosphärischen Psychedelicpop ist, aber echte Hits springen einen hier nun wirklich nicht an, sieht man mal von dem sehr schönen, sechsminütigen „Anchorage“ ab. Ich persönlich empfehle da eher Steve Kilbeys hervorragendes 2008er Album „Painkiller“. (7) Thomas Kerpen
CLUES
s/t CD | Constellation/Alive | cstrecords.com | 42:28 || Das Debüt der kanadischen Band der nicht ganz unbekannten Gründer Alden Penner und Brendan Reed, die vorher unter anderem bei UNICORNS, LES ANGLES MORTS oder ARCADE FIRE aktiv waren. Wunderbare, sperrige Indiepop-Songs, die mit Hilfe von Musikern wie Ben Borden (LES AUTOMATES DE MAXIME DE LA ROCHEFOUCAULD), Lisa Gamble (GAMBLETRON, EVANGELISTA, HRSTA) und Nick Scribner (CHAOTIC INSURRECTION ENSEMBLE) eingespielt wurden. Gut arrangiert, mit Glockenspiel, herrlichen Chören, Streichern ... gleich Postrock? Und auch die Gastmusiker aus dem experimentellem Lager, wie Thierry Amar (unter anderem GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR und SILVER MT.
ber wie die IDLE HANDS oder AGGRAVATION. Klassischer US-Punkrock-Sound mit leichtem WIPERS-Einschlag. Sechs kleine Perlen, sehr gut, sicher sehr schnell weg und morgen schon so gesucht wie ein Hocker aus dem Bernsteinzimmer. (8) Kalle Stille
Volatile Matters 7“ | Rockstar | rockstarrecords.de || Sie haben’s wieder getan! Ein neuer Überflieger-Release der IDLE HANDS: three in a row also, nach Single Nr. 1 und dem „Postponed“-Album! Vielleicht sollte es mir peinlich sein, die Band jedes Mal neu abzufeiern, aber ich kann nicht anders. Und wer den neuen Siebenzöller hört, versteht hoffentlich warum. Die Grundzutaten sind mit Einflüssen wie HÜSKER DÜ, WIPERS und JAWBREAKER gleich geblieben, wobei diesmal zum Beispiel in „Phoenix“ auch sehr in Richtung Powerpop à la LOST PATROL BAND ausgeteilt wird. Macht zusammen vier tolle neue Songs und eine Top-Single mit allem Zip und Zap (Siebdruckcover, Textblatt). (9) Bernd Fischer
MONKS
I WALK THE LINE
MOVIE STAR JUNKIES / VERMILLION SANDS
Black Wave 7“ | Combat Rock Industry | combatindutry.net || Hm, normalerweise heißt die Devise bei Punk-Singles ja „all killers, no fillers“, aber die B-Seite hier ist eine klassische B-Seite, die den – zudem teuren – Kauf der Single nicht wirklich rechtfertigt, denn der Titeltrack ist zwar gut, aber auch auf der letzten LP und hätte dort locker Platz gehabt, wäre dann aber einer der schlechteren Songs gewesen. (4) Kalle Stille
KRIEGSHÖG
Hardcore Hell 7“ | HeartFirst | heartfirst.net || Ja, so klang es in Japan, bevor das Haarspray und Metalsoli von der NipponRegierung erfunden wurden, um die Szene zu schwächen. Brutaler Sound, Rückkopplungen, kratzig, DISCHARGE auf 45 und an manchen Stellen so, als würde das Schlagzeug die Treppe runterfallen, dazu ein bissiger Shouter, der mehr bellt als brüllt. Killer! Natürlich Retro, weil klassischer Japcore wie GAUZE, OUTO, ZOUO, CONFUSE, LIPCREAM und Co., nur eben 2009. Hardcore, so wie er sein muss! Stilsichere Aufmachung (nur der Schlagzeuger hat keinen Patronengurt), sechs Mal in die Fresse. (9) Kalle Stille
LUST FOR LIFE
Boredom 7“ | Search For Fame | [emailprotected] || Überschäumende Lebensfreude strahlen THE LUST FOR LIFE auf ihrer Debütsingle nicht gerade aus, aber was soll man auch sonst erwarten, bei einem Release, das „Boredom“ heißt? Hervorgegangen aus den Resten von NOT ASTRAY, NOTHING TO HIDE, THE DISPLACEMENTS und BORED TO DEATH, entstammt die Band – wie ja auch SNIFFING GLUE, auf deren D.I.Y-Label diese 7“ herauskommt – der äußerst aktiven niederrheinischen HC-Szene. Und bei dem ersten der insgesamt sieben Songs geben sie auch gut Gas: Hardcore, cool. Doch viel zu oft geht danach der Biss verloren, manches klingt eher wie eine aus dem Ruder gelaufenen Proberaumsession. So trashig, das könnte in einer Garage gewesen sein ... Ute Borchardt
MISSING SHADOWS
Wrecked Emotions 7“ | Timme Heie Humme | myspace.com/timmeheiehummerecords || Mit verbundenen Augen (und wegen des Akzents) hätte ich die Jungs ohne zu zögern in Dänemark verortet, aber da läge ich wohl falsch. Ähnliches Kali-
Pretty Suzanne 7“ | Red Lounge | myspace.com/redloungerecords || THE MONKS kann man einreihen in die harten BeatBands, die zu früh kamen und kaum Beachtung fanden: THE IGUANAS, THE NAZZ, THE ELECTRIC PRUNES. Diese Erstveröffentlichung zum zweiten MONKS-Revival ist eine vor 32 Jahren heimlich und illegal aufgenommene ultralangsame Fuzz-Version von „Pretty Suzanne“. Die Orgel und das Gitarrensolo weisen schon in Richtung Psychedelia, im Refrain steckt noch die Zuckersüße der BEATLES. Auf der B-Seite die harte rhythmische Nummer „Monk Time“. Nicht nur historisch wertvoll, auch spaßig. (9) Matilda Gould
Split 7“ | Rijapov | myspace.com/rijapovrecords || Nicht wirklich eine Splitscheibe, sondern viel mehr eine Kollaboration ist vorliegende 7“, haben die beiden Bands die zwei Songs doch zusammen eingespielt. Die VERMILLION SANDS waren mir bisher nicht wirklich bekannt, haben aber wohl schon was auf Fat Possum raus und eine Sängerin namens Anna, die Holly Golightly nicht unähnlich ist und auch schon auf dem MSJ-Album mithalf. Von denen muss ich mir mal was besorgen. Was soll ich sagen, alles, wo MOVIE STAR JUNKIES draufsteht, begeistert mich komplett, und so ist es auch hier. Auf Seite A ein toller ruhiger Nick Cave-artiger Song, auf der anderen Seite wird’s etwas manischer. Annas Gesang stellt sich dabei ein weiteres Mal als optimale Ergänzung zum MSJ-Sänger heraus und fertig ist eine super Single. (9) Alex Strucken
NIESTROY
Ashamed 7“+CD-R | Cut Out | myspace.com/niestroybremen || NIESTROY aus Bremen sind schon speziell. An der Band mit Headquarter in einem Tattoostudio hat mir erst mal der harte Gitarrensound gefallen, dann diese angepisste, sich beinahe überschlagende Stimme. Dazu kamen die Texte, in den Songs ihrer CD „Cries Of Pain“ (2008) geht es um Tierrechte, die Folter im Versuchslabor, den Massenmord im Schlachthaus, menschliche Gier und Ignoranz, die blutige Rache der Bäume. Auf der neuen 7“ klingt das erstmal anders, da ist die Schönheit der Natur, die „ ... makes me feel ashamed“, trotzdem: diese Band ist die Antithese von Sentimentalität. Überraschter war ich in diesem Zusammenhang von dem Anti-Kriegs-Song „War“, aber eins stimmt nun mal: „There is no reason“. Die Single kommt mit einer beigelegten CD mit den vier Single- plus zwei Bonustracks, einer davon, „Feeding of the masses“, stammt von dem sehr empfehlenswerten holländischen Sampler „Mind Your Own Fuckin’ Business Vol. 2“. NIESTROY stehen für einen unverwechselbaren Sound, Minimalismus und beeindruckende Konsequenz. Naja, eine Ausnahme machen doch: „Fascist pig / You have no rights!“ (9) Ute Borchardt
OFFICIAL SECRETS ACT
So Tomorrow/The Girl From The BBC 7“ | One Little Indian | indian.web.ci-net.com || Zwei Singles, die in alter Pop-Tradition veröffentlicht wurden. Soll heißen, dass die B-Seiten aus Studioresten
ZION) fügen sich perfekt ein. Das Songmaterial erscheint im ersten Moment etwas spröde und es dauert etwas, bis man die Klasse entdeckt, dann aber ist es fesselnd! (7) Jürgen Schattner
CHASE LONG BEACH
Gravity Is What You Make It CD | Victory/Soulfood | victoryrecords.com | 40:00 || Es gab in den späten 90ern mal einen Mini-Trend, in Hollywood-Highschool-Komödien eine bestimmte Sorte von Ska-Pop-Bands auf dem obligatorischen Abschlussball auftreten zu lassen. Die Kalifornier CHASE LONG BEACH klingen exakt, als seien sie 1998 auf dem Set eines solchen Filmes vergessen worden. Das wäre ein für das Genre immerhin ganz netter Film gewesen. Okay, die Handlung hätte sich freilich sehr schematisch entwickelt und die Elemente, die eingesetzt worden wären, um die Dramatik zu steigern, wären ein bisschen platt und vorhersehbar gewesen, aber alles in allem wäre man gut unterhalten worden. Wenn es aber darum ginge, ob man ihn sich ein zweites Mal ansieht, würde man wohl trotzdem eher „Zehn Dinge, die ich an dir hasse“ (übersetze: SAVE FERRIS) noch einmal aus dem Schrank ziehen. (6) Ferdinand Praxl
CHE SUDAKA
Mirando El Mundo Al Revés CD+DVD | K Industria | kindustria.com || Was auf den Straßen der Mestizo-Metropole Barcelona begann, findet jetzt bereits seit einigen Jahren auch in Clubs in ganz Europa seine Fortsetzung: Die Band spielt vielseitige, leidenschaftliche und unglaublich schweißtreibende Bühnenshows – wovon ich mich auch schon mehrfach überzeugen konnte. Auf dem dritten Album der aus Südamerika stammenden Straßenmusiker dominieren statt des teilweise sehr punkigen Bühnensounds zwar eher Akustikgitarren und Akkordeon, dennoch wirkt das Ganze sehr energiegeladen. Hier hat ganz eindeutig Manu Chao Pate gestanden, und trotzdem bewahrt die Combo ihren unverkennbaren Stil, irgendwo zwischen Latin-Rhythmen, Rap, Folk und Punk. Dazu sozialkritische Texten, die häufig Bezug auf die Probleme verarmter Immigranten in Spanien nehmen. Das Ganze kommt im schön gestalteten Digipak mit Zusatz-DVD, auf der sich unter anderem Videoporträts der einzelnen Musiker sowie Konzert- und Sessionmitschnitte befinden. (8) Matthias Michels
CLUB DÉJÀ-VU
Mondphasenfriseur CD | Elfenart/Nebula Fünf | elfenart.de | 39:57 || CLUB DÉJÀ-VU spielen melodischen, aber ziemlich sanften Deutschpunk, der leider weder Bums noch Biss hat. Das heißt, die Musik ist wirklich nicht besonders hart und die Texte auch nicht so genial, dass man sich das leisten könnte. Auch ist trotz viel Melodie kein richtiger Mitsing-Faktor erkennbar, was ich bei Bands, die nicht krachen, jedoch als zwingend notwendig empfinde. Zugutehalten muss man der Band allerdings, dass sie einen sehr eigenen Stil hat. Nur leider macht das die Sache für meinen Geschmack nicht aufregender. Einzig beim letzten Lied wird es etwas knackiger, weshalb dieses auch das beste Stück des Albums ist. (4) Tobias Weber
JARVIS COCKER
Further Complications CD | Rough Trade/Beggars | beggarsgroup.de | 49:22 || Ich war ja bis auf wenige Ausnahmen nur bedingt Fan der großen ersten(?) Britpop-Welle, die da in den 90ern
bestehen, die gegen die A-Seiten meilenweit abstinken und eigentlich nur eine Fußnote am Rande des Gesamtwerks darstellen. Auch hier hätten beide B-Seiten locker auf den aktuellen Tonträger gepasst, aber Vinylsingles sind auf der Insel offenbar immer noch ein Zeichen für Indie-Kredibilität. Dabei haben nur die EDITORS in den letzten Jahren wirklich brauchbare B-Seiten produziert. So unnötig wie ein Schoko-Nikolaus zu Ostern. (4) Kalle Stille
PLASTOBETON
s/t 7“ | SDZ | sdzrecords.free.fr || „No tears“ ist zwar der ungewöhnlichste, aber auch beste Song von TUXEDOMOON und für mich eine der zehn besten Wave-PunkSongs aller Zeiten. Sollten PLASTOBETON aus Metz in Frankreich behaupten, dieses Stück habe sie nicht zu „La prison“ beeinflusst, müsste ich sie der Lüge bezichtigen, so nah sind sie diesem hysterischen, ultra-intensiven Klassiker hier gekommen. Auch die anderen drei Tracks auf der EP sind bester frankophoner Elektropunk mit Wurzeln in den frühen Achtzigern – auch CHARLES DE GOAL lassen grüßen –, aber durchaus nicht unmoderner Anmutung. Wären Jay Reatard und Shawn Foree Franzosen, hätten sie vor drei, vier Jahren vielleicht auch sowas aufgenommen. So sind hier Leute von AH KRAKEN, FEELING OF LOVE und THE DREAMS zugange – „post-industrial art-punk“ sagt das Label dazu. Wundervoll! (9) Joachim Hiller
PRESS GANG
Sexsatan 7“ | Hardware | hardware-records.com || Auf Platte klingt das gegen das, was die vier Jungs auf der Bühne abfackeln, geradezu zahm. Solider frühachtziger HardcorePunk aus Übersee wurde seit über zwanzig Jahren nicht mehr so erfrischend aus den Boxen gerotzt wie von den Münsteranern. Fünf nihilistische Kracher auf einer weißen EP, die das Beste aus LA und SF von damals vereinen. Alles durch eine Zeitmaschine gequirlt, den Staub abgebürstet, fertig. So gut, dass es nicht eine Sekunde lang nach Retro riecht, und live sowieso eine Klasse für sich. (9) Kalle Stille
CHUCK RAGAN / BRIAN FALLON
Split 7“ | SideOneDummy/Cargo | sideonedummy.de || Zwei Männer, zwei Lieder: Auf der B-Seite gibt Chuck Ragan eine Demoversion des auf dem neuen Album zu hörenden kleinen Hits „Glory“ zum Besten, auf der Vorderseite macht Brian Fallon von GASLIGHT ANTHEM uns einmal mehr den Springsteen und lässt in reduzierter Version, aber mit Begleitung „Tin pan alley“ erklingen. Zwei sehr schöne Lieder, von zwei Frontmännern, die sich erstaunlich ähneln. (7) Joachim Hiller
REVILERS
Isolation 7“ | Patac | patacrecords.com || Die Bostoner REVILERS vereinen auf ihrer Debüt-7“ die beiden Genres, für die die Stadt am Charles River bekannt ist: Hardcore und Streetpunk. Auf den beiden Tracks der A-Seite, „Isolation“ und „Next in line“, stellen die REVILERS keine neuen Geschwindigkeitsrekorde auf, die Songs sind vergleichsweise langsam. Dagegen wird bei den Songs der B-Seite, „Dead end“ und „On the outside“, das Tempo etwas angezogen und die Melodien kommen deutlich mehr zum Tragen. So sehr die Einflüsse der Band auch erkennbar sind, so sehr unterscheidet sich doch diese EP vom oft weit aufwendiger produzierten Output etablierterer Bostoner Bands. Nicht dass hier Missverständnisse aufkommen, diese „aufwendig produzierten“ Platten sind meist wirklich genial und den Bands sei die Möglichkeit gegönnt, auf
über uns schwappte. Klar, PULPs „This Is Hardcore“ (1998) und den Song „Common people“ (1995) sollte man kennen. Hier kommt nun der Chef höchstpersönlich mit seinem zweiten Soloalbum. Nach dem, nimmt man die Fachpresse als Maßstab, recht mäßigen Debüt, hier nun eine klare Steigerung. Zumindest für meine Ohren. Der Ex-Vorzeige-Dandy zeigt sich von seiner besten, aber „erwachsenen“ Seite. Sicher, Produzent Steve Albini(!) lässt auch mal die Gitarren bratzen, Synthieklänge sind zu vernehmen, Harp und Bläser (Saxofon!) auch, doch durch die elf Songs weht ein Hauch von 70er- und Blues-Rock. Wer’s mag ... Für echte Britpop-Fans ist das Album wohl eher nicht geeignet. (6) Jürgen Schattner
CHEATS
Hats Off To The Cheats CD | Off The Hip | offthehip.com.au | 39:27 || THE CHEATS kommen aus Melbourne, Australien, und obwohl das ihr Debütalbum ist, sind Julian Tovey (Gitarre, Gesang) und Tom Cooper (Drums, Gesang) doch keine Debütanten, waren sie doch die australische Besetzung von Jon Chapples MCLUSKY-Nachfolger SHOOTING AT UNARMED MEN. Ein Duo? Jaja, das evoziert die üblichen Assoziationen, doch keine Sorge, so einfach machen es einem die CHEATS nicht. Weder biedern sie sich bei der GarageFraktion an, noch gibt es verzärteltes Singer/SongwriterGeklimper – stattdessen rocken Tovey und Cooper einfach und simpel straighte Rocknummern runter, die ihren Reiz aus der reduzierten Besetzung gewinnen (wobei auch mal eine Orgel zu hören ist – da hat also irgendwer nachgeholfen). Das hat bei „Burn it up“ dann was von einer jugendlichen Lightversion der COSMIC PSYCHOS oder reduzierten ONYAS, andere sehen Parallelen zu WOLFMOTHER, aber das ist ein billiger Vergleich, also bitte wieder aus der Erinnerung streichen. Letztlich aber ist zu sagen: Gute Ansätze und gute Ausführung machen noch keine super Platte – der letzte Kick fehlt mir. (7) Joachim Hiller
CRIPPER Devil Reveals
CD | SAOL | cmm-marketing.com | 46:44 || Schon der Erstling der Hannoveraner Thrasher lief mir ja gut rein, aber die vier um Frontfrau Britta haben mit „Devil Reveals“ einen großen Schritt nach vorne gemacht. Zwar regiert immer noch die Thrash-Metal-Keule, aber sie ist noch mit ein paar Nieten und Nägeln zusätzlich verziert worden. Das Songwriting ist wesentlich komplexer geworden, die Gitarren braten ausgesprochen abwechslungsreich und der Gesang könnte zwar immer noch als von einem Kerl durchgehen, entpuppt sich aber bei näherer Betrachtung als wesentlich variabler als bei LangweilerInnen wie Sabina Classen. CRIPPER gelingt es hier, eine Brücke zwischen Oldschool und Moderne zu schlagen, die Midtempo-Songs sind wahre Nackenbrecher und der eine oder andere Ohrwurm wie „Live us deadly“ oder „FAQU“ ist auch dabei. Schön. (7) Dr. Oliver Fröhlich
CROWFISH
IV CD | Unknown | unknownrecords.de | 52:02 || Das hat man auch nicht alle Tage: ein Album aus Bulgarien. Ganz exakt kommt dieses Trio aus Warna, und hier schlägt es schon zum vierten Mal mit einem Album zu. CROWFISH pflegen einen sehr gefälligen Gitarrenpop mit wirklich schmissigen Melodien. Offenbar ist aber in Bulgarien die Zeit stehen geblieben, etwa in den Neunzigern, als Emo noch kein Schimpfwort war. Nun soll es ja noch Anhänger
diesem Level an Professionalität arbeiten zu können.Trotzdem freut es mich, wenn es auch Bands wie die REVILERS gibt, die diesen typischen Sound wieder zu den Basics zurückbringen und die nötige Rauheit nicht wegbügeln. (7) Claudia Luck
RED TAPE PARADE
The Floor 7“ | Twisted Chords/Broken Silence | twistedchords.de || Ganz schön fleißig sind RED TAPE PARADE, die in schöner Regelmäßigkeit mit einem Album oder zumindest einer Single um die Ecke kommen. Hier gibt es sechs neue Songs, die in altbewährter Oldschool-Manier für gute Laune sorgen. Allerdings klingt der Fünfer auch schon deutlich älter als noch auf dem Demo von vor zwei Jahren – soll heißen, das Tempo wurde runtergefahren, die Songs klingen rockiger. Womöglich hat die Zusammenarbeit mit Nathan Gray (CASTING OUT) auf dem letzten Album noch nachgewirkt? Aber solange RTP weiterhin Songs auf diesem Niveau aufnehmen, dürfen sie reifen, soviel sie wollen. (8) Christian Meiners
REWRITTEN
Wanderlust 7“ | Deafcult | deafcult.org || Das Hardcore-Quintett REWRITTEN aus Berchtesgaden Rock City spielt auf ihrer Single „Wanderlust“ genau den rauhen Sound, den man bereits von Bands aus dem Deathwish Inc.-Dunstkreis kennt. Das hier kann man sich zwar anhören, aber wirklich überzeugen kann die Band nicht, da die Stimme des Sängers zu blass und zu eintönig wirkt. Das von Ken Stewart gestaltete Cover ist jedoch sehr schön und stimmig. (5) Marcus Latton
KEVIN SECONDS / MIKE HALE
Split 7“ | SideOneDummy/Cargo | sideonedummy.de || Kevin Seconds ist schon lange nicht mehr allein der FrontSchreihals von 7 SECONDS, sondern seit geraumer Zeit – man erinnert sich an seine Asian Man-Releases – auch solo aktiv, nur mit akustischer Gitarre begleitet. In Bälde steht ein neues Album an, von dem stammt „Big American thing“, das auf der B-Seite von Mike Hales „Wasted youth“ ergänzt wird, einer schon beinahe mainstreamigen, schmusigen Gitarrenpop-Nummer, die man dem früheren Frontmann der No Idea-Band GUNMOLL gar nicht zugetraut hätte. Aber: Gefällt! Beides! (7) Joachim Hiller
SMOKE BLOW / TACKLEBERRY
Demolition Room 7“ | PIAS | pias.com || Kieler Killer-Single. Los geht’s mit SMOKE BLOW, deren LPs mich immer innerhalb kurzer Zeit langweilen, aber auf einer Single funktioniert die Band perfekt. „War crimes“ rockt heftig zwischen BLACK SABBATH und ENTOMBED zu „To Ride ...“-Zeiten, während bei „Crusade of Varna“ das Gaspedal durchgedrückt wird und Asi-Rock par excellence geboten wird. Auf der Flipside die bösen Turbojugend-Spasti-Nenner TACKLEBERRY mit rasendem Oldschool-Ami-Hardcore. Etwas dünner Sound, aber mit ordentlich Schmackes gespielt. Perfekt. (8) Dr. Oliver Fröhlich
SERENE FALL / CARSTEN VOLLMER / GEHIRN.IMPLOSION
Stern 7“ | Major Label/Flight13 | majorlabel.de || Ein Konzeptalbum zum Thema „Stern“, welches persönlicher und berührender nicht sein kann. Beginnen wir mit der B-Seite und mit dem Initiator dieser Single, GEHIRN. IMPLOSION. „Sternchen“ ist ein verstörendes Stück aus
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dieser Richtung geben, wozu man sich in diesem Fall ungefährdet bekennen kann. Mit dem schmalzigen, aufgeblasenen Kunstprodukt, zu dem der Stil schnell verkommen ist, hat das hier nämlich wiederum nichts zu tun. Etwas unverständlich einzig, warum simple Popsongs bis auf sieben oder gar 14 Minuten Spielzeit aufgebläht werden müssen. So viel passiert dann nämlich doch nicht, damit sich das lohnen würde. Gefällig, wie schon gesagt, aber ohne große Höhen oder Tiefen. (6) Christian Meiners
Die schlagen mit ihren Songs eine Schneise durch die späten Siebziger und frühen Achtziger, lassen vermuten, dass in ihren Plattensammlungen neben Scheiben von THE FALL auch welche von SUICIDE, WIPERS,TUXEDOMOON, GANG OF FOUR und THE JESUS AND MARY CHAIN zu finden sind. Hektischer, spröder Neo-Post-Punk mit minimalistischem Anspruch an die Produktionsqualität, der einen charmanten Eindruck hinterlässt. (8) Joachim Hiller Auf der Ox-CD zu hören.
CRAVING
Resplendent Grotesque CD | Tabu | myspace.com/taburecordings | 34:56 || Dass Black Metal ein sehr breit gefächertes Feld ist, machen deutlich, die sich dem künstlerischem Avantgarde-Ansatz verschrieben haben. Jetzt bitte nicht gleich zusammenzucken, „Resplendent Grotesque“ ist durchweg hörbar und fast schon eingängig und schön in einem. War „La Masquerade Infernale“ von ARCTURUS wahrscheinlich bisher das Maß aller Dinge in diesem Bereich, kommen sehr nahe an den Klassiker ran, sind aber im direkten Vergleich leichter verdaulich. Mit Kvohst ist ein charismatischer Sänger an Bord, dessen durchweg glasklare Stimme in der Lage zu sein scheint, nahezu jede Emotion zu transportieren. Das gelingt aber nur im Zusammenspiel mit den begnadeten Musikern, wobei gerade die Saitenfraktion in ausgedehnten Zwiegesprächen aufeinander eingeht und sich zwischen jazzigen Fragmenten und düsteren Hymnen perfekt ergänzt. Das Schlagzeugfundament wird übrigens von dem AT THE GATES-Drummer Adrian Erlandsson gelegt, der sich perfekt in die Band einfügt. Sicher eine der bemerkenswertesten Platten der letzten Monate. (9) Dr. Oliver Fröhlich
A Good Cast Is Worth Repeating CD | F-Spin | f-spin.de | 28:16 || „SHELLAC!“, möchte man sofort rufen wenn man die ersten Takte von „A Good Cast Is Worth Repeating“ von den seit 1992 existierenden CRAVING hört, die sich zu Anfang wirklich ganz nach dem monotonen, noisigen Eigenbrötlersound von Albini, Weston und Trainer anhören. Ich kannte die bisher nicht, was schade ist. Und auch wenn diese deutsche Noiserock-Variante mit JESUS LIZARD- oder eben SHELLAC-Anleihen, die nur äußert selten in melodische Gefilde abdriftet und sonst immer angenehm das Gaspedal durchdrückt, einen wirklich auch auf Platte ganz gut durchbläst, am besten funktioniert sowas wohl immer noch live. Wer auf eine intensive Zeitreise zun den Höhepunkten von Labels wie Touch&Go oder Amphetamine Reptile mitgenommen werden will, sei hiermit an CRAVING verwiesen. Andreas Krinner
DDD DAILY RIOT
A Wolf Ticket LP | Adagio830 | adagio830.de || COMADRE bleiben sich auf ihrem neuesten Tonträger mit ihrem irgendwo in Richtung Post-Hardcore und Screamo verortbaren Sound musikstilistisch treu, wirken aber trotz der gewohnten punkigen Rumpeligkeit und der nervösen Frickeligkeit aufgeräumter und ausgereifter als je zuvor. Direkte, treibende Songs, schöne Chöre, eingängige Melodien und wohl dosierte Klangexperimente sind die Zutaten für diese angenehm hörbare Scheibe. Im Vergleich zu diversen Hochglanzpublikationen auf diesem Gebiet klingen die Kalifornier erneut wunderbar rotzig und angenehm unangepasst. „A Wolf Ticket“ ist eine Scheibe, die stilistisch so offen ist, dass sie AnhängerInnen jeglicher Krach-Subgenres erreichen dürfte, dabei aber inhaltlich, musikalisch und ästhetisch immer konsequent dem Underground zugewandt bleibt. Mit nur knapp 13 Minuten ist die für eine 12“ doch ziemlich knappe Spielzeit der vielleicht einzige zu konstatierende Wermutstropfen. Konstantin Hanke
Fight Everything CD | dailyriot.com | 42:50 || Für eine D.I.Y.-Produktion ist „Fight Everything“ durchaus solide gelungen. Ein Dutzend knackige Oldschool-Hardcore-Songs haben es auf das Album geschafft, wobei mit „Mi vida“, „Steh auf“, „Gegen die“ und „Bullets of hate“ erstmals in der Bandgeschichte auch in der Muttersprache Deutsch gesungen wird. Genau da liegt meiner Meinung aber auch der Knackpunkt des Albums. Während mich Songs wie „Civilized crimes“ und mein Favorit „Still everywhere“, trotz der zum Teil etwas klischeehaften Texte im Friends-, Family- und Unity-Kontext, an HC der frühen 90er erinnern, also ohne lästige Breakdowns und Metaleinflüsse, schmälern die deutschen Texte den ansonsten positive Gesamteindruck doch etwas. Aber vielleicht ist sich die Band dessen selbst auch ein wenig bewusst. Denn mit den englischen Versionen von „Bullets of hate“ und „Mi vida“, die als Bonussongs das Album abrunden, tut sich die Band eher einen Gefallen als mit den deutschen Versionen und sollte in Zukunft auch lieber komplett in englischer Sprache weitermachen. (6) Tobias Ernst
CRASH NORMAL
DAMON & THE HEATHENS
COMADRE
Finger Shower 10“ | Rijapov | myspace.com/rijapovrecords || Irgendwie hatte ich das Label in Skandinavien verortet, doch falscher könnte ich nicht liegen: Rijapov Records kommt aus Brescia in Italien, CRASH NORMAL sind aus Paris. Sieben Songs finden sich auf der auf 600 Exemplare mit jeweils auf zwei 300er Auflagen mit unterschiedlichen Covern verteilten 10“, und wo die COUNTRY TEASERS gecovert werden, da ist gut sein. Von da wiederum ist der Weg nicht weit zu THE FALL, an deren monoton nölenden Mark E Smith der Frontmann der Franzosen erinnert.
Sin Pablo Avenue CD | Heathens | myspace.com/damonandtheheathen | 50:28 || Tiefer Soul, knackige Bläsereinsätze, eine wummernde Orgel sowie exzellente Perkussion, das sind die Zutaten, mit denen DAMON & THE HEATHENS auf ihrem selbstveröffentlichten Album „Sin Pablo Avenue“ meine Ohren verwöhnen. Sie selbst sehen sich unter anderem durch Blues, Jazz, Detroit-Garagenrock, HOWLIN’ WOLF, MÖTLEY CRÜE und BAD BRAINS beeinflusst, mich erinnert die Musik eher an BELLRAYS (mit Bläsersektion) und die INCITERS. Die sechsköpfige Band aus Oakland,
bestehend aus Baritonsaxophon, Trompete, Posaune, Cello, Kontrabass und Schlagzeug, kombiniert jedenfalls 13 Mal Funk, Bigband-Blues und Punkrock auf exzellente Art und Weise. „Sin Pablo Avenue“ enthält auch eine Coverversion, die es in sich hat: „Life during wartime“ von den TALKING HEADS, in einer wunderbar treibenden Soulversion mit einem richtig schön schmutzigen Orgelsound. Diesen Song haben sie extra für Promozwecke aufgenommen, denn manche Clubbesitzer in den Vereinigten Staaten wollen offenbar etwas anderes als Eigenkompositionen hören. Das fehlende „s“ in der Homepage-Adresse ist übrigens kein Tippfehler. (8) Kay Werner
DARK CASTLE
Spirited Migration CD | At A Loss | atalossrecordings.com | 37:03 || Ein weiblich-männliches Duo; sie singt und spielt Gitarre, er trommelt und die Musik bewegt sich abseits des „Normalen“. Wer da an JUCIFER denkt, liegt so verkehrt nicht, die Ähnlichkeiten in der Vorgehensweise verbindet DARK CASTLE mit dem Ehepaar aus Georgia. Wo JUCIFER aber trotz der überwiegenden Heftigkeit ihrer Musik einen progressiven Stilmix verfolgen, sind DARK CASTLE aus Sainte Augustine, Florida bodenständiger. Zwar finden sich auf deren Debütalbum ein akustisches Intermezzo und ein paar wenige postrockige Momente, das dient aber mehr der Auflockerung des grundlegenden brutalen, dabei traurig-düsteren Doom Metals auf „Spirited Migration“ als der Stilverschmelzung. Eindimensional agieren DARK CASTLE also ebenfalls nicht, sie sind sogar ähnlich effizient wie JUCIFER, es mangelt ihnen höchstens etwas an großen Momenten. (7) André Bohnensack
DARKEST HOUR
The Eternal Return CD | Victory | victoryrecords.com | 34:55 || Bereits im Jahre 2000 veröffentlichte die Band aus Richmond, VA ihr erstes Album, konnte jedoch erst mit ihrem dritten Release „Hidden Hands Of A Sadist Nation“ von sich reden machen. Dies damals vor allem in der aufblühenden MetalcoreSzene, gab sich doch insbesondere das Label alle Mühe, DARKEST HOUR diesen Stempel aufzudrücken. Mit „The Eternal Return“ kommt nun Album Nummer sechs (das insgesamt Fünfte für Victory) und über eines können inzwischen auch keine Sticker auf den CDs mehr hinwegtäuschen: 2009 haben DARKEST HOUR mit Metalcore ungefähr so viel am Hut, wie Christa Jenal CANNIBAL CORPSE-Alben toll findet. Hier regiert lupenreiner, melodischer Thrash Metal mit latent moderner Attitüde, der in seiner Gesamtausrichtung ein wenig an die Dänen HATESPHERE und (vor allem im Bereich Gesang) an die deutschen MAROON erinnert, ohne sich jedoch solcher Stilmittel wie Breakdowns und Ähnlichem zu bedienen. Ausgestattet mit wirklich fantastischen Gitarrensoli, die sogar die eine oder andere Gänsehaut hervorzurufen vermögen, und dargeboten in einem äußerst beeindruckenden Sound, bieten diese zehn Songs in knapp 35 Minuten ein ausgesprochen kurzweiliges Hörvergnügen. (9) Jens Kirsch
DARKER MY LOVE
2 CD | Dangerbird | dangerbirdrecords.com | 45:06 || Ein Jahr nach dem Release in den USA erscheint das zweite Album der Kalifornier DARKER MY LOVE jetzt „offiziell“ (Labels lieben solche Ausdrücke, haha, denn Importe sind ja illegal ...). Das Debüt kam 2006, und da hatten Tim Presley und Andy Granelli schon einen weiten Weg hinter sich. Die beiden sind nämlich trotz des gänzlich anderen Sounds ihrer heutigen Band keine Unbekannten: Beide waren bei der auf Revelation beziehungsweise Hellcat veröffentlichenden REDEMPTION 87-Nachfolgeband THE NERVE AGENTS, und nach deren Ende 2002 trommelte Andy bei den DISTILLERS.Tim Presley und Bassist Rob Barbato wiederum sind seit 2006 auch von Mark E Smith für THE FALL angeheuert worden – und dann ist da noch die eigene Band, die zwar nach einem TSOL-Song benannt ist, aber weder nach denen noch nach irgendeiner der anderen eben genannten Bands klingt. Wobei ... das mit THE FALL führt schon mal ins richtige Land, was die Vorbilder anbelangt, denn DARKER MY LOVE sind extrem plüschige Psychedelic-Rocker, denen man anmerkt, dass sich hier versierte Musiker intensiv mit dem Werk von THE JESUS AND MARY CHAIN, MY BLOODY VALENTINE, SPACEMEN 3 und SPIRITUALIZED, mit dem Psychedelic Rock der Sechziger beschäftigt haben und den auf traditionelle, nicht trancig-britische Neunziger-Art umsetzen. Neu ist daran nichts, Sitarklänge hat man auch anderswo schon gehört, aber es riecht auch nicht nach Mottenkugeln oder Patchouli, und so ist „2“ einfach ein rundum angenehmes Album. (8) Joachim Hiller
DELGHADO
Grown MCD | delghado.de | 32:34 || Hinter DELGHADO verbirgt sich ein Trio aus Berlin, das seinen Stil selbst als „Instrumental Organic Rock“ bezeichnet und dieser Tage seine neue EP mit dem Titel „Grown“ veröffentlicht. Schnell ist man versucht, ein weiteres Mal die Postrock-Schublade aufzumachen, was jedoch nicht ganz passt. Vielmehr handelt es sich hier um eine Kombination aus psychedelischen Stoner-Riffs und einem Schuss Progressive-Rock, von der Band wirklich hochklassig vorgetragen. Fünf von sechs Songs wissen sehr zu gefallen, eines geht jedoch gar nicht: das von allen drei Mitgliedern „leidenschaftlich“ herausgepresste „Uuhhh“ im Opener „Blizzard“ zwingt einen beinahe dazu, sofort die Stoptaste zu drücken. Einfach unfassbar, wie man einen an sich guten Song zerstören kann mit so einem Quatsch. Jungs, macht das nie wieder! Ansonsten durchaus gelungen. (6) Jens Kirsch
DAS FRIVOLE BURGFRÄULEIN
Punkverräter CD | Schulanfang77 | burgfraeulein.de || Eigentlich ist man nie zu alt für alles, was Spaß macht, und schon gar nicht für gute Musik, aber zugegeben: es kostete bei dem Bandnamen DAS FRIVOLE BURGFRÄULEIN schon einige Überwindung, die CD in den Player zu legen. „Bonns beste Strand Punk Band der Welt“ nimmt sich selbst nicht ernst, verzichtet bis auf zwei bis drei Ausrutscher auf allzu alberne Plattitüden und macht einfach Spaß! Neben dem aus dem Film „Video Kings“ bekannten(?) Song „Ramona“, dem Liebeslied „Für sie“ und der skurrilen Märchenadaption „Gretel“ sind die in meinen Augen eher weniger gelungenen Nummern schnell aufgezählt und auch wieder vergessen. Wer aber bei Songs wie „Scene police“ mit derartigen textlichen Ergüssen in Selbstironie aufwartet, macht
/SINGLES unbändigem Rauschen und der bis zum Bersten übersteuerten Titelmelodie von „Benjamin Blümchen“. Dieser Song ist der dritte Teil der „Mio-Trilogie“, welche Dirk Dietzel seinem Sohn widmete, der nur wenige Tage auf dieser Erde lebte. Ebenfalls auf der B-Seite vertreten ist eine sehr persönliche Umsetzung des Begriffes „Stern“, von Elektro-Noise-Zerstörer und Single-Mitinitiator Carsten Vollmer. F9C3 bezeichnet eine Sternenkoordinate und basiert auf einem CURRENT 93 Song – auch wenn dieses gepulste Rauschen und Piepsen schwer bis gar nicht darauf schließen lässt. Zwei gewohnt düstere und betont emotionale Songs steuern SERENE FALL auf der A-Seite bei. Nach acht Jahren sind dies die ersten Studioaufnahmen des Nebenprojekts des EA80-Gitarristen Maul. Die Single erscheint wie ein klassisches Vinylalbum in einem stabilen 3mmKarton, die Innenhülle ist ebenfalls bunt und mit allen Texten bedruckt. (9) JeNnY Kracht
SORE LOSERS
Too Sexy For The Führer Bunker 7“ | thesorelosers.net || Ich erinnere mich noch gut daran, als ich das erste Mal das Tape einlegte, auf dem nichts weiter als THE SORE LOSERS und „Give Me Coffee Or Give Me Death“ stand. Kein Infoblatt, Keine Kontaktadresse, keine Homepage, einfach nur sechs genial-trashige PunkSongs, die ich rauf- und runterhörte und nach wie vor großartig finde! Nun, hier sind sie wieder, mit fünf neuen Titeln. Die Single verrät diesmal immerhin die Info, dass in Freiburg aufgenommen wurde. Außerdem haben die Jungs sich die Mühe gemacht, mir auf die Rückseite eines abgezogenen Aufklebers ihre MySpace- und HomepageAdresse zu kritzeln! Die Lieder sind wie gehabt trashig und dilettantisch, doch nicht ansatzweise mehr so genial. Immer noch schrammeliger 60s Garage mit 80er Hardcore, immer noch gut, aber eben nicht mehr sehr gut. Mag sein, das ein Teil des Zaubers durch die ganzen InternetInfos verflogen ist –- aber ich habe das Tape nochmal im direkten Vergleich gehört. Tape: ultrageil! Single: ganz gut. Ein Lied ist scheiße. (6) Mario Turiaux
STIFFS
Innocent Bystander 7“ | Still Unbeatable | still-unbeatable-records.de || Angeblich haben die 1977 gegründeten STIFFS Ende 2008 ein neues Album eingespielt, man darf also gespannt sein, was die Engländer noch drauf haben. Als Referenz darf dann diese Single hier dienen, auf der sich die vom originalen Masterband gezogenen Nummern „Innocent bystanders“ und „Affairs of the heart“ aus dem Jahre 1980 finden: Den BOYS nicht ganz unähnlicher Punk mit hohem Pop-Anteil und schön rauhem Gesang. Auf 500 limitiert, also schnell zugreifen. (8) Joachim Hiller
VISITORS
Tropic Of Cancer 7“ | House Party/P.Trash | ptrashrecords.com || Sehr schön anzusehen, was da aus Ottawa/Kanada auf meinem Plattenteller landet. Blaugelbes Vinyl, ein ulkiges Textblatt und eine hübsche Postkarte mit den drei Globetrotter-Nerds von den VISITORS. Das Ganze hört sich natürlich auch gut an, wobei mir speziell die zwei Songs mit Fräulein Antarctica Cat da Gama (ausgefallene Pseudonyme gibt’s ebenfalls) am Mikro am besten gefallen. Geht leicht in Richtung der pop-infizierten Songs der späten ZODIAC KILLERS. Die beiden anderen Songs bieten konventionellen, aber hochklassigen Pop-Punk, also auch gut. Vier Stücke, keine Ausfälle, was will man mehr?! (7) Bernd Fischer
WATER SAFETY
Tapdance/Ok Cliché 7‘‘ | Unknown | unknownrecords.de || Nennen wir es moderne Melancholie. Zwei Songs auf orangenem Vinyl, die nicht nur die Füße bewegen wollen. THE WATER SAFETY machen New Wave und es klickt und zirpt an jeder Ecke. Irgendwo zwischen THE FAINT und FOALS zappeln sich die drei Jungs gehörig was zusammen und wissen damit zu begeistern. Dazu kommt, dass die zwei Songs dieser 7“ auch noch in einem verdammt interessanten Artwork verpackt wurden. Gute Sache. Ich bin gespannt aufs Album. (7) Sebastian Wahle
WOOG RIOTS / SCHWERVON!
Split 7“ | Decoy Industry | myspace.com/decoyindustry || Decoy Industry sind ein neues D.I.Y.-Label, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, uns Musikliebhaber alle vier Monate mit frischer Musik auf 80 g-Vinyl zu beglücken. Die erste Ausgabe ist gefüllt mit dem elektrischen „People working with computers“ der deutsch-italienischen WOOG RIOTS und „Balloon“ der New Yorker Band SCHWERVON! auf der anderen Seite. Positiv auffallend sind bei beiden Songs vor allem der gemischte Gesang, unterlegt mit minimalistisch angehauchten Antipopmelodien. Tolle Bands, gute Songs, sehr liebevoll gestaltetes Artwork. Empfehlenswert! (7) Anna Behrendt
UNFIT
Don’t Love Us Cause We Hate You 7“ | Be Fast | myspace.com/toutafond || 4-SongEP im feinen 7“-Format von den Franzosen UNFIT, die es hier leider nicht schaffen, sich für ein komplettes Album zu empfehlen. Zu eintönig rumpelt ihr Rock’n’Roll-lastiger Hardcore samt der rauchigen Stimme des Frontmanns aus den Boxen, als dass man Lust hätte, sich das auf Albumlänge anzuhören. Wenn ich es whiskygetränkt haben will, greife ich zu MOTÖRHEAD, ansonsten bleibe ich für den Hardcore-Anteil lieber bei den Originalen aus New York. Da muss am Songwriting noch getüftelt werden. (5) Tobias Ernst
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das schnell wieder wett und sorgt mit charmanter Ehrlichkeit für bejahendes Kopfnicken (und die Füße stehen auch nicht still): „Das hier klingt wie SILBERMOND oder JULI im September / Wer mehr als drei Akkorde kennt, gehört schon zum Establishment“. Überhaupt veranstalten die Burgfräuleins in ihren Texten ein wahres Feuerwerk an Punkband-Namedropping. Ob nach mehrmaligen Hören diese Art von Humor immer noch zündet, kann ich mir zwar schwer vorstellen, aber wer lacht schon x-mal über denselben Witz? Die unsagbar nervigen „Sportfreunde“ werden als „Sportbeutel Killer“ gleich mit in den Lachsack gesteckt – das gibt ebenfalls Bonuspunkte bei mir! „Punkverräter“ wird außerdem für Nippes auf der Band-Homepage komplett zum Download angeboten und spätestens jetzt solltet ihr euren Humor testen! Wenn Fun-Punk, äh Strand-Punk ... dann so! (8) Christian Fischer
DEATH BEFORE DISHONOR
Better Ways To Die CD | Bridge 9/Soulfood | bridge9.com | 24:16 || Nach einigen Umbesetzungen sind DEATH BEFORE DISHONOR pünktlich zwei Jahre nach „Count Me In“ mit dem Nachfolger zurück. Wie üblich enttäuscht auch „Better Ways To Die“ kein bisschen, ganz im Gegenteil, es zeigt so einige Facetten der Band, die man früher nicht bewundern durfte. An sich geht es hier natürlich noch immer um Tough-Guy-Hardcore mit einem unüblich großen Punk-Einfluss, die Neuerungen sind aber schon deutlich hörbar. Der Opener „Peace & quiet“ überrascht direkt mit mehreren Gitarrensoli, darauf folgt das getragen, einem Metal à la SENTENCED nicht unähnlich beginnende „Remember“ – worauf dann auch erstmal Schluss ist mit Experimenten, denn im weiteren Verlauf des Albums sind die Spielereien eher subtil untergebracht. Unpassend klingen sie zudem ohnehin nie, vielmehr fügen sie den wie immer durchgehend gelungenen Songs interessante Details hinzu. Vor allem „Boys in blue“ und „So far from home“ sind noch hervorzuheben, auch wenn der Rest kaum abfällt. Wer ein Herz für Hardcore hat, das Macho-Gehabe anderer Bands aber nicht ertragen kann, findet hier seine Alternative. (8) Andreas Kuhlmann
DEL MOROCCOS
Blue Black Hair CD | Hi Style | hi-style-records.com | 35:20 || Bei den DEL MOROCCOS handelt es sich um eine 16-beinige Partyraupe Nimmersatt, die gierig schmutzige alte R&B-, Soul- und Rock’n’Roll-Nummern verdaut und kurz vor der Verpuppung Schellack ausscheidet, aus dem die Erstauflage dieses schönen Albums gepresst werden kann. Das Grundprinzip ist nicht ganz unbekannt, die DETROIT COBRAS gehen ähnlich und mit der selben Liebe zu Raritäten und Schätzen aus dem Fundus von Hitschleudern wie Chess, Sun oder Atlantic-Records zu Werke. Jedoch ist der Sound der MOROCCOS viel näher am Original und nicht so junkiemäßig verlottert wie der Cobra-Sound. Frontfrau Gabrielle Sutton quiekt sich mit derselben Lebensfreude und Leichtigkeit durch die Songs, wie Wanda Jackson es tat und immer noch tut. Dabei schüttelt sie die Maracas, als ob es kein Morgen gäbe, ihr Ehemann Jimmy spielt eine beeindruckend furchtlose, unaufdringliche Leadgitarre und setzt eher Akzente, als die Songs zu dominieren. Dafür ist auch Sax-Mann Josh Bell zuständig, der auch durchaus bei alten Stax-Produktionen richtig aufgehoben wäre. Seine Rotzkanne erinnert nicht unwesentlich an King Curtis’ furiosen Einsatz des Instruments. Leider ist „Blue Black Hair“ eine reine Cover-Sammlung, es wäre gewiss interessant, auch einmal eigenes Material zu Ohren zu bekommen. Doch auch die Cobras haben auf all ihren Veröffentlichungen genau einen einzigen selbstkomponierten Song vorzuweisen, also können sich die DEL MOROCCOS dann ja auch noch etwas Zeit lassen. (9) Gereon Helmer
DEVELOPMENT DISORDER
Missed Calls MCD | myspace.com/developmentdisorder || Mit „Missed Calls“ legen DEVELOPMENT DISORDER aus Aachen im dritten Jahr des Bandbestehens bereits ihre zweite EP vor und klingen darauf angenehm altmodisch nach dem, was man noch vor einigen Jahren auch ohne Scham „Emo“ nennen konnte. Leidenschaftlich vorgetragene Songs irgendwo zwischen ruhigen Passagen und lauteren Ausbrüchen, die vor allem durch ihre dichte Atmosphäre bestechen und mich in ihren besten Momenten immer wieder an ELLIOTT zu „False Cathedrals“-Zeiten erinnern. (7) David Schumann
DONNAS
Greatest Hits Vol. 16 CD | Purple Feather/Cargo | thedonnas.com | 38:10 || 2006 schon wurde der Plattendeal der DONNAS mit Atlantic/Warner beendet, seitdem bringen die Kalifornierinnen ihre Platten selbst raus, auf dem bandeigenen Label Purple Feather Records. Nun sind seit „Bitchin’“ von 2007 auch schon wieder zwei Jahre vergangen, und so kommt jetzt, passend zur US-Sommertour mit Pat Benatar und BLONDIE, dieser Zwitter daher: teils neues Album, teils Best-Of, teils Live-Platte. So finden sich hier vier unveröffentlichte Songs, ein paar neue, „Take it off“ und „Fall behind me“ als Live-Aufnahmen, und fünf alte Songs in neu aufgenommenen Versionen. Gegen sowas ist ja nichts einzuwenden, allerdings fehlen jegliche Detailinfos zum Hintergrund der jeweiligen Stücke, so dass man sich als Fan etwas verschaukelt vorkommt – musste da zur Tour ein Album am Start sein, galt es da aus rechtlichen Gründen, alte Songs zu vermeiden beziehungsweise diese neu einzuspielen? Man weiß es nicht, wundert sich und hat an den 16 Stücken dennoch Spaß.THE DONNAS eben, Girl-Hardrock der ganz klassischen Sorte, der leider nie die Klasse der Vorbilder erreicht. Andererseits: Wer macht so einen Sound heute besser als die DONNAS? (7) Joachim Hiller
DROOGIEZ
Do It Yourself MCD | droogiez.de || Nach 15 Jahren haben die ehemaligen „Droogie Boys“ sich wieder zusammengerauft und diesmal richtig. Dem Alter Tribut zollend wurde das „Boys“ aus dem Bandnamen entfernt und was früher bis auf Demos und gecovertem Live-Material einfach fehlte, hat jetzt als endlich auch das (Laser-)Licht der Welt entdeckt: Eine richtige CD-Veröffentlichung mit eigenen Songs! „Do It Yourself“ ist zwar „nur“ eine 4-Track-CD geworden, aber hier gilt der abgelutschte Spruch: Weniger ist mehr! 77er Punk, der einfach und lässig „nur“ durch sein „Songwriting mit Seele“ überzeugt. Dabei könnten die Herren mit ihren gesammelten, musikalischen Erfahrungen und Beteiligungen an Bands wie OXYMORON, THE HINKS oder DEADBEATS ganz andere Saiten und Musikstile aufziehen. Tun sie aber zum Glück nicht, Understatement macht sympathisch: Songs wie „Glorious days“ oder „Wasting away“ funktionieren gerade deshalb so gut, weil auf Spielereien, überproduzierte Bombast-Elemente oder Stilbrüche verzichtet wird. Ich bin begeistert und ihr werdet es garantiert auch sein, wenn LURKERS, 999, COCKNEY REJECTS euch mehr bedeuten als BILLY TALENT. Wehe, wenn das schon wieder alles war, ich will ein Album! (9) Christian Fischer
DUEL
Childish Behavior 2CD | Ffruk | ffruk.com | 48:49/42:29 || „Duel“ hieß auch der erste Steven Spielberg Spielfilm aus dem Jahr 1971, aber ganz so spannend wie in dem Thriller (ein Auto wird grundlos von einem Truck verfolgt), geht es bei der Band DUEL aus London nicht zur Sache. Zu den 14 Songs im Stile von frühen UK-Bands wie VICE SQUAD beziehungsweise EXPELLED oder der amerikanischen Punk Legende LEGAL WEAPON (mit Sängerin Kat Arthur, auch Patricia Morrison gab hier ein Gastspiel) enthält das Album der Band um Sängerin Tara Rez eine Bonus-CD mit weiteren elf Songs, darunter sechs recht dünne Akustikversionen. Auf der Cover-Rückseite werden übrigens sechs Bandmitglieder aufgeführt, im Booklet tauchen fünf Namen auf und die MySpace-Seite nennt vier Namen. Auch das beiliegende Platteninfo hilft hier nicht weiter, es enthält lediglich eine Konzertkritik von einem gemeinsamen Auftritt mit SHAM 69 und den VIBRATORS. Fazit: punkiger als BLONDIE, aber auch etwas langweiliger. (6/5) Kay Werner
DYSRHYTHMIA
Psychic Maps CD | Relapse | relapse.com | 37:18 || Was dieses Trio aus Philadelphia auf ihrem neuen Album im Vergleich zu anderen Frickel-Kapellen erneut auszeichnet, ist ihr Gespür für komplexe, durchdachte Songs, die nicht reines Chaos sind, sondern elegant Metal, Hardcore, Jazz und ganz normalen Rock ineinander blenden. Anstrengend ist auch „Psychic Maps“ irgendwie, aber dafür wird man mit einer virtuosen Hochgeschwindigkeits-Freisetzung von Energie entlohnt, die mehr mit den Progrock-Sounds von KING CRIMSON als mit aktuellen Spielarten von Metal zu tun hat. Und wenn man gerade denkt, man würde den Bezug zu den Songs und ihrer zerfaserten Struktur verlieren, fangen einen DYSRHYTHMIA gekonnt wieder auf und lassen innerhalb ihrer vertrackten Rhythmik auch Melodien und Ruhezonen zu. Das könnte man als „MASTODON ohne Gesang“ umschreiben, ist aber auf jeden Fall meilenweit von irgendwelchen technisch minderbemittelten Metalcore-Spacken entfernt, die über die reine Geschwindigkeit hinaus nur substanzlose Nicht-Songs produzieren. (7) Thomas Kerpen
EEE
DEVILROCK FOUR
First In Line CD | Unconform | unconform-records.de | 44:47 || Bereits 2007 ist das vorliegenden Debütalbum der Melbourner DEVILROCK FOUR in Australien erschienen. Nach einer Europatour 2008 nahm sich das Frankfurter Unconform-Label der Hardrocker an, und nachdem im Mai bereits die Single „No Friend Of Mine“ releaset wurde, reicht man nunmehr das ganze Album nach. Geboten wird handwerklich solider Rock mit starken Bezügen zu klassischem 80er-Jahre-Hardrock. Vollständig überzeugen können sie mich noch nicht, aber Fans von vierminütigen Glamrock-Nummern werden ihre Freude haben. (6) Simon Dillo
DIRTY CALLAHANS
Stepping On Toes CD | Sounds Of Unity | soundsofunity.no | 44:48 || Die norwegischen DIRTY CALLAHANS waren mir bis jetzt unbekannt, obwohl bereits 2004 der erste Longplayer veröffentlicht wurde. Dabei ist die Band durchaus wert, nicht übersehen zu werden, auch wenn (oder vielleicht gerade weil) hier starke Erinnerungen ans Skandinavien der 1990er Jahre wach werden. Sogar die Vocals erinnern stellenweise stark an GLUECIFER. Guter Stoff für alle, die nach dem Ende der HELLACOPTERS nach Ersatzdrogen suchen.(7) Simon Dillo
DOGMA INC.
Before And After CD | STF | stf-records.de || Hier wird dem geneigten Hörer laut Promozettel eine abnormale musikalische Schlachtplatte aus der Slowakei versprochen. Gut, selbstüberschätzende Eigenwerbung ist ja keine Seltenheit, nur ist diese meistens Meilenweit von der Realität entfernt. Die werten Osteuropäer mischen mehr oder minder gekonnt Thrash-, Hard- und Grindcore in einen großen Topf und hoffen, dass am Ende ein schmackhaftes Gebräu zustande kommt. Leider schmeckt das Resultat eher nach alten, abgestandenen SEPULTURA-Riffs mit einfallslos platzierten Groove- und Blast-Salven. Abnormal klingt das nun wirklich nicht, eher nach Einheitsbrei, der zwar für den einen oder anderen Aha-Moment kurz aufhorchen lässt, aber doch schon tausendmal am Fließband fabriziert wurde. Uwe Kubassa
EARTHLESS
Live At Roadburn 2CD | Tee Pee/Cargo | teepeerecords.com | 82:57 || Ich will mich gar nicht an die Schmähungen und Beleidigungen erinnern, mit denen mich die Kollegen Hiller, Kerpen und Renz bedachten, während und nach des absolut phänomenalen EARTHLESS-Auftritts auf dem 2008er Roadburn Festival. Da diese drei ach so musikalisch aufgeschlossenen und gebildeten Herren es vorzogen, ob ihrer Ignoranz an der Bar rumzugammeln, verpassten sie nicht nur den Höhepunkt des Festivals, sondern eines der besten Konzerte, die ich eh je erlebt habe. Denn was die in letzter Minute – den zu kurz spielenden ISIS sei Dank – von der kleinen „Bat Cave“ auf die große Bühne des O13 in Tilburg verlegten EARTHLESS da in knapp anderthalb Stunden zelebrierten, war so fantastisch, dass mir dafür immer noch die Worte fehlen. „Näher kann man Jimi Hendrix nicht kommen“, schrieb ich in meinem Konzertbericht und dieser den gesamten Auftritt wiedergebende Mitschnitt gibt mir Recht: „Live At Roadburn“ hält einen ganz besonderen Moment instrumentaler Rockmusik fest und zeigt eine unfassbar großartige und mitreißende Leistung von Bassist Mike Eginton (ELECTRIC NAZARENE), Drummer Mario Rubalcaba (unter anderem 411, ROCKET FROM THE CRYPT, CLIKATAT IKATOWI, HOT SNAKES, SULTANS, METROSCHIFTER, THE BLACK HEART PROCESSION) und vor allem Gitarrist Isaiah Mitchell (NEBULA). (10) André Bohnensack
ETTES
Look At Life Again Soon / Danger Is CD+MCD | Kntrst | kntrst.com | 28:12/13:52 || Bei den ETTES trifft der ruppige und rumpelnde Charme von Sixties Garage der Marke THE SHANGRI-LAS auf die Lei-
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ADICTS - life goes on LP/CD je 13,5 AGAINST ME - original cowboy LP/CD 11,9/10,5 AMERICAN STEEL - dear friends amd gentle hearts LP/CD 11,9/9,5 ANTI-FLAG - people or the gun LP/CD 12,5/14,ANYWAY - burden LP/CD 11,5/9,ARCTIC MONKEYS - humbug 2LP/CD 16,5/14,9 ARKTIKA - heartwrencher LP 10,ATOM NOTES - s/t 7“ 6,BASEBALL FURIES - throw them to the lions LP/CD 13,-/15,BELLRAYS - hard sweet sticky LP 15,BIKINI KILL - new radio 7“6,BILLY CHILDISH - archive from 1959 - b.c.story 3LP/2CD 18,5/16,5 BILLY TALENT - III CD 15,9 BLACK MATH HORSEMAN - wyllt LP/CD 15,9/15,5 BLANK DOGS - under and under 2LP/CD 17,9/14,BOUNCING SOULS - 20th anniversary vol. 2 7“ 5,BOXHAMSTERS - brute imperial LP/CD tba BUTTHOLE SURFERS - life pcpp LP 11,CAPITALIST CASUALITIES / MAN IS THE BASTARD - split LP 10,5 CIRCLE JERKS - golden shower of hits LP 15,COBRA SKULLS - american rubicon CD 11,DARKEST HOUR - eternal return LP/CD 13,5/14,5 DEAD WEATHER - horehound 2LP 25,9 DEAR LANDLORD - dear hopes LP/CD je 11,5 DIGITAL LEATHER - debut LP 13,9 DINOSAUR JR. - farm 2LP+7“/CD je 14,9 DISAPPEARER - clearing 2LP/CD 18,5/12,5 DONNAS - greatest hits vol. 16 LP/CD je 15,DRONES - havilah 2LP/CD 18,5/12,5 FAT FREDDYS DROP - dr. boondigga & the big w 2LP/CD 18,5/14,9 FLIEHENDE STÜRME - die tiere schweigen LP/CD 13,-/15,FLIPPER - love LP/CD 14,9/12,9 FLYBOYS - crayon world 7“ 4,FUTURE OF THE LEFT - travels with myself and another LP/CD 15,/14,9 GOLDENE ZITRONEN - punkrock LP tba GOLDENE ZITRONEN - fuck you LP tba GOSSIP - music for men 2LP/CD 21,9/14,9 HEARTBURNS - too much drugs, too much tv CD 9,9 HERR NEUMANN - träumt weiter LP 10,5 HEX DISPENSERS - winchester mystery house LP/CD je 12,JACK-O & TENNESSEE TEARJERKERS - disco outlaw LP 13,JAY REATARD - watch me fall LP/CD 16,5/15,9 KARMACOPTER - goodbye haptik LP 9,9 LES TERRIBLES - ils sont formidables LP/CD 10,-/12,LOSER LIFE - friends with a demon CD 9,5 M.O.T.O. - single file 2LP 18,5 MAGNOLIA ELECTRIC CO. - josephine LP/CD je 14,9 MARS VOLTA - octahedron CD 14,9 MASONICS - from the temple vault LP 14,MEATMEN - cover the earth CD 11,5 MOMO LAMANA - monke 10“ 10,5 MOTORPSYCHO - child of the future LP 16,9 NEBULA - heavy psych LP/CD 15,9/14,9 NEW CHRISTS - gloria LP/CD je 14,5 NO FX - coaster LP/CD je 11,9 NORTH LINCOLN - midwestern blood LP/CD je 11,5 NOUVELLE VAGUE - 3 LP/CD je 13,9 OIRO - blut und schleim 7“ 4,OLEHOLE - holemole CD 12,5 PANSY DIVISION - that´s so gay CD 14,PANSY DIVISION - life in a gay rock band 2DVD 14,9 PHOENIX FOUNDATION - s/t LP/CD 11,5/9,9 PELICAN - ephermeral LP 15,5 PINHEAD GUNPOWDER - pick over the traces LP/CD je 12,5 PORTUGAL THE MAN - satanic satanist LP/CD 20,9/15,9 PUSSYWARMERS - my pussy belongs to daddy LP/CD 14,-/15,RANCID - let the dominoes fall 2LP/CD 21,5/15,9 REIGNING SOUND - love & curses LP/CD 11,5/13,5 REVELATORS - let the poor boy ride LP 12,5 RIVERBOAT GAMBLERS - underneath the owl LP/CD 18,5/14,5 RIVERDALES - invasion usa CD 11,SCREECHING WEASEL - wiggle LP/CD 14,-/10,5 SHITTY LIMITS - beware the limits LP/CD 11,-/12,SLACKERS - an afternoon in dub LP 12,SNEAKY PINKS - i can´t wait 7“ 5,SOMETHING FIERCE - there are no answers LP 12,5 SONIC YOUTH - eternal 2LP/CD 15,9/14,9 SONNY VINCENT w/ RFTC - s/t LP+CD 12,5 SOUTHPORT - armchair supporters LP/CD 12,5/11,SPINNERETTE - s/t LP/CD je 14,9 SPITS - s/t (fourth) LP/CD je 13,STUPIDS - kids don´t like it LP/CD 14,-/12,5 SUMMER CATS - songs for tuesday LP/CD 11,5/13,SUNNO))) - monolith CD 14,5 TAKING BACK SUNDAY - new again LP/CD 21,9/17,9 TORTOISE - beacons of ancestorships LP/CD 17,5/14,9 TY SEGALL - lemons LP/CD 13,-/14,TYVEK - s/t LP/CD 14,9/13,5 V/A - dirty french psychedelics LP 14,5 V/A - punk ja yäk 4-CD-BOX 46,5 VOIVOD - infini 2LP/CD 21,5/14,5 WASTED TIME - futility LP 10,WOLVES IN A THRONE ROOM - black cascade 2LP/CD 21,9/14,9 YESTERDAY´S RING - punx not dead 7“ 3,9 Kostenlosen Katalog anfordern! Portofreier Versand ab 75,- Bestellwert (BRD) Alle Preise inkl. 19% Mwst. und zzgl. Porto Ladengeschäft in Freiburg
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denschaft der frühen THE THERMALS, Billy Childish und Holly Golightly. Produzent Liam Watson, der bereits den Sound von THE KILLS und THE WHITE STRIPES perfektionierte, hat auf so ziemlich allen technischen Ballast verzichtet und das Album auf einer alten Studer-Vierspurmaschine aufgenommen. Das Trio um Sängerin und Gitarristin Coco aus L.A., das sich selbst als Beat-Punk kategorisiert, verneigt sich in vielerlei Hinsicht vor THE SONICS, THE STOOGES und KING KHAN & THE SHRINES. Dass sich Schlagzeugerin Poni erst einen Monat vor Gründung der Band erstmals mit ihrem Instrument beschäftigte, ist kein Nachteil, sondern eher die großartige und richtige Basis für eine Band, die nicht auf Perfektion, sondern auf die Grundfesten des Rock’n’Roll setzt und damit ohne Zweifel jeden Club zum Wackeln bringt. Und vor einer Band, die als die Besetzung ihrer hypothetischen Supergroup unter anderem Brian Jones und den MaracaSpieler Jerome Green (der in der Band von Bo Diddley spielte) nennt, muss man sowieso den Hut ziehen. It’s only rock’n’roll but I like it. (8) Markus Kolodziej
EL GRUPO NUEVO DE OMAR RODRIGUEZ-LOPEZ
Cryptomnesia CD | Rodriguez Lopez Productions | rodriguezlopezproductions.com | 36:12 || Egal, ob man Omar Rodriguez-Lopez für einen Gitarrengott oder für einen selbstverliebten Egomanen hält: er ist und bleibt ein mordsproduktiver Musiker, der auf mehreren Avantgardisten-Hochzeiten gleichzeitig tanzt und seinen Anhängern auch schon mal Platten zumutet, die nur aus Feedback-Geräuschen zu bestehen scheinen. Für sein neues und originellerweise EL GRUPO NUEVO DE OMAR RODRIGUEZ-LOPEZ getauftes Projekt hat er sich mal wieder eine neue Schar Gastmusiker zugelegt, zu denen nicht nur ein wie wahnsinnig drauflos spielender Schlagzeuger namens Zach Hill, sondern auch jener Cedric Bixler Zavala gehört, der schließlich auch THE MARS VOLTA die Stimme leiht. Und doch ist trotz dieser Mitgliederkonstellation „Cryptomnesia“ keine B-Ware aus den Studiosessions von Omars Hauptband. Zwar bieten die fünf Musiker genau jenen abgedrehten Artrock, den man von ihnen erwartet, aber das unglaubliche Tempo, mit dem sie dem Hörer keine ruhige Sekunde lassen, ist trotzdem erstaunlich. Es scheint, als hätte Omar Rodriguez-Lopez dieses Mal mehr Wert auf Energie als auf einen elitären Künstlergestus gelegt. (8) Marcus Latton
ENTER SHIKARI
Common Dreads CD | Warner | warnermusic.de | 50:34 || Ah, das zweite Album von ENTER SHIKARI. Die haben ja mit ihrem Debüt „Take To The Skies“ vor zwei Jahren diesen ganzen Elektro-Screamo-Zug maßgeblich mit angeschoben. Inzwischen ist diese Vermischung von Screamound Techno-Elementen aus ihrer Nische herausgekommen und hat die hanebüchensten Bands hervorgebracht. Die meisten von ihnen sind ziemlich schlecht. Nur weil alles erlaubt ist, heißt das ja schließlich nicht, dass man alle musikalischen Elemente, die man kennt, unkoordiniert verwenden muss. ENTER SHIKARI sind sich dieser Gefahr bewusst. So ist „Common Dreads“ zwar streckenweise ziemlich stressig, aber niemals unaushaltbar unstrukturiert. Alles wie auf dem ersten Album, könnte man denken, aber irgendwas ist hier anders. Mir scheint, dass „Common Dreads“ ernster daherkommt als „Take To The Skies“, hier geht es nicht mehr um Krawall um des Krawalls willen, sondern um zielgerichteten Widerstand. Insgesamt sind ENTER SHIKARI zudem variabler geworden, auch ruhigere Momente finden auf „Common Dreads“ ihren
Platz, teilweise erinnert mich Sänger Rou Reynolds sogar an Thom Yorke, Matthew Bellamy oder Mike Skinner ... Man mag von dieser Mischung aus Trance/Dance/Techno und Rock/Hardcore halten, was man will, aber ENTER SHIKARI gehören zu den wenigen Bands, die damit umgehen können, die Elemente der verschiedenen Musikrichtungen zu ihrem eigenen Stil verbinden und dazu noch relevante Texte schreiben. (8) Nadine Maas
ELSE ADMIRE
Disco Solution – Top Dance Hits MCD | Pyromusic | pyromusic.de | 18:07 || So, der Sommer ist da, wann kommen die ersten TV-Werbungen mit Hinweis auf den aktuellen Sommerhit? Der wird ja nicht demokratisch von denen erkoren, die dufte Musik am Baggersee hören, sondern von irgendwelchen RTL/ Pro7-PR-Pfeifen diktiert. Ich als Außenstehender plädiere stark für den „Banana Milkshake“, dem ersten der „Top Dance Hits“ vom alten Punk-„Szenehasen“ Else Admire. Dieter Bohlen könnte so einen Euro-Disco-Sound nicht sinnfreier machen, im Gegensatz zu Else und Projektpartner Scratch Dee ist er sich wohl nicht mal bewusst über den Trashfaktor, der in seinem Quatsch steckt. Wenn man sich als Punk-Sozialisierter schon mit Disco-Musik auseinandersetzen muss, dann bitte nur wie hier von Leuten, die wissen, dass Discokugelscheiß Discokugelscheiß bleibt. Auch die anderen vier heißen Tracks dürften Renner bei der Flatrate-Saufparty in der nächsten Provinz-Großraumdisco sein. Auch ganz wichtig: Niemals ernst nehmen, das! (6) Timbob Kegler
ENOCHIAN THEORY
Evolution: Creatio Ex Nihilio CD | Anomalousz Music | anomalouszmusicrecords. co.uk | 48:59 || Progrock der ganz angenehmen Sorte bieten ENOCHIAN THEORY. Ohne viel Gefrickel, dafür aber mit einem guten Gespür für seichte Melodien, elegante Orchesterpassagen und dezentes Pathos kommen die Songs auf „Evolution: Creatio Ex Nihilio“ daher. Sogar die im Presseinfo angekündigten Metal-Einflüsse halten sich größtenteils im Hintergrund. Insgesamt zwar keine Glanzvorstellung, aber ein überraschend unaufgeregtes und atmosphärisch dichtes Album, das überdies auch einige große Momente aufweisen kann. (6) Marcus Latton
EVIL COUNTRY JACK
Jack’s Country CD | Be Fast | myspace.com/befastlabel | 1:12:41 || Mal ganz im Ernst: Wer braucht eine musikalische Mixtur aus Country, geisteskranken Orgelorgien und Thrash und Death Metal? Ich jedenfalls habe das nie gewollt, konnte aber auch diese Franzosen aus Montpellier nicht davon abhalten, über eine Stunde ihres Irrsinns auf eine CD zu packen. SKELETON WITCH meets Elvis Schneider samt Todesorgel, als auch Gunther Gabriel verkleidet als Tito ohne Tarantula. Danke für diesen innovativen Beitrag. Wer jetzt die Ohren spitzt, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Hauptsache, den Jungs macht ihre Musik Spaß! (4) Carsten Hanke
Bands: Vocoder sind scheiße! Hört auf damit, wenn ihr nicht wie Kanye West und Cher klingen wollt! Aber zurück zu FACT: unglaublich stressige Musik, die nur selten nicht nervt, was nicht nur am Vocoder liegt. Das ist einfach von allem zu viel. Zu viel Gitarrengegniedel, zu viel Geschreie und zu viel Synthesizer, ich sehe da kein wirkliches Klangkonzept. Vielleicht verzeihlich für das erste Album, aber in Zukunft wäre, eine eigene Linie zu finden und nicht alles, was man gut findet, einfach zusammenzuschmeißen, wohl der bessere Weg ... (4) Nadine Maas
FIERY FURNACES
I’m Going Away CD | Thrill Jockey | thrilljockey.com | 47:27 || Eine halbwegs normale Platte werden die Geschwister Friedberger – oder sind die wie die Whites letztendlich auch nur ein (Ex-)Pärchen? – wohl auch nicht mehr aufnehmen, obwohl „I’m Going Away“ für ihre Verhältnisse erstaunlich konventionell ausgefallen ist. Weniger Beefheart’sches Dekonstruieren bekannter Songschemata als beinahe klassische Poptunes stehen hier im Mittelpunkt, bei denen zwischendurch immer mal wieder die Exzentrizität der New Yorker durchbricht, doch diese „Breaks“ sind diesmal wesentlich homogener in das musikalische Gesamtkonzept der superb instrumentierten Platte eingebettet. Die Friedbergers können, wie gesagt, richtig brillante Popsongs schreiben, aber das wäre dann doch etwas zu einfach für ihr ausgeprägtes Kunstverständnis, das diesmal songwriterisch eine angenehm ausgewogene Mischung zwischen hysterisch und dramatisch findet. Jazz, Rock, Blues und Pop gehen hier eine friedliche und fast schon unverschämt unbeschwerte Koexistenz ein, auch wenn eine Platte wie „I’m Going Away“ unvorbereiteten Musikkonsumenten immer noch gehörige Kopfschmerzen bereiten dürfte. (8) Thomas Kerpen
FALSE ALARM
Fuck ’em All We’ve Already Won! CD | Nicotine | nicotinerecords.com | 43:58 || Und noch eine uralte US-Punkband aus der dritten oder vierten Reihe, die nach Jahrzehnten eine CD auf den Markt schmeißt, die mir nichts weiter als ein müdes Gähnen entlockt. Behäbiger Altherren-Punkrock für Ewiggestrige. Da hatte die Bluesrock-Coverband, die damals im Nachbarraum probte, mehr Drive. Für Erbsenzähler sei erwähnt, dass das Cover von Dee Dee Ramone und Paul Kostabi gemalt wurde und dass angeblich Fat Mike in den 1980ern Mitglied bei FALSE ALARM war. (5) Guntram Pintgen
FLOWERS OF HELL
FACT
s/t CD | Vagrant | vagrant.com/uk | 50:32 || Ah, Japaner. Genauer gesagt, Elektro-Screamo-Japaner. Und direkt im ersten Song wird mit Vocoder gearbeitet, dem Instrument aus der Hölle. An dieser Stelle eine Ansage an alle
Come Hell Or High Water CD | Benbecula/Broken Silence | benbecula.com | 44:54 || Sehr schöner orchestraler Pop mit psychedelischer Note von einer vielköpfigen, in London und Toronto ansässigen Formation – hier sollen es 30 Musiker gewesen sein –, die nicht völlig ihre Wurzeln im Indierock verleugnen, auch wenn Vergleiche mit SPIRITUALIZED oder BROKEN SOCIAL SCENE nur bedingt berechtigt sind. Inzwischen führt man so einen Sound ja gerne auf Krautrock zurück, aber bei FLOWERS OF HELL dominieren eher starke Klassikeinflüsse. Wenn sie nicht gerade recht ausge-
Streifen bearbeitet der Spieler übernatürliches Gesindel mit Energiestrahlen und trifft regelmäßig auf Bekannte wie Slimer oder Marshmallow-Man. Trotz solide inszenierter Friedhöfen, Bibliotheken, Museen und New Yorks Times Square, hervorragend animierter und sich mit ihren echten Stimmen gegenseitig veralbernder Akteure, Original-Zwischensequenzen, -Kreaturen und -Musik könnte der Titel auch ohne Nostalgiebonus überleben. Gründe: sinnvolle Schwierigkeitsstufen, erweiterbare Waffen, versteckte Schätze, ein motivierender Mehrspielermodus und vollständig zerstörbare Grafikkulisse. Negativ fallen hingegen das Fehlen einer Übersichtskarte, die Linearität der nur von Zwischengegnern und einigen Rätseln aufgefrischten Shooter-Missionen sowie die leicht hakelige Steuerung auf. Dominik Winter
die Hau-drauf-Rolle einnimmt, befördert Messerwerfer, Lasso-Akrobat und Scharfschütze Thomas Cowboys, Indianer und Soldaten bevorzugt aus der Entfernung ins Jenseits. Als Belohnung für gemeisterte Aufgaben winken neue Feuer-Modi und großkalibrige, bis zu Kanonen/Maschinengewehren reichende Waffen. Kurzweiliges Gameplay, verbesserte Deckungssysteme, serientypischer Sarkasmus und Mehrspielermodi motivieren zu mehrfachem Einlegen, denn nach dem ersten Durchgang hat man erst einige Ecken des zu Pferd, Wagen und Kanu erkundbaren (und sogar im scherenfreundlichen Deutschland ungeschnittenen) Shooters gesehen. Sollte der dritte Teil eine Kooperationsmöglichkeit enthalten, dürfte der Aufstieg von einer „Gut“ zu einer „Sehr gut“-Bewertung sicher sein. Dominik Winter
ANNO 1404
WII SPORTS RESORT
fff
/GAmES GUITAR HERO: METALLICA
Activision | activision.de | Wii || Das Ox-Redaktionsküken Thomas Renz behauptet zu wissen, dass ich bei fortgeschrittenem Bierkonsum in meiner Musikwahl letztendlich immer bei METALLICA lande. Er mag durchaus Recht damit haben, schließlich hat er schon einige Abende bei mir verbracht, die mit diversen Spielen auf der Wii begannen und eben mit Musik endeten. Die ultimative Kombination aus beidem stellt dann wohl der neueste und wegen seiner Songauswahl für mich attraktivste Ableger der „Guitar Hero“-Reihe dar, der erst zum zweiten Mal eine einzelne Band in den Mittelpunkt des Spiels stellt. Basierend auf dem Prinzip von „Guitar Hero: World Tour“ – bei dem erstmals ein Schlagzeug und ein Mikrofon ins Spiel integriert wurden – kann man sich solo oder eben als ganze „Band“ durch 28 Songs von METALLICA und 21 weitere von Gastbands wie MOTÖRHEAD, MASTODON, SLAYER, THIN LIZZY, SAMHAIN, SUICIDAL TENDENCIES oder SOCIAL DISTORTION spielen, indem man das Drücken (oder Schlagen oder „Singen“) der Knöpfe in der Form befolgt, die einem das Griffbrett auf dem Bildschirm vorgibt. Und das im Rahmen des gewohnt dürftigen Storymodus’, mit direkter Songauswahl oder im (Online-)Multiplayermodus wie etwa der „Bandschlacht“. Neu dabei ist der „Expert+“-Modus für das Schlagzeug, den es aber gar nicht braucht um zu zeigen, dass es ab einer bestimmten Biermenge ratsamer ist, METALLICA-Songs bloß zu hören, als sie mitspielen zu wollen. Zudem kann ich dann auch auf die zurückgreifen, die hier leider nicht berücksichtigt wurden und auch nicht downloadbar sind. Dafür gibt’s diverse Extras wie Making-Of-Videos oder den bereits bekannten Komponiermodus, hier aber mit METALLICA-Soundeinstellungen. André Bohnensack
GHOSTBUSTERS: THE VIDEO GAME
Sony | playstation.de | PlayStation 2, PlayStation 3 || Dan Aykroyd, Bill Murray und Co. planen einen dritten „Ghostbusters“-Film, in dem sie jedoch nur noch am Rande auftreten möchten. In „Ghostbusters: The Video Game“ greifen die alten Haudegen aber noch einmal selbst zu Geisterfalle und Schleimwerfer. Geschrieben von den Serienerfindern Aykroyd und Harold Ramis, erlebt man im 25. Jubiläumsjahr den Alltagswahnsinn eines Geisterjägers: Als namenloser Helfer der digitalisierten Schauspieler der 80er-
Ubisoft | ubi.com/de | PC || Mit „Anno 1404“ kommen Aufbaustrategen voll auf ihre Kosten. Im vierten Serienteil entdecken und besiedeln sie im Endlos- oder Kampagnen-Modus Länder, errichten Gebäude, fördern Rohstoffe, pflegen Anbaugebiete, stellen Waren her und handeln mit ihnen. Um einen reibungslosen Ablauf sämtlicher Bereiche zu gewährleisten, die Steuerkasse regelmäßig klingeln zu lassen und in höhere Entwicklungsstufen vorzustoßen, wollen die virtuellen Helferlein stets mit Nahrung und einem anständigen Sozialleben versorgt werden. Neu im Vergleich zu „Anno 1701“ ist – neben vereinfachten Benutzeroberflächensystemen und der Hinzunahme orientalischer Architektur/Technologien – der Umfang: „Anno 1404“ trumpft unter anderem mit 80 % mehr Einwohnern, 180 verschiedenen Einwohnertypen, 1.400 Aufträgen, sechs Zivilisationsstufen, 120 verschiedenen, bis zu 70 % größeren Inseln, 1.000 Gebäuden, 24 Ressourcen-, neun Schiffs- und über 40 Tierarten auf. Auch detaillierte Charaktere und Landschaften, wechselnde Wetterverhältnisse, Musik und Sprecher werden den hohen „Anno“-Standards gerecht. Zur Glückseligkeit fehlt dem komplexen Wirtschafts-Strategie-Mix lediglich ein Multiplayermodus, der sicherlich bald in einem Add-On folgen wird. Dominik Winter
CALL OF JUAREZ: BOUND IN BLOOD (dt. Version)
Ubisoft | ubi.com/de | PC, PlayStation 3, Xbox 360 || In „Call Of Juarez: Bound In Blood“ stellen die Armeedeserteure Ray und Thomas McCall innerhalb 15 abwechslungsreicher Solo-Missionen nahezu alle Westernklischees nach, die seit Clint Eastwood ordentliche Genre-Streifen ausmachen: Die Südstaatenbrüder testen ihre Abzugsfinger in High-Noon-Duellen, messen sich mit Banditen in Verfolgungsjagden, suchen einen Azteken-Sschatz, graben Bardamen an und mischen Saloons auf – Prost! Während Ray mit Dynamit, flinken Fäusten und Pistolen
Nintendo | nintendo.de | Wii || Dass „Wii Sports“ als eines der erfolgreichsten Spiele für die Wii gilt, liegt nicht nur daran, dass Nintendo die Konsole zusammen mit dem Spiel ausliefert. Denn es macht einfach verdammt viel Spaß, sich vor dem Bildschirm „sportlich“ zu betätigen und mit der Wiimote rumzufuchteln (und sich gegebenenfalls zum Affen zu machen), das mussten selbst die Leute zugeben, für die bloß Grafik und (Pseudo)-Realismus zählen. Einen Schritt Richtung realistischerer Spielweise geht Nintendo jetzt mit „Wii Sports Resort“ und einem, dem Spiel beigelegten, Zusatzmodul namens „Wii Motion Plus“, das, an die Wiimote angesteckt, „Wii Sports Resort“ zwar immer noch nicht zu einer ernsthaften Sportsimulation macht, die Bewegungen des Spielers jetzt aber tatsächlich akkurater an die Konsole übermittelt. Das fällt auch direkt auf, sobald man sich an einer der zwölf Sportarten versucht, die die als Setting dienende, durch „Wii Fit“ bekannte Insel „Wuhu Island“ bietet: Golf und Bowling kennt man bereits von „Wii Sports“, Tennis spielt man jetzt auf dem Tisch, Boxen weicht Kendokampf und statt Baseball gibt’s jetzt Frisbeewerfen; neu sind Wakeboard, Bogenschießen, Basketball, Jetboot, Luftsport sowie Kanu- und Radfahren. Zum Teil gliedern sich die Sportarten noch in mehrere Disziplinen, so dass die Anzahl der Spielmöglichkeiten noch steigt (als Beispiel lässt sich Basketball als Körbewerfen gegen die Zeit als auch als klassisches Teamspiel spielen, bei Luftsport gibt’s Fallschirmspringen und Fluegzeugfliegen und mit dem Kendoschwert kann nicht nur der Gegner ordentlich verkloppt, sondern auch Gemüse gespalten werden). Der abermals grandiose, stundenlange Spielspaß und die gegenüber dem Vorgänger gesteigerten Varianten, im Wohnzimmer wie ein Blöder rum zu zucken sowie der „Wii Motion Plus“-Adapter rechtfertigen auch völlig, dass „Wii Sports Resort“ als Vollpreisspiel verkauft wird. Das Ganze mag zwar knuddelig aussehen, ein Kinderspiel ist es aber nicht. André Bohnensack
prägte Gitarrenakkorde in ihren dicht gestrickten Orchesterteppich einflechten, wie bei „Darklands“, wo nicht nur allein der Titel eine Verbindung zu JESUS & MARY CHAIN herstellt, auch wenn man erst spät bemerkt, dass es wirklich eine Coverversion ist. Krautrock ist am ehesten der zweite Song „Bluemchen“, bei dem eine Dame namens Anna-Nicole Ziesche ein deutsches Gedicht vorträgt und das Stück dann in NEU!-artige Strukturen abdriftet. Zwischen experimentelleren, dramatischeren Klängen und entspannten melodischen Parts ist FLOWERS OF HELL hier auf jeden Fall ein sehr eigenwilliges, ästhetisch veredeltes kleines Kunstwerk gelungen. (8) Thomas Kerpen
FUTURE OF THE LEFT
Travels With Myself And Another CD | 4AD | 4ad.com | 33:19 || Der zweite Akt. Der Inhalt: Die Akteure emanzipieren sich vollends von ihrer Vergangenheit, das Gespenst MCLUSKY verschwindet in der Kiste. Und war schon ein MCLUSKY-Album kein Sonntagsspaziergang, ist „Travels With Myself And Another“ eher eine anspruchsvolle Gebirgstour – mit Sänger, Gitarrist und seit einer Weile auch Synthie-Bediener Andy Falkous als Bergführer, der sich, ohne sich umzuschauen, an der Spitze der Seilschaft bewegt und ein erhebliches Tempo vorlegt – da muss man aufpassen, nicht abgehängt zu werden. FUTURE OF THE LEFT, das zeigt ihr zweites Album, sind eine stilistisch autonome Band geworden, die aus hektischen Rhythmen, Handclaps, wummernden Bassläufen, Synthie-Beeps und treibenden Gitarren sowie Falkous’ überdrehtem Gesang (Warum erinnert der mich hier das erste Mal an eine Mischung aus Jello Biafra und Rob Wright von NOMEANSNO?) ein erfreulich unhippes, sperriges Album gezimmert hat, das bei aller Kopflastigkeit aber auch die nötige punkige Wildheit aufweist. Verblüffend, erfreulich, anstrengend. (8) Joachim Hiller
FAMINE
Every Road Leads Back Here CD | Hurry Up | hurryuphc.com | 30:29 || Es gibt Platten, denen man schon nach wenigen Sekunden ihre Hauptinspirationsquelle anhört. Im Falle von „Every Road Leads Back Here“ der irischen FAMINE ist das eindeutig MODERN LIFE IS WAR. Doch wäre es vermessen, an dieser Stelle von dreister Kopie zu sprechen, denn dafür klingt dieses Album zu eigenständig und mitreißend. In einer guten, halben Stunde gibt es hier zwölf Songs zwischen Wut und Verzweiflung zu hören, eingebettet in einen dynamischen Hardcore-Sound, der dem großen Vorbild mindestens ebenbürtig ist. Zwischendurch trauen sich FAMINE allerdings auch an etwas schnellere Arrangements heran, die eher an Bands wie HAVE HEART erinnern und sich gut ins Gesamtbild einfügen. Mit anderen Worten: diese Band kann was. (8) Marcus Latton
FATHER MURPHY
... And She Told Us To Turn To The Sun CD | Aagoo | aagoo.com | 34:56 || Das italienische Trio FATHER MURPHY verbindet in LoFi-Manier einen avantpoppigen Ansatz à la BLONDE REDHEAD mit neofolkiger Homerecording-Atmosphäre zu schrägen, avantgardistischem Psychperimental-Klängen. Daraus ergeben sich reichlich abgedrehte Klangkonstrukte, die an eine Impro-Theater-Vertonung erinnern und einen leicht von einem Moment zum anderen von Begeisterung und Erstaunen in endlose Genervtheit manövrieren können. Lässt mich an eine kammermusikalische, also weniger orchestrale, sondern reduziertere, zerbrechlichere Variante von KAYO DOT denken. Definitiv keine Musik fürs Kaffeekränzchen, aber wer auf viele Ecken (aka Sprödigkeit) und schroffe Kanten (aka Atonalität) steht, der bekommt hier besten Stoff. In seiner Unhörbarkeit durchaus bestens hörbar. Konstantin Hanke
FED UP!
Live At CBGB CD | United Riot | angelfire.com || Wer im Jahr 2009 noch ernsthaft glaubt, NY-Macho-Skinhead-HC sei das Maß aller musikalischen Dinge, wird mit diesem Output reichlich Lügen gestraft. Denn dieser Live-Mittschnitt eines Auftritts im CBGB ist sowohl künstlerisch als auch verpackungstechnisch einfach dilettantisch. Auch wenn der Sound annehmbar ist, sollte die so gut wie nicht vorhandene Reaktion des Publikums während der Songs FED UP! eigentlich gezeigt haben, wie es um ihr musikalisches Gesamtwerk mittlerweile bestellt ist. Respekt vor so viel Mut, aber diese CD braucht kein Mensch. Bodo Unbroken
FORENSIC ALLIANCE / MALUM
Persona To Object In Six Acts MCD | Ampire | ampire-records.com | 23:05 || Manchmal ist es schon toll, zu sehen, dass es noch immer viel versprechende Newcomer-Bands gibt, die sich mittels des Split-Formats einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen, ohne direkt mit einem vorzeitigen Debütalbum verheizt zu werden. Dafür waren beide beteiligten Bands hier nun auch noch nicht ganz bereit, weil es teilweise doch erheblich am Feinschliff mangelt – für jeweils drei gute Songs hat es aber locker gereicht. Musikalisch pendeln FORENSIC ALLIANCE zwischen Postcore und Metalcore mit IN FLAMES-Gedächtnis-Riffing, während MALUM eher für die harschere Metalcore-Version mit weniger Melodie, dafür aber brachialerer Härte einstehen. Beide Bands machen ihre Sache sehr solide, besonders angenehm ist, dass sie sich nicht zu stark ähneln, so dass „Persona To Object In Six Acts“ durchgehend spannend bleibt. Sollte man im Auge behalten. (7) Andreas Kuhlmann
GGG GAY BEAST
Second Wave CD | Skin Graft | skingraftrecords.com | 30:10 || Gitarrist Isaac Rotto, Keyboarder und Sänger Daniel Luedtke und Schlagzeugerin Angela Gerend aus Minneapolis als Qu(e)ertreiber zu bezeichnen, schreit schon wieder nach einer Einzahlung in die Kalauerkasse, rühmen sie sich doch, die „erste Agitprop-Queer Band“ Minnesotas zu sein. Lenin hätte gewiss seine wahre Freunde an ihrem Erstlingswerk, einen chaotischen Mix aus eingängigen Noiseverwirungen, Elektrogezumpel, Schlagzeugzerstörung, Saxophongefummel und grandioser Gitarrenschrammelei. Dass dieses Werk von Weasel Walter (FLYING LUTTENBACHERS) gemastert wurde, ist kein großes Wunder, sondern eine logische Konsequenz. (8) JeNnY Kracht
GEORGIA’S HORSE
The Mammoth Sessions CD | Fire/Cargo | firerecords.com | 53:52 || Cowboymusik mit Trauerflor spielt diese texanische Band auf ihrem Debüt, und das gar nicht mal schlecht. Wenn GEORGIA’S HORSE mit ihrer schleppenden, tieftraurigen Americana-Begräbnis-Beschallung nicht sogar den COWBOY JUNKIES den Rang ablaufen, an die hier vieles erinnert. Der verschlafene, narkotisierte Eindruck, den „The Mammoth Sessions“ vielleicht im ersten Moment machen mag, täuscht, denn die emotionale Dichte des Songwritings besitzt eine nicht zu verachtende Hochklassigkeit, und das bei einer Band, die mehr oder weniger aus dem Nichts kommt. GEORGIA’S HORSE haben den Blues und das
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kauft man ihnen auch wirklich ab, alleine schon durch den unterschwellig „souligen“ Gesang von Teresa Maldonado, eine weniger nervige PJ Harvey, wenn man so will, die den spärlich instrumentierten Folk-Songs mit ihren dezenten Klassikanklängen genau die richtigen Akzente verleihen kann. Intimität und Intensität sind dabei die Faktoren, die „The Mammoth Sessions“ von den ganzen gelangweilten und ausdruckslosen Singer/Songwriter-Platten abhebt, die leider immer noch zu Massen jeden Monat rauskommen. (8) Thomas Kerpen
der 14 Songs hinterlässt dementsprechend absolut keinerlei Eindruck, etwas Besserung bringen die nächsten sieben Stücke, die stärker an den verspielten, naiven Charme der frühen BELLE & SEBASTIAN erinnern, Iretons Gesang überzeugt aber auch hier nicht. Im besten Fall ist das hier ein „mixed bag of nuts“, wie der Engländer so schön sagt, denn eigentlich möchte man Murdoch nur ungern vorwerfen, eine schlechte Platte gemacht zu haben, an der offensichtlichen Banalität des ganzen Unterfangens ändert das indes wenig. (5) Thomas Kerpen
GRAF ORLOCK
GO SET
Destination Time Today LP | Adagio830 | bisaufsmesser.com || Die irren Kinofreaks sind zurück. Und wie. Allein die Verpackung der LP mit Klappcover, ausgestanztem Fadenkreuz und auswechselbaren Köpfen von geschichtsträchtigen Attentatsopfern liegt meilenweit über dem sonst gebotenen, von seelenlosen Musikdateien ganz zu schweigen. Dazu wie gehabt Songs, deren Texte durchweg aus Filmzitaten von „Conan“ über „Terminator“ bis „Congo“ (Details bitte im englischen Wikipedia lesen) bestehen und für den einen oder anderen Brüller sorgen, oft dank eines gewissen Arnold S. Musikalisch nennt die Band es zwar selbst Cinema-Grind, ist hier aber für ihre Verhältnisse konventionell mit sehr gut gemachter Melange aus Powerviolence, Hardcore und einer Prise Metal, nicht zu stressig und trotzdem abwechslungsreich und eingängig. Eindeutige Kaufempfehlung. (9) Dr. Oliver Fröhlich
GOATWHORE
Carving Out The Eyes Of God CD | Metal Blade | metalblade.de || Die Louisianer sind schon seit einer knappen Dekade unterwegs und standen immer für ihren ganz eigenen, schlammigen Black Metal mit überdeutlichem NOLA-Ambiente. Leider habe ich das Metal Blade-Debüt verpennt und somit freute ich mich nun umso mehr, den neuesten Output vorgelegt zu bekommen. Nun ja, dieses Album braucht erstmal ein paar Durchläufe. Die einstigen Trademarks sind zunehmend in den Hintergrund gewichen und machen ungewöhnlich viel Platz für thrashigen Metal alten Baujahrs. Von fieser, teuflischer Raserei, die der Albumtitel suggeriert, kann nur bedingt geredet werden, viel mehr scheint man hier eine straightere Oldschool-Version von SOILENT GREEN mit GOATWHORE’schem Groove beim Komponieren im Sinn gehabt zu haben. Somit sollte man sich nicht gleich nach den ersten Songs verdutzt die Ohren reiben, sondern dem vierten Werk der Herrschaften durchaus einige weitere Anläufe geben. Zwar bewegen sich GOATWHORE hiermit nicht mehr ganz in ihrer eigenen Liga, dennoch konnte man eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass diese Band über alle Zweifel erhaben und immer für eine Überraschung gut ist. Solide Leistung, die der Band sicherlich einige neue Hörer einbringen dürfte. Uwe Kubassa
GOD FIRES MAN
Life Like CD | Arctic Rodeo/Alive! | arcticrodeorecordings. com || Beim FC Bayern geht man auch immer davon aus, dass sie am Ende der Saison Meister sind. Warum? Weil sie es in der Vergangenheit fast immer geschafft haben. Wie sieht das Ganze nun aus, wenn man früher in Bands gespielt hat wie GARRISON oder ERRORTYPE:11? Muss man da nicht auch immer Meister werden? GOD FIRES MAN aus New York wissen auf ihre „alten Tage“ schon zu überzeugen. Zur Meisterschaft wird es aber zumindest mit „Life Like“ dieses Mal nicht reichen. Oder doch? Warum eigentlich nicht, schließlich sind es doch gerade die Alben, die nicht beim ersten Mal zünden und nicht nur einen Hit zu bieten haben, sondern schlussendlich selbst der Hit sind. Doch irgendwie ist das hier wie eine schöne Erinnerung an all die Bands, die man früher gut fand und heute nur noch nett findet. Mich haut das nicht mehr vom Hocker. Dafür ist das nicht konkret genug und doch zu viel AlternativeRock. Sicherlich ist „Life Like“ ein ordentliches Album mit Höhen und unbezweifelbar sind die Mitglieder von GOD FIRES MAN verdammt gute Musiker. Aber irgendwie reißt mich das Album auch beim dritten Hören nicht mit. Solide Sache ... (6) Sebastian Wahle
GOD HELP THE GIRL
s/t CD | Rough Trade | roughtraderecords.com | 44:08 || Ein neues Lebenszeichen von Stuart Murdoch, was aber nicht heißt, dass BELLE & SEBASTIAN jetzt Geschichte wären, aber der kreative Überdruck braucht halt ein Ventil. Und so hat sich Murdoch hier mit einem fetten Orchester umgeben und jeder Menge schöner junger Frauen, darunter seine Neuentdeckung Catherine Ireton, die bei allen Songs singt – leider. Nicht dass Ireton eine schlechte Stimme hätte, aber ihr emotionsloses Geträller will nur bedingt zu Murdochs Stimme und seinem typischen Songwriting passen. Und gerade zu Beginn erinnert die Platte an THE STYLE COUNCIL, als die begannen, fürchterlich glatte Popmusik zu produzieren, quasi BELLE & SEBASTIAN auf stromlinienförmig getrimmt. Die erste Hälfte
Rising CD | Bad Dog | baddogrecords.de | 28:03 || Der Bad Dog aus Berlin hat sich richtig festgebissen an den Australiern. Kaum dass der Vorgänger erschienen ist, gibt es mit „Rising“ frische Töne für die folkpunkhungrige Meute. Elf Songs in 28 Minuten, darunter ein RADIO BIRDMANCover („New race“), musikalisch bleibt man zu Hause und textlich zeigt, wie auf dem Cover, die (Arbeiter-)Faust steil nach oben. „Journey Of A Nation“ ließ mich gleich mehrfach im Kreise springen, ich war begeistert und nur wenig fehlte zur Höchstwertung. „Rising“ hingegen hinterlässt nach den ersten Durchläufen gemischte Höreindrücke. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass Herzblut und Emotionen des Vorgängers fehlen? Oder daran, dass die Band zugunsten von Authentizität und Spontaneität die Instrumentierung verringert und das Tempo erhöht hat? Wie auch immer, an die Klasse von „Journey ...“ kommen Justin Keenan und seine Mitfolkrocker leider nicht heran. Dennoch bleiben elf durchweg gute Songs, wovon der flotte Opener „The minor’s son“, das kämpferische „Believers“ und das Offbeat-getriebene „Eastside burning“ sogar richtig gut sind! Grundsätzlich gibt es, anders als auf dem Vorgänger, mehr Tendenzen zu frühen POGUES und REAL McKENZIES als zu LEVELLERS, neueren FLOGGING MOLLY oder Billy Bragg. Halten wir fest: Die Jungs haben ein klitzekleines kreatives Mittagstief, zeigen aber, dass sie noch genügend Pfeffer haben, um spätestens zum übernächsten St. Patrick’s Day wieder auf ganzer Albumlänge zu überzeugen. (7) Lars Weigelt
GOSSIP Music For Men
CD | Sony | gossipyouth.com | 43:38 || In der letzten Ausgabe waren es die YEAH YEAH YEAHS, die in die Disco beziehungsweise die Charts wollten, jetzt versuchen GOSSIP die Ärschchen der Popkultur-Hipster zum Wackeln zu bringen – mit Erfolg. Keine Frage, 2005 hatten GOSSIP mit „Standing In The Way Of Control“ ein wirklich exzellentes Album aufgenommen, versehen mit dieser wunderbar kantigen sexed-up Disco-Mentalität von GANG OF FOURs „I love a man in uniform“. Dieses Erfolgskonzept führen sie eigentlich auch mit den ersten drei Songs „Dimestore diamond“, „Heavy cross“ und „8th Wonder“ gekonnt fort, die sich mit ihrer rotzig-aggressiven Direktheit nicht hinter dem Material von „Standing In The Way Of Control“ verstecken müssen. Seltsamerweise verwandelt sich „Music For Men“ danach in einen großen Haufen dampfender Popscheiße mit peinlichen Keyboardsounds,was so klingt, als ob Christina Aguilera eine Rockplatte aufgenommen hätte. Da besitzen ja selbst LE TIGRE noch mehr musikalische Integrität. Vielleicht verkehrt Beth Ditto inzwischen einfach in den falschen Kreisen, ihr lachhaftes aktuelles Outfit weist überdeutlich darauf hin. (5) Thomas Kerpen
GREEN.FROG.FEET.
On Top Of The Bottom CD | Modern Noise | modernnoise.de || GREEN. FROG.FEET. kommen aus Regenburg und spielen Punkrock, sehr melodisch, oft auch sehr melancholisch und meistens um Längen besser als es der Bandname vermuten lässt. Mit „On Top Of The Bottom“ erscheint diese Tage ihr bereits vierter Longplayer, und man hört der Band dabei deutlich ihr schon zehnjähriges Bestehen an. GFF klingen auch 2009 noch nach den guten Tagen von Epitaph und Fat Wreck Chords, oft fällt mir NO USE FOR A NAME als Vergleich ein, allerdings nicht ohne ihr musikalisches Repertoire um einige moderne Versatzstücke erweitert zu haben. Eine wirklich gute Platte für Freunde guten MelodicPunks. (7) David Schumann
GROSSES PAPILLES
Postillons Vs. Crachouillis CD | Postillons et Crachouillis | myspace.com/postillonsetcrachouillisproduction || LES GROSSES PAPILLES aus Frankreich haben alles, was eine Rockband von dort mitbringen muss: Sie verschönern ihren Rock mit lyrischen Chansons, unterlegen ihn mit Akkordeonbegleitung und erzeugen eine geheimnisvoll-erlesene Stimmung bei ihren Hörern. Im Vergleich zu anderen Rockbands kommt ihnen einfach zugute, dass die auf Französisch singen – dies macht ihre Stücke von Grund auf intonierter, bewegter und vielfältiger als manch andere Sprache. Doch auch wenn sie auf Englisch singen, schlagen sie sich vergleichsweise gut. Einzig die grafische Gestaltung der Platte irritiert mit ihren Illustrationen, die an die ersten Malversuche von Kindern in der Vorschule erinnern. Alles in allem aber eine recht nette Veröffentlichung ohne Höhen und Tiefen. (6) Katrin Schneider
MIKE HALE
Lives Like Mine CD | Suburban Home/Vinyl Collective | suburbanhomerecords.com | 42:10 || Die Riege amerikanischer
/DIE BANDS DER ox-cD und ausreichender Bandbreite erkennbar mehr als durchschnittliches Talent besitzt. 10 RUMBLE CLUB (Kentucky, USA) Der RUMBLE CLUB ist trotz Punk-Vergangenheit des Frontmanns eine eher klassische Angelegenheit, hat nichts mit modischem Horror-Punkabilly am Hut und ist dennoch keine Retro-Veranstaltung. Stattdessen schafft es Jack Coray, eine düstere Stimmung zu erzeugen, die den klassischen Sound smart in die Gegenwart transportiert.
Artwork by Duniel (duniel.de) Dein Artwork oder Foto auf dem Cover der Ox-CD? Einfach als PDF oder JPG an [emailprotected] schicken und dann sehen wir weiter!
01 BOXHAMSTERS (Gießen, Germany) Der Fünfjahresplan wurde mal wieder erfüllt, Sänger und Gitarrist Co hat seine Hausmannsschürze vorübergehend beiseite gelegt und ein paar neue Lieder geschrieben. „Brut Imperial“ klingt, wie man will, dass die BOXHAMSTERS klingen, aber hält auch ein paar überraschende Momente parat. 02 Chuck Ragan (Gold Country, CA, USA) Der Ex-und-wieder-Frontmann von HOT WATER MUSIC war vor Jahren einer der ersten Punkrocker, die ihr gewohntes Terrain gen Akustik-Klampferei verließen. Nicht jeder, der das heute tut, sollte das auch tun, aber Chuck Ragan hat die Stimme und das Songwriting dafür. Uramerikanische Volksmusik jenseits kommerziellen Kitsches. 03 THE BUCCANEERS (Straubing, Germany) Das Straubinger Quartett spielt in der derzeitigen Besetzung seit 2005 zusammen, hat es auf zahlreiche Auftritte im In- und Ausland gebracht und macht eine Mischung aus folkigem Punkrock und melodischem Streetpunk. Ein Vergleich mit DROPKICK MURPHYS, STREET DOGS oder FAR FROM FINISHED ist durchaus berechtigt. 04 LOST LYRICS (Kassel, Germany) Im Namen der LOST LYRICS ist es uns eine Ehre, die folgende Botschaft der Band zu übermitteln: „‚Punchline Party‘ ist unsere achte Platte. Wir grüßen alle, die uns kennen und mögen, und bedanken uns für bald zwanzig Jahre Treue und Unterstützung! Lauten Gruß aus Kassel! Hessen Nord!“ 05 ROTTE CHORA (Bremerhaven, Germany) Die Band kommt aus Bremerhaven, geht bis ins Jahr 1990 zurück und ist in der aktuellen Besetzung seit 2002 aktiv. Und sonst? „Zwischen den Zeilen ist ein Platz, wo der Gedanke noch Freiraum hat. Dort entsteht der Film im Kopf. Und der handelt von einer Odyssee durch das Lebenslabyrinth.“ 06 CRASH NORMAL (Paris, France) CRASH NORMAL sind aus Paris und schlagen mit ihren Songs eine Schneise durch die späten siebziger und frühen achtziger Jahre. Hektischer, spröder Neo-Post-Punk mit minimalistischem Anspruch an die Produktionsqualität, der einen sehr charmanten Eindruck hinterlässt. 07 HIGHSCHOOL NIGHTMARE (Hamburg, Germany) Die Legende besagt, das Trio sei lediglich durch Zufall entstanden: Beim Zusammenflicken kleiner Tierknöchelchen zu schaurigen Figuren, um daraus Protagonisten für einen Splatter-Film zu erstellen, fehlte der Soundtrack. Kurzerhand ein paar Stücke geschrieben, aufgenommen, und da war sie, die Horrorpunk-Geisterband. 08 STELLAR CORPSES (Santa Carla, CA, USA) Die Geschichte von STELLAR CORPSES aus Santa Cruz beginnt im Sommer 2005. Zwei Jahre später hinterließen sie mit der EP „Respect The Dead“ einen ersten bleibenden Eindruck in der Psychobilly-Szene. Auf ihrem ersten Album verraten sie dem Hörer nun noch mehr von ihren musikalischen Einflüssen. 09 THE RIPMEN (Berlin, Germany) Das Trio aus Berlin spielt die härtere, dem Punkrock nahe Variante des Psychobilly. Also mehr MAD SIN als BATMOBILE, eine treibende Rhythmussektion, ein Slap-Bass, der oft betont im Vordergrund steht, dazu ein Sänger, der mit einer vollen Stimme
11 THE BOOZE BROTHERS (Heinsberg, Germany) „Rock’n’Roll Mutiny“ ist der zweite Streich des 2005 gegründeten Fünfers, der seit dem Debüt doch erheblich zugelegt hat und sich heute als grölige Band zwischen Streetpunk-Attitüde, irischfolkigen Einsprengseln, BONES-Rock, Psychobilly und KINGS OF NUTHIN’ präsentiert. Der Soundtrack zum gepflegten Umtrunk also. 12 SKYDRUNK (Aichach, Germany) Im Kater eines Faschingsfestes wurde eine Band gegründet, wie sie das verschlafene Kleinstädtchen Aichach noch nicht gesehen hat: Beim SENSATIONAL SKYDRUNK HEARTBEAT ORCHESTRA ist Ska nicht nur Offbeat, Pop nicht nur seicht, hier hauen neun Jungs auf die Trommelfelle, als gäbe es kein Morgen. 13 METRO (Esch/Alzette, Luxemburg) Auf ihrer neuen EP „We’re Never Sexy“ beweisen METRO ihr feines Gespür für aufgeklärtes Songwriting und eingängige Hooklines. Eigenwillig jongliert die Band aus Luxemburg mit Elementen aus Indie-Rock, dem Synth-Pop der achtziger Jahre sowie New Wave. 14 POOLSTAR (Berlin, Germany) Der Hauptstadtvierer lässt melodischen, lauten, partytauglichen und tanzbaren Rock-Punk-Rock mit Eiern und Ohrwurmalarm aus seinem dikken Sack – und das nun schon auf bisher über 300 Konzerten und Festivals zwischen Kiel und St. Gallen. Das überzeugte auch Rodrigo González, der das neue Album der Band produzierte. 15 THE NIKOTEENS (München, Germany) Die NIKOTEENS existierten von 1979 bis 1989 und veröffentlichten in dieser Zeit eine Single und zwei Alben. 2002 kamen sie wieder zusammen. Im Oktober letzten Jahres erschien die Mini-LP „Full Speed Ahead“ mit fünf neuen Songs. Natürlich limitiert und nummeriert, so wie sich das gehört. 16 TORMENT (Hamburg, Germany) 2009 schlägt die Kettensäge wieder zu! TORMENT melden sich zum 25-jährigen Jubiläum mit einem neuen Studioalbum zurück und präsentieren wie schon auf dem Vorgänger puren Thrash’n’Roll. Und dass die Band auch live eine Macht ist, wurde wiederholt auf dem Wacken Open Air bewiesen. 17 THE SETUP (Antwerpen, Belgium) Das dritte Album der Belgier THE SETUP bietet kraftvollen, wuchtigen, mit Metal-Versatzstücken versehenen modernen Hardcore, der zwar nichts wirklich Neues bietet, aber durchaus ambitioniert vorgetragen wird. Von Trendreiterei kann jedenfalls keine Rede sein, dazu sind THE SETUP einfach schon zu lange im Geschäft. 18 TRAPPED UNDER ICE (Baltimore, MD, USA) Nach erfolgreicher Tour mit TERROR kommt nun endlich das langerwartete Full Length von TRAPPED UNDER ICE. Und das Warten hat sich gelohnt: „Secrets Of The World“ könnte eines der Hardcore-Highlights des Jahres sein. Fans von TERROR, REIGN SUPREME oder FORFEIT sollten sich jedenfalls schon mal warm anziehen. 19 DEAD FLESH FASHION (Lüdenscheid, Germany) Was DEAD FLESH FASHION auf „Anchors“ eingespielt haben, muss man einfach gehört haben, wenn man Bands wie BOTCH oder COALESCE als maßgeblich wahrnimmt. Nicht nur die Tatsache, dass die elf Songs live eingespielt wurden, macht die Band zu einer, an der kein Weg vorbeiführt. 20 KICKBACK (Paris, France) Nach beinahe zehn Jahren beehren uns die französischen Vorzeigerüpel KICKBACK mit einem neuen Album, das nicht nur musikalisch eine extreme „Fuck you“-Attitüde an den Tag legt. Elf Brecher irgendwo zwischen brachial-modernem Hardcore und ultraschleppendem Noise der Marke NEUROSIS.
Du machst ein Label, du spielst in einer Band, und willst wissen, wie du auf einen Schlag eine ganze Menge Leute im In- und Ausland auf deine Musik aufmerksam machst? Ganz einfach mit der Ox-Compilation! Das kostet zwar was, aber wenn ihr interessiert seid und denkt, ihr könntet stilistisch auf eine Ox-CD passen sowie über gute Studioaufnahmen verfügt, dann schickt uns eine eMail an [emailprotected] - im Gegenzug gibt´s Details, wie das funktioniert und was das kostet.
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Singer/Songwriter mit Punkrock-Hintergrund hat in den letzten Jahren einen ganz eigenen Sound etabliert, zu dem nun auch Ex-GUNMOLL-Frontmann Mike Hale mit seinem zweiten Album wieder sein Scherflein beiträgt. Sehr ruhig geht es auf „Lives Like Mine“ zu, wobei die Gainesville-Wurzeln aber nicht zu verkennen sind. Die Musik ist bis auf ein wenig Piano hier und da sowie dezentem Gastgesang von Allyson Seconds fast ausschließlich bestimmt von Mikes warmem Gesang und seiner Akustikgitarre. Von der Grundstimmung her ein sehr melancholisches/trauriges Album und mir insgesamt auch ein kleines bisschen zu ruhig, aber im Grunde genommen eine konsequente Fortsetzung der guten Vorgängerplatte „Broken With No Hope“, mit einigen neuen Nuancen. Sehr geeignet für die kommenden Herbstmonate und Leute, die auch auf die Sachen von Chris Wollard, Kevin Seconds oder Austin Lucas stehen. (7) Bernd Fischer
hhh PETER HAMMILL
Thin Air CD | Fie! | artist-shop.com/fie/ | 46:54 || Dass ich mich trotz eines früh erwachten Interesses für GENESIS (bis „The Lamb Lies Down On Broadway“) und Peter Gabriel nie für VAN DER GRAAF GENERATOR und das Solo-Schaffen von Peter Hammill erwärmen konnte, trotz gewisser musikalischer Parallelen, hat sicher damit zu tun, dass ich Hammill bisher für einen schrecklichen Sänger hielt. Versehen mit einem Pathos, der mir für Rockmusik unangebracht schien und vielleicht im Theater funktionierte, wobei ja der Artrock dieser Zeit auch wie eine Theateraufführung zelebriert wurde, siehe Gabriels damaliger Mummenschanz. Die Gewöhnung an Hammills Gesang kostet immer noch eine gewisse Überwindung, aber musikalisch ist „Thin Air“ ein wirklich exzellentes, weniger experimentelles und überraschend entspanntes Spätwerk geworden, zumal der Mann ja seit Anfang der 70er nicht gerade wenige Platten aufgenommen hat. Auf gewisse Weise ist für Hammill dabei die Zeit stehen geblieben, denn sein verwinkelter, gleichzeitig melodischer und disharmonischer Artrock scheint nach wie vor in den 70ern verwurzelt zu sein, besitzt allerdings eine ebenso deutliche Zeitlosigkeit, die sicherlich auch immer Hammills songwriterisches Genie ausgemacht hat, dessen Platten nach wie vor eine sympathische Unberechenbarkeit besitzen. (9) Thomas Kerpen
HATEPINKS
Live At The Stork Club LP | P.Trash | ptrashrecords.com || Eine Live-Platte der sich eben verabschiedenden HATEPINKS, die in jedem der beiden Cover edelst aussieht. Transparentes Vinyl hinter einer bedruckten klaren Plastikscheibe. Erstklassiger Live-Sound mit den meisten Hits der Franzosen, die hier noch mal richtig Spaß haben und zwischen den Stücken sehr unterhaltsam unter anderem ihr Gastland beschimpfen. Mit dem Ableben der HATEPINKS wird was fehlen. (8) Kalle Stille
JOE HENRY
Blood From Stars CD | Anti- | anti.com | 57:13 || Ein Ausnahme-Singer/Songwriter war Joe Henry schon immer, inzwischen hat er sich aber völlig von Stereotypen des Genres gelöst und schwelgt vor allem in gepflegt arrangierten loungeigen Pianobarsounds mit Tom Waits-Schlagseite. Vier Jahre
lagen zwischen Joe Henrys Album letztem Album „Civilians“ und dem Vorgänger „Tiny Voices“, diesmal waren es nur zwei, aber Henry ist auch nicht unbedingt jemand, auf dessen Platten man warten würde, aber wenn sie dann erscheinen, sind sie in der der Regel ein echter Hochgenuss. Und auch „Blood From Stars“ ist wieder ein Album geworden, das zwischen dichten orchestralen Momenten und folkloristischem Minimalismus eine ästhetisch vollendete Qualität besitzt und durch Henrys charakteristischen Gesang die richtige Dosis Soul bekommt. Mit dem dritten Song „Channel“ ist ihm ein direkt herausstechender „Hit“ gelungen, aber auch ansonsten ist „Blood From Stars“ eine Platte geworden, deren kunstvoll gestrickter, entspannter Mischung aus Rock, Folk, Pop und Jazz im Midtempo-Bereich man sich gerne hingibt, und das gerne mehrmals. (7) Thomas Kerpen
HALLOWED BUTCHERY
Funeral Rites For The Living LP | Vendetta | vendettarecords.de || Hinter HALLOWED BUTCHERY steckt nur ein Mann: Ryan Fairfield. Der wuchs in den Wäldern von Maine auf, in einer konservativen, christlichen Familie, und hat jetzt mit ein paar Dämonen zu kämpfen. Der Umgang des Menschen mit der Natur, Religion und Spiritualität sind Themen, die sich durch seine teils instrumentalen Stücke ziehen. Von NEUROSIS bis Ennio Morricone, von EARTH bis Neil Young (er covert „After the goldrush“) reichen seine Einflüsse, wobei die langsamen, düsteren, halligen, schleichenden, aber sehr evil wirkenden post-metallischen Doom-Songs immer eigenständig und vielschichtig sind. Man könnte an der religiösen Konnotation Anstoß nehmen, würde sich Fairfield nicht in den Linernotes erklären und klarstellen, dass er mit fundamentalistischem Spinnertum nichts am Hut hat – und „Back asswards“ ist sogar dem Spuk-Phänomen des „Backward Masking“ gewidmet. Ein höchst angenehmes, atmosphärisches und abwechslungsreiches Album – in von Vendetta gewohnter schöner Aufmachung. (8) Joachim Hiller
HEAVEN & HELL
The Devil You Know CD+DVD | Roadrunner | roadrunnerrecords.co.uk | 53:59 || Dass HEAVEN & HELL nichts weiter sind als BLACK SABBATH mit ihren zweiten und besten Sänger Ronnie James Dio, dürfte ja inzwischen jedem bekannt sein. Dies hier ist die vierte Studioplatte mit Dio und die dritte in dieser Besetzung (auf BLACK SABBATHs „Heaven & Hell“ von 1980 trommelte noch Bill Ward). Da es rechtliche Schwierigkeiten gibt, den Namen BLACK SABBATH ohne Ozzy zu verwenden, benannte man sich kurzerhand nach der ersten gemeinsamen Platte. Meinen ersten Kontakt zu BLACK SABBATH mit Dio hatte ich beinahe noch als Kind, als mir in den ganz frühen 1980ern ein Mitschüler einen obskuren Sampler namens „Axe Attack“ schenkte, auf dem neben MOTÖRHEAD, JUDAS PRIEST, DEF LEPPARD oder IRON MAIDEN eben auch jene BLACK SABBATH-Version mit „Die young“ vertreten war – dem Song, der mir auch nach nun fast 30 Jahren von allen BLACK SABBATH-Liedern, egal, ob mit Ozzy,
Tony Martin, Ian Gillan oder wem auch immer, am besten gefällt. Die Zusammenarbeit von BLACK SABBATH mit Dio dauerte nur wenige Jahre, in den 1990ern gab es eine weitere gemeinsame Platte und nun, 29 Jahre nach „Heaven & Hell“, legen die vier Herren eine neue Platte vor, die ich so nicht erwartet hätte. Tony Iommi schüttelt sich ein majestätisches Riff nach dem anderen aus den Ärmeln und über allem thront der Beherrschergesang von Dio, von dem sich etwa 99,99 % aller Metal-Sänger eine Scheibe abschneiden sollten. Gut, Dios Stimme klingt dunkler als auf den frühen Scheiben, aber er singt mit seinen inzwischen 67(!) Jahren kraftvoller und besser als nahezu alle anderen. Interessant ist auch die beiliegende DVD, auf der die Band im Studio zu sehen ist. Tony Iommi steht dort zur Salzsäule erstarrt und man sieht eigentlich keine Bewegung seiner Hände, aber diese Gitarrenriffs – unglaublich. Highlights der Scheibe sind für mich „Bible black“, „Eating the cannibals“, das lavaartige und mit einem mächtigen, sich ständig wiederholendem Riff in die letzten Gehirnwindungen fräsende „Follow the tears“ und „Breaking into heaven“. Leider hatte ich keine Zeit, mir HEAVEN & HELL dieses Jahr live anzuschauen, und hoffe daher, dass sie in absehbarer Zeit noch einmal ein paar Gastspiele in der Nähe geben werden. Besser wäre sogar eine weitere Scheibe dieses Kalibers. Für mich jetzt schon die Platte des Jahres 2009! (10) Guntram Pintgen
TIM HECKER
An Imaginary Country CD | Kranky/Cargo | kranky.net | 48:08 || Tim Hecker produziert schon seit einigen Jahren auf unterschiedlichsten Labels seine spezielle Form von AmbientDrone-Feedback, wobei er auch noch in der Minimaltechno-Szene unter dem Namen JETONE aktiv ist oder war. Auf seinem aktuellen Album schichtet er in faszinierender Form seltsam vibrierende Sounds übereinander, eine Mischung aus elektronischem Noise und erstaunlich konventionellen Pianoklängen, was zu einem majestätisch sakralen Sound führt, quasi NADJA im ShoegazeAmbient-Kleid ohne Metal-Anteile. Allerdings nutzen sich Heckers an- und abschwellende Klangwände auch sehr schnell ab, zu monoton und zu wenig greifbar klingt das Ganze, als ob man bei MY BLOODY VALENTINE den Anteil normalen Indierocks weggeschält und nur das Feedback übrig gelassen hätte. Eine in Teilen sehr ansprechende Platte von hypnotischer Qualität, aber insgesamt ein diffuses und unbefriedigendes Konzept. (5) Thomas Kerpen
HEXTALLS
Call It A Comeback LP | House Party/P.Trash | ptrashrecords.com || Mein lieber Schwan, zwar gibt es die HEXTALLS aus Vancouver schon seit einigen Jahren, aber mit der neuen Platte greifen sie jetzt richtig an. Ganze 18 Songs sind drauf, das Cover lässt mich mit seiner Eishockeythematik direkt an die HANSON BROTHERS denken, während die Musik eine frische und nahezu perfekte Mischung aus alten SCREECHING WEASEL, CHIXDIGGIT und NERF HERDER ist! Tolle Texte gibt es auch, und zwar über Bumsen, HardrockIkonen, Eishockeykeeper, Einhörner, Minigolf, Hauspartys, RAMONES-Shirts, Urin-Zahnbürsten und und und. Diese lyrischen Ergüsse haben der Band übrigens einen köstlichen Verriss im Maximum Rock’n’Roll eingebracht. Ich schäme mich indessen nicht, zuzugeben, dass ich mir beim Hören ein paar Mal ganz unintellektuell vor Lachen fast in die Hose gemacht hätte. Klar, die Texte sind albern und die Musik vielleicht auch nicht hochgradig innovativ, aber die HEXTALLS haben Top-Songs, Top-Sound und hauen sich
auch gerne mal mit einem Augenzwinkern selbst in die Pfanne. Ich hab jedenfalls momentan massig Spaß mit der Scheibe (schönes orangefarbenes Vinyl übrigens) und kann daher nur meinen Daumen weit nach oben strecken. Aber ich bin ja auch keine MRR-Spaßbremse, haha ... (8) Bernd Fischer
HOMER
Wasteland Reflections CD | Funtime | funtimerecords.com | 28:48 || Zwar haben die Belgier HOMER auch mit dem vierten Album denkbar schlechte Chancen, den Szene-Durchbruch zu schaffen, ein gut hörbares Stück Musik liefern sie mit „Wasteland Reflections“ aber dennoch ab. Musikalisch erinnert die Band sehr an STRUNG OUT, weil hier spätneunziger Melodycore, Hardcore-Momente und zarte Metal-Anleihen zu einer kreativen Melange vermengt werden. Textlich hingegen erinnert das Quartett eher an STRIKE ANYWHERE oder RISE AGAINST, indem die vorher genannte Musik in neun Songs mit persönlich-politischen Texten angereichert wird. Alles in allem ist das zwar nichts Neues, ihre Sache machen die Belgier aber trotzdem gut. (7) Lauri Wessel
HONOLULU BREAKDOWN
Terrible Hot Cardboard CD | Unknown | unknownrecords.de | 31:09 || Auch wenn ich früher fast ständig und ausschließlich Skatepunk beziehungsweise Melodycore gehört habe und Bands wie SATANIC SURFERS, NOFX oder LAGWAGON immer noch sehr mag, stehe ich neuen Veröffentlichungen aus diesem Genre eher misstrauisch gegenüber. Auch von HONOLULU BREAKDOWN werde ich leider nicht positiv überrascht. Zwar eifern sie oben genannten Bands eifrig nach, das Gespür für tolle Melodien fehlt ihnen aber leider fast gänzlich. Lust- und energielos plätschern die elf Songs dahin, ohne dass etwas beim Hörer hängen bleiben mag. Auch der Sound reißt hier nichts mehr raus. Stattdessen fragt man sich nach der ersten Minute, warum das Schlagzeug so penetrant in den Vordergrund gemischt wurde. (4) Sebastian Banse
HOTEL CALIFORNIA / MR.BROWN
The New Sound Of Folk / Phoenix Session-Split 2CD | Ocean | myspace.com/ocean_records | 32:14/36:44 || Nennt sich Split-Platte, ist es aber nur bedingt. Mag die Info auch von zwei Bands sprechen, so ist doch mit größter Wahrscheinlichkeit zumindest der Sänger beide Male derselbe. HOTEL CALIFORNIA besticht für mich durch seine wirklich wunderschönen Melodien, die allesamt sehr britisch klingen und durch den eingängig großartigen Gesang. Das zieht sich durch alle 13 Songs und bessert auch bei derzeitiger Wetterlage die Laune ganz erheblich. So klingt also Folk heute. Auch bei MR. BROWN hört man einen starken britischen Einfluss heraus, aber eher in Richtung New Wave, sofern dieser Musikstil heute überhaupt noch wem bekannt ist. Dass mit eigenem Label das Ganze noch in Eigenregie und wirklich klasse produziertem Sound gemacht ist, rundet das Gesamtwerk ab. (9/8) Claus Wittwer
III ILLEGAL ILLUSION
Veto LP | Pohoda/Redblack | redblack.cz | 21:18 || Der erste Eindruck, den die fünf Songs auf „Veto“ machen, ist
/RE-RELEASES AGAINST ME!
The Original Cowboy LP/CD | Fat Wreck | fatwreck.com | 22:11 || 2003 machte sich AGAINST ME!, jene von manchen Fans schon beinahe manisch verehrte Band aus Florida, erstmals unbeliebt, als sie beim von engstirnigen Menschen als „Kommerzlabel“ verschrieenen Indie Fat Wreck unterschrieben. Verwunderlich eigentlich, dass keine Selbstmordwelle folgte, als Tom Gabel & Co. Jahre später die wirkliche Todsünde begingen: den Majordeal. „As The Eternal Cowboy“ war der Titel des Fat Wreck-Debüts, und „The Original Cowboy“ ist nun der Titel der neun Songs umfassenden Aufnahmesession vom 15. Juli 2003, als AGAINST ME! mit Rob McGregor im Goldentone-Studio in Vorbereitung der eigentlichen Albumaufnahmen die Songs in einem Rutsch runterspielten. Das Ergebnis klingt rauher als die spätere Album-Produktion und eher nach einer sehr guten LiveAufnahme, gibt die Band aber unmittelbarer wieder, und so ist „The Original Cowboy“ für jeden Fan definitiv die Investition wert. (8) Joachim Hiller
AMON AMARTH
The Avenger 2CD | Metal Blade | metalblade.com | 36:00 || Böse Zungen behaupten, dass es der Musikindustrie so mies geht, dass sie ihre wenigen Kassenschlager so oft wie möglich durchs Dorf jagen muss, wie es nur geht, um einen müden Euro oder Dollar zu verdienen. Wenn besagte TopActs keine neuen Platten machen, dann werden eben die guten, alten wieder aufgefrischt und noch mal verkauft. Was bei diversen Majorlabels seit Jahren genau so passiert, das möchte ich Metal Blade mit ihrem Rerelease von AMON AMARTH „The Avenger“ aber nicht unter die Nase reiben. Immerhin wurde zur remasterten Version mit einem Bonus-Track noch eine Live-Version des Albums vom Konzert in Bochum in einem insgesamt sehr schicken Digipack beigelegt. Leider ist es nur eine CD und keine DVD. Dennoch ist „The Avenger“ eines der wichtigsten Alben der Band, da hier der Grundstein zur ihrem tödlich, groovenden Wikingmetal gelegt wurde und Schlachthymnen wie „Bleed For Ancient Gods“ oder „The Last With Pagan Blood“ bei den Fans zum festen Progamm gehören. Wenn hier jetzt auch noch der Preis fair kalkuliert ist, dann ist das hier eine absolute Kaufempfehlung für alle, die „The Avenger“ noch nicht im Schrank haben. (7) Carsten Hanke
BLUR
Midlife: A Beginner’s Guide To Blur 2CD | EMI | emimusic.de | 107:46 || Anfang Juli spielten die reformierten BLUR in London im Hyde Park – und meldeten sich damit wieder zurück. 1989 gegründet, war die Band um Graham Coxon in den Neunzigern von der britischen Musikpresse zu OASIS-Gegenspielern hochstilisiert worden im „Kampf“ darum, wer nun die einzig wahre Britpop-Band ist. Als 2002 dann Schluss war, hatten BLUR sich zunehmend dem Indierock zugewand. Irgendwie war es dann doch nicht so ganz vorbei mit der Band, man blieb in Kontakt, und Ende 2008 wurde die Reunion offiziell verkündet. Klar, dass dazu ein entsprechender Release nicht fehlen darf, denn ein, zwei neue Generationen von Musikhörern sind nachgewachsen und dürfen sich an „A Beginner’s Guide To Blur“ versuchen, einer 25 Songs umfassenden Compilation, die behauptet, einen Schwerpunkt auf „career highlights“ statt auf Hit-Singles zu legen. Nun, zusammen mit „Blur: The
Best Of“ hat man sicher einen besseren und kompakteren Überblick über das Schaffen von Coxon und Co. als wenn man sich gleich alle sieben Studioalben besorgt. Von daher: Taugliches Einstiegsmaterial. (7) Joachim Hiller
CATHEDRAL
Forest Of Equilibrium CD+DVD+MCD | Earache/Rough Trade | earache. com | 54:04/24:43/41:22 || Sich wegen einer Besprechung tief in die eigene Vergangenheit zu arbeiten, lässt einen manchmal feststellen, dass eine Platte trotz des großen Zeitabstands heute noch die selben Gefühle wecken kann wie einst. CATHEDRALs Debütalbum „Forest Of Equilibrium“ von 1991 dürfte eine der wichtigsten und meistgehörten Platten meiner musikalischen Sozialisation sein und lässt mich jetzt gerade wieder der Sechzehnjährige sein, der meint, den perfekten Soundtrack zur drohenden Apokalypse entdeckt zu haben (als ständig zugekiffter Lovecraft- und Romero-Fan kann man solche Fantasien durchaus entwickeln, ähem). Ultralangsame und todtraurige Songs wie „Commiserating the celebration“ oder „Reaching happiness, touching pain“ (mit dieser unheimlichen Flöte) und Lee Dorrians düsterer, beschwörender Gesang gehören aber tatsächlich zum Depressivsten, was der Doom je hervorgebracht hat – nicht umsonst zählt „Forest Of Equilibrium“ zu den Wegbereitern eines Stils, der seine Haupteinflüsse zwar von BLACK SABBATH und SAINT VITUS bezieht, aber auch viele Elemente brutalen (Death-)Metals enthält. Warum Lee Dorrian Ende der Achtziger die Schnauze voll von der Geschwindigkeit NAPALM DEATHs hatte und sich der Langsamkeit zuwendete, erzählt er zusammen mit anderen CATHEDRAL-(Ex)-Mitgliedern in der Dokumentation „Return To The Forest“, die zusammen mit der EP „Soul Sacrifice“ von 1992 Teil dieser Wiederveröffentlichung ist, für deren Vorbildlichkeit in Sachen Aufmachung und Informationsgehalt man Earache abermals loben muss. Ich verschwinde jetzt in Gedanken wieder auf das Konzert der „Gods Of Grind“-Tour, die 1992 CATHEDRAL mit ENTOMBED, CARCASS und CONFESSOR vereinte. (10) André Bohnensack
COCK SPARRER
Here We Stand LP+CD+DVD | Pirates Press | piratespressrecords. com || Anfang 2008 erschien auf Captain Oi! das erste neue Album der englischen Oi!-Pioniere seit zehn Jahren, und im Sommer 2009 folgt nun die US-Version auf dem hauseigenen Label von Pirates Press aus San Francisco, dem größten unabhängigen Vinylhersteller der USA. Und da wird geklotzt, nicht gekleckert: Das Vinyl kommt in rot-weißer Optik, das Cover mit Prägedruck, und um reine CD-Releases ad absurdum zu führen, liegt der 12“ noch eine CD mit den Songs sowie eine Bonus-DVD bei , mit Material, das man auch auch von der TKO-DVD kennt. Und das schrieb Claudia Luck damals im Ox über die Platte: „Unfassbar, aber COCK SPARRER haben tatsächlich zehn Jahre nach ihrem vermeintlichen Abschiedsalbum ‚Two Monkeys‘ eine neue Platte rausgebracht. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass diese Band weder live noch auf Platte auch nur einen Millimeter hinter den Erwartungen der Fans liegt – im Gegenteil, COCK SPARRER haben, denke ich, die Erwartungen der meisten Leute in jeder Hinsicht übertroffen. Auf ‚Here We Stand‘ reiht sich Hit an Hit, jeder ein unverwechselbarer COCK SPARRER-
Song und trotzdem keiner wie der nächste: ob der Opener ‚Too late‘, ‚True to yourself‘ oder ‚Spirit of 76‘. Während die meisten meiner ‚alten (britischen) Helden‘ wie SHAM 69 oder die COCKNEY REJECTS entweder live oder auf Platte – schlimmstenfalls beides – enttäuschend sind, sind COCK SPARRER einfach nur der Hammer. Ich kann mir auch, ehrlich gesagt, kaum vorstellen, dass sie in den späten Siebzigern oder Achtzigern besser waren. Das Beste an COCK SPARRER ist immer noch, dass man den Songs auf ‚Here We Stand‘ durchaus anhört, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden und die Herren nicht mehr zwanzig sind, aber von ‚Alte Herren erzählen von Früher‘ ist wohl kaum eine Band weiter entfernt. Da wartet man gerne zehn Jahre auf ein Album, wenn es dafür so genial wird.“ (10) Joachim Hiller
sive einiger Stücke aktueller Formationen wie THE BUFF MEDWAYS, THE MUSICIANS OF THE BRITISH EMPIRE und THE CHATHAM SINGERS, neben Bands wie den THEE HEADCOATEES, wo Childish ja nur am Rande beteiligt war. Darunter Material, das bisher noch nicht auf CD erhältlich oder insgesamt nur schwer aufzutreiben war. Wenn man nicht zufällig Besitzer aller Childish-Platten sein sollte, ein sehr schöner Karriereüberblick, den ich weniger hinsichtlich seiner Vollständigkeit bewerte als seiner Hörbarkeit, und da überrascht auch die durchweg gute Soundqualität der Platte. Kein schlechter Ausgangspunkt, um sich dem Werk von Childish zu nähern. (8) Thomas Kerpen
COMADRE
Rock N Roll Uranus CD | Bad Apple | simonchainsaw.com | 38:24 || Nach „Fire Down Below“ noch mehr aus dem Archiv befreites Material des einstigen VANILLA CHAINSAWMannes, der nch Australien und Berlin in Brasilien eine neue Heimat gefunden hat. Den Witz mit „Uranus“ im Titel versteht man nur, wenn man etwas des Englischen und seiner schlechten Analwitze mächtig ist, aber die Platte macht auch ohne die Auflösung dieses Rätsels Spaß: SAINTS, RADIO BIRDMAN, MOTÖRHEAD, CLASH, RAMONES und STIFF LITTLE FINGERS nennt der Meister selbst bei diesen 13 Aufnahmen aus dem Jahr 2003 als Vorbildern, für alles lassen sich Anhaltspunkte finden, doch sympathisch das auch ist: Der wirklich große Wurf ist es nicht, sondern einfach grundsolider, ehrlicher Punkrock in sehr guter Produktion. (6) Joachim Hiller
Burn Your Bones LP+CD+DVD | Adagio830 | adagio830.de || Die mittlerweile dritte Pressung von COMADREs „Burn Your Bones“-LP kommt als tatsächliches Rerelease: Die mit rotzigem Punk-Spirit und ungeschliffener Frickeligkeit versehenen, grob zwischen BLOOD BROTHERS und ORCHID angesiedelten Tracks wurden komplett neu gemixt und gemastert. Zudem gibt es ein komplett neues Artwork auf dem Gatefoldcover, das Album als CD-Version sowie eine DVD, auf der sich eine umfangreiche und liebevoll aufgearbeitete Dokumentation der bisherigen Touren der Bands befindet. Wer auf COMADRE oder den Sound im Allgemeinen steht und „Burn Your Bones“ noch nicht im Plattenschrank hat, bekommt hiermit gute Argumente geliefert, sich das Teil nun anzulegen. Wer bereits eine der ersten Pressungen daheim hat, sollte sich ernsthaft überlegen, diese gegen die Neuauflage einzutauschen, denn das neue Artwork und die zusätzliche DVD machen schon einiges her. Konstantin Hanke
BILLY CHILDISH
CULT OF LUNA
SIMON CHAINSAW
Archive From 1959: The Billy Childish Story 2CD | Damaged Goods/Cargo | damagedgoods.co.uk | 72:42/62:56 || Über Billy Childish muss man wohl nicht mehr viele Worte verlieren, oft genug wurde sein über 30-jähriges Schaffen in diesem Heft ja thematisiert. Seit Ende der 70er ist Childish als Dichter, Maler, Musiker und Autor aktiv, über 50 Longplayer gehen auf sein Konto, mit unterschiedlichen Bands aufgenommen, wie POP RIVETS, THE MILKSHAKES, THEE MIGHTY CAESARS oder THEE HEADCOATS. Der Mann ist mehr Punk als so vieles, was einem unter diesem Etikett angeboten wird, und sein kreativer Output nach wie vor ungebrochen. Für den echten Fan eine etwas undankbare Angelegenheit, ebenso wie die Erstellung einer „Best Of“-Compilation, wobei „Archive From 1959: The Billy Childish Story“ nicht die erste Platte dieser Art ist. Das Datum 1959 bezieht sich natürlich auf Childishs persönliches Herstellungsjahr, würde seine Masse an Veröffentlichungen allerdings etwas weniger unheimlich wirken lassen. Auf „Archive From 1959: The Billy Childish Story“ befindet sich dementsprechend die imposante Anzahl von 51 Songs, in nicht chronologischer Reihenfolge, inklu-
Eternal Kingdom / Fire Was Born CD+DVD | Earache | earache.com || So ganz werde ich die Releasepolitik mancher Labels nicht durchschauen: Wer als Fan früh kauft, wird damit „bestraft“, dass ein paar Monate oder ein Jahr später eine attraktive Bonus-Edition erscheint. So geschehen auch im Fall des 2008er-Albums der Schweden CULT OF LUNA, die es zwar kaum schaffen werden, sich jemals ganz vom Makel der NEUROSISNacheiferer zu befreien, aber spätestens seit „Somewhere Along The Highway“ mit gewisser Eigenständigkeit ihre Version von bombastisch-atmosphärischem Post-Metal zelebrieren. Ergänzt wird die CD um die DVD „Fire Was Born“, auf der sich ein neunzigminütiger Mitschnitt des Konzertes vom 1. Juli 2008 in London findet, ergänzt um Videoclips und ein halbstündiges Interview. Ein lohnenswertes Package! (8) Joachim Hiller
CLUSTER
Grosses Wasser CD | Bureau B | bureau-b.de | 36:06 || Ursprünglich erschien „Grosses Wasser“ von CLUSTER 1979 auf Sky, war das fünfte Studioalbum von Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius (zuvor nannte man sich bis zum Ausscheiden von Conrad Schnitzler KLUSTER und hatte bereits zwei Studioplatten aufgenommen), produziert von TANGERINE DREAM-Gründungsmitglied Peter Baumann. An die erinnert komischerweise auch direkt das erste Stück „Avanti“ mit seinen pulsierenden Synthiesounds, ebenso wie der vierte Track „Breitengrad 20“, der mit einer sehr geradlinigen kühlen Rhythmik aufwartet, im Kontrast zu
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traurig und beklemmend. Seine gute Laune gibt man hier am besten gleich an der Tür ab, im Gegenzug bekommt man dann aber auch eine Tiefe geboten, die im Grenzgebiet Indie/Punk/Alternative Rock selten ist, und nur gelegentlich funktioniert, ohne zu langweilen. Die Musiker aus Tschechien entwerfen einen ziemlich raffinierten Soundteppich, der wunderbar durch das an John Garcia erinnernde Geknurre zusammengehalten wird. Die in der Musik enthaltene Liebe zum Detail schlägt sich auch im Artwork nieder, die LP ist einseitig bespielt, und enthält auf der B-Seite eine aufs restliche Cover abgestimmte Gravur. Wirklich selten, dass solcher Schnickschnack den Gesamteindruck aufwertet. (8) Lars Koch
INCOMING CEREBRAL OVERDRIVE
Cerebral Heart CD | My Phonic | myphonic.com || Der italienische Fünfer versucht sich anscheinend mit dem vorliegenden Debüt am Sound solcher Krachcore-Kombos wie DILLINGER ESCAPE PLAN oder CONVERGE. Somit nicht überraschend, dass Kurt Ballou hier beim Feinschliff mitmixte. Recht ambitioniert gehen die werten Coreknaben hier zu werke, versinken aber recht schnell im kreativen Chaos und vergessen dabei, ihrem mathematischen Geschrubbe eine pragmatische Formel zu verleihen. So rauscht das Album doch recht monoton an einem vorbei, ohne dass die Songs besonders im Ohr kleben bleiben würden. Auch der Versuch, Atmosphäre aufzubauen, scheitert leider an der recht lustlosen Darbietung des Schreihalses, wenn er seine Vokale clean vortragen muss. Die Band kann zwar mit ihrem Erstlingswerk beweisen, dass sie ihre Instrumente beherrscht, nur müsste man noch den Kompositionen einen roten Faden einflechten, um mit den Großen auf dem gleichen Spielplatz mitspielen zu können. Kann man mal auschecken! Uwe Kubassa
IN DREAD RESPONSE
From The Oceanic Graves CD | Deadboy | myspace.com/deadboymusic | 61:43 || Das hohe musikalische Niveau auf dieser Platte und der enorme Aggrofaktor machen das Debüt „From The Oceanic Graves“ der neuseeländischen Band IN DREAD RESPONSE zu einer sehr interessanten und beeindruckenden Sache. Vor allem Drummer Alex Bird ist erstaunlich versiert, zockt überschnelle Blasts und kann locker mithalten mit Koryphäen wie Chris Adler. Genauso steht es mit den Gitarren, so dass dem melodischen Deathcore alle Türen offen stehen sollten. Auch die Thematik der Seefahrt setzt positive, eigene Markten. Doch wie immer gibt es hier auch eine Kehrseite der Medaille: nämlich die, dass das Album bei einer Spiellänge von einer Stunde viel zu eintönig und gleichbleibend ist. Auch das Geschrei bietet nicht viel Variation. Ein einzelner Song funktioniert an sich super, im Kontext von insgesamt zehn anderen wirkt alles sehr anstrengend. Schade. (6) Arndt Aldenhoven
INTELLECTUALS
Triple LP+CD | Jeetkune | myspace.com/jeetkunerecords | 21:19 || In der italienischen Garage-Sszene sind die INTELLECTUALS neben Bands wie VERMILLIONS SANDS oder den MOVIE STAR JUNKIES schon lange keine Unbekannten mehr, was mittlerweile hoffentlich auch in unsere Breitengrade vorgedrungen ist. Für das dritte Album hat das Trio aus Rom noch mal so richtig aufgefahren, das Londoner Toe Rag Studio geentert und für den Bass den französischen Garagerock-Helden Nick Normal angeheuert. Auch wenn mir das Vorgängeralbum „Invisible Is The Best“
seinen klassisch anmutenden Pianoklängen. „Grosses Wasser“ mit seinen insgesamt sechs Stücken bleibt eine in sich widersprüchliche Angelegenheit, bei der Roedelius und Moebius ganz extrem an der Avantgarde-Schraube drehen oder einen mit kindlich-naiver Melodik verwirren. Ein wirklich homogenes Album klingt sicher anders, die typische Handschrift des Duos ist deutlich erkennbar, deren Musik immer handgemacht wirkt und damit eine klangliche Wärme ausstrahlt, die sie selbst in den experimentellsten Momenten leicht verdaulich macht. Definitiv ein wichtiges Teilchen im CLUSTER-Gesamtwerk, das erstaunlich zeitlos wirkt und schon alleine wegen des epischen 18-minütigen Titeltracks lohnt, der mit sanften Pianoklängen beginnt und sich schließlich zu einem merkwürdigen Industrial-Stammesgetrommel steigert. „There is no group more mythical than FAUST“ schrieb Julian Cope in seinem Buch „Krautrocksampler“, ich wäre versucht, dasselbe von CLUSTER zu behaupten, zumindest was ihre facettenreiche Musik angeht, und die ja dieses Jahr tatsächlich mal wieder ein neues Album aufgenommen haben. (9) Thomas Kerpen
DEAD FLESH FASHION
Anchors CD | Midsummer/Cargo | midsummer-records. de | 52:35 || Bereits in Ox#81 besprochen, wird das Debüt von DEAD FLESH FASHION nun über Midsummer Records neuveröffentlicht. Die passenden Worte zur Veröffentlichung fand Kollege Thomas Eberhardt: „Selten so ein rundum gelungenes Release gehört. Was DEAD FLESH FASHION hier eingespielt haben, muss man einfach gehört haben, wenn man Bands wie BOTCH oder COALESCE als maßgeblich wahrnimmt. Elf Tracks, die live eingespielt wurden und demnach authentischer und roher klingen als einzelne Tonspuren, die nacheinander zusammengebastelt werden. Klar, dass man vieles, was hier aus den Boxen kommt, schon zuvor gehört hat, aber die perfekte Umsetzung und die exklusive Verpackung im Digipak macht diese kleinen Kritikpunkte wieder wett. Eine aufregende Band, an der kein Weg vorbeiführt.“ (8) Joachim Hiller
FLIPPER
Sexy Bomb Baby! Generic Flipper Gone Fishin’ Public Flipper Ltd. – Live 1980-1985 CD | Domino | dominorecordco.com || FLIPPER aus San Francisco sind eine der legendären frühen USPunkbands (sie gründeten sich 1979), deren Name zwar immer wieder irgendwo auftaucht (remember „American Hardcore“?), die sich aber offenbar vor allem in Fachkreisen großer Beliebtheit erfreuen, jedoch nie auch nur annähernd massentaugliche Musik machten, geschweige, dass sie die Beliebtheit von Zeitgenossen wie BLACK FLAG, CIRCLE JERKS oder DEAD KENNEDYS erreicht hätten. Daran änderte auch nichts, dass einst Kurt Cobain erklärter Fan war, dass Rick Rubin Anfang 1993 ihr Spätwerk „American Graffishy“ veröffentlichte sowie ihre beiden Alben aus den Achtzigern („Generic Flipper“, 1982, und „Gone Fishin’“, 1984), dass Menschen wie Buzzo von den MELVINS oder Mark Arm von MUDHONEY sie als
noch ein wenig besser gefiel, haben die INTELLECTUALS immer noch das gewisse Etwas, irgendwo zwischen cheesigen LOST SOUNDS (Keyboard/Orgel), X-RAY SPEX, LES SEXAREENOS und römischem Garagen-Charme. Guitar_Boys Stimme setzt immer wieder einen guten Kontrast zum Gesang der Mädels (der manch einem vielleicht zu piepsig sein könnte) und mit „Lost in an empty world“ oder „Orange alert“ tummeln sich unter den elf Songs auch wieder ein paar Hits. Die LP kommt in weißem Vinyl, ist auf 300 Einheiten limitiert und obendrauf gibt’s ein schönes Beiheft und die Gratis-CD-Version des Albums. Ein absolut gelungenes Gesamtpaket. (8) Bernd Fischer
IN THE CAGE
Talk Is Cheap MCD | Burnside | burnside.at | 15:41 || ITC setzen sich zusammen aus (Ex-)Mitgliedern von ONLY ATTITUDE COUNTS, BOMBSQUAD, BUSINESS AS USUAL und PERMANENT STYLE, womit die musikalische Ausrichtung schnell klar sein dürfte. Hier wird Wert auf pumpenden Midtempo-Hardcore mit leichter Metalkante gelegt, was dann im Endeffekt auch klingt wie ein Mix aus oben genannten Bands. Wirkliche Akzente können ITC aber zu keiner Zeit setzen, dafür klingen ihre Kompositionen einfach zu beliebig und sind daher ohne großen Wiedererkennungswert. Mal sehen, wie sich das auf dem ersten Album weiterentwickeln wird, denn das, was hier geboten wird, ist eindeutig noch ausbaufähig. (5) Tobias Ernst
JJJ
die Jungs aus Arizona zum dritten Mal ihre technisch hochwertige Todesmaschine erfolgreich angeworfen und ruinieren, wie gehabt, sehr gekonnt deinen Gehörgang. Allein der schleppende Groove, der diesen musikalischen Wahnsinn von Song zu Song trägt, macht „Ruination“ verständlich. Wer die Band schon mal live gesehen hat, weiß, dass hier nicht geschummelt wird – dass auf dem Album aber alles auch am besten klingt. Für Technikliebhaber großes Kino mit Groove. (7) Carsten Hanke
JUNIUS
The Martyrdom Of A Catastrophist CD | Make My Day/Alive | makemydayrecords.de | 48:53 || JUNIUS lassen sich wirklich Zeit. Anfang des vergangenen Jahres debütierten die Bostoner auf diesem Kontinent mit einer Zusammenstellung älterer EPs, kündigten damals aber schon die nahende Veröffentlichung eines Albums an. Das kommt nun, mehr als ein Jahr später. Besonders ist „The Martyrdom“ also deshalb, weil es das erste Album ist, das in einem Schwung entstanden ist und nur eine Bandphase repräsentiert – nämlich die aktuelle. INTERPOL sind noch immer ein hilfreicher Hinweis, um die Musik zu beschreiben, die gewaltigen Klangwände des modernen Postrocks und Postmetals nehmen aber immer mehr Platz ein. Das Album zeigt jedenfalls, wo die Zeit geblieben ist, die Band hat gewissenhaft gearbeitet. Herausgekommen ist ein schöner Spaziergang durch eine unschöne, leer anmutende Welt. Solche Empfindungen herzuzaubern schafft auch nicht jede Band. (7) Christian Meiners
KKK
JA, PANIK
The Angst And The Money CD | staatsakt/Rough Trade | staatsakt.de || Wenn JA, PANIK Sänger-Andreas Spechtl zum Gedicht ausholt, dann kann einen das durchaus dazu nötigen, Reißaus nehmen zu wollen. Denn sicher steht nicht ein jeder auf seinen Mix aus ein bisschen nöligem Hamburg, ein bisschen frechem London und gerne auch mal ein bisschen charmant arrogantem Wien. Die Musik dahinter bewegt sich ähnlich breit gefächert über die Aussichtsplattform im Rockreservat und rezitiert gekonnt, was der Herren Musiker Ohren von dort aus erspähen, erspähten und glauben, am Horizont nahen zu sehen. Klingt sehr weltoffen und angenehm multipopkopflastig. Wirkt ambitioniert. Zu Recht. Beschäftigt man sich dann noch ein wenig mehr mit „The Angst And The Money“, bemerkt man schnell, dass es sich bei dieser Band „lediglich“ um die Summe aller Teile handelt. Und alle Teile sind eine Klasse für sich. Man hat ART BRUT und THE CURE, DIE STERNE, DIE GOLDENEN ZITRONEN und so einen Typen, der immer auf Partys Gedichte vorliest und dazu Geräusche mit Haushaltsgeräten macht. Und schlussendlich bleibt uns nur die Frage, was Horatio Alder sich lieber angehört hätte, um die Summe zu genießen: Alle vorgenannten Bands nacheinander, oder alle Teile von JA, PANIK zugleich. Wie auch immer: Ich persönlich stehe auf Musik und Gestus der Band – und finde mein vorangegangenes Geschwafel erbärmlich. Ich bitte darum, mir das zu verzeihen. Und den Popdiskurs mit Mülltonnen zu bewerfen, wo immer ihr ihn antrefft. Jörkk Mechenbier
JOB FOR A COWBOY
Ruination CD | Metal Blade | metalblade.com | 40:31 || Anschnallen, JOB FOR A COWBOY haben ihr drittes Album fertig und der Name ist Programm. Nach dem erfolgreichen zweiten Knüppler namens „Genesis“ haben
prägende Einflüsse nennen. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ihre Platten längere Zeit nicht erhältlich waren – erst Ende 2008 änderte sich das mit Rereleases auf Water Records, die jetzt über den Umweg Domino den Weg nach Europa gefunden haben – parallel zur Veröffentlichung des neuen Studioalbums. Den Beginn der Viererpacks macht die „Sexy Bomb Baby!“-CD, unter deren 13 Songs sich die sechs Stücke der ersten drei FLIPPER-Singles verstecken, die Anfang der Achtziger auf Subterranean erschienen: „Love Canal/Ha Ha Ha“ (1980), „Sex Bomb/Brainwash“ (1981) und „Get Away/The Old Lady Who Swallowed A Fly“ (1982). Wer anders als ich nicht nur die schäbige Promoversion hat, kann auch die Linernotes von Henry Rollins lesen. Ursprünglich wurde diese Zusammenstellung 1987 von Subterranean veröffentlicht. Next in line ist „Generic Flipper“, das 1982 auf Subterranean erschien und dessen Artwork angeblich von GANG OF FOURs „Yellow“EP abgeschaut war, wobei FLIPPER ihrerseits später P.I.L. inspirierten. Der Klassiker „Sex bomb“ (7:49!) ist hier enthalten – und wo die Singles hier und da noch eine gewisse klassische Punkigkeit aufwiesen, verwirrt das Debütalbum jene, die auf klassischen Punkrock oder Hardcore im ZweiMinuten-Format aus sind, nachhaltig, denn die Band aus San Francisco hatte nach formalen Maßstäben mehr von BLACK SABBATH als von RAMONES, BLACK FLAG oder D.K., war eher atonalen, epischen Songs statt Drei-AkkordBlasts zugetan. Der erneute Rerelease – 1993 gab es eine Version auf Rick Rubins Def American-Label – kommt mit Linernotes von Krist Novoselic, der von 2006 bis 2008 bei FLIPPER Bass spielte und auch auf dem „Love“Album zu hören ist. 1984 erschien dann das zweite Studioalbum „Gone Fishin’“, erneut auf Subterranean, mit einem Ausschneidecover, so dass, wer wollte, den Tourvan von FLIPPER als Pappschachtel basteln konnte. Die Linernotes stammen von King Buzzo von den MELVINS. Vierter und letzter Rerelease im Bunde ist das Live-Album „Public Flipper Ltd. – Live 1980-1985“ von 1986, dessen Titel eine Reaktion auf P.I.L.s-Coverkonzept-Kopie war – und es war auch der letzte Release mit Will Shatter, der 1987 an einer Überdosis starb. Seitdem sind FLIPPER mal mehr, mal weniger aktiv, spielen vereinzelt Konzert und gehören mit ihren hier aufgeführten vier Releases in jeden guten Haushalt. Es kursieren übrigens noch weitere Live-Platten, die durchaus okay, aber nicht essentiell sind, und neben dem aktuellen Album sollte man sich der Vollständigkeit halber noch „American Grafishy“ von 1993 besorgen. (10) Joachim Hiller
GAN
Do That Again. Again!?! CD | Boss Tuneage/Flight 13 | bosstuneage.com | 59:22 || GAN aus North Lincolnshire waren von 1989 bis 1996 aktiv. Die CD umfasst sämtliche Aufnahmen ihrer Schaffensphase, darunter die beiden erstklassigen 7“-EPs „Blink“ und „Water Powered Teenies“. Eigentlich hätten GAN auch super auf Taang! gepasst, denke ich da an die ersten LEMONHEADS- oder MOVING TARGETS-Alben. Poppige Arrangements mit dreckigen Gitarren, rockigen Soli und mehrstimmigen Vocals, ordentlich mit PunkDreck beworfen und in Hardcore-Beize getunkt. Auf die vier Coverversionen hätte man getrost verzichten können. Wichtiger sind die Titel des einzigen Albums „Do That Again“, die jedoch im Vergleich zu ihren Singles eintönig sind. Die Stücke ähneln sich sehr in ihren Arrangements. Im Booklet gibt es eine detaillierte Biografie von Sänger Dave, nebst aktuellem Gruppenfoto vom März 2009. Heute sind die Jungs unter der Bezeichnung ONE CAR PILE UP unterwegs. Unterm Strich eine gelungene und schöne Sache. (7) Simon Brunner
KAISHAKUNIN
Zur Vernunft begabter Mensch CD | Deafcult | deafcult.org | 33:06 || Ich mag es nicht sonderlich, Reviews mit Namedropping zu versehen, doch bei Erstlingswerken beziehungsweise kleineren Bands liegt das meist auf der Hand. Mal sehen, ob ich drumherum komme ... KAISHAKUNIN bieten auf ihrem ersten Longplayer (vier Songs von 2007 und vier Songs von 2009) das volle Programm: Melodie,Tech, Mosh, Härte, kein Singsang und ein ganz großes Plus: sehr gute, tiefe, meist deutsche Texte, in denen man die Verzweiflung zwischen den Zeilen förmlich schmecken kann. Soll ich schreiben, dass ich an eine Metalversion von CONVERGE meets LOXIRAN denken muss? Ich überlege es mir noch. Fakt ist: „Zur Vernunft begabter Mensch“ ist nach dem TRAINWRECK-Album für mich ein weiteres Highlight, welches eindrucksvoll zeigt, dass die Szene lebt, frisch ist und es Bands gibt, die nicht müde werden, um das am Leben zu halten, woran sie glauben, wo sie herkommen. (8) Michael Echomaker
KARMACOPTER
Goodbye Haptik LP | Kidnap Music/Tofu Guerilla/Tanzbär | kidnapmusic.de || Insgesamt sechs Labels teilen sich das Release der deutschen Dreierkombo KARMACOPTER, denen hier ein Sound gelungen ist, der einerseits angenehm catchy und eingängig nach vorne geht und andererseits NOMEANSNO-artige Haken schlägt. Bei dieser musikalischen Eigenheit müsste eigentlich schon klar sein, dass man hier keine dumme Deutschpunk-Phrasendrescherei fürchten muss; genügend Eigensinn und teils eher Noise-infizierte Aggressivität, die sich bei „Stellwände“ oder „230 of fame“ zeigt, lassen mich überhaupt daran zweifeln, ob man das hier noch als „Deutschpunk“ labeln kann, weil
HOME BREW
Heart Of Insurrection CD | Bombed Out/X-Fist | bombedout.com || Diese Scheibe ist eine Werkschau der 1995 gegründeten „CiderPunks“ aus Yorkshire mit insgesamt zwölf Songs, die zum Teil neu eingespielt und gemastert wurden. Wütend, ungeschönt und politisch zeitlos den Finger in die Wunde der Gesellschaft drückend, gibt es hier einige Klassiker neu zu entdecken. Der Stil ist, abgesehen von den treibenden Hooklines, typisch englischer Punkrock mit schnelleren Hardcore-Parts, rauhen Vocals und fettem Gitarrensound. Titel wie „Streetlight riot“, „Youth of today“ oder die eindringliche Anti-Kriegs-Hymne „Bombs in your backyard“ stechen auch heute noch aus der unter dem Sammelbegriff „Streetpunk“ veröffentlichten Masse deutlich hervor. Sehr empfehlenswerter Release! (8) Christian Fischer
IRON MONKEY
s/t Our Problem 2CD | Earache/Rough Trade | earache.com | 123:32 || „I’m not going on tour with Morbid Angel or any of them other dickheads“ soll der 2002 verstorbene IRON MONKEY-Sänger Johnny Morrow Teilen seiner Bandkollegen als Bedingung auferlegt haben, als 1996 Earache Records Interesse zeigten, das 1995 auf dem MiniLabel Union Mill veröffentlichte Debütalbum der Nottinghamer neu aufzulegen. Es sollte nicht die einzige Differenz innerhalb der Band bleiben, die dann auch bereits 1999 wegen diverser Meinungsverschiedenheiten ihr Ende fand, nach Besetzungswechseln und dem zweiten Album „Our Problem“ von 1998. Dass Morrows kreischender, beinahe blackmetallischer, Gesang IRON MONKEY von anderen, musikalisch ähnlich agierenden Sludge-Metal-Bands abhob, darauf konnten sich aber wohl alle Bandmitglieder einigen. Für den kurz nach dem Earache-Deal gefeuerten Gitarristen Steve Watson – dessen alkoholbedingte Ausfälle sogar seinen selbst Alkohol und Gewalt nicht abgeneigten Kollegen zu weit gingen – ist Morrows Stimme sogar der Hauptgrund, warum IRON MONKEY die Reputation besitzen, die ihnen nachgesagt wird, wie er in den Linernotes schreibt. Soviel Selbstkritik in allen Ehren; aber es würden wohl kaum zig Bands bei der Nennung ihrer Einflüsse IRON MONKEY einträchtig neben EYEHATEGOD, GRIEF oder BUZZOV*EN erwähnen, wenn nicht auch die Musik Eindruck gemacht hätte, oder? Für Zuspätkommende und Neuentdecker haben Earache beide Alben als Einzel-CDs zusammen in einen Pappschuber gesteckt: „Iron Monkey“ hat das BLACK SABBATH-Cover „Cornucopia“ vom „Masters Of Misery“-Sampler als Bonus, „Our Problem“ die drei Songs der Man’s Ruin-Split-CD mit CHURCH OF MISERY von 1999. (9) André Bohnensack
JANE’S ADDICTION
A Cabinet Of Curiosities 3CD+DVD | Rhino | rhino.com || Ende der Achtziger machte ich Bekanntschaft mit einem Amerikaner, der ohne mit der Wimper zu zucken bereit war, seine MISFITS-Originalsingles gegen europäische Promos, Bootlegs und Mitschnitte von JANE’S ADDICTION zu tauschen. Ein mehrfach einträglicher Deal, zumal ich so nebenbei die Bekanntschaft mit einer der aufregendsten Bands machen konnte, die mich seinerzeit aus dem Punkrock-Einerlei rissen, denn wenn jemand derart verrückt nach einer Band war, dann musste etwas Besonderes dran sein. Ohne JANE’S ADDICTION würde die Musikwelt heute ein wenig anders aussehen. Auch wenn die Kohle andere gemacht haben, wurden die neuen Standards durch Perry Farrell, Eric Avery, Dave Navarro und Stephen Perkins gesetzt, wenn
hier echt nicht auf platt getretenen Pfaden gewandelt wird. Nicht ganz so breaklastig wie die genannten Kanadier – die sich mir nach mehrmaligem Hören als passendste Referenz herausstellen – aber ganz deren versponnene Rhythmik, die sich oft genug wieder auflöst und dem gepflegten Punkrock-Song Platz macht und damit auch Fans von PASCOW oder ähnlicher Kapellen genügen wird. (7) Andreas Krinner
KICKBACK
No Surrender CD | GSR | gsrmusic.com | 37:24 || Nach beinahe zehn Jahren beehren uns die französischen Vorzeigerüpel KICKBACK wieder mit einem neuen Album, welches nicht nur musikalisch eine extreme „Fuck you“-Attitüde an den Tag legt. Ein Blick ins Booklet macht schnell klar, wie sehr sie die ganze Welt am Arsch lecken kann: „This is for us, this is not for you“ heißt es da und man weiß Bescheid. Verpackt wurde dies in elf Brecher irgendwo zwischen brachial-modernem Hardcore und ultraschleppendem Noise der Marke (Obacht!) NEUROSIS, ein Hintergrund, vor dem sich Sänger Stephen auf markerschütternde Art und Weise die Seele aus dem Leib brüllt. Gerade dieses Geplärre wirkte anfangs schnell nervend, wusste nach einigen Durchläufen dann letztlich aber doch um so mehr zu gefallen. Der knallige, trockene Sound tut sein Übriges dazu, um die Qualitäten von „No Surrender“ wirkungsvoll zu unterstreichen, so dass man das Album unter der Rubrik „rundum gelungen“ verbuchen kann. (8) Jens Kirsch Auf der Ox-CD zu hören.
KINGS AT CRIME
B.H.C. CD | Burnside | burnside.at | 21:27 || Nach dem ersten Demo „Hardcore 2005“ ist das hier also das Debütalbum von KAC. Ob sich die Jungs nach dem SKARHEADHit benannt haben, weiß ich nicht, aber wer so einen Namen hat, der haut selbstverständlich in die Oldschool Hardcore-Kerbe. Und so ballern „Welcome to my world“, „Fabulous life“ und „Shut up“ auch gleich los wie ein Gewitter und am vorgelegten Tempo ändert sich auch bis zum Schluss nicht wirklich etwas. Wobei man mit „Bread and circuses“ und „End of the chain“ auch zwei sehr tanzbare Smasher im Repertoire hat. Solides, kurzweiliges Debüt und live bestimmt auch ein Erlebnis. Weiter so. (7) Tobias Ernst
K-JELL
Refreshing Power CD | October Party | myspace.com/octoberparty | 27:56 || Um Himmels Willen, wer denkt sich denn bitte solch scheußliche Plattencover aus?! Auf dem ersten Blick glaubte ich es beinahe mit irgendeinem furchtbaren GoaTrance-Müll oder dergleichen zu tun zu haben und dabei schmettert einem doch ab dem ersten Akkord richtig frischer, anständig produzierter Straßenköter-Rock’n’Roll entgegen. Doch, verströmt kräftig den Spirit von COCK SPARRER und RANCID, ist hier und da auch mit einer sehr hübschen ramonesken Komponente versehen. Mit
nicht durch JANE’S ADDCTION, dann durch die Lollapalooza-Festivals, die von Farrell initiiert wurden. Crossover durch alle möglichen Musikstile, einer riesigen Portion Groove, Style und alles mit Punk im Herzen, nie wieder hat eine Band das so vereint. Als Hinterlassenschaft gibt es hier nun einen edelst aufgemachten kleinen Holzschrein mit drei CDs und einer DVD, einem edlen dicken Booklet, Tarotkarten und vier kleinen Voodoo-Puppen – definitiv nichts für Grobmotoriker. Die randvollen CDs beherbergen jede Menge unveröffentlichte Aufnahmen, Demos, Live-Material, Single-B-Seiten und Promo-only-Stuff, das man als Fan zwar von zahlreichen Bootlegs kennt, nun aber erstmals in einwandfreiem Sound hören kann. Auf der DVD befindet sich das komplette „Soul Kiss“-Video, sämtliche Videos und ein MTV-Special. In jedem Fall das am schönsten aufgemachte Release der letzten Jahre und eines der schönsten Geschenke, das man sich machen kann.Ich bin hin und weg! (10) Kalle Stille
KOENJIHYAKKEI
Nivraym CD | Skin Graft | skingraftrecords.com | 58:18 || Das dritte Album des Projekts von Tatsuya Yoshida von den RUINS, in Japan 2001 erschienen, jetzt noch mal rundum überholt von Skin Graft veröffentlicht, damit sich auch der Rest der Welt daran erfreuen kann. An der radikalen Mischung aus opernhaftem Progrock, Avantgarde-Experimenten und Hardcore/Punk hat sich natürlich nichts Grundlegendes verändert, auch wenn „Nivraym“ eventuell leichter verdaulich als die Nachfolger „Angherr Shisspa“ und „Viva Koenji!!“ aus den Jahren 2005 und 2006 ist. Das mag bei einer Band wie KOENJIHYAKKEI eine sehr relative Aussage sein, denn deren Freestyle-Rock ist generell eine eher schmerzhafte Erfahrung, recht einzigartig und kunstvoll umgesetzt, aber dermaßen anstrengend, dass es an passenden Gelegenheiten fehlt, sich diesem hektischen, kakophonischen Jazzcore-Inferno auszusetzen, es sei denn, man hört ansonsten FANTÔMAS zum Einschlafen. (6) Thomas Kerpen
NICK LOWE
The Brentford Trilogy 3CD | Proper | properuk.com || In Ox #83 hatte ich mich bereits über Nick Lowe ausgelassen, jenen 1949 geborenen englischen Singer/Songwriter und Produzenten, dessen Weg Ende der Siebziger auch mal die von Punkrock kreuzten, was man seinen eigenen Aufnahmen allerdings nie anhörte. Mit „The Impossible Bird“ (1994), „Dig My Mood“ (1998) und „The Convincer“ (2001) nahm er in relativ großem zeitlichem Abstand drei Alben auf, die Lowe als Trilogie verstanden wissen will, weshalb sie jetzt als „The Brentford Trilogy“ im Pappschuber neu aufgelegt wurden – und nicht als einzelne Alben erhältlich sind. Als Einstieg ist die Box „Quiet Please ... The Best Of ...“ sicher die bessere Wahl, doch wer Gefallen gefunden hat an dem einst mit Johnny Cashs Stieftochter Carlene Carter verheirateten Elder Statesmen des britischen Rock’n’Roll, sollte hier weitermachen. Joachim Hiller
MANHATTAN LOVE SUICIDES
Burnt Out Landscapes CD | Squirrel | squirrelrecords.co.uk || Hmm, erinnert sich noch jemand an FUZZBOX oder frühe PRIMITIVES? Drumbox (ufta, ufta), zuckersüßer Gesang und schrammelige Gitarre drauf, fertig?! In diesem Fall nur die halbe Wahrheit, denn den Rest füllen die Damen und Herren mit den Gitarren und Kratzgeräuschen von JESUS & MARY CHAIN auf. Passen gut zu den Labelkollegen SUNDAY REEDS und können gemeinsam auf ihre Schnürsen-
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„Struggle and break through“ gelingt dem norwegischen Trio dann sogar ein richtiger Hit, was zwei, drei eher beliebig dahin plätschernde Titel schon fast wieder vergessen macht. Die hier enthaltenen neun Songs sind übrigens auf einem Pekinger Label erschienen und das angeblich in einer stolzen Auflage von nicht weniger als 100.000 Stück, man scheint es also wohl frei nach ALPHAVILLE „Big in China“ hitten zu wollen. Viel Erfolg bei dem ehrgeizigen Unterfangen, meinen Segen haben die Jungs jedenfalls ... (7) Ben Bauböck
The Spirit Of Ska VA / The Spirit Of Ska 20 years jubilee ed. Zwanzig Jahre Pork Pie, Das ist ein Grund zum Feiern! Hier kommen die besten Songs der letzten 10 Pork Pie Jahre von Skaos, Valkyrians, Bluekilla, Dallax, Spitfire, Yellow Umbrella u.v.a. plus sensationelle neue/unveröffentlichte Songs von Blechreiz, Butlers, Busters, El Bosso und Liberator.
RINGO SKA Betolzkahitoparat „’Dem boys are rude and dem really really play sweet music”. But ’dey could have needed more offbeat (Bob Marley über die Beatles). Das haben die Fab Five von Ringo Ska wahr gemacht - und es funktioniert tatsächlich! Die besten Songs der Beatles, kombiniert mit jamaikanischen Reggae- Ska- oder Rocksteady Beats, klingen plötzlich super entspannt und unglaublich tanzbar.
PORK PIE empfiehlt: SPITFIRE Lifetime Visa (Flat daddy Records)
Zum 15. Bandjubliäum kommt das vierte Album der Jungs aus St. Petersburg, die zurecht schon längst weltweiten Kultstatus haben. Spitfire kommen jetzt mit Volldampf und neuem lineup zurück. Musikalisch schaut man inzwischen weit über den Tellerrand einer Ska-Punk-Band hinaus und legt mit LIFETIME VISA ein großartiges und ausgereiftes Album vor.
STAN OR ITCHY sweat ‘ n’ suits (Flat Daddy Records) Stan Or Itchy gehören zu einer jungen Generation von Bands, die sich selbstbewußt ihren eigenen Stil mixen. Bei dieser siebenköpfigen Band sind es Einflüsse so unterschiedlicher Bands wie Sublime, Madness, Skatalites, NY Ska & Jazz Ensemble oder No Doubt. Letzteres sicher nicht ganz zufällig, verfügen Stan Or Itchy doch über eine fantastische und gutaussehende Sängerin mit einer großartigen Stimme.
NO LIFE LOST Von Santa Fu nach St. Tropez ( Flat Daddy Records ) Das neue NLL-Album haut euch eine geballte Ladung aus Punk, Soul und Ska um die Ohren. Deutsche Texte treffen mit einer Schußstärke eines Weltmeisters ins Schwarze. Frontmann Timsen singt über Dinge wie Fußball, Party oder lustig/tragische Loserstories mit der bitteren Ironie eines Mannes, der eigentlich überall Hausverbot hat.
KINT
Im Elvisschacht MCD | Raddatz | raddatzrecords.de | 18:17 || Man, Erika wo ist denn das KINT schon wieder gewesen, das sieht ja aus wie Sau. Wahrscheinlich war es mit Guido Grind und Nobby Noise wieder bei den alten Bunkern am Buddeln, ich glaube fast, der alte FLEISCHMANN hat denen ein paar Pillen zugesteckt. Ach egal, TODAY IS THE DAY, wie der Ami sagt, und jetzt ab mit der Göre in die Wanne. Eine Berliner Band mit Zukunft. (8) Dr. Oliver Fröhlich
KOMPLIZEN DER SPIELREGELN
Es wird nur noch geatmet CD | Sitzer/Broken Silence | sitzer-records.de | 48:00 || EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, Udo Jürgens, SONIC YOUTH. So die Referenzen, die der Beipackzettel nennt, und GOLDENE ZITRONEN, FEHLFARBEN, bisschen STERNE, frühe BLUMFELD vielleicht, füge ich dieser Liste hinzu. Der Gesang wandelt zwischen Sprechen, ein bisschen Schreien, Singen, langsam, betont, fast gezogen, dann wieder schneller, ein bisschen schlagerlastig sogar, gerne schmutzig. Laute Gitarren gibt es hier, leise Momente, Popmusik fast, Krach, Stimmensamples und elektronische Elemente. Die Texte, in deutscher Sprache, sind oft kurz, auf den Punkt gebracht, oder auch nicht, eher verwirrend, eher fragend, „Was wollt ihr mir sagen?“, denn auf den Punkt gebracht. Auf den Punkt gebrachte Lyrics würden diesem Album ohnehin nicht stehen, nicht ins Gesamtwerk, dieses durchaus irre Gesamtwerk passen. Fakt ist, „Es wird nur noch geatmet“ macht Spaß, ist wild, ungestüm, anarchisch fast und trotzdem irgendwie, ich sagte es schon, Popmusik.Vereint viele Einflüsse, weckt immer wieder mal Erinnerungen an andere – habe ich ANGELIKA EXPRESS schon erwähnt? KREISKY? – ist und bleibt aber dennoch einzigartig, einmalig, einfach geil halt. (9) H.C. Roth
KONGH
Shadows Of The Shapeless CD | Trust No One | trustnoonerecordings.com || Das schwedische Trio KONGH setzt auf seinem zweiten Album die auf dem 2007er Debüt eingeschlagene Richtung konsequent fort und überzeugt mit groovig-treibendem Walzcore, den deren Landsmänner von BREACH auf „Kollapse“ bereits vor Jahren in überzeugender Weise ähnlich darboten. Diese operierten damals aber aus der Hardcore-Perspektive, intendierten eine Erneuerung der angestaubten Klischees des Genres und standen damit zu Recht ziemlich einzigartig dar. KONGH kommen nun eher aus der Metal- und Grind-Ecke und stecken jetzt inmitten einer schier unüberschaubaren Trendwelle auf dem Sludge/Doom/Ambient-Metal-Sektor. Mit einer seltsamen Qualität, die ich in Ermangelung einer passenden Vokabel bewusst unkonkret als „Skandinavität“ benennen möchte, gelingt es ihnen jedoch spielend, sich gegenüber der trivialisierenden Vermassung innerhalb des Genres zu behaupten. Sie erinnern dabei an andere nordlische Bands
KYODO
Freiflug CD | F-Spin | f-spin.de | 51:45 || Das Duo aus Bonn besteht aus Michi Hendricks am Schlagzeug, Gesang, Gitarre, Synthesizer und Loops und Matthias Kaufmann am Cello und Loops und legt mit „Freiflug“ sein DebütRelease vor. Wer sich jetzt an GUTS PIE EARSHOT erinnert fühlt, liegt zwar in Sachen instrumentaler Besetzung nicht ganz verkehrt, allerdings sind KYODO (was im Japanischen übrigens „Gesellschaft“ bedeutet) stilistisch weitaus ruhiger angesiedelt. Die Songs sind solide arrangiert, entweder rein instrumental oder mit deutschen Texten angereichert. Leider rutschen sie für meinen Geschmack zu sehr ins Schnulzig-Poppige ab, was aber nicht unbedingt von Nachteil für das Gesamtwerk sein muss. Das ist halt eine Frage Geschmacks. (7) JeNnY Kracht
LLL LAISSEZ FAIRE
No Land For Escape CD | 272 | 272records.com | 54:25 || Als mich das letzte Mal eine griechische Band wirklich fesselte, waren das die fulminanten YELL-O-YELL aus Athen Mitte der achtziger Jahre, die mehr nach THE BIRTHDAY PARTY klangen als die Australier selbst. Nun sind es LAISSEZ FAIRE aus Thessaloniki, die einen derart puristischen – vor allem an britischen Bands dieses Genres orientierten – Oldschool Wave und Gothic-Rock spielen (wie etwa THE SKELETAL FAMILY und BLOOD AND ROSES), dass man den Eindruck gewinnen könnte, ihr Debütalbum sei im Winter 1984 aufgenommen worden und nicht im letzten Jahr. Die Band hat das große Glück mit Sänger Alex (der in seltenen Momenten wie Kirk Brandon zu Zeiten von THEATRE OF HATE klingt) und Sängerin Eleni über zwei prägende Stimmen mit Wiedererkennungswert zu Verfügen, die sich perfekt in den dunklen, von einem treibenden Bass und Tribal-Schlagzeug geprägten Sound einfügen. (8) Markus Kolodziej
EDGAR LEND
Gettin’ Stranger All The Time LP+CD | Konkord | konkord.org | 30:03 || Bereits letztes Jahr erschien Edgar Lends Debütalbum als CD auf dessen eigenem Label Böser Hund und erstaunlicherweise hat der von mir ansonsten doch hoch geschätzte Kollege Alex Strucken dieses Werk damals mit gerade einmal sechs kärglichen Punkten bedacht. Das schreit meines Erachtens nach Rehabilitation, denn ich bin durchaus der Meinung, dass dem aus Bayern stammenden Neu-Potsdamer ein großer Wurf gelungen ist! Mit enormer Hingabe, Energie und viel Liebe zum Detail bekommen hier nämlich sämtliche rohen und urwüchsigen UndergroundmusikStilarten der 40er, 50er und frühen 60er Jahre auf denkbar authentischste Art Tribut gezollt, so dass es einem regelrecht die Sprache verschlägt. Mit dem düsteren „Living corpse“ wird die Scheibe in bester CRAMPS-Manier sehr würdig eröffnet und es nimmt nicht groß Wunder, dass der gute Herr Lend diesen Release in besonderem Maße
Lux Interior gewidmet hat. Von dort geht es gleich nahtlos weiter mit dem ungemein groovenden, an Bo Diddley gemahnenden Rhythm’n’Blues-Stomper „She’s the one“, bevor die Platte mit dem wahnwitzig-manischen Sixties-Punk-Fetzer „Take a knife“ ihren ersten Höhepunkt erreicht. Der kleinen Sensationen gibt es hier allerdings zu viele, um sie alle einzeln zu erwähnen, stellvertretend seien lediglich der „Teenage Shutdown“-artige Danceraver „Y&M“ und der schwer psychedelische Mindblower „The phantom“ genannt, welcher mittels eines gewaltigen Feedback-Gewitters in die tiefschwarze Countryballade „I will die, my darling, I will die“ überleitet – ehrlich, großes Tennis das! Das total fertige Schlussstück „Oorshry tetrapack“, dessen Text nur aus den beiden verzweifelt geschrienen Zeilen „I need love“ und „I hate myself“ besteht, verfügt dann sogar noch über eine leichte New Wave-Komponente. Die Scheibe gibt es übrigens nur als 180 Gramm schweres Vinyl plus beiliegender CD (inklusive Videoclip!) für die mp3-Player-mäßige Verwurstung. Absolut großartig! (9) Ben Bauböck
LOST LYRICS
Punchline Party CD | Hulk Räckorz/SPV | punk.de | 53:26 || Die Volljährigkeit haben die LOST LYRICS ja inzwischen auch schon längst erreicht, so können die Nordhessen dann also auch mal getrost das inzwischen neunte Album ihrer Karriere in Angriff nehmen. Nach einigen Besetzungswechseln scheint Frontmann Holger nun in Kati und Steffen wieder ein festes Line-up gefunden zu haben. Und das funktioniert hervorragend. Die LOST LYRICS klingen so frisch und abwechslungsreich wie lang nicht mehr. Neben altbekannten Melodic-Punkrock-Songs scheut man sich auch nicht, das Gaspedal durchzutreten und ab und an fast schon in Hardcore-Gefilde abzudriften. Richtig spannend wird es aber, wenn Folk- und PopEinflüsse ihren Weg in einzelne Songs finden. Da erkennt man dann die jahrelange Songwriter-Erfahrung von Holger Schacht. Da dürfen auch mal eine Mundharmonika und eine Tuba zu Einsatz kommen. Textlich bedienen sich die LOST LYRICS der kleinen, oft rührenden oder ärgerlichen Dinge des Alltags, ohne dabei zu moralisch rüberzukommen. So geht das. Und somit ist „Punchline Party“ ein rundum gelungenes Album geworden. „Für immer Hessen Nord!“. (8) Abel Gebhardt Auf der Ox-CD zu hören.
LEPTOSPIROSE
Mula-Poney CD | Läjä | laja.com.br | 19:23 || Brasilianischer Ballercore aus São Paulo. 2001 wurde die Band gegründet, seitdem gab’s ein paar Platten, zig Konzerte, eine wegen eines Unfalls abgebrochene Europatour, ein Buch darüber – und nun dieses neue Album, das mit nicht mal 20 Minuten Spielzeit zwar eigentlich nur die Länge einer EP erreicht, aber 18 Songs sind dann doch ein Argument. Die fangen alle irgendwie seltsam ähnlich mit Schlagzeugund Gitarrengeballer an, bis dann der tollwütige Gesang einsetzt. Irgendwie hat das was von einer Mischung aus POISON IDEA, NEGAZIONE und GANG GREEN, wobei die
/RE-RELEASES kel starren, falls sie mal zusammen auftreten sollten. Klingt auch auf CD äußerst kratzig und staubig, wie eine abgenudelte Platte, aber in jedem Fall äußerst sympathisch. Bei der Platte handelt es sich übrigens um eine Sammlung rarer Tracks, B-Seiten und Restmaterialen, die trotzdem wie aus einem Guss klingen. Wer die PRIMITIVES mit etwas mehr Lärm und Spielvermögen mag, der kann hier getrost zugreifen. (8) Kalle Stille
Selections 1993-2008 CD | Sonic Rendezvous | sonicrendezvous.com | 53:32 || Die Kompilation versammelt Aufnahmen der niederländischen Rockabilly-Sängerin Miss Mary Ann und ihrer Band den RAGTIME WRANGLERS sowie Einspielungen von Miss Mary Ann als Mitglied des Duos THE RANCH GIRLS aus den letzten 15 Jahren. Ähnlichkeiten mit klassischem Rockabilly und Anleihen bei der Countrymusik der Fünfzigerjahre sind offensichtlich. In den Gesangpassagen fühlt man sich an Vorbilder wie Patsy Cline erinnert – aber auch das ist bekannt. Die Scheibe enthält rare LiveTracks, bisher unveröffentlichtes Material und bietet neben einem guten Country/Rockabilly-Mix einen Überblick zur Entwicklung der Sängerin. Zusammenfassend: Es ist eine Scheibe, die die bösen Jungs von THE METEORS ihrem Nachwuchs im Kindergartenalter bei einem Sonntagsausflug in die Lüneburger Heide im Auto vorspielen würden. Solider, klassischer Rockabilly! (7) Thomas Neumann
lige Tricks, effektiv angewandt, möchte man da sagen, aber heute stehe ich wieder dazu, denn ich weiß, dass es weitaus schlimmere und wirklich peinliche Einstiege in die Welt der Pop- und Rockmusik gibt. Meine QUEEN-Cassette spielte ich viel, ein wirkliches Album kaufte ich nie, aber dafür ihre Singles bis zu „Radio Ga Ga“ und „I Want To Break Free“ von 1984, als Freddie Mercury begann uncool zu werden. Oder zumindest hatte ich das Gefühl, dann wirklich coole Musik entdeckt zu haben. Danach haben QUEEN allerdings nur noch Pop-Müll aufgenommen, von der innovativen, grandiosen Rockband der Siebziger war nicht mehr viel geblieben, und diese Entwicklung kann man auch an diesem Boxset ablesen, das den Zeitraum von 1979 bis 1984 abdeckt – Teil 1 ist bereits erschienen. Die Aufmachung ist wie bei anderen Boxsets dieser Art: Auf jeder CD gibt’s die damaligen Singletracks, also tatsächlich nur zwei Songs, und das in einer Papphülle in Aufmachung des damaligen Singlecovers. In den abgedeckten Zeitraum fallen Klassiker wie „Flash’s Theme“ vom Soundtrack zu „Flash Gordon“, mein Über-Lieblingssong „Under pressure“, den David Bowie zusammen mit Freddie Mercury sang, das hymnische „Save me“, meinen liebsten Stierkampf-Begleitsong „Another one bites the dust“, die Rock’n’Roll-Nummer „Crazy little thing called love“, „Las palabras de amor“ und noch ein paar andere. Nicht unbedingt die tauglichste Einstiegsveröffentlichung, da ist ein Flohmarktbesuch günstiger, aber wer seine Singles nicht aus dem Keller holen will oder wessen Best-Of-MC längst verschimmelt ist, der hat hier Spaß. (8) Joachim Hiller
MOVEMENT
HANS-JOACHIM ROEDELIUS
MISS MARY ANN AND THE RAGTIME WRANGLERS – THE RANCH GIRLS
Globalize This! CD | Mad Butcher | madbutcher.de | 55:43 || Es hinterlässt einen etwas seltsamen Nachgeschmack, wenn Lukas Sherfey im Booklet dieser CD schreibt „Part of the reason why The Movement ended as a music group, was the difficulties of withdrawing from the punk scene and transform the band into that Soulful Power-pop band with socialist message that was the dream from the beginning“. Äh ... das klingt wie Hinterhertreten, ermöglichte es doch die Punk-Szene all die Jahre dieser Band zu touren, sich in einem antifaschistischen Kontext zu bewegen, Menschen mit neuen Klängen und ihrer Message vertraut zu machen. Klar, Punk ist keine Religion, aber auch die drastische Differenzierung im Info („The Movement was never a punk band!“) stößt mir auf – hat die Punk-Szene THE MOVEMENT denn irgendwas getan? Ohne diesen Support wäre Lukas Sherfey sicher nicht in der Lage, eine Solo-Karriere durchzuziehen. Was soll’s, die Musik, war und ist gut, und obwohl einem viele der Lieder hier bekannt vorkommen, sind es nicht die Albumversionen, sondern die durchweg in guter Qualität eingespielten Demotracks diverser MOVEMENTS-Klassiker, die Lukas rausgekramt hat. THE JAM waren immer die großen Vorbilder der dänischen Band, die vor allem in Deutschland tourte, und das hört man auch diesen Songversionen hier an. Für Fans eine lohnende Ergänzung – wer die Band verpasst hat, sollte erstmal zu den regulären Releases greifen. (7) Joachim Hiller
QUEEN
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wie CULT OF LUNA und eben BREACH, können aber auch als düsterere, metallischere Variante der Franzosen-Fraktion umYEAR OF NO LIGHT,TIME TO BURN und CELESTE beschrieben werden. „Shadows Of The Shapeless“ birgt wenig Neues oder Überraschendes, beweist aber einen qualitativ hochwertigen Umgang mit bereits Bekanntem und überzeugt damit! Konstantin Hanke
Singles Collection #2 13CD | EMI | emimusic.de || Mein erstes gekauftes „Album“ war eine Best-Of-MC von QUEEN. Es war „We will rock you“, das mich als Dreizehnjähriger faszinierte, genau wie „Smoke on the water“ von DEEP PURPLE. Bil-
Durch die Wüste CD | Bureau B | bureau-b.de | 39:49 || Im März hatte Bureau B Hans-Joachim Roedelius’ zweites SoloAlbum „Jardin Au Fou“ von 1979 wiederveröffentlicht, dem folgt im August der Erstling „Durch die Wüste“ von 1978. Zusammen mit Wolfgang Riechmanns Platte „Wunderbar“ und „Grosses Wasser“ von CLUSTER der Start einer Reihe von der Wiederveröffentlichungen des Hamburger Labels Sky (auf CD und Vinyl), das Mitte der 70er vom Brain-Label-Mitbegründer Günter Körber ins Leben gerufen wurde und wo in Folge ein Großteil des so genannten damaligen deutschen Krautrocks erschien. Roedelius hatte ja bereits seit Anfang der 70er mit Bands wie CLUSTER/KLUSTER und HARMONIA für diese Zeit eigenwillige und wegweisende Elektronikmusik aufgenommen, die man heute der Einfachheit halber Ambient nennen könnte, teilweise zusammen mit Brian Eno, der ja auch früh Geschmack an solchen Sounds entwickelt hatte. „Durch die Wüste“ entstand in enger Zusammenarbeit mit Conny Plank, der sich nicht nur um die technische Seite kümmerte, sondern auch Gitarre und Percussion beisteuerte. Wer bei „Durch die Wüste“ allerdings die eher banalen, typisch fließenden Synthiesounds von Ambient erwartet, Stichwort Entspannungsmusik, wird mit einem recht sperrigen Werk konfrontiert, bei dem dissonante Klänge überwiegen, experimentell und keiner richtigen Schublade zuzuordnen. Immer noch als Produkt einer richtigen Rockband erkennbar, ohne dass es klassische Rockelemente geben würde, gelingt Roedelius dabei eine von Zeit und Raum und dem damaligen musikalischen Kontext losgelöste Klangcollage, die dennoch eine erstaunliche Homogenität aufweist und vor allem echten Wiedererkennungswert, wodurch „Durch die Wüste“ mit jedem Hören eigentlich immer besser und vertrauter wird. Und
selbst heute klingt „Durch die Wüste“ nicht wie ein typisches Werk der 70er, sondern wie ein nach wie vor verblüffendes Beispiel vollkommen eigenständiger avantgardistischer Popmusik. (10) Thomas Kerpen
SLEEP
Sleep’s Holy Mountain CD | Earache/Rough Trade | earache.com | 58:09 || Es regt mich jedes Mal furchtbar auf, wenn irgendein Schlaukopf meint, SLEEP zusammen mit KYUSS als Erfinder des Stoner Rock nennen zu müssen. Bitteschön, KYUSS können diesen Titel gerne haben, waren sie doch mit ihrem völlig überschätzten Alternative-Gedudel in der Tat für dieses schreckliche Pseudogenre verantwortlich (bedanken kann man sich dann auch gleich noch bei SOUNDGARDEN; die waren übrigens schon immer und lange vor dem unsäglichen „Black hole sun“ langweilig, ja, auch „Ultramega OK“ ist doof), aber SLEEP möchte ich nicht in diesen Zusammenhang gebracht sehen. Sicher mögen Elemente des kalifornischen Trios Einzug in den Stoner Rock gehabt haben, aber da können SLEEP nichts für, die nunmal entweder eine psychedelische Doom-Band oder eine doomige Psychedlic-Band waren, eine mal groovige, mal abgedrehte, modernere Interpretation der frühen BLACK SABBATH mit einem Hang zum kommerziellen Suizid. Oder haben sich die „Hauptsache mitsingkompatibel“KYUSS jemals an ein einstündiges Songmonster gewagt, wie es SLEEP mit „Jerusalem/Dopesmoker“ taten? Eben. Der Höhepunkt im Schaffen von SLEEP ist aber natürlich das noch heute begeisternde, monumentale Meisterwerk „Sleep’s Holy Mountain“, ihr zweites Album von 1993, das von Earache jetzt leider ohne Linernotes oder andere Extras, dafür aber mit dem Video zu „Dragonaut“ sowie dem BLACK SABBATH-Cover „Snowblind“ vom „Masters Of Misery“-Sampler neu veröffentlicht wird (KYUSS hätten dafür sicher „Iron man“ oder „Paranoid“ aufgenommen). (10) André Bohnensack
BRUCE SPRINGSTEEN & THE E STREET BAND
Greatest Hits CD | Sony | sonymusic.de || Der Boss kommt im Sommer auf Tour und wird Ende September auch noch 60. Aus diesem Anlass will uns sein Label einreden, sich und uns ein Geschenk machen zu wollen: Eine CD mit seinen besten Songs. „Herzlichen Glückwunsch!“, sollte man da meinen. Ob man sich und uns damit einen Gefallen getan hat, bleibt abzuwarten. Denn der Künstler aus New Jersey hat sicher mehr gute Songs als die 16 hier gesammelten Lieder und überhaupt, gab es nicht schon 1995 eine Collection mit dem Titel „Greatest Hits“? „Born to run“, „Hungry heart“, „Born in the USA“, „Long walk home“ – aus fast jeder Phase ist auch 2009 Liedgut des Ausnahmekünstlers vertreten, doch beschränkt sich die Auswahl auf die hinlänglich bekannten Gassenhauer. Für Fans und Puristen stellt sich zudem die Frage, wie man zum Beispiel zwei Songs eines so grandiosen und geschlossenen Albums wie „The River“ unabhängig vom Restmaterial beurteilen bzw. genießen soll. Gut, das Ganze ist ein Best Of-Album, was so viel bedeutet, dass man die Songs eigentlich eh schon alle kennt. Etwas, was man leider auch von den zwei BonusLive-Tracks „Because the night“ und „Fire” behaupten muss, die Teil des 1975er Live-Boxsets waren. Für wen ist diese Compilation dann das Richtige? Für alle die, an denen Herr Springsteen trotz fast vierzigjähriger Karriere
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Genialität der Vorbilder aber nie erreicht wird. Dank recht guter Produktion ist „Mula-Poney“ aber auch keine dieser nur mit Exotenbonus funktionierenden Platten, und ich schätze mal, die wirkliche Stärke dieser Band liegt in hemmungslosen Live-Shows. (6) Joachim Hiller
LOTUS PLAZA
The Floodlight Collective CD | Kranky | kranky.net | 44:52 || Mit Entspannungstechniken hab ich es ja nicht so, das ist mir alles zu esoterisch. Wenn ich mich mal körperlich und mental zurücklehnen will, hilft mir eine schöne Platte auf ganz simple Weise. Das erste Solo-Album von DEERHUNTERGitarrist Lockett Pundt ist für diesen Zweck auf jeden Fall eine gute Wahl: Spacig und eher zärtlich und vorsichtig als bekifft-plüschig zaubert Lockett solo nur unwesentlich andere „Ambient Punk“-Klänge als mit Band. Verträumte Sixties-Psychedelic-Sounds treffen auf Shoegazer-Indie-Pop, eine Lightversion von THE JESUS AND MARY CHAIN, ein 2009er Update von V.U. Musik, so zart wie Nebelschleier über einer sanften, frühmorgendlichen Parklandschaft. Ist das kitschig? Ist es nicht, denn die Gitarre, das Schlagzeug, haben dann doch immer den nötigen Druck. Und wenn ich ehrlich bin, gefällt mir „The Floodlight Collective“ sogar besser als das etwas fade letzte DEERHUNTER-Album „Microcastle“. (8) Joachim Hiller
LAMPS OF DELTA
der Band, und man nähert sich langsam schon mit Riesenschritten dem zwanzigjährigen Bestehen. Zu Hören gibt es den gewohnten Sound der Italiener: Streetpunk, mal mehr Richtung Midtempo-Oi! mal schneller, dabei immer melodisch. Hier und da kommt der Ska- und Reggae-Einfluss raus, bei Offbeat-Stücken wie „Nostra internazionale“ oder „Reggae rebels“ zum Beispiel. Thematisch nimmt neben klassischen linken und antifaschistischen Themen der Fußball natürlich wieder einen großen Anteil an, doch das neue „Football is coming“ ist leider kein zweites „Antifa hooligans“ geworden. „Hooligirl“ dann schon eher, aber trotzdem sind die Kracher des Albums diesmal nicht die Fußball-Song geworden, sondern eher „La tumba“ und „Non e’questione di stile“. Ein gewohnt großartiges Album ist „All’ Arrembaggio“ zwar geworden, doch meiner Meinung nach kann es den Klassikern der Band wie „Contiamo Su Di Voi“ und „Siempre Contra“ nicht das Wasser reichen. Tja, das ist wohl der Fluch, der auf Bands lastet, die sich selbst die Messlatte so hoch gelegt haben. (7) Claudia Luck
LOVE BOAT
Wait For A Long Time MCD | Here I Stay | hereistay.com | 5:19 || Eine Akustikgitarre, eine elektrische Blues/Rock’n’Roll-Gitarre und ein kleines Schlagzeug. Mehr brauchen die drei Jungs von LOVE BOAT nicht, um großartige Musik zu machen. Hier trällern sich die Sardinier durch zwei Songs aus den Jahren 2007 und 2008, die den vorangegangenen Hits in nichts nachstehen. „Jeez“ gewinnt, „Wait For A Long Time“ ist aber auch prima. Poppiger 60s-Garagen-R&B at it’s best! Frontmann Andrea sagt zwar, dass sich das Mini-CD-Format in Papphülle schlechter verkauft als Vinyl, aber wer sich schlicht für exzellente Musik interessiert, sollte hier unbedingt zugreifen! (8) Bernd Fischer
Interregnum Express CD | Pottwalplatten | myspace.com/pottwalplatten | 43:05 || An gewichtigen Postcore-Bands mangelt es der Schweiz sicherlich nicht, man denke nur an DESPISE, BERSERK FOR TEATIME oder CORTEZ, aber dies ist sicherlich kein Grund, jetzt dieses Genres müde zu werden. LAMPS OF DELTA fügen dem bekannt brachialen Sound noch ihre eigene Melodik, eine beachtliche Masse Indierock und einen Schwung Rock’n’Roll bei. So bleiben die zwölf Songs auf „Interregnum Express“ kurzweilig und laufen gegen Ende des Albums zur Höchstform auf. In „A wind is on its way and it blows hard“ entwickeln LAMPS OF DELTA sogar die Fähigkeit zum Geschichtenerzählen und schaffen eine Fusion von THE SHANES und krachigem Noiserock. Der Titeltrack geht dann ins Virtuose, es wird gerockt und geklimpert, nur den Gesang spart man sich und eigentlich ist das Lied ein Paradebeispiel für die Band an sich, weil man eben mit der Erwartungshaltung des Hörers Schlitten fährt. Arty und noisy, durch die Produktion von Guido Lucas aber auch erdig und bodenständig. Ein echtes Unikat. (8) Thomas Eberhardt
LOVE OF EVERYTHING
LOS FASTIDIOS
LUCIFER STAR MACHINE
unbemerkt vorbeigehen konnte und ihn jetzt erst entdeckt haben sollten. Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Bodo Unbroken
später sieht man das anders, da ist elektronischer ChartsMüll der Feind, da ist ehrliche Handarbeit wieder gefragt, so ist eben der Lauf der Dinge. Seinerzeit aber waren Scotty Ryse und seine Band innovativ, wurden in einem Atemzug mit SCREAMERS und TUXEDOMOON genannt, erinnerten an eine Mischung aus TALKING HEADS, O.M.D. und TUBEWAY ARMY, nahmen solch brillante Songs auf, dass die auch heute noch erstaunlich frisch klingen. Kein Wunder also, dass Leute wie Foree und Elektro-Musik-Tüftler aus aller Welt die UNITS verehren und remixen (im Juni 2009 erschien eine solche 12“), denn „Synth Punk“ als Genre gibt dann doch einen etwas verkürzten Eindruck der Band, die nur von 1978 bis 1984 aktiv war. Zwar haben die UNITS auch den einen oder anderen eher härteren Song, genauso lieben sie aber auch das Experimentieren mit verschiedensten Sounds und sind dann ganz schön experimentell und alles andere als glatte Synth-Popper vom Schlage TUBEWAY ARMY oder O.M.D., mit denen sie übrigens mal in den USA auf Tour waren. Nach vielen Jahren, in denen nur Bootlegs ihrer Aufnahmen kursierten, ist mit dieser 21-Song-CD endlich eine würdige Zusammenstellung ihrer Aufnahmen erhältlich – als Digipak mit dickem, sehr schön gestaltetem Booklet, dessen Linernotes mit dem Satz „Fuck the guitars“ beginnen. Ein essentieller Release. (9) Joachim Hiller
All’ Arrembaggio CD | KOB/Mad Butcher | kobrecords.com | 35:20 || Mann, ist das wirklich schon drei Jahre her seit „Rebels’n’Revels“, dem letzten Studioalbum der italienischen Streetpunks LOS FASTIDIOS? Kommt einem wahrscheinlich nicht so vor, da das Best-Of Album „Anejo 16 Años“, das im Jahr darauf erschien, die Wartezeit doch etwas verkürzen konnte. Ob das wohl Absicht war? Mittlerweile reden wir hier übrigens vom sechsten Album
TRANZMITORS
Busy Singles CD | Deranged | derangedrecords.com | 48:26 || Du hast die Singles der TRANZMITORS verpasst oder rührst die Dinger wegen Wertanlage und so nicht mehr an? Dann nimm dies, Punk: Alle Songs der vier Vinyl-Siebenzöller, die von der kanadischen Band aus Vancouver veröffentlicht wurden, finden sich nebst vier Nummern des Albums von Anfang 2008 auf dieser Compilation, in deren sparsam gestaltetem Booklet immerhin die Singlecover abgebildet sind. Allerbester Power-Pop-Punk-Rock in Nachfolge von BOYS und BUZZCOCKS sowie der Lokalhelden POINTED STICKS, gespielt von ehemals bei SMUGGLERS, NEW TOWN ANIMALS und PARALLELS tätigen Musikern, die hier überdies THE JESUS AND MARY CHAIN („Between planets“), WHITE HEAT („Nervous breakdown“) und THE MOONDOGS („Who’s gonna tell Mary?“) covern. Seit den EXPLODING HEARTS hat keiner mehr in diesem Genre so rundum überzeugt wie die TRANZMITORS. (8) Joachim Hiller
FRANK TURNER
The First Three Years 2LP/CD | Gunner/Broken Silence | gunnerrecords. com | 78:27 || Neben der Veröffentlichung des 2008er Albums „Love, Ire & Songs“ in Deutschland (ebenfalls hier im Heft besprochen), werden mit der Compilation „The First Three Years“ auch die ersten drei Jahre des ex-MILLION DEAD Frontmanns Frank Turner erfasst. Mit Hardcore haben die Soloaktivitäten von Frank Turner allerdings nichts mehr zu tun. Statt dessen gibt es wunderbaren Country-Folk in bester Singer/Songwriter-Tradition zu hören, und Billy Bragg lässt mehr als einmal grüßen, so zum Beispiel bei dem eingängigen Stück „Thatcher fucked the kids“. „The First Three Years“ umfasst insgesamt 23 Songs, darunter viele Demos, B-Seiten, rare Songs sowie einige Coverversionen, unter anderem „Smiling at strangers on trains“ von MILLION DEAD und eine bemerkenswerte Akustikversion von ABBAs „Dancing queen“. (8) Kay Werner
UNITS
History Of The Units – The Early Years: 1977-1983 CD | Community Library | community-library.net | 72:34 || So schließt sich der Kreis: Shawn Foree von DIGITAL LEATHER empfahl Scott Ryse von den UNITS das Ox, der schrieb mich an, ob er mir ihre Compilation-CD schicken dürfe, und hier ist sie. Und kein Wunder, dass Shawn zu den Fans der UNITS aus San Francisco gehört, waren beziehungsweise sind die doch wie die SCREAMERS eine jener USBands, die seinerzeit das plakative, aber durchaus zutreffende Genre des „Synth Punk“ prägten: Eine Band, die sich im PunkKontext bewegte, konsequent alte Bärte abschnitt und auf Rockismen in Form von Gitarren verzichtete, stattdessen auf moderne, futuristische Synthesizer setzte. Klar, 30 Jahre
Ghosts & Friends LP | Coraille | coraille.com || Nix für nebenbei: Als ich die Platte neulich zum ersten Mal laufen ließ, ohne richtig hinzuhören, gingen mir der schräge Gesang und andere seltsame Klangexperimente schnell richtig auf die Nerven, erst der zweite Blick auf LOVE OF EVERYTHING lässt deutlicher werden, was man zuerst nicht versteht. Denn es ist Bobby Burg, seines Zeichens JOAN OF ARC/MAKE BELIEVE-Bassist zu Gange, der hier Gitarre spielt und singt, was „Ghosts & Friends“ aber nicht zum reinen Singer/ Songwriter-Album macht, denn auch Schlagzeug und ein paar andere Instrumente werden bei den meisten der insgesamt 19 Songs eingebracht, zu denen er sich eine Handvoll Mitmusiker eingeladen hat. Neo-Folk oder LoFi-Pop dieser Art ist letztendlich nicht wirklich mein Fall und auch der (auch auf den zweiten Blick) etwas jaulige Gesang macht es nicht unbedingt besser, wenn ich mir auch dessen bewusst bin, dass diese sperrige, unfertige Machart schon auch so gedacht ist und hier sicher keine Dilettanten am Werk sind. (5) Andreas Krinner Street Value Zero CD | Nictotine | nicotinerecords.com | 35:44 || Beim ersten flüchtigen Blick aufs Cover des aktuellen Releases von LSM hab ich mich gefragt, warum mich die Ox-Redakteure plötzlich mit Metalcore beglücken müssen. So irgendwie sieht das nämlich aus, jedenfalls nicht nach der Musik, die man von den britischen Punk’n’Rollern erwartet. „Street Value Zero“ ist eine deutliche Steigerung zu vergangenen Releases des Quintetts,
VALKYRIA
The Invocation Of Demise CD | Metal Blade | metalblade.de | 43:58 || Schwedischer Black Metal, anno 2007 auf einem Klein-Label erschienen, jetzt als Teaser für das neue Album von Metal Blade wiederveröffentlicht. „The Invocation Of Demise“ ist nun beileibe kein Meilenstein, aber ein grundsolides Album, auf dem ordentlich Gas gegeben und gnadenlos geballert wird, gelegentliche langsame Parts sorgen für die richtige Atmosphäre, aber alles ist schon mal von den bekannten schwedischen BM-Größen Ende der Neunziger genau so oder zumindest sehr ähnlich gesagt worden. Gut gefallen mir VALKYRIA immer dann, wenn sie melodiös und etwas episch werden, die schnellen Songs sind leider etwas beliebig. Da bin ich wirklich auf das aktuelle Album gespannt. (6) Dr. Oliver Fröhlich
WOGGLES
Tempo Tantrum CD | Wicked Cool | wickedcoolrecords.com | 30:55 || Im Ox #84 hatte es WOGGLES-Sänger Manfred ja bereits angekündigt, hier ist nun die ultimative Instrumental-Compilation der Garagerock-Veteranen aus Athens, Georgia. Zwölf Stücke (eins davon unveröffentlicht) von diversen Singles, Alben und Compilations aus allen Schaffensphasen der Band sind drauf, inklusive einiger Coverversionen (zum Beispiel Dick Dale, TRASHMEN). Auch wenn der gute Manfred hier größtenteils arbeitslos ist, wird er sich die diversen Studioaufenthalte doch sicherlich mit allerlei Arschgewackel und Partyaktivitäten vertrieben haben. Denn dazu sind die Songs natürlich perfekt geeignet: Tanzen, Spaß haben und/oder die Autofahrt zur Tiki-Party am nächstgelegenen Strand. Während bei reinen Instrumental-Surfbands hin und wieder auch mal Langeweile aufkommt, wissen die WOGGLES das zu vermeiden. Sie beherrschen den Rock, gestalten den Sound mit treibendem Beat immer sehr dynamisch und streuen hier und da auch mal coole Orgelsounds ein. Vielleicht kein zwingender Release für jede Sammlung, der Spaßfaktor ist dennoch sehr hoch. Runde Sache! (7) Bernd Fischer
und vermutlich ist die Band jetzt dort angelangt, wo sie von Beginn an hinwollte: bei einer gelungenen Mixtur aus dreckigem Punkrock mit viel Rock’n’Roll und ein paar Psychobilly-Zutaten. Der eine oder andere hitverdächtige Track ist jedenfalls vorhanden, und ein nicht-klischeehaftes Cover ist bei Punk’n’Roll-Platten ja auch ganz angenehm. (8) Simon Dillo
LUCKY PUNCH
Yield To Temptation CD | Fastball/Sony | fastball-music.com | 45:12 || Die bayrischen LUCKY PUNCH waren ja seit Beginn ihrer musikalischen Laufbahn sehr erfolgs- und aufstiegsorientiert. Nun scheinen sie es langsam geschafft zu haben, ihr aktueller Release kommt über Fastball/Sony. Dabei scheint man durchaus bereit gewesen zu sein, musikalische Kompromisse einzugehen, „Yield To Temptation“ hat sich weit von den rockenden Anfängen der Band entfernt und bietet durchwegs radiotauglichen Gitarrenpop mit sporadischen Garagen-Reminiszenzen. Ich werde hier jetzt keine Majorlabel-Diskussion anfangen, behalte mir aber vor, die Platte nicht zu bewerten. Simon Dillo
mmm MAGNOLIA ELECTRIC CO.
Josephine CD | Secretly Canadian/Cargo | secretlycanadian. com | 46:50 || Meine Erwartungshaltung bezüglich des Schaffens von Jason Molina hatte sich durch die letzten etwas schwachen Veröffentlichungen doch etwas abgekühlt, denn die alte Begeisterung wie für die Platten unter dem Namen SONGS:OHIA wollte sich nicht mehr einstellen, zu viel Neil Young-Abklatsch, zu wenig echte Intensität. Allerdings ist auch „Josephine“ wieder eine äußerst ruhige Angelegenheit geworden, bei der Molina zumindest seine allzu offensichtlichen Young-Einflüsse ziemlich außen vor lässt. Stattdessen produziert er überraschend unrockigen melancholischen Gospel-Folk, bei dem es vor allem zu Beginn viel Piano und nur sparsame Dosen E-Gitarre zu hören gibt. Wenn Molina hier nicht sogar seine bisher traurigste Platte aufgenommen hat, schon alleine bedingt durch den Umstand, dass das Ganze eine Art Tribut an seinen Ende 2007 verstorbenen Bassisten Evan Farrell darstellen soll. „Isn’t it the bitterness of life that makes great art?“, könnte man sich da fragen, und „Josephine“ scheint deutlicher Ausdruck dafür zu sein, denn Molina gelingen diesmal songwriterisch wirklich einige herzzerreißende Momente, man merkt der Platte eine Leidenschaft an, die in diesem Metier leider immer seltener wird und die doch so bitter nötig ist. (9) Thomas Kerpen
MOBY
Wait For Me CD | Little Idiot/Ministry Of Sound | moby.com | 51:57 || Auch Moby geht den Weg, den viele andere in Zeiten großer Veränderungen des Musikgeschäftes gehen: Er nimmt sich selbst unter Vertrag, Little Idiot heißt das Label, und sucht sich für jedes Land andere Vertriebspartner. Nach sechs Alben auf Mute ist der neunte Longplayer „Wait For Me“ irgendwie ein kleiner Schritt zurück, allerdings nicht künstlerisch, sondern konzeptionell, und dazu passt Mobys Behauptung, er habe das Album in (s)einem relativ kleinen Schlafzimmer zuhause in Manhattans Lower East Side aufgenommen. Mag sein, dass Mobys größter kommerzieller Erfolg hinter ihm liegt, so wie die ganzen technoiden Neunziger zum Glück hinter uns liegen, und mag sein, dass die Mainstream-Anhängerschaft längst weitergezogen ist – Fakt ist aber auch, dass Moby es immer noch schafft, genreübergreifende Alben zu machen, die vielschichtig und tiefsinnig sind, die man noch wird anhören können, wenn die Scheiben von irgendwelchen mediokren gehypeten Elektro-Pop-Sternchen längst vergessen sind. Klar, der Punk in mir wartet immer noch auf „Animal Rights Pt. 2“, doch ich fürchte, das wird so schnell nicht kommen. Da freut man sich darüber, dass Moby dieser Tage wieder mit einer richtigen Rockband auf Tour geht und live – im Gegensatz zum Album, wo er nur selten zu hören ist – auch selbst singt, er mit einer grandiosen Version von JOY DIVISIONs „New dawn fades“ für Gänsehaut sorgte. Egal also, was die ChillOut-Crowd von „Wait For Me“ hält, ich empfinde es als ein entspanntes, unaufgeregtes, entspannendes Album. (7) Joachim Hiller
MEATMEN
Cover The Earth CD | Meatmen/Cargo | tescovee.com | 64:02 || Seit 2008 sind die MEATMEN wieder aktiv, nachdem Bandboss Tesco Vee seine 1980 gegründete Porno-Rock-Formation 1997 eigentlich eingestellt hatte. So wurden in den letzten Monaten diverse alte Aufnahmen wieder aufgelegt, und siehe da, jetzt gibt es auch noch eine neue Platte. Für eigene Kompositionen allerdings ist da kein Platz, stattdessen finden sich hier 24 Coversongs – was auch nicht verwundert, war der Vee, der Meister der Geschmacklosigkeit, doch von jeher bekannt für seine Vorliebe für eigenwillige Neueinspielungen der Lieder anderer. Und so mussten jetzt beispielsweise „Meatman“ von Jerry Lee Lewis, „Bad reputation“ von THIN LIZZY, „Motorbikin’“ von Chris Spedding, „ME 262“ von BLUE ÖYSTER CULT (komplett mit Nazipiloten-Intro, hehehe), „Highest power“ von GG Allin, „Freeway mad“ (SAXON), „Don’t shake me lucifer“ (Roky Erickson), „Psychedelic shack“ (THE TEMPTATIONS), „I love livin’ in the city“ (FEAR), „The snake“ (PINK FAIRIES, „So long“ (ABBA) oder „Slum goddess“ (THE FUGS) dran glauben. Die „MEATMENisierung“ mag nicht jedem gefallen, aber schon durch die Songauswahl zeigt sich, dass Tesco Vee durchaus Geschmack hat – inwiefern die Gecoverten mit dem Ergebnis glücklich sind, ist eine ganz andere Frage. Ich jedenfalls hatte meinen Spaß. (7) Joachim Hiller
MIGHTY STEF
The Sins Of Sainte Catherine CD | Tonetoaster | tonetoaster.com | 55:31 || Ganz schön Mighty! Der Ire Stefan Murphy mit Bandunterstützung durch THE MIGHTY STEF – Dublin’s finest unsung hero (NME) – serviert dem geneigtem Hörer auf seinem Debüt, in Irland schon 2006 erschienen, gleich 15 Songs seines musikalischen Universums. Das fängt bei verruchtem Bluesrock an („Sail the boats“), geht über zu gut abgehenden Countrysongs („I love you“) und schließt Reminiszenzen an Nick Cave und Tom Waits („Sainte Catherine“) mit ein. Das ist wirklich eine dicke Packung und sorgte in den „großen“ Inselgazetten schon für mighty Wirbel. Da ist man natürlich erstmal vorsichtig, ob des „Presserummels“, ich meine, hier auch keinen neuen Adam Green, Eugene Hütz oder gar Bob Dylan ausmachen zu können. Ex-THE POGUES-Manager Murray haucht seinem „Schützling“ aber eine gute Dosis Authentizität à la Shane McGowan ein und in 15 zappeligen Kapiteln über
a tRiBute tO the GROOVie GhOuLies w when the Kids Go Go Go crazy CD • KK-CD 046
31 bands from around the world pay tribute to the fantastic GROOVIE GHOULIES. A special collection with bands not only from the poppunk scene! LOs twanG! MaRVeLs Jungle Of twang CD • KK-CD 044 LP • KK-LP 025
Los Twang! Marvels verbinden Latino-Wurzeln mit wildem, primitivem Rock’n’Roll und einem stattlichen Aufgebot an unvergleichlichen, surfgetränkten Gitarrenmelodien. Großes Surf-Kino! way Out west w Revolution CD • KK-CD 101
They are back! Fünf Männer, Drei Gitarren und jede Menge heiße Melodien. 2007 ist das perfekte Jahr für diese Reunion, 10 Jahre Kamikaze Records, 10 Jahre Evolution und 13 Jahre WOW! Das neue/alte Album enthält die kompletten Aufnahmen des Evolution Albums, drei weitere Tracks aus der Evolution Session, alle Aufnahmen der King Session, Best of Motorhula und die letzten Aufnahmen der Band aus 2001. Insgesamt 11 bisher unveröffentlichte Tracks. Drei weitere gab es bisher nur auf Vinyl und sogar ein Vocal-Track ist mit dabei. Insgesamt 80 Minuten Surf Musik vom feinsten. Alle Aufnahmen wurden von EROC Remastert und was er aus den Bändern gezaubert hat, hat mich wirklich vom Stuhl gehauen. So haben WOW noch nie geklungen, klar, brillant, frisch – einfach geil! teenaGe Music inteRnatiOnaL Keep On Dancing LP • KK-LP 024
Feinstes Vinyl mit 45 RPM und extrafettem Mastering von EROC. Dieser wilde Beat, die scheppernden Gitarren, der wuchtig fumpende Bass, die satte Orgel, das marschierende Schlagzeug und dazu noch Texte, die die ganze Hoffnung der Jugend auf ein Leben voller Sex und Tanz ausdrücken! Richie hunteR Gun Gone Baby CD • KK-CD 041
Five guys from Ibbenbüren put this outstanding record out, that even makes your dog tap his feet. This debut album offers a varied collection of mid-tempo songs and faster ass-kick tunes. Classic rock’n’roll and early 70’s rock influence their arrangements as well as a meaning dose of punkrock. The gimmik of this CD is an additional video track to the song „Girl with a gun“. the hawaiians hula On Mars CD • KK-CD 042
Ta da!!! Die neue Scheibe der PopPunk Heros aus Germany! nach dem Riesenerfolg Ihres Erstlings geht es nun volle Kante weiter. 17 famose Tracks und ein geniales Cover vom Kollegen Fritte. A must have!
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rEvIEws
Liebe, Sünde und Abenteuer – passend dazu das piratenhafte Covermotiv – finden sich schon einige gute Stücke über die Sünden der „Sainte Catherine“. Ich mag „21st century“ (ein wenig wie der frühe Billy Idol, echt!), „Liars“ (schnulzig wie Elvis in den Strophen, im Refrain rotzig wie oben genannter Shane), „Dignity tonight“ (oh, Mick Jagger!) am liebsten. Eine etwas greifbarere musikalische Linie, es muss ja nicht gleich Jack White meets Johnny Cash meets THE POGUES sein, würde die Sache noch ein wenig mehr mighty – mächtiger nämlich– – machen. Ich bin gespannt, wohin die Reise der „Sainte Catherine“ geht. Hat wohl schon ein neues Album draußen ... (7) Lars Weigelt
MERAUDER
God Is I CD | Regain | regainrecords.com | 46:01 || Nachdem Originalgitarrist „Sob“ 2006 verstarb und MERAUDER sich mit diversen Line-up-Wechseln herumschlagen mussten, hätte ich ihnen ein Album wie „God Is I“ 2009 kaum zugetraut. Dachte ich zumindest während der ersten Hälfte des Albums. Schleppend, zäh und doch irgendwie treibend, schiebt sich da zum Beispiel „Ratcatcher“ durch die Boxen und hätte so auch gut auf dem Debüt „Masterkiller“ seinen Platz gefunden. „Built on blood“ zeigt eindrucksvoll, wo HEAVEN SHALL BURN und Co. sich ihre Riffideen und frühe Inspiration hergeholt haben, bevor dann mit dem Titelsong nicht nur die Halbzeit des Albums erreicht ist, sondern auch die Spitze des Spannungsbogens. Soll heißen, dass MERAUDER zwar durchweg ihren unverkennbaren Sound fahren, aber leider nach der Hälfte des Albums anfangen, etwas eintönig zu klingen. Wäre „God Is I“ eine MCD mit sechs Songs geworden, hätte ich tief in die Punktekiste gegriffen. So aber kann ich nur eine 7 mit Abzügen vergeben. (7) Tobias Ernst
METISOLEA
La Chute Et L’envol.2 CD | Cissoon Cahuete/Anticraft | anticraftmusic. com | 54:57 || Die Fülle von Bands, die osteuropäische Klänge mit Popmusik, HipHop oder elektronischer Musik zu kombinieren versuchen, scheint, meinem Eindruck nach, in den letzten Monaten und Jahren stark zugenommen zu haben. Nun stellt sich die Frage, ob alleine die Zitate von osteuropäischen Rhythmen und Instrumenten ausreichen, um eine Band besonders zu machen und sie von anderen Bands zu unterscheiden. METISOLEA wirft diese Frage einmal mehr auf: Die sieben Musiker aus Bordeaux vermengen HipHop, Rock mit osteuropäischen Rhythmen und singen auf Französisch, Spanisch und Englisch. Ihre zweite Veröffentlichung, „La Chute Et L’envol.2“ ist eine gelungene und runde Mischung aus den oben genannten Stilen – und bietet doch wenig mehr. Die Musiker mischen viel zusammen, aber von dem, was herauskommt, bleibt wenig übrig und ragt über den Durchschnitt der anderen HipHop/Rock/Klezmer/Elektro/ Rock-Bands nicht hinaus. Doch unbedingt zu erwähnen ist die grafische Gestaltung der Veröffentlichung: Statt eines Booklets erhält man wunderschöne Karten, auf denen die Texte der Stücke und Danksagungen abgedruckt sind. (6) Katrin Schneider
MARS VOLTA
Octahedron CD | Universal | universalmusic.com | 50:09 || Der radikalste Schritt, den MARS VOLTA mit Studioalbum Nummer fünf vollziehen, ist wohl der, dass sie auf „Octahedron“ erstmals in weniger als einer Stunde Spielzeit ihre musikalischen Ergüsse zum Besten geben. Und Letztere kommen dieses Mal erstaunlich leichtfüßig daher; es scheint, als hätten Omar RodriguezLopez, Cedric BixlerZavala und ihr Gefolge all ihren Mut zusammen genommen und so etwas wie Popsongs geschrieben. Zumindest könnte man sie im MARS VOLTA-Kontext so beschreiben. Denn easy listening ist zwar auch auf dieser Platte nicht angesagt, aber easier ist das listening im Gegensatz zu den Vorgängeralben „Amputechture“ und „The Bedlam In Goliath“ allemal. Instrumental weitaus reduzierter, aber immer noch mit dem gewohnten Pathos versehen, breiten sich Songs wie der geschmeidig gleitende Opener „Since we’ve been wrong“ oder das fast völlig ohne Percussion auskommende „Copernicus“ im Raum aus und lassen dennoch Platz für aus dem Ärmel geschüttelte Eruptionen wie in „With twilight as my guide“. Der Verzicht auf ausufernde Virtuositätseskapaden tut der Band hörbar gut. Doch das wird sie wohl kaum interessieren, wenn sie ohnehin schon auf dem nächsten Album auch dieses Konzept wieder über den Haufen wirft. Was das anbelangt, bin ich ganz optimistisch. (8) Marcus Latton
MIDDLE CLASS RUT
25 Years CD | Bright Antenna | brightantenna.com | 28:02 || Für mich sind MIDDLE CLASS RUT (M.C. RUT) aus Sacramento eine der großen Neuentdeckungen – und das alles wegen zwanzig Minuten als Support für THE BRONX. Von ihrem aktuellen Release „25 Years“ gibt es eine amerikanische und eine britische Version. Neben der farblich etwas veränderten Covergestaltung, unterscheiden sich die beiden Platten lediglich in einem Stück. „Busy bein’ born“, die mittlerweile zu Recht vergriffene gleichnamige 7“-Single, ist auf der UK-CD/LP gepresst. Dieses brachial-poppige Monster ist auch auf „25 Years“ das Highlight. Meine Erwartungen, noch weitere aggressive Popsongs dieser Art zu entdecken, werden nur bedingt erfüllt. Der Titeltrack „25 years“ hat einen extrem catchy Refrain. „Dead set“, „I guess you could say“ und „Tied up“ sind trotz gelungenem melodiös zweistimmigem Gesang etwas zu langatmig. Dafür entwickelt sich das Schlusslicht „I don’t really know“ zu einem packenden Stück, das einem ein nochmaliges Drücken auf die Play-Taste förmlich aufzwingt. Wahnsinn, was dieses Duo an Druck entwickelt. Was Zack Lopez hier an der Gitarre/Gesang und Sean Stockham am Schlagzeug/Gesang fabrizieren, dagegen sehen die meis-
ten Bands im Rock-Line-up blass aus. Nachdem M.C. RUT 2009 bei Rock im Park und Rock am Ring gespielt haben, arbeiten die Jungs gerade an ihrer ersten Langspielplatte, die Anfang 2010 kommen soll. Aber das erzählen sie euch selbst im nächsten Heft. (8) Simon Brunner
METRIC
Fantasies CD | PIAS | piasrecordings.com || Zwei Jahre nach „Grow Up And Blow Away“ und dem Soloausritt „Knives Don’t Have Your Back“ der wundervollen Frontfrau Emily Haines sind die amerikanisch-kanadischen METRIC wieder zurück. Diesmal mit einer Discoplatte. Der Trend ist nicht neu, gerade haben dieYEAHYEAHYEAHS solch einen elektrisierten Tonträger veröffentlicht. Der Hang zum Synthiepop war schon immer da, aber „Fantasies“, der nun vierte Longplayer, ist sehr auf Tanz und Disco getrimmt. Dass dies von der großen internationalen Fanbase gut angenommen wird, zeigt ihre erste Chartplatzierung in den USA und auch in unseren Gefilden wird sich der Erfolg nicht lange hinter diversen Michael Jackson-Platten verstecken, denn „Fantasies“ ist ein Hitalbum durch und durch. Die erste Singleauskopplung „Help I’m alive“ läuft in den Radios auf Rotation und Lieder wie „Gold gun girls“ oder „Gimme sympathy“ werden es ihr gleich tun. Musikalisch sind METRIC auf dem richtigen Weg, denn dieses Punk- und Wave-angehauchte Album ist innovativ und ein Meilenstein in ihrer Karriere. (8) Gina Schwarz
MATINÉE
The Modern EPness MCD | Elevator/Radar | elevator-records.com | 22:37 || Ob es nun wirklich hilft, wenn man im Info bemerkt, dass die vier Italiener als FRANZ FERDINANDTributeband starteten, bleibt Geschmackssache. Denn hier werden zur Zeit bewährte Zutaten à la MANDO DIAO, FRANZ FERDINAND (wen wundert’s), KAISER CHIEFS und Co. zu einem neuen, aber etwas faden Gericht aufgekocht. Warum die EP laut Pressetext unter „Postrock“ geführt wird, bleibt mir ein Rätsel. Hier sind doch mehrheitlich Indie-Sounds (Rock und Pop) und Wave-Einflüsse zu hören. Es gibt vier Songs plus einen Hidden Track in Italienisch, der aber gerade deshalb besser funktioniert als der Rest. Warum nicht mehr Mut und alles in der Muttersprache singen? Hätte der Platte gut getan. (5) Jürgen Schattner
MCRACKINS / LOS DI MAGGIOS
s/t MCD | Dirty Witch | dirtywitch.free.fr | 20:31 || Manchmal denke ich, ich hätte die Schnauze voll von PopPunk, aber dann höre ich sowas wie diese Split-EP und weiß: Stimmt nicht, ich mag nur schlechten Pop-Punk nicht! Die MCRACKINS sind aber nun sowas wie die Royal Family des Pop-Punk, und nachdem die 2008 mit einem neuen Album Freude bereiteten, gibt’s jetzt Nachschlag in Form von vier neuen Songs, plus einem von „Eggzit“. Gecovert wird auch, nämlich „Refuge“ von den anderen Genrehelden THE PARASITES, und dann folgt der nahtlose Übergang zu LOS DI MAGGIOS aus Frankreich, die ich bislang nicht auf dem Schirm hatte, die aber kein Stück hin-
ter den kanadischen Eiermännern herhinken. „Devil town“ von den GROOVIE GHOULIES wird hier gecovert, dazu vier eigene Songs – besten Dank an Dirty Witch für diese feine, kleine Sommerplatte. (20:31) Joachim Hiller
MASTERS OF REALITY
Pine / Cross Dover CD | Mascot | mascotrecords.com | 51:48 || Chris Goss sieht die 1986 gegründeten MASTERS OF REALITY bis heute als willkommene Abwechslung zu seinem Hauptjob als Produzent, nicht als zentralen Lebensinhalt, und so dauert es eben immer ein paar Jahre länger, bis ein neues Album im Kasten ist. „Give Us Barrabas“ erschien bereits 2004, und nun ist „Pine / Cross Dover“ raus, ein seltsames Doppelalbum, hat das Digipak doch zwei verschiedene Cover – eines für „Pine“, ein anderes für „Cross Dover“. Entsprechend sind die ersten fünf Stücke „Pine“ zugeordnet, die letzten sechs „Cross Dover“. Zwar finden sich im Booklet Linernotes von Goss selbst zum Album an sich und zu den einzelnen Songs, doch den Hintergrund der Aufteilung enthüllt er nicht. Was nun die Musik betrifft, so ist Goss auch mit dem sechsten Album noch unverkennbar der Pate des „Desert Rock“, auch wenn laut Goss diesmal John McLaughlins MAHAVISHNU ORCHESTRA einen großen Einfluss ausgeübt hat. Immer wieder erkennt man am trockenen, groovenden Sound der MASTERS OF REALITY die Handschrift, die auch QUEENS OF THE STONE AGE jenseits von Josh Homme prägt. Ein höchst angenehmes Album. (8) Joachim Hiller
METRO
We’re Never Sexy MCD | Finest Noise/Radar | finestnoise.de | 19:01 || Der aktive Beitrag Luxemburgs zum internationalen Musikgeschehen ist äußerst gering, sieht man einmal davon ab, dass es in den Sechzigern und Siebzigern der Privatsender RTL war, dessen Radioprogramm jenseits der stockkonservativen deutschen Sender die BRD mit Beatmusik notversorgte. Eine kleine, feine Szene gibt es allerdings in Luxemburg, und aus jener kommen METRO, die sich mit ihrer Namenswahl in Sachen „Googlebarkeit“ keinen Gefallen getan haben: 205.000.000 Treffer gibt’s, doch leider spiegelt diese immens hohe Zahl nicht die Bekanntheit der Band aus Esch-sur-Alzette jenseits der Landesgrenzen wider. Nach einem Debütalbum 2006 ist nun eine neue EP entstanden, die mit britischer Lockerheit und Pop-Appeal lockt und dabei elegant die Klippen der Belanglosigkeit umschifft – die drohen links und rechts des eingeschlagenen Kurses. Mit „She went under“, dem fünften und letzten Track der EP, schafften sie es sogar mal in die Charts ihrer Heimat – ein schöner Gitarrenpop-Song,
/DvDS ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN
25 Jahre sind genug 2DVD | Fairmedia/Rough Trade | fairpress.de || Hier kann man dann mal wirklich von einem Vermächtnis sprechen. Die ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN gehörten in den 80er und 90er Jahren zu den bekanntesten und erfolgreichsten Punkbands Deutschlands. 2002 gaben sie ihr allerletztes Konzert, danach war endgültig Schluss. Tragischerweise verstarb kurz darauf Konrad Kittner, so dass an eine Reunion definitiv nicht mehr zu denken ist. Also wird das Werk der Tauben nun auf einer umfangreichen Doppel-DVD zusammengefasst, die jeden Fan und Freund der Band von einst und heut erfreuen wird. Neben besagtem Abschiedskonzert gibt es noch einen weiteren Auftritt aus dem Jahre 1991, sowie sämtliche Videoclips der Band. Herzstück und Höhepunkt der DVD ist allerdings ein zweistündiger Dokumentarfilm, in dem neben den Tauben selber zahlreiche Weggefährten zu Wort kommen und immer wieder sehenswerte Archivaufnahmen eingebaut wurden. Konrad und Micro hatten extra für diesen Film noch einmal zusammengefunden und plaudern ausgiebig über ihre gemeinsame, turbulente Karriere, die von Höhen und Tiefen, Überraschungen, Bravo-Titeln und Kommerzvorwürfen geprägt war. Plötzlich lebt die Zeit des Fun-Punks wieder auf und man fühlt sich zwanzig Jahre zurückversetzt. Mehr geht nun wirklich nicht. Ein würdiges Werk für eine verdiente Band. (9) Abel Gebhardt
BRUTAL TRUTH
For The Ugly And Unwanted – This Is Grindcore DVD | Seasons Of Mist | season-of-mist.com || BRUTAL TRUTH, auferstandene Grindcore-Legende und Wegbereiter für unzählige Nachahmer mit ihrer ersten DVD, live gefilmt auf dem Obscene Extreme Festival 2007 in Tschechien, da stimmen natürlich die Rahmenbedingungen für diese Ausnahmeband. Und so hacken sich die Mannen um Dany Lilker erwartungsgemäß souverän durch ihr Set, die Bühne lebt, ständige Bewegung, Stagediver ohne Ende und ein fanatisches Publikum, guter Sound und professionelle Kameraführung tun ein Übriges. Im Special-Teil noch vier Konzerte von 1997/98 in den USA und Australien, handgedreht und mit derbem Sound, eher was für die Fan-Abteilung, aber jemand anders wird sich so eine extreme Band sowieso nicht zulegen. Ich vermisse hier leider Interviews, Backstage-Aufnahmen und Ähnliches, das eigentlich eine DVD erst sehenswert macht. Nicht schlecht, aber da wäre mehr gegangen. Dr. Oliver Fröhlich
KING CRIMSON
Eyes Wide Open 2DVD | Discipline Global Mobile/Galileo MC | dgmlive.com || Parallel zur Neuauflage der „Live In Warsaw, 2000“-CD bekam ich auch diese Doppel-DVD von KING CRIMSON auf den Tisch, auf der sich ein Auftritt von 2003 in Japan befindet und einer in London drei Jahre zuvor. Der 98-minütige Auftritt in Tokio auf Disc 1 begleitete die damalige Veröffentlichung des „The Power To Believe“Albums, mit dessen Songs man die Hälfte des Sets bestritt, und speiste sich ansonsten überwiegend aus dem in diesem Jahrtausend produzierten Material. Schon kurios, wie unterschiedlich Crimson-Auftritte doch ausfallen können, trotz identischer Besetzung, denn während „Live In Warsaw, 2000“ bei mir nicht allzu viel Eindruck hinterließ, ist die Show in Tokio trotz der Konzentration auf neueres Material ein deutlicher Beleg dafür, was für eine energetische und mitreißende Rockband Crimson doch noch sind – die live vor allem viel besser als im Studio klingen. Einen spektakulären Bühnenauftritt darf man allerdings nicht erwarten, bei Fripp bewegen sich eigentlich nur die Finger auf der Gitarre, aber hier sind brillante und hochkonzentrierte Musiker am Werk, deren intensiver atmosphärischer Sound eine Klasse für sich ist und den man hier in exzellenter Ton- und Bildqualität geliefert bekommt. Der
Auftritt in London entspricht quasi dem in Warschau, also mit einer Konzentration auf „The ConstruKction Of Light“, weniger druckvoll und mit viel nervigem Gefrickel. Die Bildqualität ist schlechter, aber nicht wirklich schlecht. Das Bonusmaterial der DVDs ist vernachlässigbar, aber dafür gehört der 2003er-Auftritt sicherlich zu einer der Sternstunden unter den neueren Veröffentlichungen dieser wegweisenden Progrock-Band, der den Kauf dieser DVD schon alleine rechtfertigt. (9) Thomas Kerpen
MOONEY SUZUKI
Live In Madrid DVD | Munster/Cargo | munster-records.com | 122:00 || Wenige Metropolen Europas eigenen sich besser für schweißtriefende Rock’n’Roll-Abbruchpartys als Madrid. Das spanische Publikum ist ja bestens informiert, wie man das sprichwörtliche Dach vom Haus hebt, und bei so viel Publikumsresonanz bleibt einer stets exzessbereiten Combo wie MOONEY SUZUKI keine Wahl, als einen der wildesten Gigs ihrer Karriere zu spielen. Der La Gruta Club bebte im Oktober 2007 also in seinen Grundfesten, während MS durch ihren Set bretterten, als gäbe es kein Morgen mehr ... Vom pathetisch-ironischen Intro „Manny’s gigbag“ über Floorfiller wie „New York girls“, „Electric sweat“ oder die Powerpop-Ballade „First comes love“ vom vorzüglichen letzten Album bis zum finalen SoulpunkGospel „Yeah you can“, die Stimmung ebbt nie ab, niemand kann ihnen den Wind aus den Segeln nehmen. Und Gelegenheiten, die Gitarrenhälse in MC5-Manier zu kreuzen, in die Knie zu gehen, die Fäuste zu recken, oder einen kleinen, unkontrollierten Feedback-Schwall zu provozieren, gibt es immerzu und jederzeit. So ein Konzert kann Band und Publikum gleichermaßen nur begeistern. Gut, dass es dokumentiert ist, sowas glaubt einem sonst keiner! Und Big Momma Doo hat recht: MOONEY SUZUKI sind einfach immer noch nicht cool! (8) Gereon Helmer
ZEROS
Live In Madrid DVD | Munster/Cargo | munster-records.com | 120:00 || Chula Vista liegt südlich von San Diego, direkt an der Grenze zu Mexiko, zu Tijuana, und es gab 1976 sicher spannendere Orte. Der Punkrock-Virus infizierte dennoch Javier Escovedo, Robert „El Vez“ Lopez, Hector Penalosa und Baba Chenelle, und so gründeten sie eine Band. Die Musikalität lag schon in der Familie, Javiers älterer Bruder ist Alejandro Escovedo, bekannt unter anderem von RANK AND FILE und THE NUNS, und Sheila E ist auch eine Verwandte. Simple Punkrock-Songs, die einst als eine Mischung aus Sixties-Garage, RAMONES und Johnny Thunders beschrieben wurden, waren –und sind – das Markenzeichen der ZEROS, mit dem sie bis in die Achtziger relative große Bekanntheit erreichten, mit Releases auf Bomp! Records. Irgendwann war dann Schluss, es gab aber auch 2000 mal eine Reunion nebst Europa-Tour und neuem Album, und El Vez brachte es in den Neunzigern als El Vez zu einiger Bekanntheit auch hierzulande. 2007 dann waren die ZEROS – bis auf Hector in der Originalbesetzung – auf Tour in Spanien, und Munster Records’ Filmteam war beim Auftritt im Gruta 77 in Madrid dabei. 19 Songs, die komplette Show, wurde in exzellenter Bild- und Tonqualität mitgeschnitten, und zusammen mit ein paar privaten Super8-Aufnahmen, Fotos, einem kurzen TV-Auftritt von 1977 sowie von der 1992er Comeback-Show wurde dieses rund 120 Minuten laufende Package geschnürt. Die Band hat es auch heute (also 2007) noch drauf, die DVD ist also sowohl für alte wie potentielle neue Fans brauchbar, und die einzige Frage ist: Warum hatte Drummer Baba das ganze Set über eine grellgelbe Pannen-Warnweste an ...? (8) Joachim Hiller
/movIES & DoKUS HISTORY ON MY ARMS
With Dee Dee Ramone DVD+CD | Extinkt/MVD | mvdvisual.com || Die RAMONES sind eigentlich ausführlich dokumentiert, da fragt man sich, was einem eine Doku über Dee Dee noch für neue Einblicke verschaffen soll. Doch siehe da, hinterher ist man immer klüger. Was man über die RAMONES auf DVD zu sehen bekommt, ist weitgehend cleanes RockDoku-Zeug auf TV-Niveau. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch Regisseur Lech Kowalski zeigt eine andere, weniger glamouröse Seite der Band: Dee Dee Ramone im Interview, in ganzer zahnloser Pracht. Eigentlich tragisch, dass sich jemand wie Dee Dee nicht mal die Kohle hatte, sich die Schneidezähne machen zu lassen. Lech Kowalski, der 1999 den Johnny Thunders-Film „Born to Lose: The Last Rock and Roll Movie“ veröffentlichte, sprach während der Recherche zu diesem Film (Dee Dee schenkte seinerzeit Johnny den von den RAMONES abgelehnten Song „Chinese rocks“) ausführlich mit Dee Dee Ramone alias Douglas Glenn Colvin (1951-2002), und der liebte es offensichtlich, vor der Kamera aus seinem Leben zu erzählen. 1992 enstanden so die Aufnahmen, die Kowalski schließlich 2002/2003 nach Dee Dees Drogentod unter dem Namen „Hey Hey Is Dee Dee Home“ zu einer 64minütigen Doku zusammenschnitt. Zusammen mit „History On My Arms“ (27 Minuten, von 2008) und dem InterviewMitschnitt „Vom in Paris“ (22 Minuten, 2008) entstand so eine vielschichtige, aber detaillierte RAMONES- und NYC-Punkrock-Kenntnisse voraussetzende zweistündige DVD, die noch um eine CD mit rudimentären, bluesigen Solo-Aufnahmen von Dee Dee ergänzt wird. Bei „Vom in Paris“ handelt es sich um einm Interview mit Vom Ritchie von DIE TOTENN HOSEN, der einst Ende der Achtziger in Paris Teil einer „Supergroup“ mit Dee Dee Ramone, Johnny Thunders und Stiv Bators sein sollte – einem Projekt, aus dem nie etwas wurde und von dem nur ein paar DemoAufnahmen existieren. Über diese missglückten Sessions geht es in dem Interview, dem man inhaltlich allerdings nur mit echter Vorbildung und Vertrautheit mit den genannten Namen folgen kann. Eher überflüssig ist auch „History On My Arms“ – minutenlanges Backstage-Jamming ist wenig spannend ... Alles in allem also wirklich nur Stoff für RAMONES-Fachleute. (6) Joachim Hiller
LLIK YOUR IDOLS
DVD | Le Chat Qui Fume/MVD Visual | lechatquifume.com | 75:00 || Der Begriff „Cinema of Transgression“ stammt von Nick Zedd, der 1985 auch einer der Verfasser eines entsprechenden Manifestes war, das ein Phänomen zu beschreiben versuchte, hinter dem seit dem Ende der Siebziger und den frühen Achtzigern neben Zedd vor allem Richard Kern und Lydia Lunch steckten, die aus einer Faszination für Sex, Gewalt, Drogen, Verbrechen und das damals noch nicht touristengerecht verschönte New York mit den Mitteln des Low-Budget-Filmemachens und orchestriertvon Bands wie SONIC YOUTH, BUTTHOLE SURFERS, FOETUS und SWANS eine ganz eigene Bildersprache entwickelten. Schockierende, sehr direkte Filme entstanden seinerzeit, mit expliziten Darstellungen von hetero- wie homosexuellem Sex, Splatter-Szenen und dem, was man allgemein als „abweichendes Sexualverhalten“ bezeichnet, ergänzt um Bilder eines heute vergessenen, dreckigen, schwarz-weißen New York. Die Französin Angelique Bosio war von diesem damals verpönten, heute anerkannten und von der Bildersprache und den Themen her in den Mainstream eingesickerten, der Punk- und New Wave-Szene nahestehenden Underground-Phänomen so fasziniert, dass sie 2002 nach New York ging, um ohne echtes Budget an einem Dokumentarfilm über das Cinema of Transgression und seine Akteure zu drehen. Sie sprach mit
Richard Kern, Lydia Lunch, Nick Zedd, Richard Hell, Joe Coleman, Jack Sargeant, Thurston Moore, Bruce Labruce, Jarboe und anderen, bekam die Erlaubnis, reichlich Originalausschnitte aus den Filmen von Kern, Zedd und Co. zu verwenden, und schnitt daraus eine sehr direkte, auf externes Analysieren verzichtende Doku, in der alle Information von den damaligen Akteuren kommen und nicht von einer Stimme aus dem Off. Das macht „Llik Your Idols“ zu einer essentiellen Dokumentation eines auch 20, 25 Jahre später noch verstörenden Phänomens. Joachim Hiller
RADIO LA COLIFATA
DVD | LT 22 Radio Colifata | Icestorm Entertainment | 92:00 || Radio La Colifata, das „Radio der Durchgeknallten“ ist ein Radiosender der Patienten aus J.T. Borda, einer psychiatrischen Anstalt in Buenos Aires. Die Insassen betreiben den Sender zusammen mit ihrem Psychologen Alfredo Oliviera, der diese Therapie als Erster in die Borda gebracht hat. Der Regisseur Carlos Larrondo begleitete in seiner Dokumentation La Colifata und dessen Redakteure zehn Jahre lang, bis zu dem Abend, an dem die Macher des Senders ein gemeinsames Konzert mit Manu Chao in Buenos Aires veranstalten. Larrondo lässt überwiegend Redakteure und Insassen der Anstalt und deren Psychologen zu Wort kommen, wobei erstaunlich ist, an welchen psychischen Krankheiten die Patienten leiden und es ihnen dennoch gelingt, regelmäßig auf Sendung zu gehen. Auch kann die Dokumentation zeigen, wie sehr sich die Colifatas ihrer Rolle als Patienten einer Anstalt bewusst sind, wie sehr es bedrückt, keine Verbindung zur Außenwelt zu haben und wie viel sie doch mit jedem Einzelnen außerhalb der Klinik gemeinsam haben. Im Radio können sie sich auf reflektierte, ernste, philosophische oder humorvolle Weise ausdrücken. Hätte Larrondo die Interviews auf einige wenige Patienten begrenzt und vertieft, wäre noch stärker die Entwicklung der Colifatas gezeigt worden und Verwechslungen der großen Zahl von Redakteuren hätte vermieden werden können. Dennoch ist der Film nicht umsonst als Meisterwerk des lateinamerikanischen Films beschrieben worden. (8) Katrin Schneider
ROSKILDE
The Musik. The Party. The Feeling DVD edel motion/edel | edel.com | 100:00 || Der dänische Filmemacher Ulrik Wivel hat eines der größten europäischen Musikfestival (bis zu 130.000 Besuchern kommen alljährlich ins dänische Roskilde) acht Jahre lang mit der Kamera begleitet. Neben kurzen Konzertausschnitten unter anderem von Gruppen wie FRANZ FERDINAND, EDITORS, PLACEBO oder SONIC YOUTH, besteht der Film aus eindrucksvollen Impressionen und erzählt mit Bildern von den Besuchern und Veranstaltern eine ganz eigene Geschichte. Ob es sich nun um den Tagesablauf auf einem Festivalgelände handelt oder die Vorbereitungen und Planungen im Vorfeld, sowohl seitens der Besucher als auch der Veranstalter – die Bilder sprechen für sich. Besucher, Helfer und Macher kommen zu Wort und werden im Festivalalltag begleitet. Neben Regen und Sonne, Schlamm und Staub, gibt es jede Menge skurriler Typen, Drogen, Liebe, Müll sowie einige abgefackelte Zelte. Auch das Unglück im Jahr 2000 – bei einem Auftritt von PEARL JAM starben neun Menschen – wird thematisiert und es wird erläutert, warum die Veranstalter trotzdem weiter mach(t) en. Ulrik Wivel und sein Team haben mit „The Musik. The Party. The Feeling“ eine beeindruckende Liebeserklärung an Roskilde kreiert, solche gelungenen Dokumentationen wird man im Fernsehen wohl höchstens noch bei Arte finden. Das Festival findet übrigens seit 1971 statt und wird, von den zwölf Festangestellten einmal abgesehen, nur von freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern organisiert. Der Gewinn wird an humanitäre, kulturelle und andere gemeinnützige Organisationen wie Amnesty International oder Ärzte ohne Grenzen weitergegeben. (8) Kay Werner
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der allerdings locker von „You’re never sexy“ getoppt wird, einer coolen Synthiepop-Nummer mit Achtziger-Appeal, die mich an die legendären TISM aus Australien erinnert und die in jeder Indie-Disse sofort zündet – wetten? Ausprobieren! (7) Joachim Hiller Auf der Ox-CD zu hören.
MIR
s/t CD | A Tree in a Field | atreeinafieldrecords.com | 28:44 || Sicher, es gibt eine Menge Bands mit dem Namen MIR, und wahrscheinlich genauso sicher ist, dass keine weniger mit der eigentlichen russischen Übersetzung dieses Wortes zu tun hat, als diese Band aus der Schweiz. MIR beamen dich direkt ins Noiserock-Universum, um dein Hirn mit einem droneigen Urknall zu zermartern. Brachiale Bassriffs, kosmische Elektoneneinschübe, scheppernde Becken, bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Gitarren, wie Flugzeugturbinen heulende Loops und verstörende perkussionale Darbietungen versetzen den geneigten Hörer sicher in erregte Verzückung. SUNN O))) könnten sich davon eine dicke Scheibe abschneiden. Alles richtig gemacht, Jungs, weiter so! (9) JeNnY Kracht
MUNICIPAL WASTE
Massive Aggressive CD | Earache | earache.com | 28:59 || „Massive Aggressive“ ist das bereits vierte Album der HardcoreThrasher aus Richmond, VA und sämtliche an sie gestellten Erwartungen hat die Band einfach mal so übertroffen. Der zwischen D.R.I., NUCLEAR ASSAULT, ANTHRAX und ähnlich gearteten Bands anzusiedelnde Sound wurde um noch mehr Thrash Metal erweitert und gleichzeitig die geilen HardcoreSingalongs noch weiter ausgebaut. Ultrageil, wie hier die Achtziger wieder aufleben. Da bekommt man sofort Lust, die alte Kutte aus dem Schrank zu holen und den alten Zeiten Tribut zu zollen. Von ihrem Ruf als unverbesserliche Partytruppe nehmen die Jungs jedoch inzwischen etwas Abstand, finden doch mit Songs wie „Wolves of Chernobyl“ verstärkt auch ernste Themen den Weg auf die Platte. Gekleidet in ein Soundgewand, welches zwar modern, aber irgendwie dann doch wieder retro ist, bleibt zu diesem Album nur eins zu sagen: Killer! (10) Jens Kirsch
MINTZKOV LUNA
M For Means And L For Love CD | Haldern Pop/Cargo | haldern-pop.de | 47:26 || Wie denn jetzt? Beim Vorgängeralbum „360°“ kündigten MINTZKOV LUNA noch groß an, fortan werde man auf Luna verzichten und sich nur noch MINTZKOV nennen. Schon beim nächsten Album wieder der Salto rückwärts? Kein Wunder, dass diese Band aus Belgien gern mal für zwei gehalten wird. Und wer bei Belgien an die unübertroffenen dEUS denkt, der liegt so falsch nicht. Man addiere einen straighten Happen BLACKMAIL dazu, ein paar wavige Keyboards und schon hat man eine Vorstellung davon, was einen auf dem dritten Album der Band erwartet. Wie sich das Quintett nun auch nennen mag, über das Prädikat „nett“ kommt es auch diesmal nicht hinaus, dazu fehlen einmal mehr die unerwarteten Ausbrüche. Gute Autofahrmusik, aber nichts, wovon man seinen besten Freunden erzählen möchte. (6) Christian Meiners
MIKROBOY
Nennt es, wie ihr wollt CD | Ministry of Sound/Edel | ministryofsound. de || Wie gut, dass nicht immer alles so läuft, wie man will. Und warum MIKROBOY nicht endlich das nächste große Ding werden sollten, kann mir auch bestimmt keiner erklären. „Nennt es, wie ihr wollt“ ist das Debütalbum der Band, dessen Songwriter und Mastermind Michi Ludes einiges zu erzählen hat. Er hat Songs geschrieben, die irgendwo zwischen: „Oh Mann, wie konnte ich bis jetzt nur ohne das leben“ und „Dafür ist immer Platz auf meinem iPod“ pendeln. MIKROBOY erzählen Geschichten und wissen damit genauso zu begeistern wie KETTCAR, THE NOTWIST und die übermächtigen DEATH CAB FOR CUTIE. „Denn nur wer weiß, wohin er will und was er kann, der kann auch schaffen, was die Welt von ihm verlangt.“ Wer hier keinen Lieblingssong findet, hat kein Herz. (9) Sebastian Wahle
MINUS 5
Killingsworth CD | Cooking Vinyl | cookingvinyl.com | 41:46 || 1995 erschien das erste MINUS 5-Album bei Glitterhouse, das durch die Anwesenheit von R.E.M.s Peter Buck und Jon Auer und Ken Stringfellow von den POSIES für Aufmerksamkeit sorgen konnte. Inzwischen hat sich dieses Projekt für dessen eigentlichen Kopf, den umtriebigen Scott McCaughey, von YOUNG FRESH FELLOWS und zuletzt zusammen mit Steve Wynn bei THE BASEBALL PROJECT in Erscheinung getreten, zu einer erstaunlich langlebigen Angelegenheit entwickelt, denn „Killingsworth“ soll bereits das achte Album sein. Stören tut mich bei McCaughey allerdings erneut, dass er die eher softe,
poppige Seite von Americana repräsentiert, und so ist auch „Killingsworth“ eine rundum Wohlfühlpackung im Country-Gewand, bei der sich McCaughey von nymphenhaften Backgroundsängerinnen begleiten lässt, die den süßlichen Charakter seines Songwritings noch betonen. Das ergibt zwar unter dem Strich immer noch eine schöne Platte, der aber jegliches erdige Rockfeeling abgeht und die dementsprechend viel zu nett und glattgebügelt wirkt. (6) Thomas Kerpen
MISSES NEXT MATCH
Ob Festzelt oder Großraumdisco CD | Riptide/Cargo | riptiderecordings.de || Gute, deutsche Rockmusik ist selten geworden dieser Tage. Sieht man von Udo Lindenbergs überraschend starkem Comebackalbum einmal ab, muss man schon ganz schön genau hinsehen, um wirklich coole Bands und Künstler mit deutschen Songtiteln zu finden ... Dies tun Riptide Records jedoch glücklicherweise mit wunderbarer Regelmäßigkeit – also genau hinsehen – und damit tolle Bands aus dem Hut zaubern. Und bei deren genauerem Hinsehen kamen nun eben MISSES NEXT MATCH zum Vorschein. Das Alleinstellungsmerkmal sind bei den drei Hamburgern nicht einmal irgendwelche High-end-Sperenzien (sic!), Insel-Indie Seligkeit zum Mitpfeifen, trotz trotzigen, deutschen Texten, sondern vielmehr die Zeitlosigkeit ihrer Musik und die universell zündenden Texte im Zusammenspiel mit den vielen, kleinen subversiven Gesten allenthalben. Indietronic trifft auf New Wave, knuddelt mit dem Punk von TRIO und tanzt Blutpogo mit dem Zeitgeist. Das macht Sinn. Wer also Echtes, Frisches in deutscher Sprache sucht, darf hier beide Ohren riskieren. Jörkk Mechenbier
MOCHINES
The Eagle Has Landed CD | Nicotine | nicotinerecords.com | 42:50 || Bereits das Debüt „Hire The Losers“ der in Kapstadt beheimateten Band rund um den Exil-US-Amerikaner Ross Kersten überzeugte mit schnörkellosem rocknrolligem Punkrock, und auch das zweite Album steht mit einem Bein tief im 77er Punk und mindestens genauso tief mit dem anderen im 80er Rock. Folgerichtig covert das Trio auch „Nice boys“ von ROSE TATTOO und hat damit natürlich alle Sympathien auf seiner Seite. Ein solides Album, deren Schöpfer in keinster Weise versuchen, originell zu sein, sondern ganz einfach Rock’n’Roll spielen, der auch vor zehn oder zwanzig Jahren geschrieben worden sein könnte. Und das ist verdammt gut so! (7) Simon Dillo
TORBEN MÖLLER-MEISSNER
Volle Leere Ferne Nähe CD | Tapete | tapeterecords.com | 35:00 || Ist RANTANPLANs selbstproduzierte Single-Serie bereits nach dem zweiten Exemplar im vergangenen Oktober irgendwie ins Stocken gekommen, wandelt Sänger Torben nun auf Solopfaden. In alter Liedermachertradition gibt es in 13 Liedern seine markante Stimme, die natürlich unverkennbar an die Hauptband erinnert, quasi pur. Die immer irgendwie kritischen Texte könnten auch gut zu dieser passen beziehungsweise stammen sogar von ihr: „Hallo, Hure Hamburg“ war bereits auf deren letztem Album „20359“ vertreten, „Meine Liebe stirbt“, das hier mit melancholischen Klavierklängen daherkommt, auf der „Kein Schulterklopfen ...“. Doch während die relativ verkopften Texte in Kombination mit RANTANPLANs tanzbarem Ska-Punk meist in ihrer Sperrigkeit entschärft wurden, finde ich sie nur mit langsamer Akustikbegleitung auf die Dauer etwas anstrengend und aufgesetzt. Besonders der für Liedermacher so wichtige Wortwitz fehlt leider. (6) Jan Eckhoff
MOLOTOV JIVE
Songs For The Fallen Apart CD | Strange Ways | strangeways.de | 31:43 || Was würden wir im Meer neuer Veröffentlichungen nur ohne Internet machen? Zitat Wikipedia: „MOLOTOV JIVE ist eine aus dem schwedischen Karlstad kommende Rock/ Pop/Indie-Band. Sie vergleichen sich selbst mit Bands wie BEATLES, THE WHO, THE SMITHS, David Bowie und THE LIBERTINES, aber auch Ähnlichkeiten mit THE CLASH, THE KINKS oder Bruce Springsteen sind zu erkennen.“ Die seit 2003 existierende Band war in der Heimat bereits mit den Kollegen SUGARPLUM FAIRY unterwegs und räumte gut ab. Im Waschzettel wird von ihrem „Born To Run“Album gesprochen, das ist „Songs For ...“ definitiv aber nicht, sorry! Vielleicht muss man heutzutage so kräftig auf die Tube drücken, um sich interessant zu machen. „An Epic Rock’n’Roll Drama In 12 Chapters“ heißt es da im Untertitel. Das ist alles sehr vorhersehbar, das können andere schwedische Bands besser. (4) Jürgen Schattner
MOMO LAMANA
Monkey See Monkey Do 10“ | East Side | eastsiderecords.de || Ein Boy/GirlGaragentrash-Duo aus Belgien. Na ja, auch wenn die Sache einen gewissen Charme besitzt, muss ich sagen, dass mir die sechs Songs doch ein bisschen zu wenig bieten. Der männliche Teil der Band singt wie Prinz Valium und die Dame wie ein gepitchter Schlumpf. Der Sound ist eher dünn und ein wenig dumpf, das Schlagzeug kommt aus der Konserve und auf der Gitarre werden RAMONES-Akkorde runtergeschrubbt. Nichts Überraschendes also, eher Hausmannskost, die an minimalistische Spitzenreiter wie die POPPETS, NOBUNNY oder PLASTIC BERTRAND nicht heranreicht. Kann man testen, muss man aber nicht unbedingt. Bernd Fischer
MONOTONIX
Where Were You When It Happened? CD | Drag City | dragcity.com | 30:10 || Der zweite Release dieser Band aus Tel Aviv ist in Sachen Trash-Faktor kaum zu überbieten. Herrlich dreckiger 70s-Stromgitarren-Rock wird hier bis zur Ekstase zelebriert und nicht nur auf diesem Album rocken sie wie Schwein, bei ihren Konzerten musizieren die drei auch mal ganze Locations kurz und klein. Diese zerstörerischen Zusammenrottungen werden dann auch genauso gerne von der Polizei mal aufgelöst. Und da stellt sich natürlich zu Recht die Frage: Wo warst du, als es passierte? Zieht sie euch rein! (9) JeNnY Kracht
MY UNCLE THE WOLF
The King’s Ransom MCD | Cargo | cargo-records.de | 19:27 || Anfangs haben MY UNCLE THE WOLF im New Yorker Wohnzimmer von Sänger Zac ihre Musik gemacht. Anstelle einer Kündigung vom Vermieter gab es einen Plattenvertrag von Cargo. Mit Hilfe von Freund Jimmy Bower (DOWN, exCROWB AR) hat das Trio ein selbstbetiteltes Debüt aufgenommen, das hervorragend bei Kritikern ankam und eine musikalische Ausrichtung zwischen Southern, Sludge, Doom, Noise und sogar Blues darstellt. Dieses erschien letztes Jahr, nun liegt die EP „The King’s Ransom“ vor. Darauf zu finden sind ein Intro und vier sehr düsterathmosphärische Tracks, die im ersten Höreindruck ungewohnt ruhig, teilweise psychedelisch wirken und von Abwechslung und Überraschungen geleitet sind. Aber keine Sorge, mächtige Riffs wie auf dem Debüt sind nach wie vor vorhanden, wenngleich auch nicht so vordergründig positioniert. Daher denkt man beim Hören weniger an DOWN, COC und Konsorten, sondern eher an ALICE IN CHAINS (wie zum Beispiel in „Vader). Trotz des Ostküstenhintergrunds des Trios versprüht die Musik diesen magischen New Orleans-Charme, und dringt noch weiter vor in fremde, wunderschöne Sphären. (9) Arndt Aldenhoven
MONTREAL ON FIRE
Decline & Fall CD | Lacrymal | lacrymalrecords.com | 37:16 || Aus Südfrankreich kommen die vier Freunde von MONTREAL ON FIRE und spielen getragenen Postrock mit sehr intrumentalem Gesang, der unter der Fülle der restlichen Musik oft eher sekundär wird. Als Nebenprojekt von Hardund Moshcore-Bands wie PLEBEIAN GRANDSTAND und I PILOT DÆMON sind MONTREAL ON FIRE als zurückhaltende und ruhige Experimentierfläche gedacht. Auch wenn ich mir bei ihnen oft den Druck und die Energie der Hauptbands wünsche, so haben gerade die langen hallartigen Klangaufbauten in „Decline & Fall“ ihre Berechtigung und wirken als ruhiger Gegenpol zu den wilden Gewaltausbrüchen, denen sie sonst so ausgesetzt sind. Es ist schon ein schwerfälliges Album, das die Klangwände eher einreißt als sie aufbaut und sich nach einigen Liedern auch nicht mehr von vorangegangenen unterscheiden lässt. Trotzdem sind MONTREAL ON FIRE, gerade durch den Orgelbass und die zwei sich ergänzenden Gitarren, als Postrock-Band nicht zu unterschätzen. (7) Christoph Schulz
MR. IRISH BASTARD
The Bastard Brotherhood LP | Mad Drunken Monkey | mad-drunken-monkey. de || Im Frühjahr 2008 erschien das Album der Münsteraner Celtic Punks auf Reedoo Records – allerdings nur im CD-Format. Über ein Jahr später ist nun die LP-Version erschienen, gepresst natürlich aus grasgrünem Vinyl. Und da sich außer dem Format nichts geändert hat, zitiere ich Katrin Schneiders Rezension aus Ox #77: „Als ich letzten Ramadan einen Abstecher nach Marokko wagte, machte ich dort eine schräge und gleichzeitig faszinierende Entdeckung, die mich bis heute beschäftigt: Im marokkanischen Fernsehen gibt es eine Art ‚Marokko sucht den Superstar‘. Kleine Kinder sitzen auf einem Kissen und lesen und singen Suren aus dem Koran. Der Gewinner des Wettbewerbs ist derjenige, der der Meinung des Publikums nach die Suren am schönsten vorgetragen hat. Von einem ähnlich schrägen, wenn auch nicht ganz so faszinierendem Wettbewerb erfuhr ich, als ich zum ersten Mal von MR IRISH
BASTARD hörte: Die von irischem Folk inspirierte Band aus Düsseldorf und Münster hatte den ersten Platz des Celtic Rock Music-Fanzines gemacht und wurde zur besten ‚Celtic Folk-Rock &-Punk Band 2007‘ gekürt. Ob sie sich damit schmücken wollen oder nicht, ist ihre Entscheidung, denn Selbstbeweihräucherung haben die Frauen und Männer nicht nötig. Nach der EP ‚St. Mary’s School Of Drinking‘ präsentieren die sechs auf ihrem Debütalbum nun einen gehörigen Sinn und Leidenschaft für irische Folk Music. Zwischen all den B- und C-Adaptionen der POGUES und FLOGGING MOLLY stechen MR IRISH BASTARD haushoch hervor. Wenn auch nicht primär für rauhen, mitreißenden und dreckigen Sound, sondern für durchgehend soliden und authentischen Folkpunk. Sogar das Cover von ‚Vida loca‘ klingt, als ob es aus der eigenen Feder stammt. Wer wie MR IRISH BASTARD nach einem guten Jahr Bestehen auf Tour geht mit den LEVELLERS und FIDDLER’S GREEN, der darf getrost von sich behaupten, seine Sache richtig gemacht zu haben.“ (8) Joachim Hiller
NNN NATALIE FLANDERS
s/t LP | myspace.com/natalieflandersarsch || Irgendwo zwischen SHELLAC auf Speed und KURT haben diese drei Herren aus dem bayerischen Rosenheim (nicht Springfield) in den letzten 15 Jahren Bandgeschichte ihr Zuhause gefunden. Dabei seien ihre Songs im Laufe der Jahre immer kürzer geworden, weil sie sich laut eigener Aussage lange Stücke nicht mehr merken konnten. In den dadurch kürzeren Abhandlungen bekommt man die gehobene Riffschule des punkigen Noiserocks zu hören, wobei das nur leicht gesungene Gebrüll im vielen Gitarrenkrach ziemlich untergeht, was dem Gesamtprodukt aber keinen Abbruch tut. Sieht man mal über das Alter der Band hinweg, könnte man meinen, ein Punkprojekt von jungen amerikanischen Kunst- oder Philosophiestudenten vor sich zu haben, jetzt wissen wir zumindest, von wem diese sich den Brillenund Bärte-Schick abgucken. (7) Christoph Schulz
NATHEN MAXWELL AND THE ORIGINAL BUNNYGANG
White Rabbit CD | Side One Dummy/Cargo | sideonedummy. de | 35:26 || Der Bassist der Irish-Folk-Punks FLOGGING MOLLY Nathen Maxwell präsentiert hier zum ersten Mal seine eigene Musik, die mit Irish Folk nun ganz und gar nichts zu tun hat. Diese Platte bewegt sich, wie Nathen Maxwell selbst im Info erwähnt, irgendwo zwischen seinen großen Vorbildern Bob Marley, Jack Johnson, Manu Chao und THE POGUES. „White Rabbit“ muss einfach im Radio gespielt werden. Nathens Stimme ist angenehm warm, sie ist präsent, wie bei einem Radiomoderator oder einem ruhigen Liedermacher. Ob nun die Ballade „My little one“ oder das etwas gefährlich klingende „Chief of a nation“, welches der zehn Stücke ich auch rauspicke, alle haben ihren ganz eigenen Charme und müssen unbedingt gehört werden, nicht zuletzt der positiven Stimmung und (was ihm das Wichtigste ist) humanistischer Werte wie Gewaltfreiheit, Toleranz und Zusammenhalt, wegen. Diese Graswurzel-Ideologie macht ihn, neben seiner großartigen, wenn auch sehr ruhigen Musik, besonders sympathisch. Übrigens, sein Vater spielte das komplette Schlagwerk ein. Wenn das mal nicht ein erster Schritt ist. Meine Sommerplatte 2009! (8) Simon Brunner
NOUVELLE VAGUE
3 CD | PIAS | piasrecordings.com || Aaah, die Platte, auf die sich alle Musikredakteure stürzen müssen, weil die Band ausgemachter Konsens ist und man eigentlich alle Stücke kennen müsste, wenn nicht, disqualifiziert man sich automatisch als Horst. Wer zu viel auf sich hält, schreibe einfach einen gnadenlosen Verriss, weil seine nachträglich verklärten Heiligtümer Schaden nehmen könnte. Beliebte Floskeln für den Verriss wären hier: Kitschig, belanglos oder auch „Fahrstuhlmusik“ in allen Varianten, auch wenn das so billig ist, dass man dann doch lieber einfach vornehm die Klappe halten sollte. Im Vergleich zur letzten Platte erweitern die Franzosen den Umsetzungshorizont ihrer Coverversionen wieder um ein paar Schritte und überraschen mit ein paar gelungenen Neuinterpretationen der zumeist hinlänglich bekannten Originale. Es gibt auch ein paar Stücke, die nicht hätten sein müssen, weil es bereits grandiose Interpretationen anderer Leute gibt. Oder eine Vorlage wie DEPECHE MODEs „People are people“ von Götz Alsmann, nach dem man sich zweimal
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überlegen sollte, ob man überhaupt noch mal etwas von der Band überarbeiten sollte. Einigermaßen freuen dürfen sich die VIRGIN PRUNES, TALK TALK, die GO GO’S, PSYCHEDELIC FURS und die TALKING HEADS über zuckersüß-relaxte Vergoldungen ihrer Stücke – manchen wird’s aber auch einfach zu belanglos sein. „Ça plane pour moi“ vom Plastischen Bertrand enttäuscht auf ganzer Linie, weil der Ska so nahe liegend war, ebenso „God save the queen“ der SEX PISTOLS, das man so von jedem Stimmlegastheniker mit Holzgitarre in der U-Bahn hören kann. Sehr edel dafür „Say hello wave goodbye“, das einen Hauch Amy Winehouse abbekommen hat, und natürlich „So lonely“ von POLICE, das zum allerersten Mal so klingt, wie es sich für das Stück dem Text nach gehört. Auch MINIMAL COMPACTs „Not knowing“ klingt als Flamenco richtig klasse. Melancholie und Relaxen kann so dicht beieinander liegen. Es ist zwar nicht alles wirklich gelungen, aber immer noch meilenweit besser als alles, was 2RAUMWOHNUNG seit der zweiten Platte gemacht haben. Die Gastmusiker zu deren eigenen Stücken verkneif ich mir, die schicken sich wahrscheinlich zum Geburtstag auch Blumen mit Floraldi. (7) Kalle Stille
NEW CHRISTS Das neue Americana-Album des Hot Water Music Sängers. Rauher und reifer denn je!
03.09. Genf 06.09. Zürich 07.09. Stuttgart 08.09. Wiesbaden 09.09. Hamburg
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Gloria CD | Impedance | impedance.com.au | 46:35 || Mit den NEW CHRISTS ist es wie mit dem Hirtenjungen, der einmal zu oft „Wölfe!“ ruft, ohne dass an der Warnung etwas dran ist. Fünfmal waren die NEW CHRISTS, Rob Youngers ewige RADIO BIRDMAN-Nebenband, schon aufgelöst, doch wirklich geglaubt hat es wohl keiner, als 2001 mal wieder der Stöpsel gezogen wurde. Und siehe da, 2006 waren sie wieder da, tourten im selben Jahr und nochmal 2008 in Europa und gingen anschließend sogar ins Studio, um einen Nachfolger zum 2002 erschienene „We Got This“ einzuspielen. „Gloria“ war dann zwar in Europa erst nach der erneuten Tour im Mai 2009 zu bekommen, aber dafür hatte man sich als Fan vor Ort auch schon ordentlich Appetit geholt: Rob Younger sieht zwar mit jeder Tour älter aus, doch sein Gesang ist so prägnant wie eh und je. In der aktuellen Auflage der NEW CHRISTS sind neben Hauptsongwriter Younger als Bassist Jim Dickson und Drummer Stu Wilson alte Bekannte aus früheren Line-ups – am Sound der Band hat das nichts geändert: Rockmusik für Erwachsene, die sich stilistisch eigentlich nur an der eigenen Vergangenheit orientiert. Und wer nicht weiß, worum es hier geht, der ist sowieso fehl am Platz. (8) Joachim Hiller
NEAERA
Das wütende Comeback der Street-Punk Urgesteine
Omnicide – Creation Unleashed CD | Metal Blade | metalblade.de | 44:24 || NEAERA aus der westfälischen Studentenstadt Münster hatten schon immer ein Problem: sie wurden von den Fans melodischen Death Metals, der eigentlichen Zielgruppe, immer nur bedingt ernst genommen. Zu sehr schien man sich an angesagten Bands des Metalcores zu orientieren, was vielen sauer aufstieß. Mit Album Nummer vier könnte dies endlich ein Ende finden. Mehr denn je orientiert man sich am Death Metal, allerdings weniger dem schwedischen, als viel mehr dem britischen der Marke BOLT THROWER und kombiniert das Ganze mit heftigem Black Metal und einigen modernen Elementen. Glücklicherweise ist es der Band dabei gelungen, dem Album einen Sound zu verpassen, der den Songs genug Raum zum Atmen lässt, kann doch ein zu klinisches Klangbild gerade bei dieser Art von Musik den Hörgenuss immens schmälern. Bleibt zu hoffen, dass die potenzielle Zielgruppe diesen Eindruck teilt und NEAERA in verdientem Maße die Früchte ihrer Arbeit ernten werden. Vielleicht nicht essentiell, dennoch wirklich sehr gut. (8) Jens Kirsch
NEBULA
Flogging Molly`s Bassist auf akkustischen Solo-Pfaden - für Freunde von Joe Strummer bis Jason Mraz
Heavy Psych CD | Tee Pee/Cargo | teepeerecords.com | 35:10 || Ach ja, die gibt’s ja auch noch: NEBULA, die sich durch Beharrlichkeit und Können aus dem Strudel des StonerRocks befreien konnten und als etwas weniger hell leuchtendes Gestirn des von FU MANCHU, QUEENS OF THE STONE AGE und KYUSS dominierten Sternbildes vom Nachthimmel blinken. „Heavy Psych“ ist ihr fünftes Album, und mit unmissverständlicher Treffsicherheit beschreibt der Titel, was Bandboss Eddie Glass, Tom Davies und Rob Oswald hier zelebrieren: „Heavy Psychedelic Rock“, mit mächtig Wah-Wah- und Fuzz-Effekten auf der Gitarre, aber auch der entsprechenden trockenen Heavieness, was sie weiterhin von eher klassischen Psychedelic-Bands à la BABY WOODROSE einerseits und von beinahe schon poppigen Rockern wie QOTSA unterscheidet. Und es gilt, was immer schon für NEBULA galt: Bestand hat immer das Original, die etablierte Marke, und so lehnt man sich hier bequem zurück, greift zu einem Entspannungsmittel seiner Wahl und lässt die zehn Songs an sich vorbeiwabern. (8) Joachim Hiller
NEBRA
Auf Tour 01.09. München + The Offspring 08.09. Berlin - SO36 09.09. Köln - Underground 11.09. Lindau - Vaudeville
AUCH AUF TOUR: Fake Problems, The Briggs, Anti-Flag Alle Termine auf www.sideonedummy.de
www.sideonedummy.de www.cargo-records.de
über Knutschen und Rumfummeleien aufnehmen. Herrlich schräg, herrlich unschuldig! Alles liebevoll zusammengehalten von passenden Samples und als Krönung der total kaputte Countrysong „The gutter“. Angeblich ist die Erstauflage von 500 Stück bereits restlos ausverkauft, es soll aber nachproduziert werden. Nicht vergessen, liebe Kinder: NOBUNNY loves you! (9) Bernd Fischer
aufgenommen wurde, selbst gemixt, gemastert und, naja, veröffentlicht ... Es gab leider nur 20 Stück für die ReleaseParty, stattdessen gibt es nun ihren bisherigen Stuff komplett zum freien Download, inklusive der fantastischen 7“ „Keep On Truckin’“, samt Artwork und allen Texten. Wer möchte, kann das Album aber auch als „Tape on demand“ bei der Band bestellen, mein Tip! Ute Borchardt
NO RELAX
OUTCRY COLLECTIVE
NORTH LINCOLN
OLDE YORK
NOTE
PIERRE OMER
Indomabile CD | Mad Butcher | madbutcher.de | 43:26 || NO RELAX! Auf zweierlei Art ist der Bandname auf „Indomabile“ Programm. Einerseits gönnt die spanische Band sich als auch dem Hörer auf ihrem dritten Album kaum einen Augenblick zum Durchatmen – 13 rasante Punksongs mit Hardcore-Vergangenheit – andererseits gibt das aktuelle globale Geschehen auch keinerlei Anlass, um sich entspannt zurückzulehnen. Deshalb sind die Mehrzahl der zwölf Eigenkompositionen – als „Extra“ gibt es den Jimmy Cliff-Klassiker „The harder they come“ im Punk’n’RollOutfit – kritischer, kämpferischer Natur. Gleich der Opener „Carne fresca“ fordert Gerechtigkeit gegenüber Frauen ein, das hektische „Loco loco“ erhebt die Faust für die durch unser Konsumverhalten versklavten, Arbeiter der Zweiten und Dritten Welt. Es stehen denen aber auch ganz banale Songs gegenüber, wie das beschwingte „Maria“, das die Legalisierung von Cannabis fordert. Musikalisch zeigt sich der Vierer als eingespielte Einheit, die Produktion des Ganzen ist druckvoll und modern und das hier unter anderem Leute von SKA-P an Bord sind, stellt die einwandfreie Live-Umsetzung des Gebotenen außer Frage. SKA-P ist übrigens ein ganz gutes Stichwort, denn die Refrains sind allesamt schnell im Ohr, nur die spanischen Lyrics verhindern intensives Mitsingen. Eine Übersetzung findet sich leider nicht im Booklet. Releases aus dem Hause Mad Butcher sollten textlich aber kaum Fragen offen lassen. „El ultimo viaje“, „016“ und der Titelsong sind meine Favoriten: Da verbinden sich alte BAD RELIGION und spanisches Kämpferherz zu modernem, hymnischem Punkrock fürs gute Gewissen auf technisch hohem Niveau. Pluspunkt für die guten Female Vocals! (8) Lars Weigelt Midwestern Blood CD | No Idea | noidearecords.com | 37:42 || Mein erster Gedanke, als ich diese Platte hörte, war: diese Ähnlichkeit mit HOT WATER MUSIC kann doch kein Zufall sein!? Zu sehr erinnert das nunmehr insgesamt dritte vollständige Album von NORTH LINCOLN aus Michigan an frühere Glanztaten der Band aus Gainesville, Florida. Da liegt es natürlich nahe, dass „Midwestern Blood“ auf deren ehemaligem Haus- und Hof-Label No Idea erscheint. Elf spritzig-schmissige Punkrock-Songs im Fahrwasser oben genannter Band, so wie LEATHERFACE, JAWBREAKER und so weiter, werden hier geboten, die definitiv Laune machen und ganz schnell Bewegung in die Bude bringen. Manch einer sagt, dass es offensichtlich eine Verbindung zwischen Michigan und Florida geben muss. Angesichts einer solchen Platte bin ich gewillt, das zu glauben. (8) Jens Kirsch My City Ghosts, Stars And Hours CD | myspace.com/noteband | 52:24 || Diese junge Band aus Rheinland-Pfalz legt mit „My City Ghosts, Stars And Hours“ ihr selbstproduziertes Debütalbum vor, auf welchem sie sich dem instrumentalen Rock verschrieben hat. Im Info wird darauf hingewiesen, dass Proben wohnortbedingt nur am Wochenende möglich sind, was irgendwie ein wenig wie eine Art Entschuldigung wirkt. Dies jedoch haben NOTE wirklich nicht nötig, denn für eine Band, die erst seit drei Jahren existent ist, kann sich diese Platte durchaus hören lassen. Sicherlich gibt es vereinzelt holprige Passagen im partiell leicht jazzig angehauchten Postrock dieser Band, jedoch bin ich zuversichtlich, dass diese auf künftigen Veröffentlichungen ausgemerzt werden können. Gute Platte! (6) Jens Kirsch
ooo OBERPICHLER
Januar CD | Oh! | oberpichler.de | 48:47 || Zepp Oberpichler auf dem Egotrip. Das hat er sich nun aber auch redlich verdient. Wer eine solch lange musikalische Vita vorzuweisen hat, darf auch mal der Herr im Hause sein. Doch mit welchen Zutaten kocht der Chef denn persönlich? Gut, die alten Punkrock-Attacken bleiben im Schrank. Stattdessen greift Herr Oberpichler eher auf Country, Folk, Balladen, Pop und von mir aus auch Schlager zurück. Also eher SCHLAFFKE & ZEPP als JIMMY KEITH & HIS SHOCKY HORRORS. Allerdings nur marginal. Denn ein Spaßprojekt ist OBERPICHLER wahhaftig nicht. Im Gegenteil. Ich nenne „Januar“ stattdessen ein sehr „erwachsenes“ Album. Sowohl eben musikalisch als auch textlich. Kleine Themen und Geschichten des Alltags werden hier ganz unprätentiös verpackt und vorgetragen. Von daher kann man ruhig eine Parallele zum Spätwerk von Rio Reiser ziehen. Damit liegt man gar nicht mal so falsch. Und wenn es mal ein wenig zu schwulstig wird, stelle ich mir den Zepp wieder betrunken am Tresen im Duisburger Backstage vor und weiß, der kann sich das alles ganz locker rausnehmen. Der hat sich seine Sporen mehr als einmal verdient. (8) Abel Gebhardt
Sky Disc MCD | Pelagic | pelagic-records.com | 19:00 || Die Genfer Band NEBRA, bei denen Leute von KNUT, NOSTROMO und MUMAKIL am Werke sind, veröffentlicht über das THE OCEAN-eigene Label Pelagic ihre erste, in Richtung ISIS, PELICAN und MASTODON schielende EP. Diese offenbart zwar enormes Potenzial, aber auch eine unübersehbare Schwachstelle: Die Songs auf „Sky Disk“ klingen wie unfertige Klangskizzen, bleiben nur Fragmente. Hinter jedem Break, nach jedem Wirbel wartet man darauf, dass es jetzt mal so richtig los geht. Diese Erwartung wird nicht eingelöst; die Stücke plätschern kraftvoll, aber überraschungsarm vor sich her, der AhaEffekt bleibt einfach aus, das Interesse sinkt stetig. Ein stimmiger Ansatz, aber etwas unausgereift. Konstantin Hanke
OKIE DOKIE
NOBUNNY
Circle Pits, Pogo und Konfetti CD | myspace.com/otthc | 17:57 || „Wir sind OVER THE TOP, guten Abend! Wir haben uns lange genug die ganze Scheiße angeguckt, und eingesteckt, heute wird ausgeteilt, gib’s ihnen, Manu!“ Manu, der Drummer, lässt sich nicht lange bitten und dann hauen OTT in knapp 18 Minuten insgesamt 17 Tracks raus: Thrashcore’n’more, Geballer vom Feinsten mit deutschen Texten, die Sänger Lou Paloma mal screamt, mal growlt, live gerne im Affenkostüm. Die vier Jungs aus Münster haben unverkennbar Spaß daran zu provozieren, wundern sich auch oft, wie leicht das ist, und müssen’s gleich wieder übertreiben: „Alle hassen uns!“ Ansonsten geht es in ihren Texten um alles, was die Hardcore-Betty von heute so bewegt: „Die Oliver Geissen Show“, die unfreundlichen Leute vom „AZ Mühlheim“, der „Call Center Spast“, „Menschen, die alle Fotos überarbeiten, weil sie die hässliche Realität nicht ertragen“ – sie all können kacken gehen. „Circle Pits, Pogo und Konfetti“, das bringt eine OVER THE TOP-Show auf den Punkt, das kann ich euch versichern, auch wenn die CD im Studio
Raw Romance MC | Burger | burgerrecords.com || Ein Tape? Ja, richtig gelesen! Um das hier abzuspielen, braucht ihr keinen CD-Player oder beschissenen iPod. Nein, ihr braucht einen Kassettenrekorder! In Zeiten, da wohl nur noch zwielichtige Typen wie Osama Bin Laden Tonbänder aufnehmen, bringt also auch das bekloppte Karnickel aus den USA ein selbiges heraus. Eins davon hat NOBUNNY mir auf der im Frühsommer absolvierten (grandiosen) Tour zugesteckt und ich schlackere jetzt noch vor Dankbarkeit mit den Ohren. Zwölf Stücke sind drauf und mit einer guten halben Stunde Spielzeit werte ich dieses Tape auch als vollwertiges zweites Album. Zwei Überschneidungen gibt es zum Debüt „Love Visions“ (allerdings in anderen Versionen), dazu drei Coversongs und einen verschollenen Vinyltrack, nebst massig tollen neuen Eigenkompositionen. Das Ganze hört sich ein wenig anders an, als auf dem Debütalbum – in etwas so, als würde eine Punkrock-Clique beim entspannten Rumhängen auf Akustikgitarren Popsongs
s/t MCD | Aagoo | aagoo.com | 14:23 || Drei Typen und ein Drumcomputer hauen acht Songs in vierzehn Minuten raus und klingen, als würde der MOORAT FINGERSSänger von einer Garagenversion von MINISTRY begleitet und dunkle kryptische Beschwörungen murmeln. Der Bass ist fies, die Gitarre sägt, Gift und Galle werden gespuckt, Geballer und Bedrohlichkeit wechseln sich ab, und wer viel Fantasie hat, kann sich stellenweise vielleicht sogar vorstellen, zu dem monotonen Beat zu tanzen. Eine effektive, manische Platte, die sicherlich auch von ihrer Kürze profitiert. OKIE DOKIE würden hervorragend ins Vorprogramm der französischen VOLT passen. (7) Alex Strucken
OVER THE TOP
Articles CD | Visible Noise | visiblenoise.com | 32:47 || Was für eine Bombe! Das Album „Articles“ der vier Engländer OUTCRY COLLECTIVE schlägt ein wie ein Luft-BodenGeschoss. Nach der ersten EP „Pay View Love“ von 2007, die gute Kritiken bekam und von der englischen Musikpresse stark gehypet wurde, gibt es hier das Debüt. Und dieses bietet zehn Mal eine garstige Mischung aus biestigem Hardcore und nach vorne gerichtetem Rock’n’Roll, der an EVERY TIME I DIE und an THE BRONX erinnert. Nur dass ihr Härtegrad wesentlich höher und die Musik wesentlich härter ist als bei zweitgenannter Referenz. Dreckig ist hier ein gutes Stichwort. Denn das Album ist in einem umgebauten Schweinestall entstanden, den die Band zu einem Studiokomplex umgearbeitet hat, in dem sie für zwei Monate gelebt, geprobt, geschrieben und aufgenommen hat. Sogar diverse ergänzende Instrumente, wie einen Akustikbass oder Percussion, wurden von Freunden ausgeliehen, um die Stilvielfalt zu erhöhen, die bei einer halben Stunde Arschtritt sehr gut tut. Hier macht jeder das, was er am Besten kann: Der Bassist basst, der Drummer drummt, der Gitarrist gitarrt und der Sänger singt (und grölt und schreit). Das Resultat ist umwerfend! (9) Arndt Aldenhoven Empire State CD | Countdown | countdownrecords.com | 34:04 || „Empire State“ wurde zwar 2008 aufgenommen, klingt aber wie aus den 80er Jahren, als sich NYHC gerade in seiner ersten Blüte befand, und das meine ich positiv. OLDE YORK werden das gerne hören, schließlich sieht sich die Band in der Tradition von Größen wie WARZONE, AGNOSTIC FRONT und JUDGE und macht daraus einen actionreichen NYHC-Mix, der durchweg zu gefallen weiß. Offensichtlich hat sich das Bandkarussell aber schon während der Aufnahmen zum Album gedreht, so dass die Stelle am Bass inzwischen neu besetzt ist. Wollen wir hoffen, dass das erstmal der einzige Wechsel innerhalb des Bandgefüges bleibt, damit die Jungs weiterhin die Oldschool-Fahne hochhalten können. Bin gespannt, was da demnächst noch kommt. (7) Tobias Ernst See What’s Hidden CD | Radiogram | myspace.com/radiogramrecords | 36:07 || Pierre Omer kennt man eventuell noch als Mitglied der leider nicht mehr existenten DEAD BROTHERS, allerdings musste ich dafür auch erst mal einen Blick ins Info werfen. Wer bei Omer allerdings eine Fortführung von deren skurrilen Todesballaden erwartet, wird eventuell etwas enttäuscht sein. Denn „See What’s Hidden“ ist eine recht konventionelle Singer/Songwriter-Platte geworden, atmosphärisch und angenehm düster, wozu auch die spartanische, aber einfallsreiche Instrumentierung passt, nur ist das alles andere als revolutionär. Qualitativ gibt es an „See What’s Hidden“ nichts auszusetzen, Omer weiß, was er tut, nur hinterlässt seine Platte nicht allzu viel Eindruck, da fehlt es ihm einfach an der Exzentrizität seiner alten Band oder der der TINDERSTICKS, an die hier vieles erinnert. Eine schöne halbe Stunde kann man dennoch mit „See What’s Hidden“ haben. (7) Thomas Kerpen
ONE MORNING LEFT
Panda Loves Penguin CD | Swell Creek | swellcreek.de | 30:47 || Und noch eine Runde Screamo mit Elektro-Bauteilen – ist das jetzt Post-Screamo oder schon Post-Post-Screamo? Der Gesang ist größtenteils unerträglich weinerlich, und was so kitschige Synthie-Sounds wie in „BD_l3ftoverz!“ (das ist tatsächlich der Songtitel) sollen, muss mir echt mal jemand erklären. Generell wirkt das ganze Album ziemlich zusammenhanglos, hier finden (zu) viele Elemente zu keiner Einheit zusammen. In guten Momenten erinnern ONE MORNING LEFT an eine Metal-Band, in schlechten glaubt man, dass einem der Kopf platzt. Für mich ist das Teeniemusik und ich finde, es gibt jetzt genug von diesen Bands. (4) Nadine Maas
ONE WIN CHOICE / FATHER AND GUN
Split CD | Swell Creek/Superhero/Soul Food | swellcreek. de || Für gewöhnlich sind die meisten Split-CDs mit zwei bis vier Songs einer Band ausgestattet, bei dieser gibt es gleich sieben Songs jeder Band zu hören. Den Anfang machen ONE WIN CHOICE aus Ocean County, New Jersey, die mit dem furiosen „Bury them“ direkt ein kleines Feuerwerk entfachen. Politisch motivierter Melodic Punk/ HC, der nicht nur Parallelen zu STRIKE ANYWHERE aufweist, sondern auch aufgrund der rauhen Vocals an HOT WATER MUSIC erinnert. Ab Lied acht nehmen FATHER AND GUN aus Graz, Österreich das Mikro in die Hand und liefern ebenfalls politischen HC ab, der generell etwas weniger Melodie, dafür mehr „alte Schule“ bietet. Insgesamt sind beide Beiträge durchaus sympathisch. (7/6) Tim Masson
OUR SURVIVAL DEPENDS ON US
Painful Stories Told With A Passion For Life CD | PsycheDOOMelic | psychedoomelic.com | 40:18 || Verdammt, woher kenne ich diese großartige Stimme? Aha, den Vorgänger von O.S.D.O.U. habe ich 2005 schon abgefeiert, aber dann verdrängt. Nun sind die Salzburger Herren zurück und lassen mich ob obigen Fauxpas’ im Boden versinken. Denn erneut gibt es hier 1A Sludge im Gefolge von NEUROSIS und Artverwandten wie den völlig unterbewerteten DEADBIRD auf die Ohren, der aber nur die finstere Stimmung Erstgenannter transportiert, ohne sie zu kopieren. Vielmehr reduzieren O.S.D.O.U. deren brutalen Momente und unfassbare Schwere auf den Kern, erweitern sie mit wenigen, aber effektiven ruhigen Parts und hypnotischen Gesängen, lassen sich zu einem brillantem Stück Songwriter-Dooms namens „Angel Ranger“ hinreißen, um das Gesamtkunstwerk mit einer Collage abzuschließen, die das Gedicht „The Creation“ von James Weldon Johnson vertont, seines Zeichens einer der ersten schwarzen Bürgerrechtler Amerikas. Outstanding, wie der Engländer sagen würde. (9) Dr. Oliver Fröhlich
PACK OF WOLVES
Intimacy Is A Serious Cancer MCD | Rat | myspace.com/thedesperatewolves | 21:17 || Googlet man den Bandnamen, stößt man auf
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kalifornischen Elektropop, Metalcore-Geböller aus Texas und eben diese vier Jungs aus Graz, die hier, obwohl unter widrigen Umständen aufgenommen (Angina des Sängers, unbeheiztes Studio etc.), ein äußert beeindruckendes Debüt abgeben: Erdig-dreckiger Rock’n’Roll gibt druckvoll brachialen Hardcore-Passagen die Klinke in die Hand, facettenreicher Gesang wechselt mit intensivem Geshoute, lässt gerne auch Sprechparts zu. Die Wut ist immer im Bauch, der Druck im Nacken, Intensität, Kraft, Energie über allem stehend. Mehr davon! (8) H.C. Roth
ppp PAN AMERICAN
White Bird Release CD | Kranky/Cargo | kranky.net | 51:02 || Schon komisch, da bespricht man vor Urzeiten das Debüt einer „Band“ und dann läuft die weitere Karriere völlig an einem vorbei, sieht man mal von einem Rerelease von LABRAFORD ab, wo Mark Nelson zuvor aktiv war. Deren eleganten Ambientklänge führte Nelson 1998 mit PAN AMERICAN weiter und hat mit „White Bird Release“ inzwischen sein sechstes Album veröffentlicht. Die große Frage bei so reduzierten Klängen (trotz ein wenig Gesang) lautet natürlich: Wie halte ich so was gleichbleibend spannend? Nelson gelingt das erneut durch unterschwellige Einflüsse von Dub, wobei man kaum von wirklicher Rhythmik sprechen kann, eher von einem gut spürbaren Pulsieren, das den Stücken aber die nötigen Konturen verleiht. Hinzu kommen verfremdete Gitarrensounds – wie sie sich auch auf Robert Fripps Ambientplatten finden lassen –, was ausreicht, um „White Bird Release“ zu einer äußerst atmosphärischen, überraschend emotionalen Vertonung von Stille werden zu lassen, entspannend, aber nicht unaufregend und vor allem niemals austauschbar. Ein ästhetischer Hochgenuss und beseelt von einer abstrakten Form von Schönheit, die man nur auf ganz wenigen Ambientplatten in dieser Güte zu hören bekommt. (8) Thomas Kerpen
PORTUGAL. THE MAN
The Satanic Satanist CD | Defiance/Cargo | defiancerecords.de || Und täglich, äh, jährlich grüßt das Murmeltier aus Alaska. PORTUGAL. THE MAN waren auch im letzten Jahr nach „Censored Colours“ nicht untätig und arbeiteten weiter an ihrem Ruf, die wohl fleißigste Band der Welt zu sein. Gut, dass einen dabei zu keiner Zeit das Gefühl beschleicht, dass die Quantität einfach mal die Qualität ausgeknockt hat. Mit „The Satanic Satanist“ macht man sich nun daran, die alten Fans wieder zu mobilisieren, denn auf dem Album geht die Band so weit wie nie zuvor und holt einen trotzdem immer wieder ab, ohne zu überfordern. Natürlich sind die letzten beiden Alben nicht ganz spurlos an der Band vorbeigegangen und natürlich klingt irgendwo noch der eine oder andere Gospelteil durch, aber unterm Strich ist das Projekt Selbstfindung gelungen – zu sicherlich vieler Leute Zufriedenheit. Aber PORTUGAL. THE MAN wären nicht sie selbst, wenn sie auch auf diesem Album nicht ihre eigenen Grenzen ausweiten würden: So klingen hier zum ersten Mal elektronische Sounds durch, die die Musik der Band zwar bereichern, aber nicht bestimmen. Und allein für das irre Coverdesign inklusive Bastelspaß gehören die mittlerweile vier Amerikaner in höchsten Tönen gelobt. (9) Sebastian Wahle
PARAQUAT
Goodbye Fairground CD | paraquat.de | 41:46 || Nanu? Eine Reunion? Bisher unentdecktes Material von FARAQUET? Nein, nur verlesen. Bei PARAQUAT handelt es sich vielmehr um eine junge Band aus Essen und Bochum. Aber auch ohne besonders groß rumzumurksen lassen sich doch Parallelen zwischen beiden Bands finden: In den zwölf Songs pflegt die Band aus dem Ruhrpott einen Stil, der einem für gewöhnlich die Buchstaben D.C. ins Gedächtnis ruft, und somit stimmen nun wenigstens tatsächliche und geistige Heimat überein. Ähnliches haben zum Beispiel SUBROSA FALCON ASSOCIATION auch schon vollbracht, allerdings mit mehr Dampf. PARAQUAT gehen zwar etwas behäbiger zu Werke, leisten sich aber immerhin drei Gitarristen, was das Album zu einer wunderbar lärmigen Angelegenheit macht. Einzelne Holprigkeiten hat selbst Guido Lucas nicht ausbügeln können – der hat nämlich produziert. Aber das ist egal, solange sich das Sextett auf seine Stärken besinnt, und die liegen eindeutig in den melodiösen Stücken. „Above stairs“ und „Unfinished business“ stechen heraus aus einem nicht überragenden, aber gelungenen Album. (6) Christian Meiners
PETTY THEFTS
Smoke & Mirrors CD | Klangbad/Broken silence | klangbad.de | 37:17 || Die Wurzeln der PETTY THEFTS liegen in der süddeutschen Provinz, wo die beiden Frontmänner Andrew McGinn und Frank Wegling 2002 die Band gründeten. Bis heute sind sie auf sechs feste Musiker angewachsen, und „Smoke & Mirror“ ist nun ihr Debütalbum. Es empfängt den Hörer von Beginn an ein Schwall von Gitarren, wobei ihr Vorbild das 2007er „Black And White Album“ der HIVES gewesen sein dürfte, aus den letzten vierzig Jahren Musikgeschichte zu zitieren. Doch hierfür scheint die Band noch nicht genug zusammengefunden zu haben. Zu viel Gitarre, zu schnelle Tempowechsel, zu viel Kraft: Schlicht überfordernd. Auch wenn die PETTY THEFTS den Anspruch haben, dass „ein gewisser Grundlärm“ immer vorhanden ist, lässt sich ein Album nur hervorbringen, wenn man den Gegenpart zu dem Lärm findet: bedächtige Ruhe, Gemächlichkeit, schlichte Instrumentierung – dies alles sollte der Produzent Hans-Joachim Irmler von FAUST besser wissen. Jedoch als Medley aus den letzten zehn Jahren Britpop, Pop-Balladen und dreckigen Rock wäre „Smoke & Mirror“ unschlagbar. (7) Katrin Schneider
FRANK POPP
Receiver CD | TV Eye | tv-eye.de | 49:03 || Ob Frank Popp wohl den Tag verflucht, an dem ihm „Hip teens don’t wear blue jeans“ einfiel? Mit Sicherheit immer dann, wenn „die Presse“ seinen Namen nur mit jenem Überhit aus dem Jahre 2001 in Verbindung bringt. Und ein ganzes Stück weniger, wenn er sich die sicher immer noch stattlichen Lizenzabrechnungen anschaut. Und trotz penetranter Dauerabnudelung bei diversen Radiosendern ist der Song ja wirklich ein augenzwinkerndes Modestatement eines alten Mods und Soul-Fans, der als DJ zwischen aktuellem Indiepop und obskuren Sixties-Singles hinter den Turntables und dem Mischpult zu Hause ist. Der hat nun mit „Receiver“ nach vier Jahren einen Nachfolger zu „Touch And Go“ veröffentlicht, nur als Frank Popp, nichts als FRANK POPP ENSEMBLE, und wer immer hier nach dem nächsten dicken Radiohit sucht, der sucht vergeblich.
Popp, so macht es den Eindruck, hat sich dahin zurückgezogen, wo er herkommt, und ein völlig unaufdringliches, auf dicke Pop-Produktions-Hose verzichtendes IndieGarage-Album mit dezent souliger Note fabriziert, dem man zwar seine Handschrift deutlich anmerkt, das aber auch anmutet, als hätte es in England in den Neunzigern entstanden sein können, als OASIS und BLUR sich medial bekriegten. Sam Leigh-Brown singt, das ist die markante rote Linie zu den alten Releases, „Burn the bridges“, der Opener, ist ein echter kleiner Hit, und so hat „Receiver“ das Zeug dazu, unter Kennern zumindest ein Achtungserfolg zu werden. (7) Joachim Hiller
PLANAR EVIL
Mankind Way Of Life CD | MDD | mdd-shop.de | 51:42 || Thrash ist sowas von back, das glaubt man gar nicht. Und auch wenn aus jeder Ecke ein neuer Act Riffs in den Äther furzt, die auch schon vor zwei Dekaden von Headbangern auf der ganzen Welt abgefeiert wurden muss man aber anerkennen, dass „The New Wave Of International Thrash Metal“ auf höchstem technischen Niveau abläuft. Bands wie MUNICIPAL WASTE, TOXIC HOLOCAUST und wie sie nicht alle heißen, haben ihre Semesterarbeiten geschrieben und wissen, wie es geht, wie es zu klingen hat. So auch die vier Italiener PLANAR EVIL, die dem Achtziger-Thrash ergeben sind und irgendwo zwischen ANTHRAX und FORBIDDEN ihre Platte ins Regal stellen dürfen. Das Debüt „Mankind Way Of Life“ kann man sich gut anhören, aber bei der momentanen Welle von Thrash-Bands werden sie sich aufgrund des fehlenden Etwas nicht durchsetzen können. (6) Arndt Aldenhoven
JULIAN PLENTI
... Is Skyscraper CD | Matador | matadorrecords.com | 37:46 || Der Popkulturchecker weiß natürlich Bescheid: Hinter dem Pseudonym Julian Plenti verbirgt sich INTERPOL-Frontmann Paul Banks, aber da das ja ansonsten niemand weiß (pssst, nicht weitersagen), spielt dieser Faktor bei der Bewertung dieser Platte auch keine Rolle. Spielt er tatsächlich nicht, denn außer dass manchen Leuten dadurch vielleicht das Gutfinden leichter gemacht wird, hört man hier nichts von Postpunk oder JOY DIVISION. Stattdessen gibt es dick aufgetragenen barocken Orchesterpop, der auch mal nach normalem Indierock klingen kann, aber generell die psychedelische Überspanntheit der FLAMING LIPS anpeilt. Banks, äh Plenti wirkt dabei gleichermaßen faszinierend wie nervig, denn die wirklich nicht wenigen brillanten Momente werden dadurch beschädigt, dass die Platte eine unangenehme Künstlichkeit und ein songwriterisches Strebertum vermittelt, die ein bisschen echte Seele vermissen lassen. Ein zwiespältiges Vergnügen, dennoch versteht es Banks immer wieder gekonnt, einen mit eingängigen Songideen zu packen. (7) Thomas Kerpen
PNS / SOCIETYS PARASITES
Split CD | Papagájuv Hlasatel | phr.cz | 23:19 || Aus Prag kommen P.N.S., die hier sechs Mal mit der Crustkeule um sich schlagen und keine Gefangenen machen. Das Quintett ist seit 1998 aktiv und produziert wirres, krankes Zeug. Stand hier mal etwas Monumentales, hinterlassen PNS nach diesen Attacken lediglich Rauchschwaden. Dagegen wirken die L.A.-Gutterpunks SOCIETYS PARASITES im ersten direkten Vergleich wie Chorknaben. Hier geht’s zehn Mal kerzengerade durch die Mitte mit ewig eintönig keifenden Vocals. Crustpunks united, wenngleich die Tschechen hier den besseren Eindruck bei mir hinterlassen. (6) Simon Brunner
POOLSTAR
schon vorher gab. Für alle die, die von so etwas nicht genug bekommen können, ist „Dead Storm“ dennoch besser als Zweidrittel dessen, was sonst so abseits Spitzen des Genres veröffentlicht wird. (6) Andreas Kuhlmann
PROCESS
Vultures Of Human Decay MCD | Ampire/Radar Music | ampire-records.com | 17:39 || Nach eigenem Empfinden ist es nach der Auflösung der übermächtigen REFUSED in Sachen HC „Made in Sweden“ leider etwas ruhig geworden. So ist es umso erfreulicher, dass sich gerade in den letzen Jahren wieder einige hoffnungsvolle HC-Acts aus Schweden zurückmelden, wie THE PROCESS. Mit erdigem, leicht dreckigen Endzeitstimmungssound, der auch einer StonerRock-Platte entsprungen sein könnte, walzen THE PROCESS in bester CURSED- oder TRAP THEM-Manier durch ihre 6-Song-Debüt-EP. Und bevor ich mich beim Album zu einer höheren Bewertung hinreißen lasse, gibt es hierfür erstmal nur eine (7) Tim Masson
PUSSYWARMERS
My Pussy Belongs To Daddy CD | Voodoo Rhythm | voodoorhythm.com | 33:51 || Direkt in den ersten paar Zeilen des Infos taucht der Name DEAD BROTHERS auf und damit ist eigentlich schon eine Menge über „My Pussy Belongs To Daddy“ gesagt. Nicht nur, dass die PUSSYWARMERS erklärte Fans ihrer Landmänner sind und ein „toter Bruder“ hier stellenweise die Blasinstrumente bedient, auch ihre Herangehensweise an Musik ist ähnlich wie bei den verrückten Schweizern: GipsyMusik, Jazz, Blues, Chanson, die 20er Jahre, gespielt in einer rein akustischen Instrumentierung aus Banjo, Bläsern, Akkordeon und Kontrabass, dazu Texte auf Deutsch, Englisch und Französisch, nicht selten durch ein Megafon eingesungen. Am besten gefallen sie mir, wenn es melancholisch wird, wie etwa bei dem deutschen „Dounats“ oder bei „Ashes“, das etwas an Geoff Berners Klezmer-Songs erinnert. Da die PUSSYWARMERS mit viel Spaß bei der Sache sind, ist ihr Debüt sicher mehr als ein bloßer Abklatsch, wenn auch sie an die Klasse und Kreativität ihrer offensichtlichen Vorbilder nicht ganz heranreichen. (7) Alex Strucken
QQQ QUEST FOR FIRE
s/t CD | Tee Pee/Cargo | teepeerecords.com | 43:11 || Wesentlich stereotyper als ihre Labelmates ASSEMBLE HEAD IN SUNBURST SOUND sind die Kanadier QUEST FOR FIRE auf ihrem Debüt unterwegs, deren Vorliebe für 60s Psychedelic Rock und KYUSS nicht zu überhören ist. Auch das Tempo ist hier deutlich träger, was QUEST FOR FIRE oft wie die Doom-Version von PINK FLOYD klingen lässt. Und auch den einen oder anderen Gitarrenriff hat man schon mal irgendwo gehört. Schlecht macht das die Platte aber nicht, denn QUEST FOR FIRE verstehen sich auf einen äußerst druckvollen, intensiven Sound, der songwriterisch zwar weniger sophisticated ist, aber dessen brutale Direktheit in jedem Fall begeistern kann. Kleine melodische Einschübe gibt es innerhalb dieser voluminösen Riff-
zelebration auch immer wieder, die etwa dem achtminütigen, sich langsam dahin wälzenden Song „The hawk that hunts the walking“ eine bizarre Popmusik-Qualität verleiht, wenn auch nur kurz. Da können mir die QUEENS OF THE STONE AGE oder anderes Stoner-Kroppzeug wirklich gestohlen bleiben ... (8) Thomas Kerpen
QUIETING SYRUP
Songs About A Sick Boy CD | Lovitt | lovitt.com | 44:45 || Stephen Howard agierte bisher meist im Hintergrund seiner Bands, dafür aber um so fleißiger. Bei den fantastischen DENALI und in den von Capitol Records gedroppten AMBULETTE spielte er Bass, in PINEBENDER, der langsamsten Band Chicagos, bewältigte er die selbe Aufgabe. Jetzt ist er als Solokünstler unterwegs und arbeitet seine gesundheitlichen Probleme anhand dieses Albums auf. Lieder über Pillen, den Ruf nach der Nachtschwester und darüber, wie es sich wohl anfühlen mag zu sterben, prägen das Bild. Stilistisch ähnelt Howards Debüt David Bazans PEDRO THE LION, denn die zehn Lieder auf „Songs About A Sick Boy“ sind traurig, minimalistisch und wunderschön zugleich. (8) Thomas Eberhardt
RRR REACHING HAND
Treshold MCD | Chorus Of One | chorusofonerecords.it | 9:16 || Die Relevanzprüfung zuerst: Würde ich von REACHING HAND irgendetwas auf ein Mixtape packen? Vielleicht, irgendwo bei IN MY EYES und Co. Aber dass ich die Amerikaner auf ein Mixtape gepackt habe, ist auch schon ein paar Jährchen her, diese Art von Musik funktioniert für mich nur noch live. Das Ganze ist zwar nett gemacht, berührt mich aber kaum. (5) Katrin Haze
REDBANNER
Una Altra Història CD | KOB/Mad Butcher | kobrecords.com | 51:54 || Dass die katalanischen REDBANNER eine dezidiert politische Band sind, kann selbst der Laie vom Namen her ableiten. So weit, so gut. Und eine interessante Idee war es mit Sicherheit, als viertes Album in zwölf Jahren Bandgeschichte, ein Konzeptalbum zu machen, bei dem jedem Titel eine Jahreszahl zugeordnet ist, dem jeweils thematisierten regional- beziehungsweise weltgeschichtlichen Ereignis entsprechend: Sei es 1492 und „La conquesta del paradis“, der Spanische Bürgerkrieg in gleich zwei Songs, 1936 „La primavera del terror“ und 1938 „Quan miràvem el cel“, oder der Vietnamkrieg in „Xarop Vietnamita“ 1958. Die Geschichtsstudentin im mir findet die Idee zwar, wie gesagt, recht cool, aber der Musikfan in mir ist von so viel Politik und Geschichte auf einem Album einfach erschlagen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Album musikalisch über den Status der Mittelmäßigkeit leider nicht hinauskommt. Der eine oder andere Songs geht zwar ganz gut ins Ohr, doch insgesamt bleibt als Fazit der Eindruck: Netter Streetpunk, der aber über die Länge des Albums, immerhin knappe 52 Minuten, doch sehr eintönig wird. (5) Claudia Luck
ROCKFORMATION DISKOKUGEL
Zusammen dagegen CD | Ata Tak/Broken Silence | atatak.com || Kein WDR-Rockpalast der Welt wird sie je auf den Thron setzen. Egal. Wenn THE WHITESTBOY ALIVE Techno sind, dann ist die ROCKFORMATION DISKOKUGEL Punk. Egal. Wenn „Soul haben“ eine Krankheit ist, dann husten und niesen diese Jungs unaufhörlich im Proberaum. Das ist die Wahrheit. Aber dann immer diese ganzen Vergleiche mit ande-
4 CD | GOM/Rodrec/Cargo | rodrec.com | 40:21 || Rod von DIE ÄRZTE hat diese Band aus Berlin schon mal von sich überzeugt. Der Sage nach hat nämlich genau der, nachdem er einem Konzert des Vierers beigewohnt hat, dafür gesorgt, dass POOLSTAR plötzlich bei Rodrec ein Album veröffentlichen und mit den mächtigen ÄRZTEn eine Tour bestreiten dürfen. Dort haben sie nun eine wunderbare Gelegenheit, auch den Rest der Welt auf ihre Seite zu ziehen. Das sind schon mal nicht die schlechtesten Voraussetzungen, weitere gute Argumente liefert das sinnigerweise mit „4“ betitelte dritte Album. 13 flotte, rotzige Punkrocknummern hat es zu bieten, irgendwo zwischen GREEN DAY, BEATSTEAKS und Alltagsrock.Von allein hätte es vermutlich nicht für die ganz große Bühne gereicht, mal schauen, wie weit es die Band mit dem prominenten Anschieber bringt. (6) Christian Meiners Auf der Ox-CD zu hören.
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Hope Freaks CD | Skin Graft | skingraftrecords.com | 21:31 || Mit dem zweiten Release auf Skin Graft jagen Sängerin Akiko „Exceedingly Good Keex“ Matsuura, mit ihrer herrlich morbiden Stimme und der Rest ihrer Bande die MELTBANANAs und AIDS WOLFs dieser Erde in knapp 22 Minuten durch die Noise-Landschaft, dass es nur so scheppert. Dabei wird nicht am Ohrwurmmaterial gespart, viele der Songs bleiben unmittelbar im Gedächtnis haften. Aufgenommen wurde dieses Werk von Steve Albini (SHELLAC) in den Electrical Audio Studios zu Chicago, gemastert von Weasel Walter.(FLYING LUTTENBACHERS). (8) JeNnY Kracht
PRINCES CHAMEAUX
Magic Cirkus CD | Further Music/Harmonia Mundi | princeschameux.com | 53:04 || Ein Sommerabend auf der Terrasse der Lieblingsbar, eine Flasche Wein vor sich auf dem Tisch und Musik von PRINCES CHAMEAUX: Dies sei das perfekte Bild, in das das Trio aus Paris passen könnte. Seit knapp fünf Jahren ziehen die attraktiven Franzosen mit Gitarre, Bass, Akkordeon und Banjo durch die Lande und arbeiten an ihrem Ruf als anständige Live-Band. Ihr Stil schwankt zwischen Folk und Ska, verbunden mit einer starken Betonung des französischen Chansongesangs. Auf dem Album findet man wenig Überraschendes, genau die Musik eben, die man ich abends in einer Bar anhört und anschaut, dann den drei Franzosen nett zulächelt und sich über den Moment freut. (6) Katrin Schneider
PSYKE PROJECT
Dead Storm CD | Lifeforce | lifeforcerecords.com | 52:14 || Verrückt, wie viele gute Alben man veröffentlichen kann, ohne dass sonderlich viele Menschen davon Kenntnis nehmen. THE PSYKE PROJECT aus Dänemark sind mit „Dead Storm“ jetzt immerhin bei Nummer drei – und werden damit vermutlich auch nicht den Durchbruch schaffen. Was nicht an der Qualität liegt, der Postcore/MetalMischmasch der Band wird auf einem hohen Niveau dargeboten. Das Problem ist eher, dass es kaum ein Riff oder eine sonstige Idee auf „Dead Storm“ gibt, die man nicht irgendwo schon einmal gehört zu haben meint, bei CULT OF LUNA oder frühen MASTODON etwa. THE PSYKE PROJECT sind einfach eine Band aus der zweiten Reihe, daran können selbst erstklassige Songs wie „Stockholm bloodbath“ nichts ändern, weil es die so ähnlich eben
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ren Bands, diese analytischen Blicke auf Alben wie dieses, die Herumrederei über Texte und Arrangements, das alles kann uns mal. Das haben wir ein paar Alben lang durchexerziert und sind durch damit. Das lässt sich bei Google nachlesen. Was nun tun ... tja: Wir hören die Diskokugeln, bleiben zeitlos, statt rückwärts gewandt, und freuen uns, dass sie nicht aufhören, so gut und frisch zu sein und zu klingen. Aus ganzem Herzen auf iPods scheißen, Cooles hinterfragen, Doofes als solches entlarven. Hier liegen Musik und Menschen vor, die von der Sache her Texte wie diesen gar nicht nötig haben. Also halten wir an dieser Stelle einfach inne und diese Band weiterhin in Ehren – und im Ohr. Jörkk Mechenbier
JAY REATARD
Watch Me Fall CD | Matador | matadorrecords.com | 32:15 || „Watch Me Fall“, hehe. Ein Titel, den man durchaus als trotzigen Seitenhieb an all die Talentsucher mit ihren Hype-o-Metern interpretieren könnte. Ich würde es gerne so sehen. Und bin gespannt auf all die Reviewer, die von „Watch Me Fall“ als dem „ersten offiziellen Soloalbum“ sprechen, dabei mal eben das gnadenlos gute „Blood Visions“ übersehen und die REATARDS oder LOST SOUNDS einfach nur vom Hörensagen kennen und deshalb die Falschinfos zitieren, die der deutsche Matador-Ableger ignoranterweise verbreitet – zum Kotzen, wie die Musik-Maschinerie manchmal funktioniert und dabei offenbart, wie wenig sich viele ihrer Mitspieler eigentlich tatsächlich für Musik zu interessieren scheinen. Doch jetzt mal zum Album, bevor ich in meiner Tirade keinen Punkt finde: Herr Reatard macht natürlich wieder alles richtig und geht seinen seit „Blood Visions“ eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Auf „Watch Me Fall“ gibt’s Wave, Punk und etwas mehr Pop mit immer noch schön blechernen Drums und öfter mal cleanen Gitarren. Zwischen den Songs funkeln eine Menge Perlen und Jay ist wohl immer noch nicht der glücklichste Mensch unter der Sonne. Das sollte für Fans reichen, die wissen, wovon ich rede. Der trendige Indiemag-Leser von heute wird das Album eh auf dem iPod haben, und wenn der mich schon mal kann, dann erst recht der Rest. (9) Alex Strucken
RUSSIAN ROULETTES
R’n’R CD | Off The Hip | offthehip.com.au | 39:46 || Obwohl es gar nicht mal erwiesen ist, dass wirklich Offiziere der zaristischen russischen Armee dieses beliebte Spiel erfunden haben, ist der Name dennoch geblieben. Mein erster Kontakt mit diesem „Spiel“ fand mittels „The Deer Hunter“ statt, wo in Vietnam gefangene US-Soldaten von ihren Bewachern dazu gezwungen werden – eine extrem fiese Szene. Da ist der Kontakt mit RUSSIAN ROULETTES und deren Debütalbum „R’n’R“ doch wesentlich angenehmer, gibt es hier doch ganz reduzier-
ten, basalen angepunkten Garage-Rock’n’Roll der rumpligen Sorte. Und mag auch der Bandname unbekannt sein, der Kopf der Band, Sänger und Gitarrist Sam Agostino, ist es nicht: Der Kerl war in den letzten Jahren fast pausenlos auf Tour, spielte bei DIGGER AND THE PUSSYCATS, KAMIKAZE TRIO, THE GO SET, THE SPECIMENS und noch ein paar anderen Bands – mir scheint, der ist nicht glücklich, wenn er nicht auf der Bühne oder im Studio steht. Aktuellster Output ist nun das Debüt seiner eigenen Band RUSSIAN ROULETTES, und angesichts der Tatsache, dass ich kürzlich GORIES und OBLIVIANS im Doppelpack live erleben durfte, wage ich zu behaupten, dass dieses Trio aus Melbourne, Australien sich im Vorprogramm sehr gut gemacht hätte. Eher groovig als trashig, nicht so teenietrashig, wie erwartet, ist „R’n’R“ ein so simples wie erwachsenes Album, das sich aber nicht wirklich von der Masse abhebt. (7) Joachim Hiller
REIGN SUPREME
Testing The Limits Of Infinite CD | Deathwish | deathwishinc.com | 36:24 || REIGN SUPREME aus Philadelphia veröffentlichen mit „Testing The Limits Of Infinite“ via Deathwish ihr erstes vollständiges Album und das hat es wirklich in sich. Brachial-metallischer Hardcore, der sämtlichen anderen qualitativ hochwertigen Bands auf Deathwish in nichts nachsteht. Mit allem, was dazugehört, wie die üblichen, jedoch hier keinesfalls nervigen Gangshouts, massiven Breakdowns und flott-thrashigen Riffs walzen sich die Jungs durch insgesamt 13 Songs, die dennoch bei weitem nicht so prollig rüberkommen wie bei manch anderen Genrekollegen. Auch nach dem x-ten Durchlauf läuft das Album gut rein und neigt keinesfalls dazu, den Hörgenuss zu strapazieren, will heißen: zu nerven. Jake Bannon beweist also ein weiteres Mal Geschmackssicherheit, was die Auswahl seines Labelnachwuchses betrifft. (8) Jens Kirsch
RF7
Hatred On The Rise CD | Just 4 Fun | j4f.dk | 34:38 || RF7 gründeten sich schon 1979 in Los Angeles, und Felix Alanis (der seinerzeit das legendäre Smoke Seven-Label betrieb) und Nick Lamagna waren damals dabei und sind es noch heute. Doch während andere Bands der frühen südkalifornischen Hardcore-Punk-Szene heute „household names“ sind, die jeder kennt, blieben und sind RF7 eher ein wohlgehütetes Geheimnis und ein Fall für Archivare und Archäologen. Mich hat an der Band, als ich vor Jahren mittels ihrer Releases auf Grand Theft Audio mit ihnen in Kontakt kam, abgeschreckt, dass Gerüchte kursierten, die Felix eher dubiose religiöse Texte und konservative Einstellungen vorwarfen. Nun, was damals war, ist die eine Sache, aber die Texte, die sich im Booklet des neuen Albums finden, sind absolut unverdächtige, klassische PunkrockLyrics – in dieser Hinsicht kann also Entwarnung gegeben werden. Der vorliegende Release zum 30. Geburtstag ist aber eine ganz spezielle Angelegenheit: Die 19 Songs sind zwar alle neu, wurden aber unter Aufsicht von Produzent Earle Mankey von zwei verschiedenen Line-Ups eingespielt. Bei der einen Hälfte holten sich Nick und Felix ihre Bandkollegen aus den Achtzigern ins Studio, bei der anderen ist ihre aktuelle Band zu hören, und sowohl die einen wie die anderen schlagen sich wacker. RF7 sind auch
heute noch eine ernstzunehmende Größe mit ihrem rauhen, aggressiven CA-Punk und Proto-Hardcore, der angesichts von Felix’ gröliger Stimme aber auch immer wieder was von heutigen Streetpunk-Bands hat – nur dass in den Refrains kein „Oi! Oi! Oi!“ zu hören ist. Ein wirklich fesselndes Album, das aber intensiver Beschäftigung mit selbigem bedarf, denn der Eindruck, der bei flüchtigem Kontakt entsteht, wird RF nicht gerecht. (8) Joachim Hiller
RESEDA
When Life & Art Collide CD | Comet/Radar | radar-music.de | 41:22 || Manchmal bietet sich so eine Rezension geradezu an, um mal eine Grundsatzdiskussion zu führen. Warum ist eigentlich manche Popmusik populärer als andere? Warum kauft sich jeder zweite Idiot die neueste Single von SNOW PATROL, möchte aber von einer Band wie RESEDA nichts wissen? Ein Song wie „Meanstreets“ etwa ist reiner Zucker für verwöhnte Pop-Öhrchen, es ist eine Wonne. Muss erst eine große Firma kommen und den Leuten davon erzählen? Es scheint fast so. Vielleicht ist das aber in diesem Fall auch ganz gut so, denn RESEDA können sich deswegen eine gewisse Sperrigkeit bewahren, die den Durchschnittskonsumenten womöglich doch überfordern würde. Und weil die Band aus Schweden kommt, klaut sie nach Herzenslust bei Landsleuten wie LOGH oder TIGER LOU und braut ihr eigenes Süppchen daraus. Vertraute Klänge, ganz ohne Plagiatsverdacht; entspannt, aber nicht langweilig. Schönes Album! (7) Christian Meiners
RUMBLE CLUB
The Bad In Me CD | Wolverine | wolverine-records.de | 28:58 || Erst mit dem dritten Album (das Debüt kam 2005, die zweite Scheibe 2007) haben Jack Coray und sein RUMBLE CLUB den Sprung von Kentucky nach Europa geschafft – aber besser spät als nie, denn „The Bad In Me“ ist ein wirklich überzeugendes Punkabilly-Album. Coray gibt überzeugend den verschollenen Cousin von Brian Setzer und Johnny Cash, behauptet aber gar nicht, schon immer ein Rockabilly-Rebel gewesen zu sein: Seine Vergangenheit liegt im Punkrock, mit seiner alten Band BURIAL BENEFITS sammelte er entsprechende Erfahrung, und 2004 dann der Wechsel des Pferdes und der Eintritt in den „Rumble Club“. Der ist trotz Punk-Vergangenheit des Frontmanns eine eher klassische Angelegenheit, hat nichts mit modischem Horror-Punkabilly am Hut und ist dennoch keine Retro-Veranstaltung. Stattdessen schafft es Jack Coray mit seiner dunklen, prägnanten Stimme und einer Band, die den Standbass nicht zu sehr in den Vordergrund treten lässt, eine düstere Stimmung zu erzeugen, die den klassischen Sound smart in die Gegenwart transportiert. (7) Joachim Hiller Auf der Ox-CD zu hören.
RIPPERS
Seeds Of The New Dawn CD | Rock On | rockonmusic.net | 23:53 || Obacht, Verwechslungsgefahr: Diese RIPPERS kommen aus Spanien, nicht aus Italien, sind also nicht identisch mit den unter anderem auf Screaming Apple veröffentlichenden Garage-Punks. Die sind in Deutschland zwar bekannter, zuerst da waren aber wohl die Spanier, denn die gründeten
sich bereits 1995 in L’Arboc, Catalonia, nach dem Ende der SKULL BOYS. Inklusive des aktuellen Longplayers wurden bislang vier Alben veröffentlicht, aber da Konzerte eigentlich nur in Spanien gespielt werden, ist es mit der Bekanntheit außerhalb der iberischen Halbinsel nicht weit her. Was schade ist, denn neben MULETRAIN sind THE RIPPERS das Coolste, was Spanien in Sachen Punkrock zu bieten hat: Englischsprachiger, düsterer, druckvoller MidtempoSound mit offenkundiger Schwäche für WIPERS und ROCKET FROM THE CRYPT, und ich finde ja, mehr muss man da kaum noch sagen/schreiben. Oder doch? Frühe ROLLINS-Band kommen mir noch in den Sinn, oder GRAVEL – verdammt, die machen wirklich alles richtig, können auch mal einen Gang zurückschalten („Among the spiders“), und einzig die geringe Spielzeit (sind ja auch nur neun Songs) wäre zu kritisieren. Geheimtip! (8) Joachim Hiller
ROTTE CHORA
Zivilisolation CD | Sarkophon | myspace.com/rottechora || Eine ungewöhnliche Band, und das fängt schon beim Namen an: Man rätselt, aber keine Erkenntnis. Irgendwelche Hintergrundinfos? Spärlich. Die Band kommt aus Bremerhaven, geht bis ins Jahr 1990 zurück, ist in der aktuellen Besetzung aber seit 2002 aktiv. Eine Platte kam in den Neunzigern, eine weitere vor ein paar Jahren, und jetzt eben „Zivilisolation“, ein Album, das beim ersten Hören verwirrte, dann aber immer reizvoller wurde. Dass da gewisse Bezüge zum Punk vorhanden sind, ist klar, aber mir scheint, man hat es mit einer Band von eigenbrödlerischen Individualisten jenseits enger Szenegrenzen zu tun. So eine Band war einst auch DIE UNBEZAHLBAREN aus Kiel, an die sich wohl kaum noch jemand erinnert. Gesanglich ist ROTTE CHORA noch am ehesten zu packen: Jens Rachut ist da die klare Referenzmarke. Dazu etwas Biafra-Tremolo, eine waverockig flirrende Gitarre, sehr dezenter SynthieEinsatz – ein verblüffendes, höchst eigenwilliges Album für Menschen, die RAZZIA zu „Ausflug mit Franziska“-Zeiten schätzen, die DACKELBLUT et al. verehren. Ganz klar, hier sind ältere Herrschaften mit klaren Vorstellungen zugange, die sich ganz individuell verwirklichen wollen und nicht nach links und rechts schielen – der Stoff, aus dem mit etwas Glück Legenden werden. Hätte mir jemand die CD als Rerelease verschollener Aufnahmen aus den Achtzigern verkaufen wollen, ich wäre wohl darauf reingefallen – von der sehr guten Produktion mal abgesehen. Deshalb: Geheimtip! (8) Joachim Hiller Auf der Ox-CD zu hören.
RIKA / EVERTON
Split LP | Goddamn | goddamn-records.com || RIKA und EVERTON, das sind jeweils vier Österreicher, die sich dem Emo der 90er Jahre im Sinne von MINERAL, SUNNY DAY REAL ESTATE oder THE APPLESEED CAST verschrieben haben, den die recht jungen Mitglieder beider Bands wohl nicht selbst miterlebt haben dürften. Umso erstaunlicher, gelingt es EVERTON doch, diesem von vielen nicht zu Unrecht als recht langweilig bezeichneten Emo-Sound durch ihr interessantes Songwriting, ausreichend PopAppeal und den Gesang, der an frühe GET UP KIDS erinnert, um einiges aufregender als so manch etablierte
/SAmpLER & compILATIoNS V.A. Chaostage Original Motion Picture Soundtrack
CD | Nix Gut | nix-gut.de | 53:00 || Der Soundtrack zum „Chaostage“-Film, den ich noch nicht gesehen habe: Es kann durchaus sein, dass die Stücke toll zu den Szenen im Film passen. Ohne Film wirkt die CD sehr willkürlich zusammengestellt. Bands wie SLIME und STEAKKNIFE, TOXOPLASMA oder VAGEENAS liefern teils sehr gute Musik – vor allem aber Stücke, die man von anderen Platten her kennt. Eine CD, die meiner Ansicht nur ein Fan des Films braucht. Sonst aber keiner. (5) Klaus N. Frick
V.A. Half-Assed Chicago
LP | Johann’s Face | johannsface.com || Marc Ruvolo lebt schon sein halbes Leben in Chicago, ist der Kopf von DAS KAPITAL und von Johann’s Face Records und hat in den den letzten 15?, 20? Jahren so einige Bands kommen und gehen sehen. Anfang 2009 hat er dann einfach mal auf den Auslöser gedrückt und 16 von ihnen mit dieser LPCompilation auf grünem Vinyl verewigt. Mit dabei sind natürlich seine eigene Band, der famose M.O.T.O., SASS DRAGONS, SHOTBAKER, VACATION BIBLE SCHOOL, THE KRUNCHIES, THE ARRIVALS, THE YOLKS, THE CATBURGLARS, BREAD AND BOTTLE, die unglaublich großartig benannten THE HOUSE THAT GLORIA VANDERBILT und noch ein paar andere. Ein paar Bands kennt man, die meisten nicht, aber egal, Chicago und Marc Ruvolo bürgen für Qualität, für melodiösen, kickenden Punk aus einer aktiven Underground-Szene, die laut Marcs Einschätzung in den Linernotes sehr gesund ist. Und das trotz der „HalfAssed“-Mentalität, über die er sich ebenfalls auslässt. Der Chicagoer, so schreibt Marc, zeichne sich dadurch aus, dass er immer nur so viel arbeite, dass es gerade dafür reicht, das Nötige zu erledigen und nicht gefeuert zu werden – eben „half-assed“. Diese LP-Comp ist allerdings das Gegenteil: Liebevoll gemacht bis ins Detail, empfehlenswert für jeden, der auf Chicago-Punk steht. Aber beeilen: Es gibt nur 500 Stück! (8) Joachim Hiller
V.A. MySpace Playlist
2CD | Sony || Marketing aus Absurdistan: Der Vorteil von MySpace ist ganz unbestritten, dass man sich hier nach Belieben Bands anhören kann, ohne dafür zahlen zu müssen. Wenn nun Sony auf die glorreiche Idee kommt, eine MySpace-Compilation als Doppel-CD zu verkaufen, die dem Vermarkten der eigenen Bands dient und im Booklet Werbung für dieses coole, crazy neue Dingens namens MySpace macht, dann darf man sich schon fragen, wer sich das wozu ausgedacht hat. Ich behaupte mal, dass es niemand unter 30 gibt, der Bands wie KINGS OF LEON, PEACHES, THE GOSSIP, METRIC, GLASSVEGAS, WHITENIGHTS, KOOKS,VON BONDIES, MAXIMO PARK, PLACEBO, YEAH YEAH YEAHS, DEATH CAB FOR CUTIE, EAGLES OF DEATH METAL oder FOALS hört, aber nicht mit MySpace vertraut ist. Und der/die soll sich diese CD kaufen? Hm ... Das würde ja bedeuten, dass Sony nicht auf die Wirkung von MySpace, des Web 2.0 zu Werbezwecken für die eigenen Bands vertraut und stattdessen auf das altertümliche Modell des CD-Verkaufens setzt. Oder wie, oder was? Rätsel über Rätsel, aber eine Gewissheit: Diese Compilation braucht keiner. Joachim Hiller
V.A. Live Fast Die Drunk
CD | Live Fast Die Drunk | myspace.com/livefastdiedrunkrecords | 42:18 || Achtung, aufgrund des Titels nicht in Zusammenhang bringen mit den (mittlerweile aufgelösten) US-Trashpunks LIVEFASTDIE. Hier geben sich stattdessen vier australische Bands die Ehre (THE LUNGS, ZXSPECKY, NEW HUSSEINS, SURPRISE SEX ATTACK). Um genau zu sein, ist es ein Stadt-Sampler,
da alle Combos aus Perth stammen. Dort wird offensichtlich gerne gesoffen und gerauft, dementsprechend ist auch die Musik gelagert: Uptempo-Oldschool-Punk mit Streetpunk- und HC-Einflüssen, der Freunden von zum Beispiel ANTISEEN, G.B.H, BULEMICS und Labels wie Kangaroo/ Beer City oder Junk Records sicher gut gefällt. Ich persönlich finde dieses Metier nicht mehr allzu spannend, aber das hier ist eine solide Compilation, mit vier schnörkellosen, druckvollen und dreckigen „In-Your-Face-Bands“. SURPRISE SEX ATTACK (schöner Name übrigens) stoßen manchmal sogar in ZEKE’sche Geschwindigkeitsbereiche vor, aber die Nummer eins sind in meinen Ohren ZXSPECKY, da sie eindeutig die besten Songs am Start haben. Ganze 23 Songs insgesamt, also durchaus „Value for Money“. Bernd Fischer
V.A. Polska Rootz
CD | Eastblok/Indigo | eastblok.de | 68:15 || Osteuropäische Popmusik ist für unsere Begriffe meist zu kitschig, zu synthielastig, zu viel MODERN TALKING. Doch was entwickelt sich, wenn die Reggae-Kultur auf traditionelle osteuropäische Musikkultur trifft? Diese Frage beantwortet der neue Eastblok-Sampler, der wie schon oft zuvor den Blick auf eine Musikrichtung wirft, die hier in Deutschland meist noch unbekannt ist: Polnischen Reggae und Dub. Schon zu Zeiten des Kalten Krieges hatte sich in Polen eine eigenständige Reggae-Szene entwickelt – die einzige in den kommunistischen Ländern. Das könnte erklären, weshalb die Bands auf „Polska Rootz“ eine so eigenständige und abwechslungsreiche Auswahl an Reggae- und Dub-Stücken spielen können, bei der kein einziges an einen Jamaika-Abklatsch erinnert. Die Auswahl führt von Bands wie VAVAMUFFIN, die auch in Deutschland nicht unbekannt sind, über die WARSAW VILLAGE BAND zum MASALA SOUNDSYSTEM, darunter viele Bands mit politischen Texten. Beschäftigt man sich wenig mit osteuropäischer Musik, wird man ab und an über die Stücke stolpern, an die man sich gewöhnen muss – doch genau dies öffnet den Blick auf die osteuropäische Musikkultur – ohne MODERN TALKING. (7) Katrin Schneider
V.A. Rocky Mountain Low
2LP+CD+Fanzine | Hyperpycnal | rockymountainlow.com | 79:37 || „Rocky Mountain high“ – ein furchtbarer Song von John Denver, der zum „Staatssong“ von Colorado wurde. Entsprechend ist der Titel dieser Compilation, die den Untertitel „The Colorado Musical Underground Of The Late 1970s“ trägt, als Anspielung darauf zu sehen, und sie dokumentiert das, was seinerzeit in der Hauptstadt Denver, in Boulder und anderswo alles andere als „Hochkultur“ war. Erschienen ist das Ganze als Doppel-LP, deren Songs auch nochmal auf CD beiliegen, ergänzt um ein Booklet im Fanzine-Format. Zusammengestellt wurden die über 30 Songs von Joseph Pope und Dalton Lawrence Rasmussen, die hier wirklich einen exzellenten Job gemacht haben – liebevoll und detailversessen, kein schnell zusammengeschustertes Teil, wie es viele solcher Comps sind. Herausragend ist das umfassende 24-seitige Beiheft mit langen Texten zu jeder Band – da wird klar, wie das Leben in der US-Provinz für freakige Kids seinerzeit so war: Wenig lustig. Und es wird klar, dass trotz provinzieller Abgeschiedenheit Colorado und speziell die beiden Städte Denver und Boulder eine erstaunlich aktive Szene hatten, die allerdings außerhalb kaum wahrgenommen wurde – da blickte man auf L.A., San Francisco und New York. Und apropos Boulder: Von dort stammt ja ein gewisser Eric Boucher, der da bei einer Band namens THE HEALERS sang, auch noch parallel zu den DEAD KENNEDYS, wenn er denn mal auf Heimatbesuch war. Vier Songs von denen sind hier enthalten (einer, die Proto-Version von
„California über alles“, ist der Vinyl-only-Bonustrack. Eine interessante Compilation, nicht nur von lokalem Interesse oder für Dabeigewesene, sondern ein spannender Überblick über das, was zwischen 1976 und 1979 abseits der großen Szene-Städte als Punk oder auch New Wave angesehen wurde. Neben den HEALERS sind mir besonders positiv THE CELLS aufgefallen, aber auch RAVERS, DANCING ASSHOLES, DIRTY DOGS, THE CORVAIRS, DEFEX, THE TRANSISTORS und all die anderen verdienen posthume Beachtung. (8) Joachim Hiller
V.A. Shout It Out – Aktiv gegen Rassismus
CD | myspace.com/shoutitoutsampler | 79:40 || Steve Urcle oder die Synchronstimme von Spongebob rufen auf gegen Rassismus und dann kloppen sich 24 Bands aus den verschiedensten Genres durch die pickepackevolle CD. Das mit Farbkopierer erstellte Einlegeblatt klärt in sechs Sprachen auf, dass es sich hierbei um einen Solisampler handelt für die Organisation Lichtblicke/pad e.V., ein Netzwerk für Toleranz und Demokratie, und Lobbi e.V., einen landesweiten Verein für Opferberatung von Betroffenen rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern. Geht auf die MySpace-Seite und hört mal rein. Es lohnt sich. Für meinen Geschmack keine einzige schwache Nummer, egal ob Deutschpunk, Elektronik, Hardcore, HipHop, Metal, Punk oder Ska. Hauptsache, dem rechten Mob eins auf die Fresse. Eigentlich verdienen alle, jetzt genannt zu werden, denn es ist schön, derart krankes und verschrobenes Zeug auf so einer Zusammenstellung zu bekommen. DRITTE WAHL sind hier sicher die bekanntesten und wahrscheinlich auch dienstältesten Vertreter. Meine persönlichen Highlights aber sind Elektropunks wie KOMMANDO ZURÜCK, die mich irgendwie an ANTITAINMENT erinnern, und ALPINIST, die geiles D-BeatZeug à la FROM ASHES RISE machen. Los, rein ins Netz und unterstützen. (8) Simon Brunner
V.A. Teenage – The Creation Of Youth 1911-1946
CD trikont/indigo | trikont.de | 78:08 || In dem Buch „Teenage – Die Erfindung der Jugend“ geht der „Englands’s Dreaming“ Autor Jon Savage zurück in die Jahre 1911 bis 1946 und zeigt auf, dass Jugendbewegungen und Subkulturen keine Erfindung des 20. Jahrhunderts sind. Das Aufbegehren gegen die Erwachsenenwelt sowie eine gleichzeitige Abgrenzung zu Gleichaltrigen, um durch Individualität ein Gefühl von Identität zu erreichen, hat eine lange Tradition. Passend zum Buch hat Jon Savage 26 Titel zum Thema zusammengestellt, die sich mit Jugend, Drogen und Aufbegehren beschäftigen. So handelt „Reefer man“, ein Titel von BARON LEE & THE BLUE RHYTHM BAND aus dem Jahr 1932, von Marihuana und „The jitterbug“ (1939), das ist eigentlich ein Tanz, bei dem man die Augen wild verdreht, mit den Arme windmühlenartig wirbelt und die Beine unkontrolliert schleudert, kennen einige vielleicht auch als Pogo. Mit einem fetten Booklet versehen, wird aus dieser beeindrucken Zusammenstellung mit viel Swing, Ragtime, Jazz und Jive schon fast ein kleines Buch. Auf den Punkt gebracht wird das Dilemma von Judy Garland in dem Song „In-between“: „I am too old for toys and too young for boys“. Die Sängerin und Schauspieler Judy Garland wurde durch ihre Rolle in dem Film „The Wizard Of Oz“ zum Teeniestar und litt zeitlebens unter den Folgen der Dreharbeiten. Um als Sechszehnjährige überzeugend ein Kind zu spielen wurden ihre Brüste abgebunden und sie wurde mit Amphetaminen vollgepumpt. Die Drogenprobleme wurde sie nicht mehr los und starb mit 49 Jahren schließlich an einer Überdosis Schlaftabletten. (8) Kay Werner
V.A. The Spirit Of Ska – Twenty Years Jubilee Edition
CD | Pork Pie/Broken Silence | porkpieska.com | 51:11 || Wie ihr vielleicht aus dem Interview mit Matzge von Pork Pie in der Ox-Ausgabe #83 wisst, feiert in diesem Jahr nicht nur das Ox das Zwanzigjährige, sondern auch das erste Label in Sachen Ska in Deutschland: Pork Pie. Und aus diesem Anlass gibt es jetzt diese „The Spirit Of Ska“-Compilation mit zum Teil exklusivem Material von so manchen Künstlern: Einige sind seit der ersten Stunde mit dabei, wie SKAOS, BUSTERS, BLUEKILLA oder die reformierten BLECHREIZ. Andererseits sind hier aber auch Bands mit an Bord, von deren Mitgliedern man zum Teil sagen kann, dass sie 1989 gerade mal mit Messer und Gabel essen konnten. So vielfältig die Ska-Sszene in all den Jahren geworden ist, so schwierig ist es auch geworden, die Spreu vom Weizen zu trennen. Neben Grover ist es vor allem Pork Pie zu verdanken, dass in Deutschland immer wieder qualitativ hochwertige Ska-Bands präsentiert wurden und in Zukunft auch noch werden, auch wenn der Plattenmarkt die Finanzkrise deutlich zu spüren bekam. Vielleicht auch eine Chance, die alten Pfade (endlich) zu verlassen?! Unabhängig von der Einzelleistung der 16 Beträge auf der Jubiläums-CD, die nach einer einzigen subjektiven und strengen Geschmackskontrolle ausgewählt wurden, steht diese Zusammenstellung stellvertretend für die Arbeit von zwanzig Jahren für eine Subkultur, der mal mehr, mal weniger Beachtung geschenkt wird. Pork Pie und all den Bands:Vielen Dank dafür! (10) Simon Brunner
V.A. Ukraine Do Amerika
CD | Russendisko/Buschfunk | russendisko.de | 46:53 || Ob nun stürmischer Polka-Ska, feurige Balkan-Beats, Cabaret-Klezmer-Punk oder (Hochgeschwindigkeits-)Ska-Punk, es handelt sich durchweg um extrem tanzbare Rhythmen aus der Ukraine, welche die beiden Russendisko-Erfinder Yuriy Gurzhy (der hier auch mit seiner Band ROTFRONT vertreten ist) und Wladimir Kaminer unter dem Motto „Ukraine Do Amerika“ zusammengestellt haben. Von einer Akkordeonballade abgesehen (und ab einem gewissen Alkoholpegel kann auch hier das Schunkeln sehr angenehm sein), gehen alle 15 Titel sofort ins Bein – und ins Ohr! Sehr gut gefallen mir auch CHORNOBRYVTSY mit ihrem ukrainischen Reggae oder VV, eine ukrainische Ausgabe von HAYSEED DIXIE mit „Gal’u, prihod“ einer ukrainischen Version von „Highway to hell“. Sehr interessant sind auch MAD HEAD XL, die neben MANDRY, PERKALABA und KONSONANS RETRO gleich mit zwei Songs auf „Ukraine Do Amerika“ vertreten sind und mich mit ihrem tollen Mix aus Ska, Folk, Pop und Punk stark an die ungarische Band LITTLE COW erinnern und ebenso begeistern. (8) Kay Werner
V.A. Warped Tour 2009 Compilation
CD | Sideonedummy/Cargo | sideonedummy.com || Wie jedes Jahr nehme ich mir vor, irgendwann in meinem Leben mal auf die Warped Tour zu gehen: Auf der Doppel-CD sind insgesamt ganze 51 Songs aus den Bereichen Punkrock, Hardcore und Emo zu finden. Dieses Jahr leider mehr Emo als alles andere. Die Spanne reicht von NOFX über ANTI-FLAG bis hin zu THURSDAY, SILVERSTEIN und ALL TIME LOW.Von NOFX ist sogar ein bisher unveröffentlichter Track am Start. Und Fat Mike ziert auch noch das quietschgrüne Cover, sehr schick, der dicke Mann! Also für Leute, die kein Problem damit haben, sich ihre Lieblingsbands herauszupicken und andere zu ignorieren, ist das wirklich ein sehr gelungener Sampler, mit viel Abwechslung und der nötigen Kontinuität. Guter Mix, wie immer! (8) Christin Pausch
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Band zu gestalten. RIKA gehen die Sache eher einen Tick bedachter und kantiger an, haben diesen typischen EmoGesang und es wird mehr in die SDRE-Ecke geschielt. In vielerlei Hinsicht beides hoffnungsvolle Bands, nach denen man in Zukunft Ausschau halten sollte. Andreas Krinner
RIPMEN
Rott In Pieces CD | Wolverine | wolverine-records.de || Das Trio aus Berlin spielt die härtere, dem Punkrock nahe Variante des Psychobilly, also etwas mehr MAD SIN als BATMOBILE. Die Vorgänger zu „Rott In Pieces“ wirkten noch unbeholfen, diese Platte dagegen hat alles, was man von modernem Psychobilly erwartet. Vielleicht macht Tex Morton als neuer Gitarrist doch das fehlende letzte Quentchen aus. Eine treibende Rhythmussektion, mit klaren Drums und ein Slapbass, der oft betont im Vordergrund steht, dazu kommt ein Sänger der mit einer vollen Stimme und ausreichender Bandbreite erkennbar mehr als durchschnittliches Talent besitzt. Die Texte, wie üblich im Horrorumfeld, oft geschmack- und herrlich pietätlos, immer belanglos, passen genau. Ich wiederhole mich, muss aber zugleich wieder die Entschuldigung für die Bands herausholen, dass man den grundsätzlichen Sound scheinbar nicht mehr neu erfinden kann. Und damit bin ich auch sehr zufrieden, die Band und die üblichen Fans der kleinen Szene auch, so dass wir hier eine Platte haben, auf die niemand gewartet hat, die aber kein Freund dieser Musikrichtung ignorieren sollte. Aktive Bands verdienen Support, so wie die RIPMEN. (7) Robert Noy Auf der Ox-CD zu hören.
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SAVE TODAY
There Is A World Outside MCD | savetoday.de | 19:40 || Bayern scheint wirklich eine Hochburg in Sachen modernen Hardcores zu sein, denn mit SAVE TODAY schickt sich nun eine weitere Band an, den von WATERDOWN, THE BLACKOUT ARGUMENT und ähnlich gearteten Gesellen geebneten Weg zu beschreiten. Das gelingt ihnen gar nicht schlecht, denn schon der Opener dieser fünf Songs umfassenden EP, verdeutlicht das gewaltige Potenzial der fünf Musiker. Geboten wird kraftvoller Postcore mit Screamo-Anleihen und dem einen oder anderen Blinzeln in Richtung wuchtiger Metalcore. Wie ernst es diese Jungs meinen, merkt man an ihrem regen Engagement für die Band, welches zuletzt darin gipfelte, dass mir vorliegende EP inklusive Artwork auf einer eigens dafür eingerichteten Website kostenlos heruntergeladen werden kann. Das sollte künftig mit Beachtung belohnt werden, denn ich kann mir denken, dass hier noch einiges zu erwarten ist. Meinen allergrößten Respekt für ein klasse Debüt. (8) Jens Kirsch
SCARCITY OF TANKS
No Endowments CD | Textile/Cargo | textilerecords.com | 38:49 || Sind Sie leicht reizbar oder leiden Sie unter chronischen Kopfschmerzen? Dann meiden Sie Produkte, an denen ein Mensch namens Weasel Walter beteiligt ist, kein Unbekannter in der Musikszene Chicagos, etwa durch die FLYING LUTTENBACHERS. Wohin es SCARCITY OF TANKS treibt, ist schnell klar, und so ist der kakophonische Frickel-Rock nicht unbedingt überraschend, der da zäh aus den Boxen quillt. Über die Jahre hat dieser gerne als NoWave betitelter Sound allerdings schwer an Charme eingebüßt, das war zu SST-Zeiten noch anders, als ja auch BLACK FLAG nicht mehr Punk sondern Jazz sein wollten. Inzwi-
schen wirkt diese arg verkünstelte Verweigerungshaltung überwiegend ermüdend und im schlimmsten Fall sogar äußerst nervig. Da hilft es auch nichts, dass hier angeblich Mike Watt und Tom Watson von SLOVENLY beteiligt waren, wozu sich auf der CD selbst keine konkreten Angaben finden lassen. Ewiggestrige SST-Fanatiker werden auf jeden Fall schwer begeistert sein – Büsser, übernehmen Sie. (5) Thomas Kerpen
SEVEN SIOUX Hungover Kingdom
LP | Fettkakao | fettkakao.com || Die sind hier, um zu bleiben: Beim 2007er-Album „We Are Not The Scared People“ hatte ich ja insgeheim noch die Befürchtung, das wäre so ein „Jungs, war das damals alles super, lasst uns nochmal eine Platte machen“-Ding. Naja, man kennt das, das Ergebnis solcher Reunions ist meist maximal mäßig, doch SEVEN SIOUX um Sänger Rainer Krispel aus damals Linz, heute Wien, die vor 20 Jahren die Nachfolger der unfassbar guten TARGET OF DEMAND waren (deren „Gruß“-Album ist die EINZIGE relevante europäische Antwort auf DAG NASTY war und ist), zogen sich höchst achtbar aus der Affäre und veröffentlichten ein exzellentes Spätwerk. Und nun also „Hungover Kingdom“, „Wir wollen’s nochmal wissen“-Album #2. Und wieder lautet das Urteil: Mission accomplished! Neue Variationen von Dischord-Verehrung, das wundervoll starrsinnige Festhalten am Guten in einer Welt voller beschissener Musik, die Musikwerdung des Wissens, auf der Seite der Guten zu stehen, musikgeschmackmäßig und überhaupt, ein gestreckter Mittelfinger ins Gesicht des Idioten-Trashs – Jungs, liefe nicht die Platte, hätte ich euch in echt vor mir, ich würd euch um den Hals fallen für diesen wundervollen anachronistischen Scheiss und irgendwelchen Pathos an euch ransabbeln, halb betrunken. Aber das letzte in echt erlebte SEVEN SIOUX-Konzert ist beinahe zwei Jahrzehnte her, ich halte mich an die Konserve und genieße. Bemerkenswerte Details: Peter Hein von FEHLFARBEN wohnt mittlerweile in Wien und ist auf zwei der Songs als Gastsänger zu hören, und das Intro von „Welfare grave maker“ ist eine Vorbeugung vor den CRUCIFIX auf Austrenglisch. So, letzter Akkord der Platte, letzter Buchstabe meiner Rezension. (9) Joachim Hiller
SHEETAH & LES WEISSMÜLLER
Hola Ye-Yeah CD | Screaming Apple/Cargo | screamingapple.de | 35:53 || Es gibt ja allerhand Gerede über das Quintett aus dem nordfranzösischen Lille: Sie seien Zeitreisende, wird behauptet, Kenner der Szene wollen wissen, dass sie bereits im Jahre 1962 auf der Bühne standen, und die Zeit bis 1966 mit exzessiven Tourneen durch die aufblühende französische Clublandschaft verbrachten. Dann, so sind sich alle Quellen einig, nahmen sie an einem folgenschweren Tag einen seltsamen Zaubertrank zu sich und wurden – völlig gegen ihren Willen – in die Jetztzeit katapultiert, und nichts war so, wie sie es kannten. Ihre Musik, Ronnie Bird, Nino Ferrer und Jaques Dutronc konnten mit dem Sound Massenhysterie erzeugen, interessiert im Jahr 2009 nur noch einen kleinen, handverlesenen Zirkel von elitären Spinnern und ewiggestrigen Garagenpsychotikern,
Modlettes und anderen Gestörten mit mangelndem Bezug zur Realität. Nun, das alles ist dem zeitreisenden Quintett völlig egal, sie machen weiterhin das Einzige, was sie wirklich können. Und das ist Yéyé! Swingende Orgel, Sägefuzz, Hoppelbeat und Gassenhauer voller Lebensfreude und Verzweiflung zugleich, den fünfen ist eben einfach überhaupt nicht mehr zu helfen. Es sei denn, man kauft ihre Platten in rauhen Mengen, am besten drei bis vier Stück auf einmal, dann fühlen sie sich wieder wie 1966, kurz vor dem Tag, als sie diesen verfluchten Zaubertrank eingeflößt bekamen. (8) Gereon Helmer
SCUTCHES
s/t CD | PAF! Disques | pafdisques.com | 31:34 || Nachdem LE VOLUME ÉTAIT AU MAXIMUM-Mastermind Johnny Love auf seinem CD-only-Label zu Anfang nur sein eigenes Projekt rausgebracht hat, folgt nun mit den SCUTCHES aus Long Island die erste „Fremdband“. Wer LVEAM kennt, wird wissen, womit er hier zu rechnen hat: Oldschool-Bubblegum-Pop-Punk galore! Das mag zwar etwas anachronistisch wirken, aber getreu dem Pop-PunkMotto „Gepriesen sei, was zart macht“ pendeln die SCUTCHES hier gekonnt zwischen den Bezugspunkten QUEERS und TRAVOLTAS. Mit elf zuckersüßen Songs und gutem Sound passt alles prima zusammen, auch wenn man großartige Überraschungen lieber bei anderen Bands suchen sollte. Nichtsdestotrotz perfekt geeignet zur Wartezeitverkürzung auf die nächste QUEERS-Platte und eine feine Scheibe für den heißen Spätsommer. (7) Bernd Fischer
THE SETUP
Torchbearer CD | GSR | gsrmusic.com | 33:07 || Das dritte Album der Belgier THE SETUP mit dem Titel „Torchbearer“ bietet kraftvollen, wuchtigen, mit Metal-Versatzstücken versehenen modernen Hardcore, der zwar nichts wirklich Originelles bietet, aber dennoch durchaus ambitioniert vorgetragen wird. Die üblichen Verdächtigen klingen natürlich jederzeit durch, von Trendreiterei kann man dennoch nicht reden. Dafür sind THE SETUP schon zu lange im Geschäft. Aufhorchen lässt der Song „Tonight“, welcher gesanglich sehr kraftvoll von OATHBREAKERs Caro Tanghe unterstützt wird. Die junge Dame hat ganz schön Dampf in den Lungenflügeln und stellt dies eindrucksvoll unter Beweis, was das auf Dauer doch etwas monotone Gebrüll von Shouter Kris angenehm auflockert. Insgesamt nichts Neues also, aber trotzdem gut. (7) Jens Kirsch Auf der Ox-CD zu hören.
SMALLTOWN
Implosion CD | Deranged | derangedrecords.com | 39:21 || Was wäre die Punkrock-Welt ohne Kleinstädte, provinzielle Abgeschiedenheit und spießbürgerliches Kleinbürgertum? Oh, sie wäre ganz sicher langweilig und voller trendy Lookalikes ohne Biss! Verwerfen wir diesen absurden Gedanken und kommen zu den elf Songs der drei schwedischen SMALLTWONer. Erster Eindruck? Explosion statt „Implosion“ und ein Hoch auf frühe THE JAM. Dazu massig THE CLASH (inklusive Handclappings!), BOMBSHELL ROCKS (Gesang) sowie T(I)NC und fertig ist ein heißes Gebräu für alle, die nicht ohne frühen Weller-Sound können. Gerade die ersten fünf Tracks sind ein wahres Hit-Feuerwerk und beweisen, das nicht eine Wall Of Sound, sondern a) Können; b) die richtigen Akzente und c) Emotion richtig erstklassige Songs entstehen lassen. Das zeigt alleine der Opener „Back on track“: messerscharfe Riffs aus halbverzerrter Gitarre, flotte Wirbel und scharfe Cuts und immer wie-
der „Ohs“ und „Ahs“. Bläser und Orgel tun ihr Übriges für einen Wahnsinnseinstieg. Vom Prinzip läuft die Platte auch genauso munter weiter, ab Lied sechs („Quicksand“) beginnen aber die eben genannten Zutaten, an Pfeffer zu verlieren, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als die Zurücktaste zu betätigen und die erste Albumhälfte noch einmal zu hören, denn die ist wirklich groß! Ein energischer Zeitsprung in die späten 1970er, mal punkrockiger („Implosion“), mal beatesker („Southbound“). Neun für die erste Hälfte, sechs für die zweite, macht abzüglich des leidigen Niveauabfalls und ganz nach Gauß seven points für die gut gekleideten Retropunks. (7) Lars Weigelt
SIGHTS & SOUNDS
Monolith CD | Redfield | redfield-records.de | 64:03 || Hinter dem Namen SIGHTS & SOUNDS verbergen sich Joel Neufeld, seines Zeichens Schlagzeuger bei SICK CITY, sowie dessen jüngerer Bruder Andrew, der wiederum bei COMEBACK KID singt, die nun mit „Monolith“ ihr von Produzenten-Weirdo Devin Townsend klangtechnisch in Szene gesetztes Debütalbum veröffentlichen. Es sollte ein Betätigungsfeld werden, bei dem man musikalische Visionen verwirklichen könne, die bei den anderen beiden Bands einfach nicht umsetzbar wären. Im Einzelnen wären das dann wohl sphärische Sounds, unterlegt mit kraftvoll melodischen Gitarren irgendwo in der Schnittmenge aus Hardcore, Emo, Indie und Alternative, welche zusammengefasst das Fundament für den starken Gesang bilden. Dessen Arrangements lassen mich zuweilen gar an JIMMY EAT WORLDs Jahrhundertalbum „Clarity“ denken, denn insbesondere das Spiel mit der Mehrstimmigkeit findet auch bei SIGHTS & SOUNDS Verwendung. Dargeboten in einem wunderbaren Sound, kann man sich hin und wieder des Gefühls nicht erwehren, dass Produzent Townsend hier mehr gemacht hat, als bloß ein paar Regler einzustellen, kennt man doch die eine oder andere Songstruktur so ähnlich auch von dessen Soloalben (remember „Terria“ von 2002). Abwertend ist das jedoch keineswegs gemeint, denn dafür ist das Gesamtergebnis einfach zu wundervoll. Zusammenfassend bleibt zu sagen, ein fantastisches Stück Musik von großartigen Musikern, die mit ihrer musikalischen Vision oft ein wohliges Schauern über des Hörers Rücken zu erzeugen vermögen. Überragend! (9) Jens Kirsch
SCHMUCKS
s/t CD | myspace.com/theschmuckshorst | 19:35 || „A town named Horst – it’s Dutch, of course ...“ Genau aus diesem, von den seligen RICHIES schon vor Urzeiten besungenem, niederländischen Grenzstädtchen entstammt also jenes Sextett, welches mit der hier vorliegenden, selbst produzierten 6-Song-CD eine erste Duftmarke in der großen, weiten Punk’n’Roll-Welt hinterlässt. Handwerklich ist das schon mal durchaus sehr solide, eine Vorliebe für SOCIAL DISTORTION und diversen skandinavischen Poserscheiß ist deutlich herauszuhören, man lässt fröhlich die gängigen Szeneklischees hochleben, nur leider fehlt es den einzelnen Stücken noch am entscheidenden Punch und Wiedererkennungswert. Außerdem nervt
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der pseudocoole, zweistimmige Pressgesang doch recht arg. Anyway, ein Anfang ist gemacht und Steigerungspotenzial definitiv vorhanden. (5) Ben Bauböck
SEVEN GATES
Angel Of Suffering CD | Heavy Artillery | heavyartillery.us | 43:46 || Französischer Death Metal auf einem amerikanischen Thrash-Label. Das konnte erwartungsgemäß nur bedingt gut gehen. Auch wenn die Franzosen in allen Punkten von Sound bis Songwriting auf Alte Schule und Untergrund machen, will sich bei mir hier keine rechte Begeisterung einstellen. Alles wirkt irgendwie eckig und ungelenk, kein einziges Riff auf der Scheibe will in meinen Gehörgängen hängen bleiben und so leide ich mich durch „Angel Of Suffering“, obwohl der Titel sicher anders gemeint ist. Keine Katastrophe, aber ohne Alleinstellungsmerkmal. (5) Dr. Oliver Fröhlich
SHITTY LIMITS
Beware The Limits CD | Boss Tuneage | bosstuneage.com | 23:23 || Ich könnte es mir jetzt einfach machen und einfach das Infoschreiben abtippen, welches die Klischees ausrollt, dass THE SHITTY LIMITS (aus Reading/Guildford/High Wycombe) eine der aufregendsten englischen Bands seit langer Zeit sind, dass sich ihr Sound aus 60s Garage, 70s Punk und 80s Hardcore zusammensetzt und in frenetische Songs verpackt ist, dass ihnen ihre explosiven Live-Shows einen beachtlichen Ruf in der D.I.Y.-Szene verschafft haben. Noch leichter wäre es, meine Besprechung ihrer drei Singles aus Ox #78 zu zitieren: „Unglaublich heißen Garagepunk mit ordentlich Feuer unterm Hintern spielen SHITTY LIMITS aus Reading England. Frühe THE HIVES oder die ANGRY SAMOANS kann man ebenso als Referenz heranziehen, wie auch die deutschen BRIEGEL oder SPOILER, die alle in die gleiche Kerbe hauen. [...] Entdeckung der Ausgabe. Geil! Geil! Geil!“ Das alles stimmt auch tatsächlich bei „Beware The Limits“. Tolle Band, tolle Platte. (9) Guntram Pintgen
SIVA.
Same Sights, New Light CD | Devil Duck | devilduckrecords.de | 43:49 || Nach ihrem Debüt „The Story Is Complete, But I Think We’ve Lost The Book“ erscheint ein weiteres erschütternd schönes Album aus der Feder Andres Bonkwoskis und seiner Gefährten. Weniger E-Gitarre, stattdessen ein Gerüst aus Akustik und Klavier. Es scheint, als ob die anfänglichen Melodien hungrig auf weitere Instrumente warten. Geigen, leichte Chöre und, nicht zu vergessen, SIVA.s eigentümliche Elektronik, die den Songs eine besondere Note versleiht. Schon immer verstand es die Band, wie auch nun in neuer Besetzung, Lieder aufzubauen und langsam in sich zu verschachteln. Man findet viele Stilbrüche und -wechsel
innerhalb eines Songs die den Liedern eine besondere Dramaturgie verleihen. Man arbeitet sich langsam hoch und stoppt, wechselt und fährt auf einer anderen, viel höheren Schiene, bis der Song explodiert und endet. Ganz besonders Gänsehaut erzeugt „A place worth mentioning“, der wie gewohnt ruhig und akustisch beginnt. Andreas Stimme leitet wie ein roter Faden durch die unergründlichen Wege, bis sich eine Tonschicht über die andere legt und den Song mit wahnsinniger Power und Melancholie vollendet. Man braucht ein paar Anläufe, um SIVA. zu verstehen, aber wenn man soweit ist, mag man gar nicht mehr aufhören zu lauschen. (8) Gina Schwarz
SONNY VINCENT WITH MEMBERS OF ROCKET FROM THE CRYPT
s/t CD | We Deliver The Guts/Cargo | cargo-records.de | 25:44 || Tja, der Bandname sagt wohl alles: Ein absolutes Allstar-Treffen der Veteranen des US-Punkrock! Sonny Vincent trifft auf Speedo und Ruby Mars von RFTC. Und was dabei herauskommt, ist natürlich kein schnarchnasiger Altherren-Rock, sondern bester, auf Trends scheißender OldschoolPunkrock allererster Kajüte. Die Kameraden haben sich über die Jahre auf jeden Fall ihren Biss bewahrt, so dass die elf Songs auf dieser Scheibe wie aus einem Guss klingen. Zeitlose Musik, tolle Melodien, packende Lieder und das Herz am rechten Fleck. In Sachen Sound und Attitüde muss ich oft an die DEAD BOYS, LAZY COWGIRLS oder natürlich das Hauptschaffen der Protagonisten während ihrer besten Phasen denken. Mal ruppig/rotzig (zum Beispiel bei „Talking trash“ oder „Pieces“), mal mit Gänsehautfeeling und umwerfenden Melodien („Trough my head“ oder das grandiose „Her hand“). Kein Ausfall, nur Hits! Ich hab keine Ahnung warum dieses Album erst jetzt erscheint (die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 2003), aber dank Cargo Records heißt es jetzt zum Glück: Besser spät als nie. Mir liegt zwar bedauerlicherweise nur die nackte Promo-CD vor, aber das Ganze kommt letztendlich als Vinyl-LP mit beigelegter CD. Pflichtstoff, würde ich sagen! (9) Bernd Fischer
SINGING LOINS
Unravelling England CD | Damaged Goods/Cargo | damagedgoods.co.uk | 45:52 || Die SINGING LOINS sind Fernsehen ohne Werbeunterbrechung, Prog-Rock ohne lange Instrumentensoli, Mineralwasser ohne Birnen-Kaktus-Chili-
Geschmack: einfach nur pur. Das Trio aus England gründete sich in den 1990ern und spielt seitdem aggressiven, manchmal auch lieblichen Folk. Neben der Stimme Chris Brodericks hört man auf ihrem zehnten Album fast ausschließlich die Gitarre, ab und zu ein Perkussionsinstrument. Die lyrischen Texte der SINGING LOINS schreibt Broderick, der nebenbei Gedichte auf Billy Childishs eigenem Verlag Hangman Books veröffentlicht. Ohne Schnörkel lautet mein Urteil über die Platte deshalb schlicht: wunderbar. (7) Katrin Schneider
SODOMY SOLDIERS
s/t CD | Knaster | sodomysoldiers.com | 34:35 || Die Schweden SODOMY SOLDIERS präsentieren nach einigen Demos ihr erstes, in Eigenregie produziertes Album. Ganz im Sinne ihrer großen Vorbilder BOMBSHELL ROCKS, BOUNCING SOULS, RANCID oder U.S. BOMBS gelingt ihnen eine kurzweilige Platte, die jedoch leider keine innovativen Momente zulässt und deshalb eben „nur“ eine gute Kopie der genannten Helden darstellt. Dass die Jungs musikalisch was drauf haben, davon könnt ihr euch im September überzeugen, wenn sie mit BARETTA LOVE wieder mal durch Deutschland touren. Auf Platte ganz okay, aber für meinen Geschmack doch eher zu unspektakulär. (6) Simon Brunner
SIX NATION
Little Humanity CD | Achinech Productions | achinech-productions. eu | 58:31 || Die 2006 gegründete Band SIX NATION stammt aus Koblenz und veröffentlicht ihr zweites Album „Little Humanity“ diesmal auf dem Reggaelabel Achinech Productions aus Teneriffa. Der Bandname SIX NATION hat übrigens einen realen Hintergrund, denn die acht Musiker stammen aus sechs Ländern (Argentinien, Deutschland, Italien, Kosovo, Polen, Tansania/Sansibar) und ist gleichzeitig Programm, denn musikalisch enthält „Little Humanity“ eine großartige Mischung aus Roots Reggae (wie ihn zum Beispiel STEEL PULSE spielten), Ska und lateinamerikanischen Rhythmen, englisch- und spanischsprachigen Gesang sowie mehrstimmigen Backingvocals. Die insgesamt 13 Titel klingen unglaublich professionell und wurden in Deutschland, Spanien und auf Jamaika produziert, unter anderem mit den jamaikanischen Gastsängern Junior Kelly und Luciano beziehungsweise Dr. Chando aus Spanien. (8) Kay Werner
SMOKESTACK LIGHTNIN’ / SEATSNIFFERS
Roadmasters-Split 2CD | Sonic Rendezvous | sonicrendezvous.com | 23:42/20:50 || Die Nürnberger SMOKESTACK LIGHTNIN’ gelten für mich schon lange als eine der besten Alternative-Country-Bands und legen mit dieser in jeder Bezie-
hung herausragenden Scheibe nach „Heads Of Agreement“ nochmal zwei Schippen Kohle nach. Sechs Songs, sechs absolute Hits. Unbekannt waren mir bislang die SEATSNIFFERS aus Belgien, die mit ihrem authentischen Oldschool-Rock’n’Roll in meinem Haushalt für uneingeschränkte Begeisterung sorgen. Dass hier beide Bands ausschließlich mit Coverversionen aufwarten, merkt man der Doppel-CD kaum bis gar nicht an, selbst nicht bei den Stücken, wo mir das Original bekannt ist. Hier haben zwei Bands zusammengefunden, die zwar nicht aus Nashville oder Memphis stammen, aber das kommt ihrer Authentizität nur zugute. Ganz groß! (9/9) Claus Wittwer
STELLAR CORPSES
Welcome To The Nightmare CD | Fiendforce/Cargo | fiendforce.de | 34:49 || Ich will niemandem zu nahe treten, aber irgendwie sind es dann doch wieder die Kalifornier, die diesen Sound am besten hinbekommen: TIGER ARMY haben es vorgemacht, Dutzende folgten, doch wenige schaffen es, das Original zu erreichen. Heiße Anwärter auf den Thronsturz sind die STELLAR CORPSES aus Santa Cruz, CA, die sich 2005 gründeten und 2007 eine erste EP veröffentlichten. Mit „Welcome To The Nightmare“ ist nun das erste Album erschienen, das die übliche Friedhofsthematik beackert. Musikalisch crossovert man zwischen Psychobilly, Punk und Goth-Rock, wobei sich der Vierer zwar bekannter BillyRhythmik bedient, aber erfreulicherweise auf penetrantes Standbass-Geklacker verzichtet und stattdessen immer wieder einen kräftigen California-Punkrock-Einschlag erkennen lässt. An anderer Stelle erinnert man eher an die CRAMPS, und bei „Hale Bopp“ meint man lustigerweise, es mit einem „1969“-Cover (STOOGES) zu tun zu haben. Ein echtes Cover ist dagegen „When you don’t see me“, im Original von den SISTERS OF MERCY. Dezenter Synthie-Einsatz hier und da rundet das positive Bild ab und beweist, dass im Horrorpunk-Genre immer noch Platz für herausragende Bands ist, die Musik über Style stellen. Well done! (8) Joachim Hiller Auf der Ox-CD zu hören.
SNAZZY BOYS
s/t LP | Pure Punk | purepunk.it || „Leider aber nur auf CD, irgendwie hätte für eine Band wie die SNAZZY BOYS Vinyl besser gepasst“, schrieb Bernd Fischer in Ox #82 zu diesem Album, und mir scheint, die Leute von Pure Punk Records aus Parma lesen Ox, denn ein paar Monate später kam jetzt die weiße Vinylversion des von MOJOMATICSMatt produzierten Albums bei uns an. Und ich schalte um zu Bernds Rezension: „Die beiden vorangegangenen Singles der Italiener fand ich schon äußerst gut, hier folgt nun das erste Full-Length-Album. Die Band gehört immer noch zu den Guten, und gewandet in Lederjacken, Chucks und weißgeränderte Sonnenbrillen punkrockt sie weiter-
/WILLKommEN IN DER ELEKTRISchEN ZoNE KID 606
Shout At The Döner CD | Tigerbeat6/Cargo | tigerbeat6.com | 79:01 || Wie sagte jemand letztens zu mir: „Man braucht Musik nicht immer neu zu erfinden. Das ist wie bei Pizza. Da weiß man eigentlich auch immer, was man bekommt, aber manchmal schmeckt sie eben besonders gut“ – Danke für diese Weisheit! KID 606 erfindet weder den Rave noch die dazugehörigen Soundz neu, aber er verdreht die Knöpfchen extrem steil in die genau richtigen Richtungen, wo das House ausflippt, Acid zu den Grundnahrungsmitteln gezählt wird und der Dancefloor ununterbrochen brennt. Die Platte rockt! .Und das sowas von arschgeburtengeil! Yeah! Man will eigentlich weiterschreiben, um seiner gerade grenzenlosen Begeisterung den richtigen Ausdruck zu verleihen, aber diese Platte bringt es echt fertig, dass einem das komplett egal wird und man einfach nur noch breitbeinig in der Mitte des Raums stehen will, um sich um die eigene Achse zu drehen und wild mit dem gestreckten Mittelfinger in der Luft herumzustochern, während es an der Wohnungstür im Takt sturmschellt, weil die nächste Killer-Bassline wieder extrem flasht und das ganze Haus durchzuckt. (9)
G.E.S. (GESELLSCHAFT ZUR EMANZIPATION DES SAMPLES)
Circulations CD | Faitich | faitich.de | 34:09 || Die zweite Veröffentlichung auf Jan Jelineks Privatlabel Faitich ist ein reines Konzept- und musiktheoretisches Album und zwar geht es um die alles entscheidende Frage, wem gehören die Rechte an einem Sample, wenn er im öffentlichen Raum zufällig mitgeschnitten wird. Also irgendwo dudelt Musik während ich ein Field-Recording mache, die Frage ist nun: Muss ich Geld für die Nutzung dieses zufällig mitaufgenommenen Musikausschnittes zahlen oder nicht? Interessiert keinen? Nun, würde ich auch so sagen, aber wenn man sich zum Beispiel den Rechtsstreit zwischen Moses P. und KRAFTWERK anschaut, sieht die ganze Sache schon wieder anders aus. Wo endet das Copyright und wo beginnt die Kreativität? Ich halte so schwachsinniges Sampling eh für unkreativ und deshalb würde ich auch nie solche konstruierten, rechtsverdreherischen Überlegungen anstellen oder gar dazu eine ganze Arbeit veröffentlichen. Natürlich hat das im Kern was Anarchistisches und es ist auch lustig, einer solch selbstherrlichen Institution wie der GEMA mit ihren wirren Rechtsverdrehereien mal wieder eins auszuwischen und sie für Jahre zu beschäftigen, aber rein musikalisch betrachtet, ist das Ganze vollkommen belanglos und verschwindet komplett in der Kategorie „Hörbeispiele“. Da wäre wohl ein Essay sinnvoller gewesen, aber Musiker sind halt Musiker und ... (5)
N.STRAHL.N
Nachtstücke CD | Tourette | tourettetape.de | 73:02 || Nachtstücke ... Erstes bis zwölftes ... Einen besseren Titel hätte sich M. Löhr aka N.STRAHL.N nun wirklich nicht für seine neue und auf 300 Stück limitierte CD ausdenken können. Hätte er mich nicht selber darauf gebracht, wäre ich auch nie darauf gekommen, dass es schon mal eine Platte von Asmus Tietchens mit gleichem Titel gegeben hat, denn was sowas angeht, habe ich ein riesengroßes Loch im Hirn, und zu meiner Schande so muss ich gestehen, besitze ich dieses Album auch noch ... Ihr denkt, peinlicher kann es nicht mehr kommen? Okay. Beinahe hätte es diese Besprechung nicht gegeben, weil mir die CD beim Staubwischen hinter das Plattenregal gefallen ist, aber dank meiner „Angelleidenschaft“ konnte ich sie unter Einsatz meines Lebens retten. Genug Geschichten erzählt: Die Arbeit ruft! Dunkle, atmosphärische Instrumentalmusik ist wohl die passendste Rubrik, in der man dieses Werk einordnen kann. Nicht Ambient, nicht derber Industrial und auch nicht mystisch-verklärter Death Industrial. Die Sounds sind exklusiv zusammengestellt und der gewollte, glasklar aufgenommene Minimalismus lässt viel Platz, damit sie auch ihre hypnotische und eigenständige Kraft voll entfalten können. Veränderungen geschehen langsam, schlei-
chend, wälzen sich aber unaufhaltsam vorwärts und ziehen den Hörer weiter in ihren Bann. Zerbrechen abrupt, zerstreuen sich oder fließen sich fein auflösend davon. Leitmotive tauchen immer wieder auf. Stahlklänge. Metallperkussion. Maschinenrhythmen. Melodiefetzen in der Ferne. Beschwörende Stimmen murmeln mantraartig unheimliche Formeln oder sind es wieder nur stilvolle Alltagsaufnahmen, die durch eine bis zur Unkenntlichkeit fortgeschrittenen Bearbeitung wildeste Spekulationen auslösen können? Denkt man in Bildern, denkt man an filigrane Zeichnungen aus blassem Silber, wie sie auf mattem Schwarz geheimnisvoll zu schimmern beginnen und manchmal von einem leuchtenden Rot überflutet werden ... Musik für eine entspannte Nacht. (8)
REVOLUTION
... Presents Revolution CD | Rapster/K7/Alive | rapsterrecords.com | 56:54 || Neue und dann auch noch elektronisch Musik aus Kuba? Eigentlich nimmt man diese Insel ja nur im Rahmen langweiliger politischer Machtspielchen wahr oder erinnert sich bestenfalls an den ebenfalls schon stinkenden „Buena Vista“-Müll von Wim Wenders. Da ich mich auch auch ansonsten nicht sehr für „Latino-Sounds“ interessiere, lösen Samba und ähnliche Rhythmen bei mir immer direkt einen Flucht- und Würgereiz aus, daran schuld sind wohl auch die immer in diesem Zusammenhang auftretenden „Worldmusic“-Liebhaber, aber ich lasse mich gerne überzeugen. Im Fall von THE REVOLUTION hat man das Thema auch sehr geschickt aufbereitetet, indem man so Leute wie Fatboy Slim oder den Björk-Mitstreiter Guy Sigsworth zu Kollaborationen und Remixen verpflichtete und mit kostenlosem Vergnügen in der Sonne köderte.THE REVOLUTION ist dann auch keine richtige Band, sondern ein lockerer Zusammenschluss verschiedener junger kubanischer Musiker, die so endlich aus der Isolation heraus wollen. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, mal erfüllen sie wirklich das ständige Partyklischee und versinken in einer poppigen Belanglosigkeit, aber manchmal gelingt es den Aktiven, wirklich feine und exotische Dancefloor-Nummern zusammenzubasteln, die einen sexy, leicht verschwitzten Charme versprühen. (6)
GROUPSHOW
The Martyrdom Of Groupshow CD | Scape | scape-music.de | 39:44 || GROUPSHOW sind Andrew Pekler, Hanno Leichmann und Jan Jelinek. Sie spielen so lange sie wollen und sie spielen alles live.Wo und wann auch immer. Keine Nachbearbeitung. Kein vorgegebenes Konzept. Nur der Augenblick zählt. Keine Kompromisse. Die absolute musikalische Freiheit. Keine Richtung. Keine Vorgaben. Das ist alles nicht neu oder gar revolutionär, aber das braucht es auch nicht sein, denn am Ende wird abgerechnet. Zwölf Tracks sind als Essenz herausgefiltert worden und sollen dieses Trio und seine Arbeit nun präsentieren. Ein netter und bunter Gemischtwarenladen der modernen Elektrotechnik ist dabei herausgekommen. Nicht besonders originell, aber auch nicht besonders abstoßend und genau das ist wohl auch das Problem. Was fehlt, sind einfach die extremen Ausbrüche, die so genannten Sternstunden, sowie auch das komplette Scheitern, sprich: der vollzogene Zusammenbruch. Leider haben die drei Akteure nicht den Mut besessen, auch diese Seite ihrer Performance zu zeigen, und somit ist dieses Album nur die elegante Notlösung in der langweiligen Mitte. (6)
NOISY PIG
Disaster #1 CD | Cochon/Cargo | cochonrecords.com | 41:22 || Huiii, die schwule Version von RÄUBERHÖHLE! Vollkommen durchgeknallte Quietschelektronik von einem rosafarbenen Duracell-Häschen auf Speed. Alle trashigen Telespiele flashen gerade sekündlich queerbeat durch mein Hirn und die Synapsen überschlagen und verkleben sich dabei total unorganisiert. „Bitte ein Strobo konsequent auf die Bassdrum!“ Das ist garantiert des Guten zu viel, aber es macht einfach Spaß! Das ist Party pur, das ist eine kochende Clubsauna und langweilig in den glühenden Ohren wird
es auch nicht, denn irgendwas passiert immer. Der Rave wird hier zwar auch nicht neu erfunden, dafür aber konsequent angeschoben und weitergetragen. Als wenn das nicht schon eine ganze Menge Verantwortung und Arbeit ist? Um komplizierte und kopflastige Musik sollen sich bitte andere kümmern. NOISY PIG aka Bernado Santarelli, ein fröhlicher Römer in Berlin, sorgt für die richtige Stimmung und verbreitet damit jede Menge Sonnenschein in der Nacht. (8)
NERO’S DAY AT DISNEYLAND
From Rotting Fantasylands CD | Cock Rock Disco/Cargo | cockrockdisco.com | 34:56 || Es hat ja schon viele Versuche gegeben, klassische Musik und Themen für die jeweilig Zeit passend aufzubereiten. Die feinen Unterscheidungen innerhalb der klassischen Zeitschiene lassen wir jetzt bitte mal außen vor. Es sind halt diese allgemein bekannten, „klassischen“ Melodien und Themen, die jeder kennt und direkt mitsummen kann. Sei es tanzbar und beschwingt leicht, wie zum Beispiel James Last es macht, oder bombastisch und überzeichnet wie LAIBACH. In der elektronischen Musik spielt und spielte Klassik ja von Beginn an auch immer eine Rolle, sei es, dass rein kompositionstechnisch eine gewollte Nähe und Beziehung hergestellt wurde und wird, um die elektronische Musik auf eine höhere, elitärere Stufe zu heben, oder dass wie zum Beispiel bei Wendy Carlos und TOMITA eine direkte Transkription stattfindet. Der Kalifornier Brock Bousfield hat nun klassische Themen und Melodien extrem überdreht technoid in die Jetztzeit gezerrt und bombardiert den Hörer mit Klangfetzen, wilden Sampling-Orgien und beattechnisch hochgeschraubten Rhythmen, dass es ihm schwindelig wird. Der erste Hördurchgang ist wirklich sehr intensiv und ich war nahe daran, diese Platte als großartig abzufeiern, aber nach mehreren Durchläufen merkt man, dass das Gesamtpotenzial der Platte doch eher dünn ist und die abgedudelten Melodien einfach nur nerven. Sicher, die Umsetzung ist perfekt, mächtig und weit davon entfernt, auf typischen No-Name-Produzenten-Techno („Lass uns mal was mit Klassik machen! Das kennen die Leute und ein paar Sachen werden wir davon schon irgendwie verkaufen.“) abzurutschen, aber auch hier fehlt leider die entscheidende Inspiration. (6)
HILDUR GUDNADOTTIR
Without Sinking CD | Touch/Cargo | touchmusic.org.uk | 47:58 || Bei dieser isländischen Komposition verschwimmen die Grenzen zwischen E- und U-Musik, zwischen klassischen Instrumenten und modernster Elektronik komplett. Wie welcher Klang erzeugt oder bearbeitet wurde, ist nicht mehr nachvollziehbar. Verschwommen ist auch ein gutes Stichwort, um die Grundstimmung dieses Albums einzufangen. Etwas melancholisch, nebulös oder mysteriös wirken die wuchtigen und präzisen Cello-Arrangements. Federleicht dagegen die zarten Zitherklänge und seicht daherwehenden Klangflächen. Allerdings sollte man schon ein gewisses Verlangen nach klassischer Musik mitbringen, um diese wirklich wunderbaren Stücke ganz genießen zu können. Das modernste und intensivste Ein-Frau-Kammerorchester Islands, wenn nicht der Welt, und so schön, direkt zum Dahinschmelzen. (8)
SEAWORTHY
1897 CD | 12k/A-Musik | 12k.com | 47:15 || SEAWORTHY repräsentiert genau das, was ich unter GitarrenAmbient verstehe. Es werden zwar auch noch einige FieldRecordings eingespielt, aber das Hauptinstrument ist hier eindeutig die wunderschöne, sanfte und lautmalerische Gitarre des Australiers Cameron Webb. Vollkommen vom Drone-Ballast befreit und jenseits sinnfreien New-AgeGeklimpers werden hier Klanglandschaften aufeinander gelegt, die sich dabei schwerelos verweben und den gesamten Raum mit einer friedlichen, harmonischen, positiven, wenn auch leicht melancholischen Stimmung überfluten. Dabei wird vollkommen auf Rhythmusspuren verzichtet.
Bilder von der Weite des Meeres tauchen auf, sich wiegende Grashalme im Wind oder auch ein Spaziergang an einem klaren Wintermorgen ließe sich damit gut gestalten. (7)
GEHIRN. IMPLOSION
Allumfassender unkontrollierbarer Sog CD | Tosom | tosom.de | 44:10 || Mit der Split-Single mit THE HATERS und dem Beitrag zur „Stern“-Compilation ist mit dieser hervorragend aufgemachten und auf 100 Stück begrenzte CD-Veröffentlichung die „Mio-Trilogie“ zum Gedenken an seinen verstorbenen Sohn abgeschlossen. Gleichzeitig hat sich Hr. Dietzel damit selbst in die Oberliga der so genannten Laptop-Noiser katapultiert und braucht auch internationale Vergleiche mit MERZBOW oder ähnlich operierenden Flächenkrachspezialisten nicht mehr zu scheuen. Die „Wall of Noise“ ist unglaublich dicht und steht eisern wie ein Mahnmal vor dem Hörer. Vereinzelte Eruptionen erinnern aber daran, dass hier alles eigentlich doch im Fluss ist und so etwas wie Stillstand überhaupt nicht beabsichtigt wird. „Unkontrolliert“ ist hier auch nichts, wie uns der Titel vielleicht suggerieren will, denn anhand der präzisen Momente und abstrakten Richtungswechsel lässt sich ein System hinter all dem entdecken, das einen mit auf ein neue, weitere und sich ständig regenerierende Entdeckungsreise nimmt. Hier tobt im wahrsten Sinne das Leben. (8)
JIM O’ROURKE
I’m Happy, And I’m Singing, And A 1, 2, 3, 4 2CD | Editions Mego/Groove Attack | editionsmego. com | 40:46/61:10 || Wer Jim O’Rourke schon einmal live gesehen hat, weiß eigentlich ungefähr, was ihn erwartet, nämlich dass alles möglich ist und mit jeder Sekunde sich der komplette Sound und die Stimmung direkt mit ändern kann. Hier trifft Noise auf Minimalism, auf Musique Concrète oder auch schon mal auf eine filigrane, naiv-schöne Popmelodie. Die eigentlich sich gegeneinander abgrenzenden Musikarten werden hier konsequent analysiert, zusammengesetzt und vollkommen gleichberechtigt und unvoreingenommen auf eine neue Stufe erhoben. Das gerade macht auch den besonderen Reiz dieses um eine Bonus-Disc erweiterten und nun wiederveröffentlichten Albums von 2001 aus. Kristallklar in seiner Aufnahme setzte es damals wie auch heute Maßstäbe in Sachen laptop- oder rein computergenerierter Musik. Bemerkenswerter noch ist dabei aber die warme Grundstimmung dieses Album, was wohl auf Jim O’Rourkes Arbeit als Produzent für die unterschiedlichsten Musikstile zurückzuführen ist. (7)
BROOKE’S BEDROOM
Last Days Of Happiness 12“ | Fettkakao/Trost | fettkakao.com || Wie edel und fein ist das denn? Eine richtige „Vinylmaxi“... Sowas hab ich außer im Technobereich schon ewig nicht mehr in den Händen gehalten, naja, jedenfalls als Neuerscheinung. Ich glaube auch, jedes weitere Lied wäre zu viel des Guten gewesen, denn das Debüt von Martin Pieper ist so zuckersüß und stimmig, dass jedes weitere Sahnebonbon die totale Überdosis gewesen wäre. Endlich mal ein Queerjunge, der genug Disziplin hat, es nicht zu übertreiben. Die sexuelle Ausrichtung ist mir ansonsten total egal, aber ich glaube so was könnten „Normalsterbliche“ nicht hinzaubern. Diese perfekte Mischung aus OMD, Gary Numan und Amanda Lear, darauf würde sonst wirklich niemand kommen. Oder? Mir fällt gerade auf, dass ich darauf gekommen bin ... Vergessen wir’s einfach mal und kommen zu den wichtigen Dingen des Lebens zurück, nämlich der Musik auf diesem Tonträger. Das ist bester Synthie-Wave/Pop der Oberklasse mit unglaublich sanften und hypnotischen Melodien. Die Musik strahlt so eine angenehme Wärme aus, und obwohl sie sich mit der Schönheit der Naivität und Nostalgie schmückt, ist sie absolut modern und minimal auf den Punkt durchproduziert. Jeder Song ein potenzieller Hit, aber „Forever“ ist der Überflieger und könnte sich zu einem heimlichen Clubhit entwickeln. (10) Carsten Vollmer
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hin munter im Stile der BRIEFS, BOYS oder BUZZCOCKS drauflos. Insgesamt gibt es elf Songs zu hören, bei denen auch Überschneidungen zu den Singles dabei sind. Dafür also ein kleiner Abzug in der B-Note, dennoch sollte die CD für jeden Liebhaber des derzeitigen Neo-77er-Retrosounds Pflichtstoff sein.“ (7) Joachim Hiller
SNIFFING GLUE
I’m Not Alright 12“ | Barfight/Per Koro | perkororecords.com || Nach ihrem furiosen Gig mit EA80 in Darmstadt haben die Jungs bei mir einen dicken Stein im Brett, vor allem, weil ich weiß, dass man dieses Material hier live noch eine Spur härter hören wird. Wer CIRCLE JERKS, REAGAN YOUTH und frühe BLACK FLAG mag, der wird SNIFFING GLUE lieben, denn sie transportieren die Angepisstheit dieser Bands eins zu eins in eine Zeit, die voller Kapellen ist, die lieber nur gefallen wollen, anstatt auf die Kacke zu hauen. Nur das Zwischenformat der Mini-LP macht es etwas schwer, denn für den vollen Genuss zu kurz, für eine Single zu lang, verschwindet dieses Format immer sehr schnell aus den Plattenkisten. Zehn Songs (wobei der Bonussong nur mittels Aufstehen und Nadel platzieren zu erreichen ist) machen vor allem Lust auf ein weiteres Konzert mit der Band. (9) Kalle Stille
SONIC YOUTH
The Eternal CD | Matador | matadorrecords.com | 56:27 || Wenn Labelpromoter in die Tasten hauen, wird es schon mal abenteuerlich: „Für [SONIC YOUTH] war der Wechsel zu einem Indie-Label eine Art Befreiung, da sie auf ‚The Eternal‘ tun und lassen konnten was sie wollten“, behauptet die Deutschland-Filiale vom Matador, und ich frage mich wirklich, wie man zu dieser Einschätzung kommen kann, behauptet man doch damit im Umkehrschluss, dass in den letzten zwanzig Jahren, also seit „Daydream Nation“, jedes S.Y.-Album ein fauler Kompromiss gewesen sei. Nun, auch wenn unter den neun Alben jener Jahre nicht jedes Einzelne die Genialität der frühen Werke erreichte, so sind doch Kim Gordon, Thurston Moore, Lee Ranaldo und Steve Shelley nicht die Art von Künstlern, die sich von irgendwem in ihre Arbeit dreinreden lassen. Und angesichts der Unmengen an Nebenreleases und Seitenprojekten, die abseits der Albenreleases etwa auf dem eigenen Label erschienen, hat man von einer Kujonierumg der Band auch nichts mitbekommen. Egal, nun sind sie also wieder mit Gerard Cosloy im Geschäft, der einst in den Achtzigern das Homestead-Label betrieb, 1985 „Bad Moon Rising“ veröffentlichte und später Matador gründet. „The Eternal“, Album Nr. 16, ist ein neues SONIC YOUTHAlbum ist ein neues SONIC YOUTH-Album ist ein neues SONIC YOUTH-Album, und nach 28 Jahren sind die New Yorker längst zu einer Band des Kalibers RAMONES, AC/ DC oder MOTÖRHEAD geworden. Rockismen sind ihnen im Gegensatz zu letzteren beiden zwar fremd, aber der Reiz für den Zuhörer, für den Fan liegt im Wissen darum, dass man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von jedem neuen S.Y.-Longplayer bekommt, was man erwartet: Kim Gordons und Thurston Moores erstaunlicherweise völlig gegen Alterungserscheinungen immune Stimmen, dazu der auf ewig festgeschrieben Gitarre/Bass-Sound von Gordon, Moore und Ranaldo, aufgelockert durch die saisonalen Schwankungen, die eine Platte mal etwas dunkler, etwas noisiger oder etwas poppiger ausfallen lassen. Das Pendel schlug bei „The Eternal“ etwas mehr in letztere Richtung aus, obwohl man von einer Ron Asheton gewidmeten Scheibe auch etwas mehr Riffs hätte erwarten können, und als Fazit bleibt in den Worten einer gewissen deutschen Band nur zu sagen: Eins ist sicher, eins ist klar, es bleibt alles, wie es war. (8) Joachim Hiller
kann. Natürlich, da wären Bands wie NEAERA und CALLEJON, die das auch schon deutlich länger machen als die fünf Bayern. Doch zu den sehr interessanten Lyrics, die wenig klischeehaft sind und stattdessen oft sozialkritische Themen aufgreifen, kommen auch ebenso interessante Riffs, die geprägt sind vom Neo-Thrash der Marke PANTERA. Das heißt, dass es hier sehr Groove-orientiert zur Sache gehen kann, was Tracks wie „Schlachtplatte“ oder „Alles, was wahr ist“ beweisen. Auch wenn manche melodische Refrains noch zu sehr im Metalcore-Klischee verankert sind und n man eine gewisse Zeit braucht, um sich an den Jargon von Sänger Oli zu gewöhnen, ist das erste Album der Band empfehlens- und auch ebenso hörenswert ausgefallen. (8) Arndt Aldenhoven
SOUTHPORT
Armchair Supporters CD | Boss Tuneage | bosstuneage.com | 37:58 || Ein unaufgeregtes und ziemlich lässiges Album von SOUTHPORT, die zehn Jahre nach „Nothing Is Easy“ mit neuem Line-up zurück sind. Simon Wells, Ex-SNUFFMitglied, gibt allerdings nach wie vor den Ton an bei Gitarre/Gesang und Hammondorgel. SOUTHPORT spielen diesen typischen, gitarrenlastigen Midtempo-UKPunkrock à la LEATHERFACE, THE JONES oder HDQ. Manchmal sind die Songs geradezu poppig, die Orgel wird gezielt eingesetzt, „Reduced to the max“ trifft es hier auf den Punkt. Die Produktion ist gut, aber nicht „modern“. Cho-
ruswände bleiben aus, Herr Wells prägt den Sound höchstpersönlich und als stimmlicher Alleinunterhalter. „Armchair Supporters“ hat nicht mehr die ungestüme Frische des Debüts, ist aber dennoch melancholisch und intensiv. Mit Sommersonne verbindet der eine oder andere wahrscheinlich eher California-Melodycore, ich bevorzuge im Moment die englische Variante. (7) Zahni Müller
STURMGEIST
Manifesto Futurista CD | Inhuman | inhuman.no | 38:14 || Das Hirn hinter STURMGEIST ist der aus Oslo stammende Wahlberliner Cornelius von Jakhelln, der auch SOLEFALD und G.U.T. seinen Stempel aufgedrückt und eine ganze Latte an Büchern und Texten veröffentlicht hat. Ein Künstler also, etwas, mit dem der moderne Mitteleuropäer erstmal nichts anfangen kann. War der Vorgänger „Über“ ein wildes Sammelsurium an Stilen, hat das dritte Album hier alle Thrash-Einflüsse und Elektronica-Spielereien über Bord geworfen und bietet harschen Black Metal, schnell, eingängig, mal mit kleinen Heavy-Metal-Einschüben wie bei „The Siegfried order“, mal ruhig und hymnisch wie bei „Ritorno glorioso“, mal unheilvoll und dann alles niederwalzend wie bei „Let us be the suns of our time“. Eine Scheibe, die zur näheren Beschäftigung geradezu auffordert und definitiv kein Fastfood ist. (8) Dr. Oliver Fröhlich
SUBWAY
Subway II CD | Soul Jazz | souljazzrecords.co.uk | 50:03 || Das Info zum Debütalbum dieses Londoner Duos könnte sich kaum langweiliger gestalten, da wird von einer Symbiose aus 70er Krautrock, 80er Detroit-House und europäischer Disco-Musik gesprochen und Namen wie CLUSTER, KRAFTWERK, NEU!, HARMONIA, ASH RA TEMPEL, Jean Michel Jarre, Jeff Mills und Giorgio Moroder ins
Spiel gebracht. Natürlich schwören Michael Kirkman und Alan James auch auf analoges Equipment, und so besitzt ihr „Synthiepop“ eben diese leicht nostalgische Qualität, die technoide Elektronikmusik dieser Art für mich auch wesentlich leichter goutierbar macht. Zumal „Subway II“ einen Sinn für echte, wiedererkennbare Melodien beweist, wodurch man es glücklicherweise nicht mit reiner ClubBeschallung zu tun hat. „Subway II“ klingt dabei auch nicht unangenehm unterkühlt und die Songs fließen sehr entspannt dahin, auch wenn der Spaß an der Platte weniger in ihrer Originalität begründet liegt, als dem gekonnten Spiel mit den speziellen Einflüssen, denn Kirkman und James erfinden Elektronikmusik hier nun wirklich nicht neu. Cosmic-Post-Dance-Music mit meditativ-hypnotischer Note heißt die Selbstbeschreibung und bringt die Qualitäten dieser schönen Platte recht gut auf den Punkt. (8) Thomas Kerpen
SUNDAY REEDS
Drowning In History CD | Squirrel | squirrelrecords.co.uk || Heiße Anwärter auf den „Psychocandy-Gedächtnispokal“ der JESUS & MARY CHAIN-Epigonen. Endlich mal eine Band, die es annähernd schafft, in die großen Fußstapfen der Reid-Brüder zu treten, ohne gleich hinzufallen. Allerdings ist das auch nicht unbedingt schwer, wenn man sich wie beim ersten Stück an ein Originalriff von TJAMC hält und einfach einen JOY DIVISION-Basslauf dazu gibt. Da aber die Herren Reid keinen Feedbacklärm mehr produzieren und auf Konzerten schon lange nicht mehr nach 30 Minuten die Bühne verlassen, klafft hier eine riesige Lücke, die man ruhig einmal füllen kann. Die SUNDAY REEDS entfernen sich gerade so weit wie es nötig ist, um nicht als Coverband durchzugehen, sind aber mindestens so nah dran, dass man als Besitzer einer durchgescheuerten „Psychocandy“-LP frisches Blut riecht. Das mono-
SONS OF BUDDHA
Buddha Hates Us All CD | Dirty Witch | dirtywitch.free.fr | 32:32 || Schön, dass es noch Überraschungen gibt. Die SONS OF BUDDHA haben zwar schon ein Album auf dem Kerbholz, waren mir aber bisher leider unbekannt. Das neue Album, „Buddha Hates Us All“, landet bei mir allerdings nach mehreren Durchläufen direkt ziemlich weit oben in der Wertung. Die Franzosen feuern zehn Mal (den obskuren Bonussong mal nicht mitgezählt) frei von der Leber weg das Pop-Punk-Geschütz ab, ganz im Stile der guten alten QUEERS, APERS oder DESCENDENTS. Wobei diese Vergleiche, ehrlich gesagt, etwas zu kurz greifen, da die SONS OF BUDDHA neben Einflüssen aus Streetpunk und sogar Hardcore-Punk oft auch gute Singalong-Parts einbauen. Das Ganze klingt allerdings nicht nach Stückwerk, sondern homogen und wie aus einem Guss. Das Trio kommt manchmal ein wenig wie eine ruppige Variante der COPYRIGHTS rüber, hin und wieder gepaart mit Ideen und Überraschungen wie bei den ERGS! Auch die teilweise kritischen Texte sind für Pop-Punk eher unüblich. Die Rhythmussektion pumpt und der Sound ist auch prima, was nicht verwundert, da hier mit Ed von den UNCOMMON MEN FROM MARS ein echter Profi mitspielt. Eine wirklich ordentliche Pop-Punk-Scheibe! (8) Bernd Fischer
SPINDRIFT
The Legends Of God’s Gun CD | Tee Pee/Cargo | teepeerecords.com | 43:27 || Diese Platte stammt eigentlich schon aus dem Jahr 2006, war aber wohl bisher nur über die Band selbst auf Konzerten zu beziehen und wurde jetzt das erste Mal richtig von Tee Pee veröffentlicht. Es ist der Soundtrack zu der gleichnamigen D.I.Y.-No-Budget-Italowestern-Hommage von Mike Bruce, an der auch Mitglieder von SPINDRIFT maßgeblich beteiligt waren, etwa Sänger/Gitarrist Kirpatrick Thomas, der am Drehbuch mitschrieb und auch eine der Hauptrollen übernahm. Das Ergebnis muss man aufgrund seines gewollten oder ungewollten Trashfaktors wohl in die Sparte Möchtegern-Tarantino einordnen, aber davon gibt es ja schon genug. Auf jeden Fall verwundert es nicht weiter, dass sich die Musik von SPINDRIFT ordentlich bei Morricone bedient und vielleicht sogar das Interessanteste an dem gesamten Filmprojekt ist. Originell ist aber dieser Spaghetti-Psychedelic-Rock nur bedingt, zumindest funktioniert er auch ohne den dazugehörigen Film und besitzt für Leute, die einen Draht zu Italowestern und Morricone haben, auf jeden Fall einen gewissen Unterhaltungswert. (6) Thomas Kerpen
STIMPACK
Dunkle Wasser CD | Rocking Ape | rockingape.de | 40:35 || Moderner Metal mit Hardcore-Einfluss ist ja bekanntlich das große Ding, das heute angesagt ist im Gitarrenbereich. Da viele Bands diesem Genre Ehre erweisen und dabei die Kreativität einer gewissen Solidität weicht, will sagen: da vieles gleich klingt, ist Innovation gefordert. Im Falle von STIMPACK sind es die deutschen Texte, mit denen sich die Band in erster Linie abgrenzen und ihre Nische finden
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tone Schlagzeug, die fiesen Feedbacks, der einfühlsame (hier weibliche) Gesang, der dem Ganzen die nötige Melodie gibt, es ist alles da, was das Herz eines melancholischen Teenagers (und meines) erfreut. So nah am Original wie dieses Duo war bisher kaum einer. (9) Kalle Stille
SUNN O)))
Monoliths & Dimensions CD | Southern Lord | southernlord.com | 53:00 || SUNN O))) lassen dir die Ohren schlackern, mitunter auch die Magenwände flattern; diesbezüglich hat sich bei den Jungs aus Kalifornien seit jeher nichts geändert. Was aber auffällt, ist die Tatsache, dass „Monoliths & Dimensions“ viel wärmer, aufgeräumter, strukturierter wirkt und deswegen im Endeffekt irgendwie zugänglicher ist als all ihre Vorgänger. Aber wie das halt so ist mit derartigen DroneKompositionen: Eine solche Musik ist einfach nicht mit den üblichen Rezeptionsmechanismen greifbar und nicht mit herkömmlichem Vokabular beschreibbar. Wertende Prädikate sind in diesem Kontext ebenso sinnfrei wie ästhetische Zuordnungen, denn um eine solche Wahrnehmungsbewertung kann es so einer Musik auch gar nicht gehen. Im Fokus der Noisesymphoniker Greg Anderson und Stephen O’Malley steht das Bestreben, die Wucht von Klang(wellen) physisch erfahrbar zu machen. Dazu benutzten sie Feedbackorgien, Soundexperimente, Klangkaskaden und Sprachbeiträge, welche in ihrer Zusammensetzung eher an den Ansatz der Musique concrète erinnern, als an andere, in ähnliche Metal-Ästhetik verpackte Soundkonstellationen. Lässt man sich auf die Sounds ein, kann man durchaus Gefallen finden an der latent mitschwingenden Intellektualität sowie der Kompromisslosigkeit der Andersartigkeit als Gegenpol zur inhaltsleeren Unterhaltungsindustrie. Konstantin Hanke
SVINE
s/t MCD | Papagájuv Hlasatel | phr.cz | 15:27 || Geradlinigen Anarcho-Punk/Hardcore ohne Abwechslung und Überraschungen präsentieren die tschechischen SVINE Seit 2001 gibt es regelmäßige Veröffentlichungen. Das Coverartwork ließ mich auf Hardcore mit D-Beat-Anleihen hoffen, doch trotz engagierter Texte driften die zehn Stücke musikalisch leider in die Belanglosigkeit ab. Aber die beiden letzten Nummern „Love song“ und „J.H.K.“ entwickeln sich dann doch noch zu kleinen Highlights, die an experimentelle G.B.H erinnern. (5) Simon Brunner
SUNSET RUBDOWN
Dragonslayer CD | Jagjaguwar/Cargo | jagjaguwar.com | 48:50 || Ähnlich wie beim Vorgängeralbum „Random Spirit Lover“ geht es auch beim nunmehr vierten Album der inzwischen fünfköpfigen Band aus Montreal (neu dabei ist Mark Nicol an Bass, Schlagzeug und Perkussion) wieder um eine etwas merkwürdig anmutende Mischung aus Progrock, Pop, Punk und Sixties-Trash. Die Musik der Band um Spencer Krug (WOLF PARADE, SWAN ALKE) lässt sich auch diesmal nicht einordnen, höchstens als eine gemäßigte Version der CARDIACS und das ist gut so. Sehr seltsam wirken auch die Coverfotos: Auf dem Frontcover reitet eine Schau-
fensterpuppe ohne Arme auf einem aus Pappmaschee und Schrottteilen gebauten Flugsaurier und auf dem Backcover sitzt eine winkende Schaufensterpuppe in einem rostigen Schaukelstuhl auf einem Schrottplatz. Was hat dies zu bedeuten? Will sie uns warnen oder soll sie anlocken? Vielleicht geben ja auch die acht Titel auf „Dragonslayer“ Antworten, zu entdecken gibt es hier jedenfalls viel. (8) Kay Werner
SURPRISE SEX ATTACK
... A Romantic Interlude CD | Live Fast Die Drunk | myspace.com/livefastdiedrunkrecords | 28:31 || Man könnte meinen, „... A Romantic Interlude“ hätte direkt aus den Achtzigern seinen Weg zu uns gefunden. SURPRISE SEX ATTACK klingen fast wie die Oldschool-Hardcore-Originale: geradlinig und ohne Schnörkel, allerdings garniert mit Rock’n’RollElementen, was sie wiederum origineller macht als die Klassiker. Im Ergebnis kommt dabei ein Album heraus, das vorwärts geht, einem etwas bekannt vorkommt und über weite Strecken einfach rockt, dabei aber auch etwas eintönig ist. (6) Tobias Weber
SUTCLIFFE
s/t CD | Beste! Unterhaltung | besteunterhaltung.biz | 44:35 || Die fünf Musiker von SUTCLIFFE legen ihr erstes vollständiges Album vor. Es dominiert eine Mischung aus Country und TexMex, dazu ein paar Surf- und Steelgitarren. Musik, wie man sie auf einer langen Autofahrt gerne im Hintergrund hört, wenn am Fenster die Landschaften wechseln und man von einer Raststätte zur nächsten fährt. Ein wenig wirkt das Album wie ein Soundtrack, mit ein bisschen Tarantino-Feeling und immer wieder gut laufenden Orgel- und Gitarreneinlagen. Ein schönes, nettes Indiepop-Album mit guten Song-Arrangements und durchaus unterhaltsam. (6) Thomas Neumann
SWEETHEART SEBASTIAN
s/t CD | PAF! Disques | pafdisques.com | 23:30 || Neben den SCUTCHES sind SWEETHEART SEBASTIAN die zweite neue Band auf Johnny Loves Label PAF! Disques. Und wer sowohl auf die WIPERS als auch auf Pop-Punk steht, der sollte schnell weiterlesen. SWEETHEART SEBASTIEN haben nämlich teilweise einen dermaßen coolen WaveTouch, dass ich auf Anhieb an Bands wie AGGRAVATION, die großartigen SEDATIVES oder die schon erwähnten WIPERS denken musste. Eine wirklich fesselnde Mischung, bei der dann so tolle Songs wie „Sunshine“, „Reaction“ oder „De ta vie“ herauskommt. Garniert mit gekonnt eingesetztem Synthesizer/Keyboards und getragen vom französischen Gesang, sind es echte Hits, mit denen ich mich hier konfrontiert sehe! Auch wenn die erwähnten Stücke ziemlich herausstechen, ist der Rest des Albums ebenfalls prima. Ein wenig konventioneller gehalten vielleicht, eher im Pop-Punk-Stil von SCREECHING WEASEL, aber immer mit guten Melodien und Ideen ausgestattet. Auf der nächsten Platte vertiefen SWEETHEART SEBASTIEN hoffentlich noch ein bisschen die eingeschlagene Richtung, bis dahin kann ich diese Veröffentlichung aber nur weiterempfehlen. (8) Bernd Fischer
TAIPUVA LUOTISUORA
IV CD | Nordic Notes | nordic-notes.de | 41:05 || Finnland scheint eine nicht enden wollende Quelle für kreative und ungewöhnliche Musik zu sein. Mit dem vorliegenden dritten Album „IV“ (sic!) von TAIPUVA LUOTI-
SUORA hauen die Prog-Rocker aus Helsinki ein sehr cooles, experimentierfreudiges Stückchen Musik raus, an dem sie offensichtlich lange gearbeitet haben. Es dominieren die Instrumente und man hat generell – bis auf minimale Passagen – auf Gesang verzichtet. Die schnellen, teilweise zu opulenten Soundwalls anwachsenden Arrangements bewegen sich irgendwo zwischen progressiv-psychedelischer Surfmusik und psychedelischem Rock mit Tendenz zum Bombastischen. Das Album trifft den Nerv von einem guten Soundtrack für eine schnelle, amerikanische Krimiserie der Siebziger – was sicherlich den typischen Synthiesounds zu verdanken ist – und lässt bei den ausgefeilten Riffs das Herz des Gitarrenfreunds höher schlagen. Ein Kracheralbum, gut durchkomponiert und zusammengestellt. Trotz des kalauerartigen Scherzes das dritte Album „IV“ zu nennen:Top-Platte. (9) Thomas Neumann
TTT TELEMARK Informat
LP | Salon alter Hammer/X-Mist | salonalterhammer.de || „Party, sagt er. Party, sagst du. Das wird echt (mehr als!) nett heut’ Abend. Ein Pflichttermin, da muss man hin...“ Was denn? So sagt es eine Textzeile vom neuen TELEMARK Album. Und so ist das eben, wenn TELEMARK spielen. Mittlerweile live als auch auf Platte durch einen Marek.MS20 gepimpt, dass es raucht (...)! Auch noch Soundtüftlersahne auf den Postpunk-Kuchen spritzen oder was? Yeah! Noch besser also? Geht das? Na klar! Der Sänger? Sieht super aus! Und die Verhältnisse bereiten ihm sichtlich und hörbar Unbehagen: Sauer ist der, streckenweise, weia ... Und tanzen kann der! Wow! Frisur? Egal. Und dann auch noch: Die Texte! Beißen wie weißer Hai auf Surfer – kraftvoll zu und sich somit im Rezipientenhirn fest. Beim ersten Hören eher fragmentarisch und auf Schlagworteffekte zielend wirkend, öffnet einem weiteres, intensives Studium der Zeilen dann doch oft den Vorhang, hinter den es zu schauen gilt, um die jeweilige Geschichte oder den dazugehörigen, betexteten Umstand zu erkennen. .. Und der Bassist! Ein berserkerndes Monstrum, wissend, was „Pumpen“ heißt, wenn es seinen groovenden Teppich verlegt. Und der Schlagzeuger! Ein Steinmetz auf Steroiden, der am offenen Herzen des Hörers operiert. Kunstfehler? Fehlanzeige! Die Gitarre bockt (harhar. ..) wie Black Beauty mit Filmschurken auf dem Rücken durch die endlosen Weiten ihrer Nähe zum Noiserock – und all das greift derart Zahnrad-like ineinander, dass man Doping, bionische Extremitäten oder Genmanipulation dahinter vermuten möchte! Es ist, oh Wunder, die Platte des Jahres. Wenn nicht gar mehr noch! Halleluja! Es ist der und die Faust im Arsch der Popkultur, je nach dem, ob man auf Text oder Musik sein Augenmerk legt. Es ist so endgeil, dass man schreien möchte. Vor Verzückung. Es ist so schön, dass man weinen möchte. Vor Glück. Es ist: Das finale Wort fehlt mir ... Mir! Mann ey. Es muss Liebe sein. Große Namen, die beim Hören von „Informat“ durch mein mit Scheuklappen verziertes Kleingeist-Hasenhirn huschen (da man ja hierbei immer nur sehr subjektiv klingen kann) wären zum Beispiel: HOT SNAKES, WIPERS, KURT... (10) Jörkk Mechenbier
TORMENT
Tormentizer CD | Remedy | remedyrecords.de | 43:49 || Seit gut 25 Jahren schleichen die Hamburger TORMENT durch Deutschlands Musikszene und haben es in dieser Zeit doch tatsächlich geschafft, völlig an mir vorbei zu rauschen. Schade eigentlich, denn auch wenn sie mit ihrer kru-
den Mischung aus MOTÖRHEAD, VENOM und Ruhrpottrumpelthrash der Marke SODOM mit hundertprozentiger Sicherheit keinen Originalitätspreis einheimsen werden, muss man den Jungs dennoch attestieren, dass sie nicht zuletzt aufgrund ihrer Authentizität recht sympathisch rüberkommen. Fast eine Dreiviertelstunde lang hobeln sich die Hanseaten durch teilweise prollige Songs wie „Heavy metal whorehouse“, „I hate the system“ oder „Stalker“ und beweisen Szene-Credibility, indem sie mit „We are the boys“ die frühe englische Punkband BLITZ covern. Dass solch ein Gerumpel keine riesigen Hallen füllt, dürfte klar sein, aber die Kneipe um die Ecke, die wird mit solchen Songs garantiert zerrockt. (6) Jens Kirsch Auf der Ox-CD zu hören.
TRUCKFIGHTERS
Mania CD | Fuzzorama | truckfighters.com | 50:36 || Die Schweden haben zwar nichts dagegen einzuwenden, immer wieder auf die US-Helden QUEENS OF THE STONE AGE, KYUSS und FU MANCHU angesprochen zu werden, doch auf Dauer nervt das dann wohl doch etwas – und TOOL, SOUNDGARDEN und PEARL JAM seien gleichermaßen zutreffend, sagen sie im Interview. Nun, wer mit FU MANCHU tourt, darf sich an entsprechenden Vergleichen eben nicht stören, und ehrlich gesagt, klingt auch „Mania“, ihr drittes Album, wieder so fuzzig („Fuzz is a lifestyle. A big muff with everything on maximum and a fat tube amp with everything on maximum makes the sound very special“, so die TRUCKFIGHTERS), dass obige Diskussion eher akademischer Natur ist: Abgestimmt wird mit dem Bauch, und der vibriert bei all diesem niederfrequenten Gewummse gewaltig und kennt die Antwort nur zu genau. Nichts Neues also von den TRUCKFIGHTERS, und das ist gut so. (7) Joachim Hiller
TELEKINESIS
Telekinesis! CD | Morr Music | morrmusic.com || Es ist schon eine Kunst, zerbrechliche Songs roh und trotzdem gut klingen zu lassen. Chris Walla, hauptsächlich Gitarrist und Produzent von DEATH CAB FOR CUTIE, hat sich für TELEKINESIS dieses Mal für die direkteste aller Aufnahmen entschieden. Zusammen mit Mastermind Michael Lerner haben sie einfach Songs aufgenommen, wann immer ihnen die Ideen dafür kamen. Natürlich hat Walla ein Händchen dafür, dass auch die rohesten Ideen noch zauberhaft klingen, aber man kann auch seine „Handschrift“ in den Songs wiedererkennen. Vor allem wenn man seine Soloaktivitäten mit verfolgt hat, wird beim Hören von „Telekinesis!“ deutlich, wer hier die Hosen anhatte. Dass dabei natürlich fantastische Songs herauskamen, ist nicht zu bestreiten. Für sich gesehen ist „Telekinesis!“ auch eine abwechslungsreiche Platte, die die Songs auf einem Album vereint, die DEATH CAB FOR CUTIE vielleicht nie mehr aufnehmen werden. Für Fans von Walla und seiner Hauptband vielleicht ein Muss. (7) Sebastian Wahle
TODD ANDERSON
Zufluchtsort CD | Papership | myspace.com/papershiprecords | 42:08 || Todd Anderson müsste eigentlich in dem Alter sein, in dem andere in Rente gehen, doch stattdessen steht er auf kleinen Bühnen und macht Hardcore. Naja, nicht wirklich, es ist nicht der von Ethan Hawke gespielte Schüler aus „Der Club der toten Dichter“, der hier, zu realem Leben erweckt, zu hören ist, sondern immer noch der Fünfer aus Marburg, der 2007 mit „Wenn Botenstoffe streiken“ ein überzeugendes Debüt veröffentlichte. „Zufluchtsort“
/comIcS Rob Zombie, Steve Niles, Richard Corben
BIGFOOT
Comic | Cross Cult | cross-cult.de | 128 S., 16 Euro || Drei Namen, die durchaus eine gewisse Erwartungshaltung erzeugen. Rob Zombie dürfte hinlänglich als Musiker und Filmemacher bekannt sein, Steve Niles ist für 30 DAYS OF NIGHT verantwortlich und schrieb auch das Drehbuch für den gleichnamigen Film, und Richard Corben ist eine der legendärsten Gestalten der amerikanischen ComicUndergroundszene der 70er und ist bis heute aktiv. Umso enttäuschender fällt das Ergebnis aus: eine äußerst dünne Geschichte auf B-Horrorfilm-Level, in der der BigfootMythos noch mal aufgewärmt wird, und das nicht mal besonders originell. Ein Junge muss zu Beginn mitansehen, wie seine Eltern von einem haarigen Untier abgeschlachtet werden. Jahre später kehrt er in diese Gegend zurück, um Jagd auf die Kreatur zu machen. Zwischendurch ist Bigfoot natürlich nicht untätig und treibt blutig sein Unwesen. So weit, so unoriginell. Wären da nicht Corbens gut wiedererkennbare Zeichnungen, könnte man das Ganze wirklich in die Tonne kloppen, doch so besitzt BIGFOOT zumindest in künstlerischer Hinsicht seine Berechtigung, auch wenn man das Ganze nicht unbedingt als Sternstunde in dessen Schaffen bezeichnen kann. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass man aus dieser billigen Horrorlektüre einen noch billigeren Horrorfilm macht, wobei man eventuell mit dessen Blutrünstigkeit leichte Probleme bekommen könnte. Alan Moore, Kevin O’Neill
DIE LIGA DER AUSSERGEWÖHNLICHEN GENTLEMEN 2: KRIEG DER WELTEN
Comic | Panini | paninicomics.de | 228 S., 19,95 Euro || Vor längerer Zeit hatte ich an dieser Stelle mal die beiden Bände von DIE LIGA DER AUSSERGEWÖHNLICHEN GENTLEMEN besprochen. Damals noch erschienen bei Speed, die seit Ende 2005 leider pleite und damit aus dem Rennen sind, und deren Veröffentlichungen mehr oder weniger von Panini übernommen wurden. Die hatten Ende letzten Jahres bereits den ersten Band der Zusammenarbeit von Alan Moore und Kevin O’Neill wiederveröffentlicht, jetzt folgt DIE LIGA DER AUSSERGEWÖHNLICHEN GENTLEMEN 2: KRIEG DER WELTEN. Es mag etwas langweilig erscheinen, immer auf der Brillanz von Moores Schaffen herumzureiten, so als ob es nichts anderes Gutes in diesem Bereich gäbe, aber gerade diese beiden in sich abgeschlossenen Bände sind deutlicher Beleg für die Fähigkeiten des schrulligen Briten mit dem Rauschebart, umso bedauerlicher, dass die Verfilmung von Teil 1 völlig in die Hose ging. Moore gelingt hier ein wunderbarer Crossover mit Figuren der Literaturgeschichte und Trivialkultur, darunter Mina Murray, geschiedene Harker (aus „Dracula“
von Bram Stoker), Allan Quatermain (aus der Reihe von Henry Rider Haggard), Kapitän Nemo (aus „20.000 Meilen unter dem Meer“ und „Die geheimnisvolle Insel“ von Jules Verne), Dr. Jekyll/Mr Hyde (aus Robert Louis Stevensons gleichnamigem Roman) sowie dem Unsichtbaren Hawley Griffin (von H. G. Wells), die im ersten Band von der britischen Regierung während der viktorianischen Zeit Ende des 19. Jahrhunderts als Spezialagenten angeheuert werden, um Dr. Fu Manchu das Handwerk zu legen, der mal wieder die Weltherrschaft an sich reißen will. Eine verhältnismäßig leichte Aufgabe, denn im zweiten Band muss man gegen Außerirdische antreten, wo ganz klar H. G. Wells’ „Krieg der Welten“ die Vorlage war. Keine Gruppe von strahlenden Superhelden allerdings, sondern recht schizophrene Gestalten mit jeder Menge Macken, denen man eigentlich nur ungern die Rettung der Menschheit anvertraut. Ein ironischer wie cleverer Lesespaß, von Kevin O’Neill exzellent und detailverliebt bebildert (dessen Zeichnungen mir von allen Moore-Kollaborationen eigentlich am besten gefallen), der auch beim zweiten Mal nichts von seinem Reiz verloren hat, wenn man denn etwas mit diesen klassischen Schauer- und Abenteuergeschichten anfangen kann. Jetzt wäre es aber auch langsam an der Zeit, dass in hierzulande mal THE LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN, THE BLACK DOSSIER aus dem Jahr 2007 erscheint – der Abschluss des neuesten Bandes THE LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN, CENTURY 1910 wird wohl leider erst 2011 erfolgen. Gerard Way, Gabriel Bá
THE UMBRELLA ACADEMY 1: WELTUNTERGANGS-SUITE
Comic | Cross Cult | cross-cult.de | 160 S., 19,80 Euro || Gerard Arthur Way ist bekanntlich Sänger und Gründer der erfolgreichen Band MY CHEMICAL ROMANCE. Vorher hatte Way allerdings wenig erfolgreich versucht, Fuß in der Comicindustrie zu fassen, was ihm reichlich Probleme mit Suff und Depressionen bescherte. Insofern erscheint es ein später Triumph für ihn zu sein, dass er jetzt mit einer erfolgreichen Band im Nacken endlich auch seine Anerkennung im Comic-Bereich erntet und THE UMBRELLA ACADEMY 1: WELTUNTERGANGSSUITE auch mal für eine Verfilmung im Gespräch war. Glücklicherweise ist Way nicht komplett größenwahnsinnig und hat das Zeichnen dem Brasilianer Gabriel Bá überlassen, dessen Stil sehr an Mike Mignola erinnert, nur in bunt, ohne dass man ihn deswegen als Plagiator bezeichnen müsste. Der Comic selbst ist ein Fall von „mixed bag of nuts“, denn die angebliche inhaltliche Tiefe erweist sich oft als Blendwerk, das aber von den phantasievollen Zeichnungen Bás gekonnt aufgefangen wird. Beim Spiel mit den Klischees der Superhelden-Comics verheddert sich Way ständig in selbigen und erinnert dabei oft an die Welt der X-Men und die der TV-Serie „Heroes“. So steht im Mittelpunkt eine Gruppe Mutantenkinder mit ungewöhnlichen Kräften, die ein Wissenschaftler unter sein Fittiche genommen hat. Letztendlich geht es auch hier um den bekannten Kampf zwischen Gut und Böse, in Gestalt eines die Welt bedrohenden Irren, was Way und Bá allerdings mit einer sympathischen schwarzhumorigen Dimension und Selbstironie versehen – auch das erinnert an Mignola – und visuell sehr ansprechenden Bildern. Insofern wäre es falsch, THE UMBRELLA ACADEMY als reinen Hype abzu-
tun, denn diese Superhelden-Saga weist auf jeden Fall eine ansprechende inhaltliche Geschlossenheit auf. Ein weiterer Band wird sicher Klarheit darüber schaffen, ob mehr an der Sache dran ist, und der in den Staaten bereits bei Dark Horse unter dem Titel THE UMBRELLA ACADEMY: DALLAS erschienen ist. Steve Niles, Kelley Jones
BATMAN: MITTERNACHT IN GOTHAM 1
Comic | Panini | paninicomics.de | 148 S., 16,95 Euro || Wenn man nicht gerade fanatischer Superheldencomic-Fan ist, macht es eigentlich wenig Sinn, mit dem monatlichen Output von Marvel oder DC Schritt halten zu wollen, zumal sich – sorry – vieles doch eher auf Groschenroman-Niveau bewegt. Ausnahmen bestätigen die Regel beziehungsweise kann man an den Autoren und Zeichnern durchaus ablesen, ob sich die Beschäftigung mit einer jahrelang aktiven Heldenfigur noch lohnen könnte, und gerade der Dunkle Ritter ist komischerweise immer wieder die beste Grundlage für Versuche dieser Art. Hier heißt der Autor Steve Niles und war für 30 DAYS OF NIGHT verantwortlich und schrieb auch das Drehbuch für den hervorragenden Film. Zeichner Kelley Jones hat bereits Erfahrung mit Batman und arbeitete in der Vergangenheit mit Neil Gaiman zusammen. Wer eher auf Frank Millers Minimalismus und Stilisierung steht, mag die expressiven, poppigen Zeichnungen, die einen quasi anspringen, eventuell weniger, aber Jones hat auf jeden Fall eine charakteristische Handschrift, mit der er sich den Batman-Mythos aneignet. Die Geschichte bewegt sich dabei in bekannten Bahnen, dafür gibt es neue Gegner – die alte Garde sitzt in Arkham ein –, die dem Dunklen Ritter einige Rätsel aufgeben, wobei auch die alten Widersacher nicht völlig untätig zu sein scheinen. MITTERNACHT IN GOTHAM besitzt dabei eine interessante Halloween-Atmosphäre, nicht nur allein durch die thematische Einbeziehung des 31. Oktober, denn Batman hat es mit einer karnevalesk anmutenden Schar von Monstern und Bösewichtern zu tun, da gerät der vielgepriesene Realismus der Reihe häufiger mal aus den Fugen. Ein bahnbrechendes Meisterwerk ist MITTERNACHT IN GOTHAM allerdings nicht, aber auf jeden Fall nette Comic-Unterhaltung für zwischendurch, natürlich mal wieder mit Cliffhanger. Band 2 folgt in Kürze. Eric Powell
THE GOON 1: KRUDES ZEUG THE GOON 2: WAS EIN ELEND!
Comic | Cross Cult | cross-cult.de | 100/144 S., 14,80/19,80 Euro || Eric Powells bereits seit 1999 erscheinende Serie THE GOON ist ein klarer Fall von „style over substance“, das zur Abwechslung aber mal im
positiven Sinne. Powells titelgebende Figur ist eine skurrile Mischung aus Popeye, Film Noir-Gangster, The Spirit und Bauarbeiter, der eigentlich nicht anderes tut, als zusammen mit seinem Sidekick Franky – einer Knackwurst mit zwei Augen und Hut – im Auftrag seines Bosses Labrazio den üblichen Gangster-Tätigkeiten nachzugehen, wie Geldeintreiben und Leute verprügeln. Das Besondere an THE GOON ist allerdings das Milieu, in dem sich die Hauptfiguren bewegen, denn anstatt mit den üblichen Kleinkriminellen hat es der Goon mit Zombies, Vampiren und anderen hässlichen Monstern zu tun, mit denen er auf sehr direkte Art fertig wird. Das hat etwas von der Überdrehtheit eines Tex Avery-Cartoons an sich, gepaart mit den heruntergekommenen Locations von „Angels With Dirty Faces“, ernst darf man THE GOON aber keinesfalls nehmen. Das fällt auch nicht weiter schwer angesichts des doch recht derben, unkorrekten Humors von Powell, der den eigentlichen Spaß an seinen fantastisch gezeichneten, knallbunten Comics ausmacht. Nichts für Freunde tiefsinniger Autorencomics also, was nicht heißt, dass THE GOON plattes Entertainment wäre, denn Powells Streifzug durch die Trivialkultur des letzten Jahrtausends weist ihn als echten Kenner der Materie aus. In KRUDES ZEUG versammeln sich sämtliche frühen Geschichten der Serie sowie eine Skizzensammlung zur Evolution des Goon. Zeichnerisch noch nicht so stark wie die späteren Geschichten in WAS EIN ELEND!, die dann ab 2003 von Dark Horse veröffentlicht wurden. Weitere Bände sind bei Cross Cult bereits in Arbeit. Ein Animationsfilm ist offenbar für nächstes Jahr geplant, aber das kann sich ja schnell wieder ändern. Jim, Fane
SONNENFINSTERNIS
Comic | Splitter | splitter-verlag.de | 288 S., 24,80 Euro || Mit SONNENFINSTERNIS der beiden francobelgischen Künstler Stéphane „Fane“ Deteindre und Thierry „Jim“ Terrasson veröffentlicht Splitter eine richtig umfangreiche „Graphic Novel“, die etwas aus dem Rahmen des sonstigen Programms fällt. Aufgrund des Umfangs und der gebundenen Form könnte man das Ganze für ein Buch halten, aber es ist tatsächlich nur eine Bildergeschichte mit knapp 300 Seiten. In Schwarzweiß und mit Zeichnungen, die im ersten Moment eine FunnySerie vermuten lassen, aber SONNENFINSTERNIS ist ein irgendwie typisch französisches, existentialistisch angehauchtes Beziehungsdrama mit realistischer Note. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe alter Freunde, zwei Frauen und drei Männer, einer davon schwul, und alle in den Dreißigern, bis auf die 19-jährige Internetbekanntschaft eines der Herren, die auch noch dazustößt. Eigentlich will man nur in einem abgelegenen Haus in der Nähe eines malerischen Dorfes die anstehende Sonnenfinsternis genießen, aber gegen die Tücken der Gruppendynamik ist eben kein Kraut gewachsen. Alte Konflikte und unverarbeitete Traumata kommen wieder an die Oberfläche, ausgelöst durch die Tatsache, dass einer der Freunde die anderen zu Komplizen seines Ehebruchs macht, denn dessen Ehefrau ist mit den anderen ebenfalls freundschaftlich verbunden. An sich der übliche Beziehungs- und Selbstfindungskrampf, Stichwort Midlifecrisis, der sich trotz seiner Länge aber als erstaunlich unterhaltsam erweist, da SONNENFINSTERNIS auch nicht völlig humorlos ist, wobei die letztendlich daraus resultierenden Erkenntnisse in analytischer
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ist der Nachfolger, auf dem sich die Band noch ausgereifter präsentiert und die deutschen Texte als Markenzeichen bewahrt hat. Hätten sie englische Texte, würden allenthalben Vergleiche mit MODERN LIFE IS WAR oder DEFEATER sprießen, so aber ist Marco Seegers mal eher gesprochene, mal gebrüllte Vokalakrobatik eher was aus der Kategorie Rachut-Epigonen meets ESCAPADO. Ein wirklich mitreißendes Album, das trotz exzellenter Produktion aber nur eine ungefähre Ahnung von dem vermittelt, was TODD ANDERSON live veranstalten: Da sind sie um ein vielfaches intensiver und aggressiver, ein absolutes Brett und äußerst mitreißend. (8) Joachim Hiller
TINY VIPERS
Life On Earth CD | Sub Pop | subpop.com | 64:39 || „And some things never change ...“ Auch wenn man für dieses schlimme Werbezitat eigentlich gelyncht werden müsste, so ist es wunderbar zu sehen, dass manche Künstler einfach für ihre Konstanz stehen und man genauso blind wie taub ihrer Qualität trauen kann. Auch wenn es erst ihr zweites Album ist, so hat sich Jesy Fortino aka TINY VIPERS bereits einen großen Namen gemacht, der Szenen- und Ländergrenzen überschreitet und meist große Begeisterung auslöst. So hat sie neben zwei Alben eine 7-Song-EP aufgenommen und war im Dischord-nahen „Burn To Shine 5“-Video mit dem Fokus auf Seattle vertreten. Auf „Life On Earth“ entführt Jesy den Zuhörer allein mit Gitarre und Gesang in eine Welt der Melancholie, die immer vom Zwiespalt aus Positivem und Negativem bestimmt wird. Pendelnd zwischen der Realität und unter- beziehungsweise unbewusst anmutenden Welten beschreibt sie nicht nur Geschichten, sondern bildhafte Gefühlszustände und traumartige Erscheinungen, die sich auch in Hinsicht auf das echte Leben interpretieren lassen. Irgendwie wirkt dieses Album etwas trauriger als das letzte, in welchem noch mehr eingängige Melodien vorhanden waren. Im neuen Werk lösen sich diese eher in Fragmente auf, die aber trotzdem weiterhin eine sehr angenehme Symbiose aus Stimme und Instrument erzeugen. Am liebsten als private Singer/Songwriter-House-Show unter Freunden! (9) Christoph Schulz
TEMPER TRAP
Conditions CD | Liberation | liberation.com.au | 54:25 || Das Debüt der Australier, produziert vom ARCTIC MONKEYSund EDITORS-Produzenten Jim Abbiss, ist ziemlich perfekter Pop, ohne jedoch trivial und beliebig zu erscheinen. Die fragile, mitunter etwas zu hohe Stimme von Sänger Dougy Mandagi ist dabei das tragende Element der Musik. Beim – ARCADE FIRE nicht unähnlichen – Song „Science of fear“ hat (bei dem Titel nicht erstaunlich) DJ Shadow in der Produktion mitgewirkt, ohne der Band seinen Stempel aufzudrücken. THE TEMPER TRAP verstehen es, mit einem effektiven Minimalismus melancholische und atmosphärische Pop-Perlen zu schaffen. Die Band wurde bereits Anfang des Jahres von der BBC als eine der Top-15-„Sound of 2009“-Bands erkoren. Relativ massive Vorschusslorbeeren für die Band, die gerade von Melbourne nach London
Hinsicht etwas unbefriedigend wirken. Erinnerte mich ein wenig an Denys Arcands Film „Der Untergang des amerikanischen Imperiums“ (ohne dessen Zynismus) oder Patrice Chéreaus „Wer mich liebt, nimmt den Zug“ (ohne Zugfahrt) und dürfte Menschen gefallen, die Comics mit lebensnaher, tiefsinnigerer Dimension bevorzugen, und ist dementsprechend empfehlenswert. Fil
DIDI & STULLE 8: GETÖTET VOM TOD
Comic | Reprodukt | reprodukt.com | 64 S., 10 Euro || Muss man eigentlich zum typisch berlinerischen Humor von Fil (den aber auch Nicht-Berliner verstehen können) und seinem Traum-Duo Didi und Stulle noch großartig etwas sagen? Inzwischen gibt es den achten Band, und wer die beiden immer noch nicht kennt, hat definitiv etwas verpasst, ein bestimmtes Humorverständnis natürlich vorausgesetzt. DIDI & STULLE 8: GETÖTET VOM TOD ist aber nicht Punk wie sonst, sondern eher Progrock, ein abgedrehtes Konzeptalbum und eine erneute Begegnung mit Gott und dem Jenseits. Denn nachdem Didi und Stulle unbeabsichtigt vom Alex (also dem Fernsehturm) erschlagen werden, landet Stulle im Himmel, wo er auf Jesus und Adolf H. trifft, während Didi in der Hölle schmoren muss. Die hat die Form eines Spar-Supermarktes, wo er schwüllesbischen Sex über sich ergehen lassen muss. Man mag es kaum für möglich halten, aber das Ableben ist schon eine ziemlich komische Angelegenheit, zumindest bei Fil, dessen eigenwillige Odyssee überlieferte Denkmodelle der abendländischen Kultur nachhaltig ins Wanken bringen dürfte. Und das erneut mit seinem gewohnt trockenen, respektlosen Humor (inklusive der Veräppelung armer Manga-Otakus) und einem nach wie vor irrsinnigen Ideenreichtum, der wirklich nicht von dieser Welt zu sein scheint. Passiert mir selten, aber bei Fil habe ich wirklich von der ersten bis zur letzten Seite vor Lachen Tränen in den Augen, das ist schon fast gesundheitsschädlich. Wer nicht gerade regelmäßig das Berliner Stadtmagazin Zitty liest, wo Fil seine Geschichten veröffentlicht, für den ist DIDI & STULLE 8: GETÖTET VOM TOD die perfekte Möglichkeit, dessen geniale, absurde Komik in komprimierter Form zu genießen, wo der Berliner erneut zu Hochform aufläuft, zu dessen ersten Arbeiten ja 1990 der Comic zu Jörg Buttgereits Film „Nekromantik“ gehörte. Cosey
AUF DER SUCHE NACH PETER PAN
Comic | Cross Cult | cross-cult.de | 160 S., 26 Euro || AUF DER SUCHE NACH PETER PAN ist die liebevoll aufgemachte Neuauflage eines Comics des Schweizer Zeichners und Autors Bernard Cosandey, der Mitte der 80er das erste Mal im belgischen Magazin Tintin erschien. Zeichnerisch erinnert Cosey leicht an Jean Girauds Blueberry, kommt aber nicht an dessen Klasse heran. Inhaltlich kann man das Ganze schlecht einordnen, eine Lovestory mit Heimatfilmtouch, in der ein englischer Schriftsteller serbischer Abstammung mit einer Schwäche für James M.
gezogen ist, um in Großbritannien unter Umständen in den nächsten Wochen von der Presse gehypet (und ebenso schnell wieder vergessen) zu werden. „Conditions“ kann man auch zum Yoga hören. (7) Markus Kolodziej
THEE FLANDERS
The Spirit Of 666 CD | Halb7 | halb7records.de || Nach vier Jahren und vielen Ankündigungen erscheint nun endlich die neue Platte von THEE FLANDERS, das immerhin schon fünfte Album. Die Erwartungshaltung war bei mir nicht mehr sehr groß, umso freudiger überrascht haben mich die Vielfalt der Songs und die deutlich bessere Produktion. Der Sound wirkt in der Tat gefestigter und ausgereifter. Allein die Individualität ist immer noch nicht sehr ausgeprägt. Ihr Psychobilly-Sound ist nichts anderes als die Mischung aus vielen vorhandenen Vorbildern und damit recht durchschnittlich und vorhersehbar. Speziell an den Gesang muss ich mich immer erst ein paar Songs lang gewöhnen, danach passt es dann. Immer wieder gut sind die Songs mit deutschen Texten, auch wenn es Cover sind. So etwas gibt es viel zu selten. Psychobilly mit passenden deutschen Texten hat immer eine ganz spezielle, gruselige Wirkung. Die begleitenden Werbetexte sind dagegen fast schon unangenehm dick auftragend. Mehr Zurückhaltung und weniger Lobpreisung ist hier zu empfehlen, denn Eigenlob stinkt auch heute noch. (6) Robert Noy
THROW ME THE STATUE
Creaturesque CD | Secretly Canadien/Cargo | secretlycanadian. com || Irgendwo zwischen DEATH CAB FOR CUTIE und den BEATLES müssen BAND OF HORSES jetzt erst mal Platz machen. THROW ME THE STATUE brauchen ihn – und zwar zum Tanzen. Wenn „Creaturesque“ nicht der perfekte Soundtrack zu eigentlich jeder Tätigkeit ist, die man ausführen kann (Schlachten jetzt vielleicht mal ausgenommen; aber wer macht das auch noch?), dann weiß ich auch nicht. Die vier Amerikaner decken das komplette Spektrum von Easy Listening bis poppigen – nun, es lässt sich nun mal nicht anders beschreiben – Indiesongs ab, auf die streckenweise bestimmt auch WEEZER neidisch sein dürfen. Wem das hier zu viel Namedropping ist, der sollte einfach mal ein Ohr riskieren. Wenn du unbeschwerte Momente erleben möchtest, ist auf „Creaturesque“ auch ganz bestimmt was für dich dabei. Super Sommerplatte – auch für die verregneten Tage. (8) Sebastian Wahle
TINNITUS
Engel & Helden CD | tinnitustrupp.de | 31:37 || Der Name TINNITUS kommt nicht von ungefähr, denn diese Band hat sich vorgenommen, wie Parasiten in dein Ohr zu kriechen, um dort einen dauerhaft ansässigen Ohrwurm zu gebären. Aber ich kann euch beruhigen. Ihr werdet beim Hören dieses Albums weder von Parasiten befallen noch von massenhaft Songs mit Ohrwurmcharakter. TINNITUS fabrizieren einen einfachen, sehr rockigen Deutschpunk, dem aber das gewisse Etwas fehlt. Einige Titel können sich hören lassen („Vier Parasiten“, „Engel & Helden“) und rocken auch gut ab, insgesamt aber wirkt der Sound zu brav, es fehlt das Rotzige darin. Die Texte sind ehrlich und kritisch. So bekommen unter anderem auch die Medien ihr wohlverdientes Fett weg. Trotzdem haben TINNITUS mit „Engel & Helden“ eine eher durchschnittliche Platte auf den Weg gebracht. Eine kleine Aufwertung gibt’s aufgrund der Texte, die einem immerhin die Augen zu öffnen versuchen – durchaus mit Erfolg. (7) Sven Grumbach
Barries „Peter Pan“ ein verschneites Dorf in den Walliser Alpen aufsucht. Dort erhofft er sich die dringend nötige Inspiration für ein neues Buch und will gleichzeitig mehr über das Schicksal seines Bruders erfahren, der dort ums Leben kam. Dabei trifft er auf einen Geldfälscher und dessen Tochter, eine Alpen-Emmanuelle, die schließlich seine große Liebe wird. Eine insgesamt etwas biedere Angelegenheit, selbst in Sachen Erotik ist AUF DER SUCHE NACH PETER PAN äußerst harmlos, lässt sich aber dennoch schön lesen. Zumal es Cosey wirklich exzellent versteht, die verschneite Bergwelt der Schweiz äußerst atmosphärisch in seine Bilder zu integrieren – die entfesselten Naturgewalten als letztendlich schicksalshafter Katalysator für die Selbstfindung des Schriftsteller. Leider ist die Auflösung der Geschichte etwas banal und kann nicht wirklich überzeugen, trotz der offensichtlichen künstlerischen und literarischen Qualitäten dieser Alpen-Oper, deren angeblicher Klassikerstatus für mich nicht ganz nachvollziehbar ist. Neil Gaiman, Dave McKean
BLACK ORCHID
Comic | Panini | paninicomics.de | 164 S., 16,95 Euro || Als BLACK ORCHID Ende der 80er das erste Mal in den Staaten bei DC erschien, sorgte die Reihe für extreme Verwirrung beim Superhelden-Publikum. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn schon alleine Dave McKeans Bilder, die mehr an Gemälde als an typische Comic-Panels erinnern, sprengten den Rahmen des Genres und katapultierten BLACK ORCHID in die Sphären von Kunst, ähnlich wie er es später mit CAGES noch vervollkommnen konnte. Autor Neil Gaiman (dem ich generell noch nie so viel abgewinnen konnte) sorgt inhaltlich aber auch nicht für mehr Klarheit, denn seine Geschichte über seltsame Blumenwesen und deren Verbindung zur sonstigen Superheldenwelt (Batman und Superman-Gegenspieler Lex Luthor tauchen auf, und Gotham ist eine der Locations) bleibt verwirrend und neigt zu äußerst kryptischen Botschaften. Als Ganzes erinnert BLACK ORCHID mehr an einen verwaschenen surrealen Traum und nicht an einen klassischen Superheldencomic. Das hat sicherlich seine Qualitäten, vor allem McKeans Bildsprache ist generell sehr beeindruckend, wirklich schlau wird man daraus nicht, deswegen dürfte BLACK ORCHID mit seiner antiklimaktischen Erzählstruktur eine unbefriedigende Erfahrung für viele Leser bleiben, so wie es mir im Prinzip leider auch erging. Insofern ist die Neuauflage dieser Modernisierung des DC-Universums zwar eine schöne Sache, aber ich bin mir unsicher, ob es sich dabei um einen wirklich geglückten Versuch dieser Art handelt. Simon Oliver, Tony Moore, Chris Samne
EXTERMINATORS 2: AUFSTAND DER SCHABEN
Comic | Panini | paninicomics.de | 132 S., 16,95 Euro || EXTERMINATORS 2: AUFSTAND DER SCHABEN ist einer dieser nicht so recht kategorisierbaren Comics aus der Schmiede des Vertigo-Verlages. Mit Tony Moore, dem Schöpfer von THE WALKING DEAD, ist hier auf jeden Fall ein äußerst fähiger Zeichner mit an Bord, dessen Stil bunt und plakativ ist, aber auch irgendwie noch sehr realistisch. Die Geschichte selbst gehört wohl in die Sparte Horror, denn die im Mittelpunkt stehenden Kammerjäger werden hier mit der Wiederkehr eines 3.000 Jahre alten ägyptischen Regenten konfrontiert, der in Los Angeles mit Hilfe einer Kakerlaken-Plage die Menschheit ausrotten will. Also klassisches Genre-Material, inklusive generell skurriler Figuren und eines schrägen Humors. Zusätzlich wird
TEX NAPALM & DIMI DERO
Sticky Singers CD | Beast/Cargo | beastrecords.free.fr | 44:19 || Ein Hoch auf die Deutsch-Französische-Freundschaft! Tex Napalm (Dortmund, Deutschland) und Dimi Dero (Paris, Frankreich) haben sowas wie ein gemeinsames Soloalbum eingespielt und dabei jeweils mehr Instrumente bedient, als das eine fünfköpfige Band bewerkstelligen könnte. Ob und wie das live zu umzusetzen ist, steht auf einem anderen Blatt, aber die Studioarbeit der beiden australophilen Europäer überzeugt. BIRTHDAY PARTY und BEASTS OF BOURBON sowie all die anderen Bands und Musiker aus diesem Umfeld gehören zu den bevorzugten Inspirationsquellen von Tex und Dimi (der sonst mit seiner Band DIMI DERO INC. aktiv ist), stellen auf jeden Fall die Schnittmenge des musikalischen Geschmacks der Akteure dar, und das hört man: rhythmusorientierte, dunkle, schleichende Musik mit viel Percussion-Einsatz und seltsamen Soundeffekten (inklusive Säge und Bohrmaschine ...), dem frühen Schaffen von Nick Cave und BAD SEEDS auf der Spur und mit enorm viel Liebe zum Detail umgesetzt. Eine höchst angenehme, atmosphärische und subtile Platte für Kenner. (8) Joachim Hiller
FRANK TURNER
Love, Ire & Song CD | Epitaph/Indigo | epitaph.com | 45:49 || „Love, Ire & Song“ wurde letztes Jahr ursprünglich auf Frank Turners Label Xtra Mile Recordings in Großbritannien veröffentlicht und war bisher nur über seine Homepage erhältlich. Quasi als Vorgeschmack auf das im Herbst erscheinende dritte Soloalbum „Poetry Of The Dead“ veröffentlicht Epitaph nun auch das zweite Turner-Album „Love, Ire & Song“ in Deutschland. Vor seinen Soloaktivitäten war Frank Turner als Frontman der Emo/ Hardcore-Bands KNEEJERK beziehungsweise MILLION DEAD aktiv. Nachdem er dem Hardcore, zumindest musikalisch, den Rücken gekehrt hat, orientierte sich Turner in Richtung Singer/Songwriter-Folk-Punk. Folglich enthält „Love, Ire & Song“ eine solide Mischung aus Billy Braggund späten STIFF LITLLE FINGERS-Einflüssen. Damit ist er scheinbar sehr erfolgreich, zumindest stieß das Album bei dem BAD RELIGION-Gitarristen und Epitaph-Gründer Brett Gurewitz auf offene Ohren und immerhin bestreitet er diesen Sommer, als Solo-Akustik-Act, das Vorprogramm von THE OFFSPRING während ihrer Nordamerika-Tournee. (8) Kay Werner
TWO TONGUES
s/t CD | Vagrant | vagrant.com || Für die letzten, die es noch nicht gehört haben sollten: Bei TWO TONGUES handelt es sich um ein Seitenprojekt von Max Bemis (SAY ANYTHING) und Chris Conley (SAVES THE DAY), also von zwei Songwritern, die mit ihren jeweiligen Bands jetzt schon als Klassiker des Genres geltende Alben aufgenommen haben, weswegen die Erwartungen an TWO TONGUES natürlich dementsprechend hoch waren, zumal sowohl SAVES THE DAY wie auch SAY ANYTHING mit ihren letzten Alben nicht wirklich an die Qualität ihrer früheren Releases anknüpfen konnten. Wahrscheinlich
auch noch das Beziehungsleben der Protagonisten thematisiert, was EXTERMINATORS 2: AUFSTAND DER SCHABEN äußerst unterhaltsam macht, aber auch zu einem verwirrenden inhaltlichen Crossover. In Amerika erschien der letzte Band bereits 2008, hier stehen noch drei aus, und ich bin gespannt, wie es weitergeht. Langweilig wird es hier eigentlich nie und über allzu große Originalität sollte man sich nun wirklich nicht beklagen. Leute mit Insektenphobie sollten allerdings einen großen Bogen darum machen. Blutch
BLOTCH - DER KÖNIG VON PARIS
Comic | avant-verlag | avant-verlag.de | 104 S., 17,95 Euro || Nein, es handelt sich um keinen Schreibfehler, der Autor dieses Comics heißt Blutch, beziehungsweise Christian Hincker, und seine Hauptfigur Blotch, ein fetter, hässlicher und größenwahnsinniger Zeichner einer Zeitschrift namens „Fluide Glacial“ (die gibt es wirklich, sie wurde aber erst Mitte der 70er von Gotlib gegründet, dem wir den großartigen Peter Pervers zu verdanken haben) – eine autobiografische Note lässt sich also schwer nachweisen, höchstens in sehr ironischer Form. Der verdient sich mit billigen Witzzeichnungen im Paris der 1930er Jahre seinen Lebensunterhalt und hält sich dennoch für einen großen, verkannten Künstler, der für jeden nur Verachtung übrig hat, was schon fast an Misanthropie grenzt, gleichzeitig aber nichts unversucht lässt, um sich in abstoßender opportunistischer Weise Vorteile zu verschaffen. Blotch ist eine unsympathische Witzfigur, vergleichbar mit David Brent aus „The Office“ oder Stromberg, was Christian Hinckers wirklich großartigen Comic aber nicht weniger humorvoll macht. Neben der genussvollen Bloßstellung seiner lächerlichen Hauptfigur erweist sich Hincker aber auch als guter Chronist des zeitgeschichtlichen Umfelds der 30er Jahre und so gibt es immer wieder Verweise auf die damaligen künstlerischen Strömungen und gesellschaftlich-politische Ereignisse, zu denen Blotch ebenfalls eine Meinung hat – natürlich in der Regel die falsche. Ähnlich wie in DER KLEINE CHRISTIAN neigt Hincker hier zu eher grob erscheinenden, schwarzweißen Strichzeichnungen, die aber dennoch sehr akzentuiert sind und seine Figuren jederzeit charakteristisch und wiedererkennbar wirken lassen. Und auf eine absurde Weise ist dieser „König von Paris“ fast schon wieder liebenswert, denn schließlich vereint er in den Episoden dieses köstlichen Comics nur sämtliche schlechten Charaktereigenschaften, die man von Menschen eben kennt, und ist dadurch nur allzu menschlich. Blotch hat als Figur wirklich Potential, mal sehen, ob Hincker dazu noch weitere Geschichten einfallen. Blutch
DER KLEINE CHRISTIAN
Comic | Reprodukt | reprodukt.com | 120 S., 18 Euro || Anders als in Christian Hinckers BLOTCH - DER KÖNIG VON PARIS gibt es in DER KLEINE CHRISTIAN (der Titel verweist schon darauf) tatsächlich eine autobiografische Note, so richtig bedeutsam für das Verständ-
dürfte dieses Projekt für beide auch eine Art künstlerischer Befreiungsschlag gewesen sein, eine Möglichkeit sich vom musikalischen Korsett der Hauptbands zu befreien und einfach noch mal ohne Druck und mit vereinten Kräften frei aufspielen zu können. Dementsprechend klingt „Two Tongues“ auch nicht wie der krampfhafte Versuch, auf Teufel komm raus etwas vollkommen neues zu schaffen, sondern genau so, wie man sich einen perfekten Crossover aus neueren SAY ANYTHING und SAVES THE DAY vorstellen würde:Verspielter Post-Emo-Pop-Punk, der von der Kombination aus Conleys hohem und Bemis’ etwas rauherem Gesang lebt, dazu die entsprechenden Harmonien und Arrangements, und ein Minimum an musikalischen Überraschungen. Zwei Freunde, die zusammen die Musik spielen, die sie lieben. Natürlich ist dabei kein neues „Stay What You Are“, oder „Is A Real Boy“ rausgekommen, was man bei einem Seitenprojekt aber auch nicht wirklich erwarten konnte, dafür aber ein verdammt gutes, zu jeder Zeit voll nach vorne gehendes Album, das auch nach dem x-ten Mal hören noch Spaß macht und definitiv besser ist als ein Großteil seiner gegenwärtigen musikalischen Konkurrenz. (7) David Schumann
UUU UNHOLY
New Life Behind Closed Eyes CD | Prosthetic | prostheticrecords.com | 36:12 || Mit „New Life Behind Closed Eyes“ veröffentlichen UNHOLY nach einer EP ihr Debütalbum und laut Info ist diese Platte etwas für „Fans von CROWBAR, SLAYER, HATEBREED und ENTOMBED“. Besser hätte ich es gar nicht ausdrücken können. Zehn Mal wuchti-
nis dieses Bandes ist das aber dennoch nicht. Die Hauptfigur ist ein kleiner Junge namens Christian, der seine Probleme mit dem Heranwachsen durch Tagträume verarbeitet, in denen bekannte Figuren aus Filmen und Comics wie John Wayne, Marlon Brando oder Lucky Luke auftauchen, was aber nie zu einer echten Realitätsflucht führt, wie man es durchaus erwarten könnte. Denn Realität und Traumwelt überlagern sich so weit, dass man es eigentlich nur mit einer verzerrten Version der Wirklichkeit zu tun hat, bei der die Verbindung immer eindeutig ist. Und im Gegensatz zu Blotch ist Christian natürlich eine wirklich sympathische Hauptfigur, deren kindliche Naivität äußerst amüsant ist, ohne dass sich Hincker darüber lustig machen würde. Billige Kalauer sind Hinckers Ding nicht, und ähnlich wie in BLOTCH hat man es mit einem sehr tiefsinnigen Humor zu tun. Auch hier arbeitet Hincker mit eher groben Schwarzweiß-Zeichnungen, die keine vollendete ComicKunst darstellen, aber effektiv den Inhalt und Witz der einzelnen Episoden transportieren. In der zweiten Hälfte von der DER KLEINE CHRISTIAN kommt eine leichte Kolorierung hinzu, die man sich auch hätte sparen können, und wo Hincker sich für meinen Geschmack etwas zu sehr auf die unerfüllte Romanze zwischen Christian und einem weiter entfernt wohnenden Mädchen konzentriert. Dieser Romantikquark mag dann wirklich autobiografisch sein und gehört zum Heranwachsen dazu, erweist sich aber als leichte Spaßbremse in seinem ansonsten rundum gelungenen, vielschichtigen Comic. Von Blutch ist bestimmt noch einiger guter Stoff zu erwarten. Florent Ruppert, Jerome Mulot
AFFENTHEATER
Comic | Edition Moderne | editionmoderne.de | 112 S., 14,80 Euro || Die beiden Franzosen Florent Ruppert und Jérôme Mulot werden im Klappentext zu AFFENTHEATER vollmundig als Senkrechtstarter des „zeitgenössischen Autorencomics“ angepriesen. Viel Vorschusslorbeeren für einen Comic, dessen Zeichenstil mit seinen krakeligen Strichzeichnungen die meisten erst mal als ziemlich primitiv empfinden werden. Was allerdings gut zum primitiven Humor des Duos passt, der alles andere als scharfsinnig und intelligent ist, möglicherweise tatsächlich anarchistisch, subversiv und politisch unkorrekt, das allerdings im negativen Sinne. Das beste Beispiel dafür ist der „Running Gag“ von AFFENTHEATER, eine Art Rahmenhandlung, bei der die beiden Hauptfiguren, zwei Portrait-Fotografen, die mit äußerst bizarren Aufträge zu tun haben, nachts in einen Zoo eindringen, um dort die Wärter zu photographieren, die es angeblich mit den Elefanten treiben. Davon sieht man zwar nicht direkt etwas, allerdings soll man die verschlüsselten, vermeintlich tierpornographischen Bilder mit einer bestimmten Falztechnik in ihrer ganzen Pracht sichtbar machen können. Das habe ich mir dann doch gespart, wahrscheinlich handelt es sich eh nur um einen blöden Witz und außerdem lasse ich mich ungern auf so einem billigen Level manipulieren. Der Höhepunkt der Geschmacklosigkeit ist dann die letzte Episode, in der die beiden Fotografen einer Prostituierten den Kopf abschneiden und in den After stopfen. Ja, richtig gelesen. Ich bin zwar durchaus hartgesotten, was so was angeht, sehe da aber ehrlich gesagt nicht den humoristischen Aspekt. Wahrscheinlich ist das hier große Kunst, wo der Titel Programm zu sein scheint, mir bleiben die angeblichen Qualitäten von Ruppert und Mulot leider verschlossen und kann diesen pseudointellektuellen, auch ästhetisch wenig erfreulichen Schund wirklich nicht empfehlen – irgendwo hört es mit dem Zynismus auch auf. Thomas Kerpen
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ger Thrash Metal mit Hardcore-Einschlag und teilweise death’n’rolligen Einsprengseln wird hier geboten. Da ist es teilweise schon beinahe dreist, wie sich bei oben genannten Bands bedient wird. Dennoch ein Album, welches durchaus über eine Menge Qualitäten verfügt und den Hörer auch mit interessantem Textgut, inspiriert von Vorzeigesatanisten wie Anton LaVey, Joe Coleman und H.P. Lovecraft, zu unterhalten versteht. (7) Jens Kirsch
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El Fupa - »Grande«
HC-Metal Bulldozer aus Flensburg mit Gerri (Hallo Kwitten) am Gesang. 15 derbe Tracks auf dem Debütalbum! 11.9. Flensburg, Volksbad (Releaseparty) 12.9. Hamburg, Störte 15.9. Eisenberg, Mitropa 16.9. Gießen, AK44 17.9. Mühlheim, AZ 18.9. Karlsruhe, Hackerei 19.9. Leipzig, G16
Big John Bates »Bangtown«
Rock’n’Roll Is Such A Hassle: Live In Europe CD | Boss Tuneage/Flight 13 | bosstuneage.com || Ex-LEMONHEAD Ben Deily veröffentlicht kurz vor seinem zweiten offiziellen VARSITY DRAG-Studioalbum diesen Live-Mitschnitt, aufgenommen beim Weekender in Innsbruck, Österreich, Anfang 2007. Von den fünfzehn Stücken sind fast die Hälfte alte LEMONHEADS-Gassenhauer der Taang!-Phase. Die anderen Stücke sind vom 2006er VARSITIY DRAG-Debüt „For Crying Out Loud“. Was das davon Trio live umsetzen konnte, sind sauber gespielte Indieoder Post-Punk-Rocksongs mit Deilys unvergleichlicher Stimme und Gitarrenspiel. Mit Anderson am Bass hat sich Ben einen erstklassigen Musiker mit harmonierender zweiter Gesangsstimme in die Band geholt. Die Aufnahmequalität ist durchwegs gut, steigert sich sogar noch im Laufe des Sets, allerdings bin ich vom Coverartwork und den kaum vorhandenen Infos zur Band und zur Tour enttäuscht. Als Appetizer und Überbrückung zum neuen Album ist das okay, aber wer außer die Konzertbesucher der Europatour 2007 und LEMONHEADS-Fans der ersten Stunde sollten auf so ein Live-Album zurückgreifen?! Sowohl auf das neue Album als auch auf die angekündigte Bühnen-Reunion von Evan Dando mit den LEMONHEADS und Ben Deily mit VARSITY DRAG, bin ich gespannt. (7) Simon Brunner
VICIOUS CYCLE
Pale Blue Dot CD | Deranged/Cargo | derangedrecords.com | 28:13 || Irgendwie erinnert mich das Coverartwork an das von „(GI)“ von den GERMS ... Ein Zufall? Ich schätze nicht, liegen doch die Vorbilder dieser kanadischen Band im kalifornischen Punk und Hardcore von Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger. Klug zitiert also. Ein paar Singles haben VICIOUS CYCLE schon raus, „Pale Blue Dot“ ist das erste Album, zu dessen Entstehung auch alte Bekannte wie Jonah Falco als Produzent sowie George Pettit von ALEXISONFIRE und Damian Abraham (FUCKED UP) als Gastsänger ihren Teil beigetragen haben. Ich höre hier DEAD BOYS, DAG NASTY und D.O.A. gleichermaßen heraus, und natürlich sind FUCKED UP auch nicht weit. Insgesamt sind VC eher im Midtempo-Bereich zuhause, keine flinken Knüppler, auch wenn sie hier und da mal Gas geben. Stattdessen gibt’s komplexe Songstrukturen und auch mal ruhigere Nummern, nicht einfach nur One-two-threeGeballer. Smarte Band, smarte Platte. (7) Joachim Hiller
WWW WE HAD A DEAL
The World Owes You Nothing CD | Deaf Cult | deafcult.org || Ich muss mich wohl damit abfinden, dass man bei der richtigen Suche im Netz zuerst einmal etwa zehn Seiten bekommt, auf denen man die Platte von irgendwelchen Servern herunterladen kann, statt auf die Bandseite zu gelangen. Nicht gut, andererseits postet kein Schwein Platten, die nix taugen. Und „The World Owes You Nothing“ taugt richtig. War ich live schon von den jungen Herren aus dem Nachbarstädtchen äußerst angetan, weil der Sound sich auf Anhieb von der breiten Screamo-HC-Masse deutlich abhebt, ist
die CD nochmal eine Überraschung. Ich entdecke keine Leichtsinnsfehler, keine der üblichen Kinderkrankheiten und keinen Platz für lahme Entschuldigungen, denn die Platte klingt großartig, die Stücke ausgereift, sie lassen sich an den richtigen Stellen Zeit und geben bei denen Gas, an denen es sein muss, keine Machoposen, metalfrei, reiner, purer Hardcore, kein überhasteter Erstling mit Krupphusten, kein Frühchen, das zuerst noch in den Brutkasten muss. WE HAD A DEAL sind erst am Anfang und schon jetzt so erwachsen, dass es fast weh tut, angesichts der Masse an Bands, die es über Jahre nicht schaffen, etwas Besonderes herauszuarbeiten, das sie von anderen unterscheidet. Klasse Texte, stimmiges Gesamtkonzept, und sie haben etwas, was vielen anderen Bands derzeit fehlt: Tiefe! Außerdem haben sie ihre Punk-Lektionen gut gelernt, was man von manchen anderen Screamo-Bands nicht behaupten kann. Das Beste, was seit langer Zeit aus dem Großraum Stuttgart kam, ohne Scheiß! Live geht da noch viel mehr ... Übrigens auch nach dem zehnten Durchlauf immer noch klasse! Ich kann nur deswegen keine zehn Punkte geben, weil ich einfach weiß, dass da noch mehr schlummert. (9) Kalle Stille
WARLOCKS
The Mirror Explodes CD | Tee Pee/Cargo | teepeerecords.com | 43:08 || Schwere, düstere, atmosphärische Gitarren-Musik hat Konjunktur dieser Tage, und man könnte sagen, dass THE WARLOCKS-Kopf Bobby Hecksher mit dem Nachfolger zum Anfang 2008 erschienenen „Heavy Deavy Skull Lover“-Longplayer also genau richtig liegt – wenn er diese Musik denn nicht schon seit Jahren machen würde. Die Gretchenfrage bei einer so heavy pschedelischen Scheibe ist also, ob die Band aufs Roadburn-Festival passen würde, und ja, sie würde passen, denn die WARLOCKS sind zwar keine Post-Metal-Band wie das Gros der dort Performenden, doch Heckschers plüschiger Psychedelic-Sound in Cinemascope, sanft einerseits, massiv und hallig andererseits, ist letztlich die Schnittmenge aus V.U. und THE JESUS AND MARY CHAIN einerseits und MOGWAI et al. andererseits, wobei Heckscher und Band keinesfalls zu jenen Formationen zählen, die auf irgendeine Art von Trend aufspringen – im Gegensatz zu so mancher junger, hipper Brooklyn-Band gibt es THE WARLOCKS schon seit 1999. Ein wundervoll entspannendes Werk in Ultra-Slow-Motion – und das ganz ohne DoomKomponente. (8) Joachim Hiller
WE ROCK LIKE GIRLS DON’T
How Did It Get To This CD | Distord/Cargo || Musikalisch meint man hier, THE DONNAS hätten sich vom RAMONES-Sound in Richtung NIRVANA entwickelt. Das weibliche Duo aus Glasgow begnügt sich die meiste Zeit mit Gitarre und Schlagzeug, bedient sich recht gängiger Rock’n’Roll-Schemata und entwickelt damit einen eingängigen Sound mit rotzigem Gesang. Nach zweimal hören ist die Attitüde dann aber doch ein bisschen zu flach und die Musik halt durchschnittlich. Live kann ich mir das schon besser vorstellen, auf Platte wirkt es leider zu gewollt. (5) Anna Behrendt
WYE OAK
The Knot CD | Affairs Of The Heart/Indigo | wyeoakmusic. com | 44:38 || Das zweite Album eines Duos aus Baltimore, bei dem es wirklich schwer fällt, nicht direkt an Neil Young zu denken. Gut, nicht direkt, denn zuerst wird man mit einer dreampoppigen, dezent psychedelischen Bal-
lade eingelullt, doch beim zweiten Song „For prayer“ vermischt sich dann die sanfte folkrockigere Seite von Young mit den schroffen Gitarrenakkorden von CRAZY HORSE, ein schönes Wechselspiel zwischen Laut und Leise. Dieser Kontrast macht auch insgesamt den großen Reiz von „The Knot“ aus, denn WYE OAK sind glücklicherweise keine laschen Neo-Folkies, sondern können richtig hart rocken – ELEVENTH DREAM DAY sind da nicht weit –, gleichzeitig vermittelt Jenn Wasners süßlicher, introvertierter Gesang eigentlich nicht den Eindruck, als ob man hier plötzliche Shoegaze-Attacken erwarten müsste. Wer mal YO LA TENGO gemocht hat, dürfte auch großen Gefallen an WYE OAK finden, die oftmals eine ähnlich verschleppte VELVET UNDERGROUND-Rhythmik besitzen und ähnlich wie YLT früher genussvoll brachialen Lärm mit hübschen Melodien verschmelzen können. (8) Thomas Kerpen
xxx THE XX
s/t CD | Young Turks/XL | 38:54 || Der NME sagt: Der heißeste und geilste Scheiß des Jahres. Ja. Mhm. Kicher. R&B-Rhythmen gemischt mit Wave-Pop. Klingt, als hätte ich mal wieder die Review-CD laufen, während so ein bekacktes MySpace-Profil seine Musik ausspuckt und sich daraus ein grausiges Mash-up ergibt. (1) Joachim Hiller
yyy YESTERDAY’S RING
Diamonds In The Ditch CD | Suburban Home | suburbanhomerecords.com | 50:37 || Punkrocker aus Montreal, die ein Herz für Country-Folk haben, entscheiden sich, diese in vielerlei Hinsicht artverwandten Stile zu vermengen, so wie es schon viele vor ihnen gemacht haben: Mit dem Unterschied, dass es vielen vor ihnen nicht so gut gelungen ist. So gibt der Opener, „Moving out (to Florida)“, die Marschroute vor, die „Diamonds In The Ditch“ nehmen wird, indem er alles beinhaltet, was die Musik von YESTERDAY’S RING ausmacht: Eine Gitarre, die an Western-Sounds erinnert, ein intensives Schlagzeug, ein druckvoller Gesang, der ganz eindeutig aus dem Punkrock kommt, und das für Folktexte fast schon essentielle Ständig-in-Bewegung-Sein („I’m leaving this town for the last time“) mit der klassischen Begleitperson („The devil’s on my trail“). Auch wenn „DITD“ kein Leitmotiv entwickelt wie beispielsweise die Alben von MURDER BY DEATH (Devil-DesertWhiskey), so nimmt es die Hörer sofort in Beschlag, und spätestens mit dem wunderschönen Duett bei „Scrabble strip club“ ist es dann um einen geschehen. Einen Band, die es in einem Stück krachen lässt, im nächsten ruhige Töne anschlägt und der es gelingt, jemanden beide Male mitzureißen, die muss man sich unbedingt einmal anhören. Unterm Strich gefällt mir „DITD“ besser als jedes für sich genommene Corb Lund-Album, nicht zuletzt weil es musikalisch rauher ist und es hier viel mehr Schimpfworte und Flüche gibt. Myron Tsakas
YOUR DEMISE
Ignorance Never Dies CD | Visible Noise | visiblenoise.com | 43:19 || Debüt-Full-Length der fünf Engländer aus St. Albans, das stimmlich stark an COMEBACK KID erinnert, musikalisch aber nicht deren Klasse erreicht. Zwar wird auch hier energetischer Hardcore zelebriert, doch fehlt es an Hits, die aus der Masse herausstechen würden. Verstörend wirken schließlich auch noch die beiden Drum’n’Bass-Tracks „Unknown dub“ und „Great shape“, die man so auf einem HC-Album nicht erwartet. Zwar sind die nicht schlecht, wären jedoch besser in einem anderen Kontext aufgehoben. Nett, aber ausbaufähig. (6) Tobias Ernst
/DEmoS ARME RITTER
R‘n‘R mit Burlesque Show aus Kanada! 07.08. Wilhelmshaven, Kling Klang | 08.08. Lübeck, Treibsand | 13.08. Hanau, Amphitheater Schloss Philippsruhe * | 14.08. Beverungen, StagO-Lee Shakedown Festival | 15.08. Stemwede, Umsonst & Draußen Festival | 20.08. Töging, Silo 1 | 21.08. Lindau, Club Vaudeville | 22.08. Freiburg, Walfisch | 27.08. Mainz, Caveau | 28.08. Hannover, Gilde Park Bühne * | 29.08. Dresden, Junge Garde * | 30.08. Wuppertal, Waldbühne Hardt * * Support für Boss Hoss
Kann ich mit?! CD-R | armeritter.com || Mit Feuer unterm Hintern und dem Herz in der Hand reißen ARME RITTER aus Essen den Hörer auf ihrer zweiten EP ordentlich vom Hocker. Die Produktion stimmt und die Texte treffen ins Schwarze – Glückwunsch, das ist richtig gut geworden. Wo die Debüt-EP schon ordentlich überzeugt hat, wurde hier nochmal ordentlich am Songwriting gefeilt, die eine oder andere zweite Stimme eingesungen und das MelodieRoulette in Gang geschmissen. Herausgekommen sind sieben tolle Songs, von denen „Ikarus“ der Oberhit ist. Ganz großes Kino ist das hier. Wenn die Jungs schon im Radio gespielt werden, wo bleibt dann bitte das richtige Label? „Kann ich mit?!“ ist genau das Richtige für den PunkpopSommer. (8) Sebastian Wahle
BLANK
s/t CD-R | blank-music.de | 31:52 || BLANK kommen aus der niedersächsischen Hauptstadt und sind seit dem Jahr 2000 durch die Höhen und Tiefen einer „Musik-Karriere“ gegangen, „heftige personelle Veränderungen“ (aus dem Info) inklusive. Nun scheint sich die Band in Form eines Trios gefunden zu haben. Sie selbst bezeichnet ihren Sound als direkt, catchy und tanzbar, als Referenzen werden unter anderem NOMEANSNO, FUGAZI und POLICE genannt. VICTIMS FAMILY scheinen auch hoch im Kurs zu stehen. Dementsprechend agieren BLANK. Vertrackt, Basslastig, irgendwie tanzbar – aber für mich zu „verkopft“, bzw. zu „verfrickelt“. Etwas mehr NOMEANSNO, für mich trotz hoher Komplexität stellvertretend für Melodie, Energie und straightes Songwriting, würde der Band gut zu Gesicht stehen. Dieses Demo hat sechs technisch gute Tracks in hervorragender Soundqualität und wird definitiv seine Freunde finden. (4) Zahni Müller
BLUE SCREEN OF DEATH
Sophisticated Pixel-Affen CD-R | myspace.com/smellthegloverecords | 8:41 || Ich dachte zuerst, mein CD-Player frisst die CD, aber das Geknirpse am Anfang gehörte schon zum ersten Song. Nach dem Geknusper geht es songtechnisch dreimal in die Elektro-Punk-Richtung. Straighte Basslinien und verzerrter Gesang treffen auf diverse finstere Synthiesounds und die oft zitierten „tanzbaren Beats“. Vielleicht wird diese Drei-Song-CD der Göttinger mal eine 7“, verpackt ist sie jedenfalls schon im entsprechenden hübsch aufgemachten Cover. Wer die CRYSTAL CASTLES gut findet, dürfte dieses Demo auch mögen. Ein komplettes Album wäre mir zwar zu eintönig, für die Strecke von drei Songs wie auf dieser CD ist es aber okay. (6) Timbob Kegler
COPILOT
Kleinstadtgeschichten CD-R | myspace.com/copilotmusik | 20:07 || Die Mitglieder dieser jungen Band aus Enger (tiefste westfälische Provinz) sind allesamt um die 17 bis 18 Jahre alt und
damit halb so alt wie der Rezensent, vielleicht werde ich mich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die Bands immer jünger werden. Auch wenn man das, was sie hier auf „Kleinstadtgeschichten“ vorstellen, ganz grob noch als Punk einordnen kann, orientiert man sich nicht an ollen stumpfen Klischees, sondern eher an den moderneren Vertretern der Kategorie deutschsprachigen Punkrocks. Auf Konzerten werden gern mal Songs von MUFF POTTER oder TURBOSTAAT gecovert und vom Sound her passen COPILOT da sehr gut rein. Unterlegt wird das noch mit einer recht guten und eigenen Art von eckigem Sprechgesang, die dem Ganzen, zusammen mit den von teenage angst und Provinzwut geprägten Lyrics, einen interessanten TOCOTRONIC/SURROGAT-Touch gibt. Glücklicherweise verzichtet der Sänger darauf, durch gewollt nette Melodiebögen den guten Eindruck wieder zu zerstören. Wenn alles schief geht, werden Zweidrittel der Band in zwei Jahren zum Studium nach Münster, Hamburg oder Köln ziehen und COPILOT sind Geschichte. Falls es aber gut läuft, bleiben die Herren am Ball und entwickeln aus dem, was eh schon interessant ist, weitere spannende Songs. Das wäre wünschenswert. (7) Timbob Kegler
DOGGS
s/t CD-R | .myspace.com/thedoggs69 | 11:24 || Die italienische Punkband spielt auf ihrem Demo soliden und schnellen Punk, nicht kompliziert, aber energiegeladen. Die vier Songs überzeugen durch einen frischen Sound und eine gehörige Portion Spielspaß, die sich schnell vermittelt. Zwar ist es kein ganzes Album und man bekommt bei vier Tracks nur einen kleinen Einblick in das Repertoire der Band, aber das „Material“ scheint auf ein gewisses Potenzial zu verweisen, dem man mit einem ganzen Album eine Chance geben sollte. Der Opener „Underground drain“ würde auch einem Album gut stehen. Sollte man mehr von hören! (6) Thomas Neumann
FINDING FAITH
Demo CD-R | myspace.com/findingfaithhc | 17:51 || FINDING FAITH sehen sich inspiriert von WITH HONOR und AS FRIENDS RUST. Melodischer Hardcore also. Das Ganze wird auch gut umgesetzt, ich erwische mich bei sympathisierenden Kopfnicken und Fingerschnippsen. Leider (oder zum Glück?) liegt meinem Exemplar kein Lyricsheet bei, würde mich interessieren, ob die Texte so einfallslos sind, wie die Titel der Songs (Beispielsweise „Set it straight“, „Falling down“) suggerieren? (6) Katrin Haze
FAVORIT PARKER
Hometown. Bridges. Height. CD-R | myspace.com/favoritparkertheband || Andere Bands schaffen es gar nicht erst bis in ein Studio – das Wuppertaler Punkrock-Kompetenzteam FAVORIT PARKER hat es nun immerhin nach gefühlten 300 Jahren mal aus dem Studio raus geschafft! Aber Häme gibt es nur für den Faktor Zeit – denn alles andere hat Hand, Fuß,
Arsch und genügend Komplexität, um sich von den 90 % Einheitsbreiern in der Punkrockschüssel deutlich abzuheben. Emotionaler Punkrock mit ausreichend Witz und Breaks, um nach „without brakes“ zu klingen. Live tausendfach bewährt, wartet dieses (bis dato noch ungemasterte) goldene Stück 90s Emopunk nun darauf, von einem Label ausgegraben zu werden. Gespannt darauf, wer das Rennen machen wird und wie das Ganze als „finished product“ aussehen wird: Jörkk Mechenbier
KÄFER K
s/t CD-R | myspace.com/kaeferk || Wunderschöne, auf 100 Stück limitierte Demo CD-R mit angenehm rappelkistigen Proberaumaufnahmen. Ich bemühe an dieser Stelle einfach mal den TURBOSTAAT-Vergleich, da es sich um richtig guten, deutschsprachigen Punkrock mit einem guten Schuss Verzweiflung, Melancholie und Arsch in der Hose handelt. Sehr interessant ist das YouTube-Video zum „Making Of“ des hübschen Linoleumdruck-Covers. Und da wahrscheinlich live mitgeschnitten, sollte man sich die Herren bei Gelegenheit mal live anschauen – denn die (Rappel-)Kiste kann was! Jörkk Mechenbier
LO-FI FAIR
Egocentrism Doesn’t Mean I Love Myself CD-R | myspace.com/thelofifair || Diese herrlich nölige Stimme, zwischen Bitten, Hassen, Drüberstehen, Resignieren und den Finger beim Trinken abspreizen – man muss sie lieben. Der breite Begriff Gitarren-Indie wird außen drangeschrieben, was immer schwer zu verschubladen ist, aber der Band eben auch viel Raum lässt. Nicht zu sperrig, jedoch auch niemals seicht. Stets vom Wunsch beseelt, nicht beliebig oder zu cheesy zu klingen. Mit Erfolg. Checkt die MySpace Seite, um das bandeigene Namedropping einzusehen. Die Instrumente ballern hier genau den Punk-Esprit und Tellerrand überwindenden Charme raus, der das Prekariat und die Sinnsuche junger Männer in einem Proberaum in Köln nach einem weiteren, überstandenen Tag im 21. Jahrhundert so wichtig macht. THE LO-FI FAIR rollen extrem gleichmäßig, trotz aller notwendiger Kanten. Jörkk Mechenbier
SECOND TRY
Second Try CD-R | myspace.com/secondtryhc | 12:33 || Ärgerlicher als wirklich schlechte CDs sind eigentlich immer welche, auf denen die Musik zwar super, der Sound aber mies ist. Das ist leider auch bei der Demo von SECOND TRY der Fall. Musikalisch geht es hier überaus ansprechend zu, die Band positioniert sich irgendwo zwischen Clevound Oldschool-Hardcore. Die Shouts klingen verzweifelt, die Metal-inspirierten Riffs sind fett und handwerklich ist alles solide umgesetzt. Bleibt nur noch zu hoffen, dass SECOND TRY zum nächsten Release einen adäquateren Sound vorweisen können. Dann wird das auch auf Dauer was. (6) Andreas Kuhlmann
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REVIEWS
VON THOMAS KERPEN
WALTZ WITH BASHIR
WALTZ WITH BASHIR
DVD | Pandora | Israel/Frankreich/Deutschland 2008 || Die besten Filme über die reale Dimension kriegerischer Auseinandersetzungen sind weniger die, die sich mit ihren konkreten Ursachen beschäftigen, sondern mit den Menschen, die direkt daran beteiligt sind, das zeigt in gewisser Weise auch Kathryn Bigelows hervorragender neuer Film THE HURT LOCKER, der bei uns jetzt unter dem Titel TÖDLICHES KOMMANDO im Kino läuft. Bei Ari Folmans WALTZ WITH BASHIR ist die Sache allerdings noch etwas anders gelagert, denn hier handelt es sich ja um eine Dokumentation, mit der der Regisseur seine persönlichen Erfahrungen als Soldat während des ersten Libanonkrieges im Jahr 1982 aufarbeitete. Der gipfelte nach der Ermordung des libanesischen Präsidenten Bachir Gemayel in Massakern in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila durch die maronitische Phalange-Miliz, Racheaktionen, deren Unterstützung man dem israelischen Militär später vorwarf. Offenbar hatte Folman über die Jahre jegliche Erinnerung an diese schrecklichen Ereignisse verdrängt, weshalb er Freunde und andere Kriegsteilnehmer aufsucht und sich von diesen ihre Erlebnisse schildern lässt. Dabei ergibt sich kein wirklich komplettes Bild der damaligen Kriegshandlungen, dafür aber eine verstörende, unpathetische Abfolge traumatischer Erfahrungen, die oft eine an APOCALYPSE NOW erinnernde Absurdität erreichen. Als reine Dokumentation wäre WALTZ WITH BASHIR womöglich eine etwas dröge Angelegenheit geworden, aber in Form eines Trickfilms wurde es für Folman möglich, die Erinnerungen der Soldaten in Bilder umzusetzen, die teilweise die Qualität eines surrealen Albtraums besitzen, da jeder Befragte seine individuellen Verarbeitungsmethoden entwickelt hat, ohne dass dadurch der Schrecken des Krieges weniger eindringlich oder realistisch wirken würde. Erst ganz am Schluss gibt es echte Filmaufnahmen der Ermordeten des Massakers von Sabra und Schatila und der Hinterbliebenen, die noch mal deutlich machen, dass WALTZ WITH BASHIR ein echter Dokumentarfilm ist, nur eben im Gewand eines Zeichentrickfilms. Ein Zeichentrickfilm für Erwachsene, der trotz einiger sehr poetischer und regelrecht humorvoller Szenen – etwa als sich ein israelischer Offizier in einer besetzten Villa einen deutschen Porno anschaut – die Kriegsgreuel in überraschend expliziter Form zeigt. Und es gibt wohl kaum einen anderen Animationsfilm, der die erschütternde Darstellung von Tod und Gewalt in so einer intensiven Form bewerkstelligen würde. Nicht nur in formaler Hinsicht ein ganz exzellenter Film, auch inhaltlich handelt es sich um eine ambivalente Verarbeitung dieses nicht gerade ruhmreichen Kapitels in der Geschichte Israels, dessen Bilder einen so schnell nicht wieder loslassen. Und der auch durch die interessante Einbeziehung bestimmter Songs, wie „Enola gay“ von OMD oder „This is not a love song“ von PIL, die spezielle Atmosphäre der 80er einfängt. Die bereits seit Ende Mai erhältliche DVD sei hiermit noch mal wärmstens empfohlen, die mit „Making of“ und „Deleted Scenes“ als Extras aufwartet und der – süß – 16 Sticker verschiedener Größe beiliegen, mit denen man das hässliche FSK-Logo auf dem Cover überkleben kann.
ELECTRA GLIDE IN BLUE
ELECTRA GLIDE IN BLUE
DVD | Pierrot Le Fou | USA 1973 || ELECTRA GLIDE IN BLUE ist James William Guercios einzige Regiearbeit, der damalige amerikanische Cannes-Beitrag, dafür ist der Mann als Produzent und Sessionmusiker im Musikgeschäft über die Jahre umso erfolgreicher gewesen. Kult ist ja ein etwas überstrapazierter Begriff, aber Guercios Film verdient ihn auf jeden Fall, eine Mischung aus Biker-Movie-Motiven und Polizei-Thriller, mit Anleihen von DIRTY HARRY, EASY RIDER und VANISHING POINT, mit kleinem Budget gedreht und sicherlich nicht perfekt – und lange Zeit auch nur sehr schwer aufzutreiben. Dafür bekommt man einen wagemutigen Genre-Crossover geliefert, ein von MARATHON MAN-Kameramann Conrad Hall wunderschön photographiertes, deprimierend existentialistisches Drama über die Untiefen des amerikanischen Traums, der
VERLOSUNG:
sich für den Streifenpolizisten John Wintergreen (in der deutschen Synchronfassung heißt er absurderweise Winterberg) nicht erfüllt. Der düst auf seinem Motorrad, einer Harley Davidson Electra Glide, durch die Wüste Arizonas und geht ziemlich sinnentleerten Tätigkeiten nach, wie etwa Hippies zu schikanieren und Geschwindigkeitssünder zu ermahnen. Der vermeintliche Mord an einem Einsiedler scheint dann für Wintergreen die große Chance zu sein, aus der Trostlosigkeit seines Jobs herauszukommen, durch die man entweder völlig abstumpft oder durchdreht wie viele seiner Kollegen. Ein kleiner Mann mit großen Träumen – eine Art Running Gag ist dabei, wie Guercio ständig die geringe Körpergröße von 1,60 seines Hauptdarstellers Robert Blake in Szene setzt. ELECTRA GLIDE IN BLUE ist allerdings in erster Linie eine ernsthafte, gar nicht lustige Charakterstudie und weniger ein von Eskapismus geprägter Actionfilm, auch wenn Guercio immer wieder sehr geschickt die Elemente der bereits schon angesprochenen Filme aus dieser Zeit integriert – Sam Peckinpah ist dabei auch nicht weit. Letztendlich handelt es sich aber um ein sich eher antiklimaktisch zuspitzendes Roadmovie mit Western-Touch, dem damals vorgeworfen wurde, ähnlich faschistoid zu sein wie Don Siegels DIRTY HARRY. Was sich heutzutage nur noch schwer nachvollziehen lässt, da Wintergreen wenn überhaupt ein sehr trauriger, allzu menschlicher Held ist, der wenig mit dem Selbstjustiz-Heroismus von Harry Callahan gemein hat. Ein an sich völlig schizophrener Film, der einerseits die Antithese zum Freiheitswahn von EASY RIDER darstellt, also durchaus konservativ ist, andererseits auch versucht, mit seiner kritischen Darstellung des Alltags der Streifenpolizisten das Hippie-Publikum nicht völlig zu verprellen. Ein unmögliches Unterfangen, das ELECTRA GLIDE IN BLUE aber gerade mit einem Abstand von über 30 Jahren betrachtet zu so einem großartigen Film macht. Auch bedingt durch Blakes darstellerische Leistung, ein ehemaliger Kinderstar, zu dessen bekanntesten Filmen IN COLD BLOOD gehören dürfte. Zuletzt war er 1997 als zerknautschter Mystery Man in Lynchs LOST HIGHWAY zu sehen, da dessen Karriere nachhaltig beschädigt worden war, als er 2001 des Mordes an seiner Frau angeklagt wurde und erst 2005 von diesem Verdacht freigesprochen wurde. Ein äußerst sehenswerter Film für Freunde ungewöhnlichen 70er Jahre Kinos, jetzt auch hierzulande in sehr guter Qualität auf DVD veröffentlicht, inklusive deutscher und englischer Tonspur und Audiokommentar des Regisseurs.
FREITAG, DER 13.
DVD | Paramount | USA 2009 || Das Zauberwort in der amerikanischen Filmindustrie heißt Franchise, also die erbarmungslose Vermarktung eines erfolgreichen Konzepts, dem wir gerade im Horrorbereich eine Schwemme überflüssigster Filmreihen zu verdanken haben. Exemplarisch dafür dürfte Sean S. Cunninghams FRIDAY THE 13TH von 1980 sein, einer der vielen Versuche, John Carpenters erfolgreiches Slasher-Prinzip aus HALLOWEEN zu kopieren, und der der Figur Jason Voorhees eine erstaunliche Ikonizität bescherte. Und dabei tauchte der Killer mit der Eishockeymaske im ersten Teil noch nicht mal auf und bedeckte seine hässliche Fratze im zweiten Teil zuerst noch mit einem Kartoffelsack. Wir erinnern uns sicher alle in diesem Zusammenhang an folgenden denkwürdigen Dialog aus SCREAM: Phone Voice: „Okay, answer this question, you live. Who was the killer in FRIDAY THE 13TH?“ - Casey: „Jason! It was Jason!“ - Phone Voice: „Nope.“ Casey: „Yes it was! I’ve seen that movie 20 goddam times!“ - Phone Voice: „Then you should know that the killer was Mrs. Voorhees, Jason never appeared until the sequel!“ Schlimm genug, dass man Cunninghams Schlaftablette 20-mal gesehen hat, lässt es dieser Umstand eigentlich noch absurder erscheinen, dass es inzwischen elf Filme mit Jason als Hauptfigur gibt, die alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren: man nehme eine Gruppe promiskuitiver und Drogen gegenüber nicht abgeneigter Teenager und lasse sie von Jason auf möglichst originelle Art abschlachten. Dass sich die Reihe gerade bei Gorebauern ziemlicher Beliebtheit erfreut, wundert einerseits nicht, andererseits aber doch – ebenso wie die Tatsache, dass die Teile 3 und 4 in Deutschland immer noch beschlagnahmt sind –, denn Paramount war immer sehr um ein R-Rating bedacht, insofern ist der Grad an Splatter in den meisten Filmen wenig spektakulär und wurde im Vorfeld teilweise schon wieder entschärft. Vieles wird ja mit einem gewissen zeitlichen Abstand betrachtet tatsächlich besser, aber bei der FRIDAY THE 13TH-Reihe lassen sich nun wirklich keine verkannten Genre-Klassiker entdecken. Der jeweilige Unterhaltungswert hängt vom Grad der Selbstironie ab und von der Kreativität Jasons, was einen höchstens teilweise begeistern kann. Momentan wird ja wirklich von allem ein Remake gedreht, da war das bei FRIDAY THE 13TH nur eine Frage der Zeit, wobei man sich jetzt aussuchen kann, ob man das Ergebnis als Remake oder 12. Teil ansieht. Mit seinem Remake von THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE hatte Marcus Nispel eigentlich ganz gute Arbeit geleistet, also setzte ihn Michael Bay auch auf den Regiestuhl des von ihm produzierten FRIDAY THE 13TH, was vor allem zur Folge hat, dass man beide Filme eigentlich kaum auseinanderhalten kann. Man braucht glaube ich auch nicht extra zu betonen, dass die zugrunde liegende Story ziemlich vernachlässigbar ist. Und so wird das stillgelegte Camp Crystal Lake erneut zur Spielwiese für die olle Wasserleiche mit der Hockeymaske. Interessanterweise wartet FRIDAY THE 13TH diesmal mit einem Doppel-Prolog auf, denn zum einen gibt es eine schwarzweiß gefilmte
Diesmal haben wir je drei DVDs von WALTZ WITH BASHIR (Pandora), HENRY - SERIENKILLER NR. 1 (Epix), EATEN ALIVE (Epix) und TRAITOR (Universum) und je zwei DVDs von ELECTRA GLIDE IN BLUE (Pierrot Le Fou), TRACK 29 (Koch Media), DIE BRAUT TRUG SCHWARZ (Pierrot Le Fou), KNIE NIEDER UND FRISS STAUB (Koch Media) und DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN (Koch Media) zu verlosen. Wenn ihr bei der Verlosung dabei sein wollt, müsst ihr folgende Frage beantworten. Antworten an [emailprotected] schicken (Adresse nicht vergessen!):
FREITAG, DER 13.
Rückblende, die das Finale des ersten Teils Revue passieren lässt, und dann eine Szene mit einer Gruppe Teenager in der Jetztzeit, denen Jason den Garaus macht, um Stimmung zu erzeugen. Danach plätschert Nispels Film aber recht unspektakulär dahin, und das plötzliche Auftauchen Jasons ist so unspannend inszeniert, dass man fast wehmütig an die Frühwerke der Reihe zurückdenkt. Hinzu kommt der wenig förderliche Umstand, dass Jason nicht mehr die hirntote Killermaschine mit übermenschlicher Regenerationsfähigkeit ist, sondern der Mann mit dem Plan, der Jungfrauen in seinem unterirdischen Reich unter Camp Crystal Lake festhält und sich dort richtig häuslich eingerichtet hat. Was in Sachen echter Unterhaltung bleibt, sind möglichst blutige Tötungsszenen, die es auch durchaus gibt, nur nicht in der bei uns auf DVD erschienenen, deutlich harmloseren Kinofassung, zu der auch die FSK problemlos ihr OK geben konnte. Da muss man schon zum einige Minuten längeren amerikanischen „Killer Cut“ greifen, der FRIDAY THE 13TH aber auch nicht zu einem besseren Film macht. Selbst der Score enttäuscht, denn Harry Manfredinis damaliges unsubtiles Nachäffen von Bernard Hermann ist bei Steve Jablonsky kaum wiederzuerkennen. Eine eh schon nicht besonders gute, billig gemachte Filmreihe wurde jetzt also noch durch ein lahmes, durchgestyltes Remake ergänzt, was keinen Hinderungsgrund darstellen dürfte, einen weiteren Jason-Streifen zu drehen – das unverschämt blöde Ende weist bereits überdeutlich darauf hin. Dass es auch anders geht, hat gerade das gelungene Remake von THE LAST HOUSE ON THE LEFT gezeigt, das so gut ist, dass Universal bei der Vorlage einer verlängerten DVD-Version bei der FSK Schiffbruch erlitt und diesbezüglich vorerst wieder den Schwanz eingezogen hat – mal sehen, was da nun letztendlich erscheint.
KNIE NIEDER UND FRISS STAUB
DVD | Koch Media | Italien/Spanien 1971 || Lange habe ich darauf gewartet, endlich mal Aldo Florios ANDA MUCHACHO, SPARA! zu Gesicht zu bekommen, alleine schon wegen des wundervollen deutschen Titels, besser kann man die Atmosphäre eines Italowesterns wohl nicht auf den Punkt bringen, auch wenn der nichts mit dem Originaltitel zu tun hat. Florio wartet zwar mit einem ziemlich überschaubaren Gesamtwerk auf, ANDA MUCHACHO, SPARA! besitzt unter den Italowestern aber auf jeden Fall einen guten Ruf.Wie so oft ist das mal wieder Geschmackssache, denn die bei dem Film hervorgehobenen positiven Aspekte ergeben unter dem Strich keinen wirklich homogenen Film, der sich vor allem inhaltlich auch zu sehr bei Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR bedient. Eine etwas überkonstruierte, bierernste Rachegeschichte, in der Fabio Testi einen entflohenen Sträfling namens Roy Greenford spielt, der in einem kleinen Dorf die Herrschaft eines Großgrundbesitzers brechen will, der dort die Arbeiter seiner Goldmine ausbeutet. Das alles ist mit dem Schicksal von Greenfords Freund Emiliano verknüpft, der bei der Flucht starb. Augenscheinlich hat es Greenford auf das Gold abgesehen, aber dahinter steckt natürlich eine moralische Abrechnung ganz anderer Art. Testi macht seine Sache gewohnt gut, trotz begrenzter Mimik, Bruno Nicolai steuert schöne Musik bei und auch Florios Regie ist durchaus sorgfältig, dennoch wirkt KNIE NIEDER UND FRISS STAUB über weite Strecken konfus und etwas langweilig. Man fragt sich eigentlich ständig: Bin ich jetzt zu blöd, oder hat der Drehbuchautor den Faden verloren? Bemängeln könnte man auch den oft fehlenden Realismus, etwa wenn Testi mal eben sechs Leute über den Haufen schießt, im starken Kontrast zu einer unangenehm wirklichkeitsnahen Vergewaltigungsszene, der Folterung unseres Helden und als der den Fuß seines toten Kumpels abschneiden muss, der an derselben Kette wie er hängt. Ein Wechselbad der Gefühle und eine Aneinanderreihung von Szenen, die einen entweder unsanft aus dem Film hinauskatapultieren oder durchaus begeistern können, wie zum Beispiel die gut integrierten Rückblenden. Ich bin offen gestanden etwas enttäuscht. An der DVD selbst ist mal wieder nichts auszusetzen, zumal der Film, der bis letztes Jahr noch indiziert war – vollkommen lächerlich eigentlich – , das erste Mal ungeschnitten vorliegt und jetzt ab 16 freigegeben ist. Als Bonus gibt es noch ein Feature über Aldo Florio.
HENRY - SERIENKILLER NR. 1
DVD | Epix | USA 1996 || Mit HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER hatte John McNaughton 1989 ein beachtliches Regiedebüt vorgelegt, einen Serienkillerfilm, der sich von den üblichen Stereotypen des Genres deutlich abhob und mehr eine bedrückende Milieustudie war. Denn sein Serienkiller, der auf den real existierenden Henry Lee Lucas Bezug nimmt, der in den 70ern sein Unwesen trieb, wird recht ambivalent dargestellt. Einerseits ein Psychopath mit unkontrolliertem Mordinstinkt, andererseits jemand, der durchaus Empathie für seine Mitmenschen empfindet, bis HENRY - SERIENKILLER NR. 1
• Aus welchem Film stammt das wunderbar gepfiffene, von Bernard Herrmann komponierte Titelthema ursprünglich, das Tarantino in KILL BILL einsetzte? • In welchem anderen Film neben DIE BRAUT TRUG SCHWARZ verarbeitete François Truffaut eine RomanVorlage von Cornell Woolrich?
der Trieb wieder die Kontrolle übernimmt. Dieses insgesamt recht amoralische Treiben, das Henry und sein KillerKumpel Otis teilweise mit der Videokamera aufnehmen, bescherte ihm damals das in den Staaten kommerziell tödliche X-Rating. Inzwischen gilt HENRY als Klassiker des Genres und das zu Recht, nur bedauerlich, dass McNaughton danach nie wieder einen ähnlich mitreißenden und kontroversen Film abgeliefert hat, sieht man mal von dem sehr unterschätzten NORMAL LIFE von 1996 ab. In diesem Jahr entstand auch recht verspätet mit HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER PART II eine Fortsetzung beziehungsweise eine Variation von McNaughtons Film, gedreht von Chuck Parello und natürlich auch nicht mit Michael
MOVIES Rooker als Henry, der sich inzwischen in Hollywood als Schauspieler etabliert hatte. Dafür taucht McNaughton als Produzent auf, und dessen Bruder Robert war erneut an der Musik beteiligt, ein insgesamt etwas billiger SynthieScore, aber mit durchaus beeindruckender enervierender Qualität, was man auch noch in Parellos Film spüren kann. Damals hatte mich der Film nicht sonderlich beeindrucken können, aber bei einer neuerlichen Sichtung muss man ihm auf jeden Fall bescheinigen, dass er eine ähnlich kontroverse Dimension besitzt und eine vergleichbare milieubedingte Trostlosigkeit. Und so irrt Parellos Henry zu Beginn als Obdachloser durch die Gegend, bis er bei einer kleinen Firma für Baustellentoiletten unterkommt und bei seinem Kollegen Kai und dessen Frau wohnen kann. Allerdings ist Kai auch noch anderweitig aktiv, da er im Auftrag von Leuten Feuer in Gebäuden legt, um die Versicherung zu bescheißen. Henry wird dabei sein Komplize, gleichzeitig ist Kai fasziniert von dessen sich irgendwann offenbarender fehlender Tötungshemmung, ähnlich wie das bei Otis im ersten Film der Fall war. Eine unglückselige Verbindung und so folgt auf eine kurze soziale Integration des Psychopathen das bittere Ende, das bei Parello leider viel zu abrupt kommt und wenig überzeugend ausfällt, als ob dem Film einige Minuten fehlen würden. Etwas fehlte hier tatsächlich, denn Parello musste damals einige Gewaltszenen kürzen, damit es ihm nicht ähnlich erging wie zuvor McNaughton. Inzwischen gibt es in den USA eine Unrated-Fassung des Films, die jetzt auch hierzulande erschienen ist, eigentlich ein Wunder, da in dieser Hinsicht doch alles eher noch weiter gekürzt wird. HENRY - SERIENKILLER NR. 1 mag wie gesagt nur eine etwas weniger beeindruckende Variation von McNaughtons Film sein, aber Parello bemüht sich auf jeden Fall um eine erfreulich andere, realistischere Umsetzung von Serienkillerfilm-Klischees, inklusive eines etwas deutlicheren sozialen Kommentars. Und auch sein Hauptdarsteller Neil Giuntoli macht seine Sache gut, ohne allerdings Rookers unberechenbare Gefährlichkeit auszustrahlen. Kein uninteressanter Film, der allerdings zur Enttäuschung wird, wenn man ihn alleine an den Qualitäten des Originals misst. Die DVD von Epix präsentiert den Film jetzt in ungeschnittener Form, deutlich besserer Bildqualität und einigen Extras wie Audiokommentar mit Chuck Parello, entfallenen Szenen und Trailer.
EATEN ALIVE
DVD | Epix | USA 1977 || In gewisser Weise ist Tobe Hooper als Regisseur ein tragischer Fall, mit THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE drehte er 1974 einen Meilenstein des Horrorgenres und stolperte danach dessen Ruf uneinholbar hinterher. Zu seinen besseren Arbeiten gehören dabei noch POLTERGEIST von 1982 (bei dem man nicht so genau weiß, wie groß Spielbergs Einfluss letztendlich war), der herrlich blöde, schwer unterhaltsame LIFEFORCE (1985) und natürlich sein ungeliebter THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2 von 1986, eine vollkommen großartige, tiefschwarze und morbide Horrorkomödie, unglaublich exzessiv, und hierzulande nie offiziell erschienen, da der Film damals in München während einer Vorstellung beschlagnahmt wurde. Danach wollte ihn natürlich kein Verleiher mehr anpacken, was leider bis heute so geblieben ist. DVD-Bootlegs mit mieser deutscher Synchronisation gibt es selbstverständlich dennoch. Mit seinem zweiten Film EATEN ALIVE, der auch unter BLUTRAUSCH, DEATH TRAP, HORROR HOTEL und einigen anderen Titeln bekannt ist, unternahm er den Versuch, an den Erfolg von TCM anzuknüpfen, allerdings mit wenig Erfolg, trotz der Beteiligung von TCM-Autor Kim Henkel am Drehbuch. Der Film entpuppt sich als eine Mischung aus TCM und PSYCHO, angesiedelt in der Sumpflandschaft der südlichen Regionen der Vereinigten Staaten. Dadurch besitzt EATEN ALIVE auf jeden Fall eine gut spürEATEN ALIVE
bare, von schwüler Hitze und Irrsinn dominierte Atmosphäre, wenn bei steigenden Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit bei einigen Leuten die Sicherungen durchbrennen. Allen voran ein gewisser Judd, der ein heruntergekommenes Hotel direkt am Fluss betreibt, eine Abneigung gegen sexuelle Ausschweifungen hat und eine eigenartige Beziehung zu seinem menschenfressenden Krokodil pflegt. Dass Judd nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, daran lässt Schauspielveteran Neville Brand keinen Zweifel, dagegen erscheint Norman Bates wie ein Waisenknabe. Und spätestens, wenn er mit der Sense Jagd auf seine Gäste macht und diese dem Krokodil zum Fraß vorwirft, verfliegen eventuelle Hoffnungen bezüglich der Heilung seiner Macken. Eine richtige Handlung gibt es dabei weniger, sieht man mal von dem Umstand ab, dass ähnlich wie in PSYCHO ein Vater mit seiner Tochter nach der anderen Tochter sucht, die direkt zu Beginn Opfer von Judd wurde und sich vorher als Prostituierte betätigt hatte. Ansonsten hat man es mit einem Kommen und Gehen (oft endgültig) der Akteure zu tun und alles konzentriert sich auf die Umgebung des Hotels. Während TCM einem ja mit seinem Hysterielevel und seiner Ernsthaftigkeit durchaus unter die Haut ging, ist EATEN ALIVE Grand-Guignol in Reinkultur, eine groteske Horrorfarce, die dennoch nicht wirklich zum lachen ist, vor allem als Judd einem kleinen Mädchen nachjagt und schließlich sein Killerkrokodil auf sie hetzt. Die Absurdität des Ganzen wird noch dadurch gesteigert, dass Hooper komplett in einer künstlichen Studiokulisse gedreht hat, was dem Film manchmal den Anschein eines Theaterstücks gibt, und ihm erlaubte, die Szenerie vollkommen surreal auszuleuchten, was ein wenig an Dario Argentos SUSPIRIA oder Mario Bava erinnert. Ein verschwitzer Fiebertraum im billigen Schmuddel-Look, der inhaltlich vielleicht nicht überzeugen kann, aber dessen gekonnt visualisierter Wahnsinn nach wie vor Eindruck hinterlässt. Das größte Manko ist dabei das extrem unecht aussehende Krokodil, das glücklicherweise immer nur sehr kurz im Bild ist. Interessant auch, wie viele semi-bekannte Gesichter Hooper durch die Kulissen jagte, Marilyn Burns (TCM), Roberta Collins (CAGED HEAT), Carolyn Jones (vor allem bekannt als Morticia Addams aus „The Addams Family“), William Finley (PHANTOM OF THE PARADISE, SISTERS), Janus Blythe (THE HILLS HAVE EYES), Mel Ferrer (THE HANDS OF ORLAC) und Stuart Whitman (CRAZY MAMA). Und nicht zu vergessen Robert Englund in einer frühen Rolle. Insofern ist EATEN ALIVE nicht nur Hoopers zweiter Film, sondern auch sein zweitbester, der, nachdem
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es in den USA bereits eine schöne Neuauflage gab, auch mal hierzulande komplett ungeschnitten erschien, zumal inzwischen auch seine Indizierung aufgehoben wurde. Das Bild ist zwar immer noch etwas grobkörnig und nicht ganz störungsfrei, aber besser als alles, was man zuvor auf VHS und DVD angeboten bekam. Hinzu kommen diverse Features über den Film, mit Robert Englund und Tobe Hooper, neben „The Butcher of Elmendorf: The Legend of Joe Ball“, der die Vorlage für Judd war, und einem Audiokommentar von Mardi Rustam, Roberta Collins,William Finley, Kyle Richards und Craig Reardon. Schöne Sache, nur hat man etwas an der Datenkompression geschraubt, um alle Extras auf eine DVD zu bekommen, die in den USA auf zwei Discs verteilt waren, was aber zu verschmerzen ist.
nahe und lebendige Regiearbeit und kein manierierter französischer Kunstfilmquark, was als Empfehlung eigentlich genügen sollte.
AUSZEIT
DVD | Buena Vista | USA 2008 || GLAUBENSFRAGE ist ein im ersten Moment eigentlich passender Titel für John Patrick Shanleys DOUBT, basierend auf dessenTheaterstück. Allerdings impliziert der Titel einen starken Bezug zu einer spirituellen Problematik, dabei geht es um viel allgemeinere moralische Fragestellungen, auch wenn eine katholische Schule in der Bronx der 60er Jahre Austragungsort dieses Duells zwischen einem Pfarrer und eine Nonne ist. Im Mittelpunkt steht dabei Schwester Aloysius Beauvier, die Pater Brendan Flynn verdächtigt, einen schwarzen Jungen sexuell zu missbrauchen. Konkrete Beweise hat sie dafür nicht, nur bestimmte Verdachtsmomente, für die der Pater aber eine plausible Erklärung hat, der die Schwester aber keinen Glauben schenken will. Letztendlich geht es nicht mehr um die Wahrheit, sondern die Durchsetzung der persönlichen Überzeugung. Ein fanatischer Kreuzzug, bei dem nie ganz geklärt wird, was tatsächlich passiert ist,
DVD | Alamode | Frankreich 2001 || Einige Jahre vor DIE KLASSE hatte Laurent Cantet mit L’EMPLOI DU TEMPS einen hochinteressanten Psychothriller gedreht, wenn man das Ganze denn so nennen will, der jetzt hierzulande auf DVD erschienen ist, wobei er im Mai diesen Jahres auch bereits im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Cantet schildert darin in recht anschaulicher und bedrückender Weise den dramatischen Selbstbetrug eines Mannes und der daraus resultierenden Folgen für dessen soziales Umfeld. Denn der Geschäftsmann Vincent, der gerade seinen Job verloren hat, konstruiert fast schon lustvoll ein nahezu perfektes Lügenkonstrukt, um diese Schmähung nicht zugeben zu müssen, weshalb er einen angeblichen neuen Job in der Schweiz erfindet. Alles beginnt noch recht harmlos, aber als Vincent Geldprobleme bekommt, fängt er an, alte Freunde mit dubiosen Anlagegeschäften zu ködern, um an ihr Geld zu kommen. Eine unaufhaltsame Abwärtsspirale, die in der Kriminalität endet und natürlich irgendwann auffliegen muss, und wo Cantet mehr Mitgefühl für seine tragische Figur aufbringt, als man anfänglich vermutet hätte. Denn Vincents arroganter Umgang mit der eigenen Schwäche und dem angekratzten Ego wirkt alles andere als sympathisch, allerdings immer nachvollziehbar. Weshalb AUSZEIT auch ähnlich wie ein guter Thriller über zwei Stunden einen unheimlichen Sog entwickelt. Man kann einfach nicht wegsehen, obwohl es manchmal fast schon schmerzhaft ist zu beobachten, wie ein Mensch jegliche Würde verliert. Und ob er diese am Ende tatsächlich wiederbekommt, ist trotz eines versöhnlichen Ausgangs fraglich beziehungsweise muss das jeder selbst beurteilen. Ein exzellenter, provokanter Film, der mit minimalen Mitteln ein Höchstmaß an Intensität erzeugt. Sicherlich auch bedingt durch Hauptdarsteller Aurélien Recoing, der leider in der deutschen Synchronfassung von Tobias Meister gesprochen wird, der Stimme von Brad Pitt und Kiefer Sutherland, was überhaupt nicht zu seiner Originalstimme passt und mehr irritiert als wirklich hilfreich ist. Die französische Originaltonspur wird dem naturalistischen Ton von AUSZEIT da wesentlich besser gerecht.
GLAUBENSFRAGE
TRAITOR
GLAUBENSFRAGE
wobei auch der Pater seltsam passiv wirkt, was die Entkräftung dieses dramatischen Vorwurfs angeht. Dafür gibt er während einer Predigt ein wirklich schönes Gleichnis zum Besten, das die Problematik von DOUBT bestens umreißt und in dem es um ein Federkissen geht. So ein dialoglastiger Film steht und fällt mit den Schauspielern und da können Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman auf ganzer Linie überzeugen, auch wenn Streeps Darstellung der autoritären, reaktionären Schwester zu Beginn etwas von einer Karikatur an sich hat. Trotz der reduzierten Mittel wirkt DOUBT dabei aber nie, als ob man ihn brutal seiner Theaterumgebung entrissen hätte, auch wenn das hier natürlich kein spektakulärer Thriller geworden ist, sondern ein Duell subtilerer und nachdenklicherer Art, ohne dass hier auch nur einen Moment Langeweile aufkommen würde. In jedem Fall sehenswert! Die DVD ist versehen mit einem Audiokommentar des Regisseurs und einigen kleineren Features, darunter eines über Komponist Howard Shore, dessen Soundtracks ja immer eine ganz spezielle Handschrift tragen.
DVD | Universum | USA 2008 || Dass in bestimmten Bereichen der amerikanischen Filmindustrie immer weniger Wert auf gute Drehbücher gelegt wird, ist recht offensichtlich, allerdings ist es schon etwas bedenklich, wenn vermeintlich tiefschürfende Thriller wie BODY OF LIES oder Tykwers THE INTERNATIONAL nicht mehr als heiße Luft zu bieten haben. Insofern sehr erfreulich, dass ein bisher eher unbekannter Regisseur wie Jeffrey Nachmanoff einen durchaus ambivalent angelegten Film über Terrorismus hinbekommen hat, an den man keine sonderlich hohe Erwartungshaltung hatte, trotz Don Cheadle, Guy Pearce und Jeff Daniels in den Hauptrollen. An sich nur
DIE KLASSE
LES MURS überwiegend um eine Aneinanderreihung von Klassenraum-Szenen handelt. Der rote Faden ist dabei das Schicksal eines bestimmten Schwarzen Jungen, dem die Anpassung besonders schwer fällt und der schließlich mit ungewisser Zukunft von der Schule verwiesen wird. Dennoch ein recht fesselnder Film, den Cantet mit dokumentarischem Touch versehen kann und der nötigen Authentizität. Das hier ist kein BREAKFAST CLUB, sondern das echte Leben, auch wenn die Lehrer insgesamt zu positiv wegkommen, an dieser Stelle wirkt ENTRE LES MURS etwas unausgewogen. Wobei ja auch Lehrer in gewisser Weise Opfer eines unangenehm bürokratischen Schulsystems sind und der Tatsache, dass der Staat von Jahr zu Jahr immer weniger in die Bildung der Jugend investiert. Am Ende stellt sich nur die Frage, wo denn bei allem Realismus jetzt die eigentliche Message ist, denn letztendlich besitzt das Gesehene keine weiterreichenden Konsequenzen, niemand hat sich wirklich verändert oder hat eine Veränderung am Status Quo herbeigeführt, und im nächsten Schuljahr geht alles von vorne los – DIE KLASSE TEIL 2. Dennoch taugt ENTRE LES MURS durchaus dazu, Denkanstöße bezüglich der Vermittlung von Wissen und dem Miteinander in einer multikulturellen Gesellschaft zu geben. Ebenso wird dabei die Funktionsweise von extrem autoritären Systemen dieser Art hinterfragt. Zumal die Szenerie und Gruppendynamik in Cantets Film eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzt und im Prinzip in jedem Klassenraum dieser Welt vorzufinden ist. Zur Abwechslung hatte ich mir DIE KLASSE mal komplett auf deutsch angeschaut, empfand die Synchronisation zwar nicht als völlig misslungen, aber oftmals als zu aufdringlich, zumal natürlich auch bestimmte sprachliche Feinheiten bezüglich des kulturellen Mischmaschs in der Originalfassung akzentuierter zur Wirkung des Films beitragen. Eine angenehm lebens-
Gothic-Atmosphäre, die Fans solcher leicht angestaubten Schauergeschichten auf jeden Fall ansprechen dürfte. Sicherlich kein uneingeschränktes Meisterwerk des Psychothrillers, aber ein gerade in visueller Hinsicht sehr liebevoll gemachter englischer Genre-Vertreter, wie so oft beeinflusst durch andere, viel bessere Filme, was seinen Unterhaltungswert aber nicht schmälert. Wie auch bei den anderen damals von Universal vertriebenen Hammer-Filmen, die Koch bisher herausgebracht hat, ist die Bild- und Tonqualität sehr gut, allerdings scheinen deutsche Untertitel für die Originaltonspur bei Koch bei älteren Filmen inzwischen nicht mehr in die Preiskalkulation zu passen. Dafür gibt es einen Trailer, ein umfangreiches Booklet und eine Bildergalerie.
DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG
DVD | Koch Media | Großbritannien 1962 || Wer bei die DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG von Peter Graham Scott aufgrund der Anwesenheit von Peter Cushing einen typischen Horrorfilm der Hammer-Studios erwartet, wird einigermaßen überrascht sein, denn trotz seltsamer reitender Leichen zu Beginn, die im 18. Jahrhundert die Gegend um eine kleine Küstenstadt herum unsicher machen, handelt es sich hier um einen klassischen Abenteuerfilm, bei dem sich Piraten-Romantik mit Gruselelementen verbindet. Basierend auf einem Roman von Russell Thorndike, der bereits zuvor zweimal verfilmt wurde, geht es in DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG um eine gewiefte Schmugglerbande, der ein Marine-Hauptmann auf der Spur ist und die besagte idyllische Küstenstadt für deren Operationsbasis hält. Daraus entwickelt sich ein durchaus spannendes wie actionreiches Katz-und-Maus-Spiel zwischen Piraten und Soldaten, bei dem Cushing als netter Dorf-Pastor offenbar der eigentliche Strippenzieher ist. Ein wenig kurz das Ganze, was wie bei vielen Hammer-Filmen zu einem hektischen, überstürzten Finale führt. Aber versehen mit einem nicht zu unterschätzenden Unterhaltungswert, schon alleine durch Cushings wunderbare Performance, wobei auch Oliver Reed in einer Nebenrolle Akzente setzen kann. Und auch die detailverliebte Ausstattung des Films ist mal wieder eine Augenweide, denn in dieser Hinsicht können alle Filme der Hammer-Studios punkten, selbst wenn es in Sachen Story und anderen Effekten mal etwas holperiger zugeht. Für Hammer- und Cushing-Fans beziehungsweise generell Kino-Nostalgiker eine schöne Veröffentlichung, für die in technischer Hinsicht das Gleiche wie für DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN gilt.
DIE BRAUT TRUG SCHWARZ
DIE KLASSE
DVD | Concorde | Frankreich 2008 || Im letzten Jahr gewann Laurent Cantets ENTRE LES MURS die Goldene Palme in Cannes, was für Verleiher natürlich eine schöne Sache ist, aber nicht unbedingt etwas über die Qualität des Films aussagt, der sich auch mal schnell als einer dieser Programmkinostinker für Gymnasiallehrer entpuppt. Ob gerade Lehrer mit ENTRE LES MURS so viel Spaß haben werden, sei mal dahingestellt, denn Cantet zeigt unangenehm realistisch, mit welchen Problemen dieser Berufszweig zu kämpfen hat, vor allem wenn es sich um eine Art Sozialer-Brennpunkt-Schule mit extremer multikultureller Mischung handelt. Und wer will schon gerne einen Film über etwas sehen, mit dem er sich schon den ganzen Tag herumplagen muss? An dieser Pariser Schule versucht der Lehrer François (François Bégaudeau, der das Drehbuch und die Romanvorlage schrieb) Teenagern zwischen 13 und 15 Jahren Französisch beizubringen. Eigentlich handelt es sich hier um einen Vorzeigepädagogen, der wirklich auf seine Schüler eingeht, aber irgendwann auch an eine kritische Grenze gelangt. Mit zwei Stunden eine recht epische Angelegenheit, zumal es sich bei ENTRE
DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN
TRAITOR eine allzu bekannte Undercovercop-Story, die dadurch an Reiz gewinnt, dass die Verstrickung des Protagonisten in die Aktionen muslimischer Terroristen eine durchaus persönliche Dimension bezüglich Glauben und Weltbild im Verhältnis zur westlichen Welt besitzt („The truth is complicated.“). Die Grenze zwischen Gut und Böse ist dabei fließend, denn in TRAITOR geht es nicht nur um die Verdammung von Terrorismus, sondern er zeigt auch, was westliche Geheimdienste alles in Kauf nehmen, um ihr Ziel zu erreichen und was sich bekanntermaßen in der Regel nicht mit allgemeinen Moralvorstellungen in Einklang bringen lässt. Dabei ergibt sich ein nervenaufreibender Spagat zwischen dem Schutz der falschen Identität und bestimmten Gewissensfragen, denn der Zweck heiligt eben nicht jedes Mittel (Samir Horn: „You know that the Qu’ran says that if you kill an innocent person it’s as if you’ve killed all mankind?“ - Roy Clayton: „It also says that if you save a life it’s like you’ve saved all mankind... You’re a hero Samir.“). Umständliche Inhaltsangaben bringen an dieser Stelle nichts, ansonsten braucht man sich dieses sympathisch clevere Wettrennen zur Vereitelung eines großen Terroranschlags nicht mehr anzuschauen, bei dem Nachmanoff nachdenklich thematisierte 9/11-Paranoia in einen gut funktionierenden, extrem spannenden Unterhaltungsfilm verpackt hat, inklusive eines wunderbar zynischen Finales. Schön, dass es so was noch gibt, ansonsten muss man ja diesbezüglich auf die 70er zurückgreifen. Bereits seit Juli auf DVD erhältlich, u.a. versehen mit einem Audiokommentar von Cheadle und Nachmanoff. Hier fehlten wohl die großen Namen, um einen Kinoeinsatz zu rechtfertigen, genug zu bieten hätte TRAITOR gehabt.
DVD | Pierrot Le Fou | Frankreich/Italien 1968 || Der wahre Cineast wird jetzt aufheulen, aber ein großer Fan von François Truffaut war ich nie, obwohl seine exzellente Ray Bradbury-Adaption FAHRENHEIT 451 aus dem Jahr 1966 definitiv auf meiner Lieblingsfilm-Liste steht. Mit FAHRENHEIT 451 verbindet DIE BRAUT TRUG SCHWARZ (LA MARIÉE ÉTAIT EN NOIR) die mächtige Musik von Bernard Herrmann, die Truffaut in diesem Fall als Verbeugung vor Hitchcock verstand, wie auch den Film insgesamt. Amüsant ist, dass DIE BRAUT TRUG SCHWARZ als „legendäre Vorlage zu Tarantinos KILL BILL“ angepriesen wird. Amüsant deshalb, weil Tarantino zum damaligen Zeitpunkt den Film zwar kannte, aber nie gesehen hatte, zumindest behauptete er das Ende 2003 in einem Interview: „Everyone is like, ‚Oh, this is really similar to THE BRIDE WORE BLACK.‘ I’ve heard of the movie. It’s based on a Cornell Woolrich novel too, but it’s a movie I’ve never seen.The reason I’ve never seen it is because ... I’ve just never been a huge Truffaut fan. So that’s why I never got around to see it. I’m not rejecting it, I just never saw it. I’m a Godard fan, not a Truffaut fan.“ Die Parallelen lassen sich natürlich nicht von der Hand weisen: denn ähnlich wie Uma Thurman in KILL BILL spielt Jeanne Moreau eine Witwe, deren Bräutigam am Tag ihrer Hochzeit vor ihren Augen erschossen wird. Dabei wird die Geschichte in ähnlich non-linearer Form erzählt. Zwar nur ein Unfall und keine direkte Absicht, dennoch macht sie sich auf, um das Leben der Männer zu zerstören, die ihr Leben zerstört haben. Für einen französischen Film dieser Zeit ein im ersten Moment erschreckend unsubtiles Konzept, dem oft auch die nötige Glaubhaftigkeit fehlt. DIE BRAUT TRUG SCHWARZ wirkt dabei wie ein typischer billiger Rape & Revenge-Thriller amerikanischer Machart, betrachtet durch die Augen eines europäischen Kunstfilmers. Und so schön die Musik Herrmanns auch wieder ist, seine dramatischen Kompositionen wollen nicht so recht zu Truffauts reduzierter
DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN
DVD | Koch Media | Großbritannien 1964 || Man kann manchmal nur ehrfürchtig den Hut ziehen vor dem Erfindungsreichtum deutscher Filmverleiher, die aus Freddie Francis’ NIGHTMARE damals DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN machten. Einen Satan mit langen Wimpern sucht man allerdings vergeblich, wobei ich zugeben muss, dass ich das jetzt nicht genau nachgemessen habe. Auf jeden Fall handelt es sich hier schon um eine ziemlich dümmliche Dämonisierung weiblicher Reize, warum nicht gleich DER SATAN MIT DEN LANGEN BEINEN oder DER SATAN MIT DEN DICKEN BRÜSTEN? Wie auch immer, NIGHTMARE war damals Teil einer Reihe von Psycho-Thrillern der Hammer-Studios, neben PARANOIAC, MANIAC und HYSTERIA, gefilmt in stimmungsvollen Schwarzweiß-Bildern und natürlich im Breitwandformat. Quasi ein atmosphärisches Kammerspiel, da sich der überwiegende Teil der Handlung in einem alten englischen Landhaus abspielt. In dieses kehrt das junge Mädchen Janet nach einem Internatsaufenthalt zurück, geplagt von schweren Albträumen bedingt durch ein traumatisches Erlebnis in ihrer Kindheit, denn ihre Mutter hatte ihren Vater erstochen und sitzt seitdem in der nahe gelegenen Nervenheilanstalt. Natürlich bringt die Rückkehr an die Stätte der damaligen traumatischen Erlebnisse für Janet auch keine Besserung, zumal offenbar jemand gezielt versucht, das Mädchen in den Wahnsinn zu treiben, zuerst erfolgreich, aber das dicke Ende kommt noch, nach dem Motto „crime doesn’t pay“. Plausibel oder subtil ist das Drehbuch von Jimmy Sangster dabei nicht unbedingt, das ist oftmals mehr ein psychologischer Wink mit dem Zaunpfahl, aber dafür besitzt NIGHTMARE eine sehr schöne
DIE BRAUT TRUG SCHWARZ
Bildsprache passen und geben dessen Film teilweise den Anschein einer Thriller-Parodie. Die französischen Kritiker machten Truffaut dementsprechend die Hölle heiß und der gab dann auch irgendwann zu, dass DIE BRAUT TRUG SCHWARZ wohl nicht besonders gelungen sei. Ein guter Film ist DIE BRAUT TRUG SCHWARZ tatsächlich nicht, noch nicht mal ein mittelmäßiger Thriller, denn dafür fehlen ihm echte Spannungsmomente, aber auf eine morbide Weise ist er faszinierend wie ein Verkehrsunfall, und wäre in dieser Form heute nicht mehr möglich. Das liegt zum Teil auch an Jeanne Moreau, die natürlich eine gute Schauspielerin ist, aber der man die Rolle des unbarmherzigen Rachenegels nicht so recht abkaufen will, dafür wirkt sie viel zu mütterlich, und eben auch nicht so erotisch, wie einem Truffaut permanent weismachen will. Ein TruffautFan wird man durch DIE BRAUT TRUG SCHWARZ sicher nicht, aber seine Schauwerte besitzt er dennoch. Jetzt veröffentlicht auf einer technisch tadellosen DVD, versehen mit einem Audiokommentar des Truffaut-Experten Robert Fischer, Interviews mit Moreau und Truffaut, Trailer sowie einer Bildergalerie.
FUTUREWORLD
DVD | Koch Media | USA 1976 || Mit WESTWORLD hatte der im letzten Jahr verstorbene Bestsellerautor Michael Crichton 1973 basierend auf seinem gleichnamigen Roman einen kleinen Genre-Klassiker geschaf-
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fen. Natürlich wirkt dessen Utopie eines von Androiden bevölkerten Freizeitparks inzwischen reichlich unattraktiv beziehungsweise wurde von den Möglichkeiten der virtuellen Welt überholt. Was bei WESTWORLD allerdings immer noch funktioniert, ist das finale, bizarr modernisierte Western-Duell, bei dem der mechanische, von Yul Brynner gespielte Revolverheld im DIE GLORREICHEN SIEBEN-Look gnadenlos Jagd auf Richard Benjamin macht. Drei Jahre später entstand aufgrund des überraschenden Erfolgs des Films eine Fortsetzung, bei der alles noch größer und toller sein soll, denn der Freizeitpark besteht inzwischen aus unterschiedlichen Welten und die Probleme mit den außer Kontrolle geratenen Androiden hat man auch in den Griff bekommen. Damit das auch nach außen hin vernünftig kommuniziert wird, lädt man ein besonders kritisches Journalisten-Pärchen zur Besichtigung ein, gespielt von Peter Fonda und Blythe Danner, Gwyneth Paltrows Mutter. Fonda riecht natürlich sofort den Braten – sein zweiter Vorname lautet „investigativer Journalismus“ – und alles stellt sich als großangelegte globale Verschwörung heraus, um die Weltherrschaft von Androiden übernehmen zu lassen – eventuell gar keine so dumme Idee. War WESTWORLD letztendlich schon thematisch ein BSci-Fi-Film, offenbart FUTUREWORLD äußerst schnell die Blödheit seiner Zukunftsvision auf recht schmerzFUTUREWORLD
hafte Weise, trotz gar nicht so billig aussehender Tricks und aufwändiger Hi-Tech-Kulissen. Ein krudes Filmchen mit irren Wissenschaftlern und anderen Genre-Klischees, das Richard T. Heffron da angerührt hat, von dem auch die öde Mickey Spillane-Verfilmung I, THE JURY stammt. Keine Spur mehr von Crichtons weitaus subtilerer Technologie-Skepsis. Dafür taucht noch mal Yul Brynner als Revolverheld auf, allerdings nur in einem Sextraum von Blythe Danner. Wer allerdings – so wie ich – auf cheesy 70sMovies steht, wird immer noch viel Spaß mit FUTUREWORLD haben, denn ausreichend unterhaltsam und rasant ist das Ganze, nur allzu viele Gedanken sollte man sich darüber nicht machen. 1980 folgte dann noch eine kurzlebige TV-Serie. Ein Remake von WESTWORLD war auch mal angedacht, scheint aber gerade auf Eis zu liegen. Die qualitativ gute, schon länger erhältliche deutsche DVD (natürlich wieder ohne deutsche Untertitel für die Originalfassung) besitzt als amüsanten Bonus noch eine 45-minütige Super8-Fassung.
JCVD
DVD | Koch Media | Belgien/Luxemburg/Frankreich 2008 || „This movie is for me. There we are, you and me. Why did you do that? Or why did I do that? You made my dream come true. I asked for it. I promised you something in return and I haven’t delivered yet. You win, I lose. Unless... the path you’ve set for me is full of hurdles where the answer comes before the question. Yeah I do
JCVD that. Now I know why. It’s the cure, from what I’ve seen here. It all makes sense ...“ Mit diesen Worten beginnt ein noch wesentlicher längerer, pathetischer und wenig Sinn ergebender Monolog der Hauptfigur von Mabrouk El Mechris JCVD, nicht ganz zufällig die Initialen eines gewissen Jean-Claude Van Damme, der damit offenbar sein bisheriges Leben reflektiert. An dieser Stelle kann man das Kino eigentlich verlassen oder den DVD-Player abschalten, denn es kommt nichts mehr, wofür sich das Ausharren lohnen würde. Dabei verspricht die Aussage eines Polizisten im ersten Drittel von JCVD – „Central to Unit 27. JeanClaude Van Damme’s robbing a post office. I need backup.“ – noch einen ironischen Spaß, bei dem Van Damme seine eigene Person in ungewohnter Weise in einen Film einbringt. Denn der spielt quasi sich selbst, einen in die Jahre gekommenen Actionfilm-Helden, der sich künstlerisch unbefriedigt und müde über das Filmset von Billigproduktionen prügelt. Gleichzeitig befindet er sich auch noch in einem Sorgerechtsstreit um seine Tochter und hat Geldprobleme, weshalb es niemanden zu wundern scheint, als er eine kleine belgische Postfiliale überfällt und sich dort mit den Geiseln verschanzt. Dummerweise hatte El Mechri keine reine Komödie im Sinn, sondern versucht das Ganze in Richtung Drama zu biegen und Van Damme letztendlich doch wieder zum Helden zu machen.Von ironischer Brechung keine Spur mehr, womit JCVD zu einer äußerst halbgaren Angelegenheit wird. Schön, dass „The Muscles from Brussels“ hier bis zu einem gewissen Punkt tatsächlich kritisch mit seiner Person ins Gericht geht, am Ende siegt dennoch das Ego des Belgiers und die Fiktion, denn der will sich natürlich nicht komplett zur Witzfigur machen lassen. Da bevorzuge ich Van Damme doch in gewohnter Form und schmeiße lieber direkt mal HARD TARGET und MAXIMUM RISK in den Player, denn diesen Abstecher in Arthouse-Gefilde braucht kein Mensch. Und ganz sicher nicht seine Fans, zu denen ich mich bestimmt nicht zähle.
TRACK 29 – EIN GEFÄHRLICHES SPIEL
DVD | Koch Media | Großbritannien/USA 1987 || Es gibt nur wenige Regisseure, die ein so gelungenes Frühwerk wie Nicolas Roeg aufzuweisen haben, mit Filmen wie PERFORMANCE (1970, zusammen mit Donald Cammell), WALKABOUT (1971), WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN (1973), DER MANN, DER VOM HIMMEL FIEL (1976), BAD TIMING (1980) oder INSIGNIFICANCE (1985). Selbst sein Abstecher mit HEXEN HEXEN (1990) ins Family Entertainment war immer noch eine erstaunlich subversive Angelegenheit. Zuvor war Roeg bereits als Kameramann tätig, etwa für François Truffaut, Roger Corman, Richard Lester und John Schlesinger. Zu seinen weniger bekannten Arbeiten gehört TRACK 29, basierend auf einem Drehbuch von Dennis Potter (PENNIES FROM HEAVEN, THE SINGING DETECTIVE), mit Theresa Russell, Gary Oldman, Christopher Lloyd (BACK TO THE FUTURE) und Sandra Bernhardt in den Hauptrollen und produziert
von George Harrisons Firma Handmade Films, der deutlich Roegs exzentrische Handschrift trägt. Ein komplexes, intellektuelles Filmpuzzle, und wie so oft bei Roeg weiß man nie, in welche Richtung sich die Handlung im nächsten Moment bewegen wird, bei der Traum und Realität ständig verschwimmen. Russell spielt dabei auf ihre gewohnt emotional überbordende Art (man denke nur an BAD TIMING) eine Frau namens Linda Henry, die mit einem Arzt verheiratet ist, der mehr an seiner Modelleisenbahn als an ihr interessiert ist, und sich seine sexuelle Triebabfuhr lieber bei einer dominanten Krankenschwester holt. Außerdem leidet sie unter dem Trauma, in jungen Jahren ihr Kind weggegeben zu haben, Produkt eines Rummelplatz-Quickies. Eine emotional wenig gefestigte Person, frustriert und hysterisch. Als dann ein junger Mann in ihr Leben eindringt, der behauptet, ihr Sohn zu sein (ein superber, wunderbar irrer Gary Oldman), scheint Linda endgültig Opfer eines schweren Nervenzusammenbruchs geworden zu sein, denn besagter Martin ist ein reines Produkt ihrer Fantasie. Eine surreale, schräge und schwarzhumorige Thriller-Farce über die extreme Verarbeitung eines Traumas mit Anleihen bei Freud und Jung, die dem Normalkonsumenten sicherlich zu verkopft und verwirrend sein dürfte, aber eines der Highlights im Schaffen von Roeg ist – wenn auch ein Film mit leichten Schwächen –, der seit Mitte der 90er leider schwer abgebaut hat. Dass der Film generell sehr stiefmütterlich behandelt wird, zeigt sich an TRACK 29
den bisher erschienenen DVDs, da bildet die von Koch leider keine Ausnahme, die in 4:3 ist – über das echte Bildformat gibt es kaum Angaben, ich gehe aber mal von 1.85 : 1 aus –, und von einem Bandmaster gezogen zu sein scheint, dementsprechend instabil ist das Bild. Schade, aber zumindest ist der Film überhaupt mal in anschaubarer Form erhältlich, nur von digital restaurierter Fassung möchte man da nicht wirklich sprechen.
SOUTH PARK: IMAGINATIONLAND
DVD | Paramount | USA 2007 || Letzten Monat erschien hierzulande die 11. Season von SOUTH PARK, die laut einem Großteil der Fans zu einer der besten der Serie gehört. Da möchte man gar nicht widersprechen, zumal hier wieder einige großartige Folgen dabei sind, wie „Guitar Queer-O“, in der die „Guitar Hero“-Besessenheit einiger Charaktere behandelt wird, die brillante 300-Parodie „D-Yikes!“, in der es um die Verteidigung einer Lesben-Kneipe geht („Oh yeah! Scissor me Xerxes!“), die 24Parodie „The Snuke“ („the terrorists have snuck a snuke in her snizz ...“), „ Le Petit Tourette“, in der Cartman vorgibt, das Tourette-Syndrom zu haben, oder „Night of the Living Homeless“, in der es keine Zombies sondern eine Invasion von Obdachlosen gibt. Das Herzstück der 11. Season sind allerdings die drei Folgen von „Imaginationland“, auch bekannt als „Kyle Sucks Cartman’s Balls: The Trilogy“. Die
IMAGINATIONLAND
schnitten Trey Parker und Matt Stone noch mal zu einem kompletten Film zusammen, was sie zuerst eigentlich gar nicht wollten, und der jetzt als so genannter unzensierter Director’s Cut, verlängert um knapp vier Minuten separat auf DVD erschien. Das Ganze hat zwar mit knapp 70 Minuten immer noch keine Spielfilmlänge, ist aber einfach so gelungen, dass man sich die Dreifach-Folge immer wieder anschauen kann. Manko des Director’s Cuts ist höchstens das Bildformat, denn auch wenn es rechts und links etwas mehr zu sehen gibt, wurde oben und unten einiges weggeschnitten, um ein Kinoformat vorzutäuschen. Als Bonus gibt es auf der DVD noch die beiden älteren Folgen „Woodland Critter Christmas“ und „Manbearpig“, die zwar schon bekannt sind, aber zumindest einen inhaltlichen Bezug zu „Imaginationland I-III“ besitzen und auch ziemlich klasse sind. Klasse ist wie gesagt auch „Imaginationland I-III“, dessen Basis beziehungsweise Running Gag eine bescheuerte Wette zwischen Cartman und Kyle ist, denn Kyle behauptet, es gäbe keine Kobolde und soll, falls Cartman das Gegenteil beweisen kann, diesem die Eier lutschen. Ein Kobold taucht tatsächlich auf, allerdings hat Cartman im weiteren Verlauf der Handlung extreme Probleme, Kyles Wettschuld einzutreiben, da muslimische Terroristen die Fantasie der Menschen angegriffen haben und die Jungs aus South Park dabei eine zentrale Rolle spielen. Das gibt Parker und Stone wieder reichlich Gelegenheit, geschmacklose Scherze, Tagespolitik und Filmparodien (u.a. STARGATE, SAVING PRIVATE RYAN und DER HERR DER RINGE) zu verarbeiten, was „Imaginationland I-III“ insgesamt zu einem echten Klassiker der Serie macht. In einer besonders amüsanten Sequenz erhofft sich das USMilitär bei der Bekämpfung der Terroristen Hilfe von drei Regisseuren der so genannten Traumfabrik: M. Night Shyamalan, Mel Gibson und Michael Bay. Während Gibson tatsächlich einen guten Tipp hat, sind Shyamalan und Bay leider weniger hilfreich: „Mr. Bay, can you think of any idea how to outwit these terrorists?“ - „I believe I can.We start... by making a big CG building and then we have a meteor go CROSSHH! And it, and it’s all like CRAAWWWLL. And motorcycles burst into flame while they jump over these helicopters, right?“ - „No no! We need ideas how to stop the terrorists!“ - „An eighteen-wheeler spins out of control and it’s all like BROSSHH! And then this huuuge tanker full of dyna...“ - „Those aren’t ideas, those are special effects!“ „I... don’t understand the difference.“ Dem muss man wohl nichts mehr hinzufügen ... SOUTH PARK: IMAGINATIONLAND ist zwar kein zweiter SOUTH PARK: BIGGER LONGER & UNCUT geworden, aber das komplexe Konzept überzeugt auf der ganzen Linie, was ja bei verlängerten TVSerien nicht unbedingt selbstverständlich ist, und selbst die sehr gut gemachten bisherigen FUTURAMA-Filme hatten in dieser Hinsicht einige Durchhänger.
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Reviews
Literatur Zu WeNiG ... ... verfügbare Zeichen für diese Kolumne und zu viele Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt ergeben mal wieder eine knappe einleitung. Lest! Alex strucken ([emailprotected])
Naziparadiese
Nicht nur die sog. Autonomen Nationalisten, auch Parteien wie die NPD gehen mit einem Antikapitalismus von rechts auf Stimmenfang. „Volksgemeinschaft statt Kapitalismus?“ (187 S., 12,90 Euro, papyrossa.de) von Richard Gebhardt und Dominik Clemens beschäftigt sich mit eben diesem Thema. Herausgeber Friedrich Burschel und Dagmar Rubisch thematisieren in „Stadt-Land-Rechts“ (200 S., 14,90 Euro, dietzberlin.de) das Erstarken bzw. die teilweise schon erfolgreiche Etablierung und Integration der extremen Rechten ins Alltagslaben in der deutschen Provinz. Nicht wirklich um Nazis, aber um andere Formen der rechten Scheiße geht es in „Politik der Paranoia“ (202 S., 17,95 Euro, aufbau-verlag.de) von Robert Misik. Hierfür richtet er seinen Blick auf die Politik der neuen Konservativen zwischen Wirtschaftsliberalismus, Überwachungsstaat und Panikmache vor Werteverfall und Überfremdung und setzt diesen linke Werte und soziale Gerechtigkeit entgegen.
Ballhäuser, Paläste und andere Popkultur
Herausgeber Thomas Kraft lässt in „Rock Stories“ (300 S., 14,95 Euro, herbig.net) einen Haufen Literaten zu Wort kommen und ihre persönlichen Geschichten zur Musik der letzten vierzig Jahre erzählen. Mit „Goodbye 20th Century“ (288 S., 12,95 Euro, kiwi-verlag.de) hat David Browne eine Biografie über SONIC YOUTH geschrieben, die die Band von deren Anfängen in der Lower Eastside bis hin zum Einsturz des World Trade Centers begleitet. Klaus Janke hat sich für solch ein Projekt MANDO DIAO ausgesucht. „Die Mando Diao Story“ (224 S., 14,95 Euro, hannibal-verlag.de) ist das erste Buch über die Schweden. In „Stoned! Rockstars auf Drogen“ (304 S., 14,95 Euro, hannibal-verlag.de) legt R. U. Sirius seine Gedanken über die enge Verwandtschaft zwischen Drogen und Musik vom Jazz bis heute in Form von Fakten, Anekdoten und Rankings dar. Len Brown führte zahlreiche Interviews mit SMITHS Sänger Morrissey. „Im Gespräch mit Morrissey“ (400 S., 24,95 Euro, hannibal-verlag.de) fasst diese Texte zusammen und gewährt Einblick in die Gedankenwelt und Beweggründe des Musikers. Fotos ergänzen das Buch. Buttonverkäufer Oliver Baglieri hat mit „Als die Gruftis Buttons trugen“ (6,95 Euro, teamofdestruction.de) ein Buch rund um den Lieblingsschmuck (nicht mehr nur) des Punkers geschrieben, während Klaus Märkert in „Hab Sonne“ (230 S., 12,95 Euro, s.o.) seine Zeit zwischen Punks, Wavern und Gothics als DJ in den 80ern Revue passieren lässt. „For the Sake of the Song“ (234 S., 13,90 Euro, ventil-verlag.de) von Peter Nachtnebel dokumentiert die neue Generation von US-Songwritern, Indie-Folk und Alt-Country. In Form von Interviews und Einzelporträts gibt er einen Einblick in Entstehung und Entwicklung der Szene und die Beweggründe der verschiedenen MusikerInnen. Lucja Romanowska hat für „Euch die Uhren – uns die Zeit“ (112 S., 14,90 Euro, ventil-verlag.de) Punks in den verschiedensten Situationen fotografiert und somit ein Buch geschaffen, das nicht von außen mit sicherem Abstand auf die Szene blickt. Die britischen Säufer THE POGUES vereinen wie kaum eine Band Leidenschaft, Raubeinigkeit, Punk und Folk. Mit „Die Geschichte der The Pogues“ (512 S., 29,95 Euro, bosworth.de) von Carol Clerk ist nun eine ausführliche Biografie erschienen. Peter Guralnick beschäftigt sich in „Sweet Soul Music“ (544 S., 29,95, s.o.) mit den Soulkünstlern der 60er, aber auch mit dem gesellschaftlichen Wandel im Amerika dieser Zeit und den daraus resultierenden Kräften und Ideen. Ausgehend von den Ursprüngen in den USA, den verschiedensten Entwicklungen und auch der aktuellen Situation in Deutschland stellt Raphael Böß in „Step into a world!“ (160 S., 14 Euro, unrast-verlag.de) die Frage, in wie weit es sich bei Hip Hop (noch) um eine wirkliche Gegenkultur handelt und wie zunehmende Kommerzialisierung dies beeinflusst (hat).
Laabs Kowalski
SONIC BALLROOM
Die Geschichte des besten Musikclubs der Welt Buch | Muschel | muschelverlag.de | 200 S., 9,90 Euro || Jede echte Großstadt braucht einen Ort, an dem so ziemlich jeden Tag die Woche eine Band auf der Bühne steht, wo man als Ortsansässiger oder Besucher die Gelegenheit hat, unter Seinesgleichen zu sein und unbelästigt von Geschnösel und Obrigkeit sein Bier zu trinken und gute Musik zu hören, aus der Konserve oder idealerweise live. Köln hat so einen Ort, und er heißt Sonic Ballroom. Zehn Jahre gibt es diese sympathische Kaschemme in Ehrenfeld schon, zig großartige Konzerte habe ich da schon gesehen, und groß war die Aufregung, als vor Jahren mal die Behörde stärker war als das Beharrungsvermögen der Betreiber in Sachen eigenwilliger Auslegung gewisser Vorschriften. Die Zwangspause war zum Glück nur von kurzen Dauer, nach Umbauarbeiten ging es in neuer Pracht weiter, so dass der „Club“, dessen Inventarwert, vom Alkohol, dem Kicker und der Musikanlage mal abgesehen, bei ungefähr zehn Euro liegen dürfte, bald in neuer Pracht eröffnet werden konnte. Zum Geburtstag hat Herr Laabs Kowalski, selbst eifriger Besucher des Etablissements, nun dieses Buch zusammengestellt, in dem in Schriftform das getan wird, was im August 2009 im Sonic Ballroom auch in echt geschieht: Es wird gefeiert! In beinahe vierzig Texten bringen sowohl Gäste wie auch Menschen aus dem inneren Zirkel ein kurzes literarisches Ständchen, und das ist eine höchst unterhaltsame Angelegenheit für jeden, der als Besucher oder aus beruflichen Gründen (will heißen: mit seiner Band) den Laden und die Typen kennt, die da vor oder hinter der Theke angewachsen sind. Joachim Hiller Wam Kat
24 REZEPTE ZUR KULINARISCHEN WELTVERBESSERUNG
Buch | Orange-Press | orange-press.com | 256 S., 25,00 Euro || Freunde hatten mir bereits von dem Buch vorgeschwärmt, bevor ich es in die Hände bekam. Und das zurecht, wie sich beim Lesen herausstellte. In diesem wirklich liebevoll aufgemachten Buch finden sich 24 Rezepte und 24 Geschichten aus dem Leben von Wam Kat, geboren 1955 in den Niederlanden und unter anderem Mitbegründer des niederländischen Kochkollektivs Rampenplan (was übersetzt Katastrophen(schutz) plan bedeutet). Rampenplan kocht(e) meist für Großveranstaltungen, u.a. in Gorleben, wenn es wieder mal einen Castor-Transport gibt, in Rostock beim Protest gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm usw. Mittlerweile können bis zu 1000 Leute mit Essen versorgt werden, und die Idee ist, das Essen kostenlos auszugeben; aber wenn es geschmeckt hat, kann man gerne dafür spenden. Und das Konzept funktioniert! Zentrales Anliegen von Wam Kat ist es, beim Kochen regionale und möglichst biologisch angebaute Produkte zu verwenden. Diese besorgt Rampenplan meist bei den Bauern und Bäckern aus der jeweiligen Umgebung. Das ist Wam Kat deshalb so wichtig, weil er Alternativen zur heutigen Ernährungsgesellschaft aufzeigen will und dass es nicht sein kann und darf, dass ein paar wenige Ernährungs-Multinationals entscheiden, was wir essen. Und deshalb möchte er vermitteln, dass Kochen nicht schwer ist und man kein High Tech Equipment benötigt, um was leckeres auf den Tisch zu zaubern. In seinen sehr unterhaltsamen Geschichten erzählt Wam Kat vom Leben als Kind in einer Künstlerkolonie, wie es ist, mit Kochtöpfen, die 300 Liter fassen, auf selbstgebau-
Rockpalast-Begründer Peter Rüchel blickt im Bildband „Rockpalast: Peter Rüchels Erinnerungen“ (256, 29,95, rockbuch.de) auf die bewegendsten Momente der Kultsendung zurück und erzählt von Begegnungen mit den diversen Künstlern. „Dancing Shoes“ (128 S., 19,95 Euro, rockbuch.de) fasst die besten Bilder des Fotografen Gerrit Starczewski zusammen. Dieser konzentrierte sich bei Konzertfotos voll auf die Füße und Schuhmoden der Musiker. Abgelichtet wurden vor allem Künstler aus dem Indie-Bereich. Brian Peterson hingegen konzentriert sich in „Burning Fight“ (18 Dollar, akpress. org) ganz auf die US-Hardcoreszene der 90er, die Musik, die Künstler und Werte wie DIY und Straight Edge.
Die Kehrseite des amerikanischen Traums oder irgendwo unter der Hölle
Drei wieder veröffentlichte Chester Himes Romane in einem Band beschert einem „Harlem-Romane“ (608 S., 12,90 Euro, unionsverlag.ch). Tiefschschwarz, wütend, bissig und nicht immer ganz p.c. schildert Himes das Leben der Schwarzen in Harlem.Tom Waits erzählt seit jeher Geschichten von der anderen Seite des amerikanischen Traums. Barney Hoskyns dokumentiert in „Tom Waits-Ein Leben am Straßenrand“ (704 S., 24,95 Euro, randomhouse.de/heyne) seine Musik und Karriere. Uwe Stöß‘ „Zwei Etagen unter der Hölle“ (224 S., 10,95 Euro, teamofdestruction.de) bietet „autobiografische Geschichten zwischen Knast, Prostitution, Gewalt und Alkohol.“ (Verlagsinfo). „Almatastr.“ (304 S., 22 Euro, verbrecherei. de) von Germar Grimsen handelt von einem einsamen Misanthropen, der allein, isoliert und ausweglos in einer kompletten Hochhausetage wohnt. Miron Zownir lässt den Leser in seinem neuen Short-Story-Band „Parasiten der Ohnmacht“ (180 S., 17,80 Euro, moxundmaritz.de) wieder an seiner ganz eigenen Weltsicht teilhaben. Ob man diese nun pessimistisch oder realistisch nennt, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Cave, Cohen und Fatih Akin
Nick Cave hat sich nun auch mal wieder literarisch betätigt. „Der Tod des Bunny Munro“ (320 S., 19,95 Euro, kiwi-verlag.de) handelt von einem Kosmetikverkäufer, der Schminke und Träume an einsame Ehefrauen verkauft und durch den Tod seiner Frau aus der Bahn geworfen wird. Leonard Cohens nun wieder veröffentlichter Debütroman „Das Lieblingsspiel“ (320.S, 19,90 Euro, blumenbar.de) um den jungen Lawrence Breavman gilt als Klassiker des literarischen Undergrounds. In „Soul Kitchen“ (240 S., 14,90 Euro, blumenbar.de) erzählt Jasmin Ramadan sozusagen die Vorgeschichte zu Fatih Akins neuem Film. Ein Roman zwischen „Coming of Age und Roadmovie“ (Verlagsinfo) über einen sympathischen Losertypen. Akin ist übrigens begeistert.
Der öffentliche Raum
Die Fotografin Elaine Sendyk dokumentiert in „Protest Graffiti Mexico: Oaxaca“ (27,95 Dollar, akpress.org) die besonders seit gewaltsamen Unruhen 2006 aufgekommene politische Graffitikultur in Oaxaca. „The Art of Rebellion 2: World of Urban Art Activism“ von C100 (39,95 Dollar, akpress.org) zeigt die Entwicklungen und Newcomer der internationalen Streetartszene. Wie sehr sowohl der öffentliche Raum als auch die Privatsphäre in den letzten Jahren durch neue Gesetze eingeschränkt wurden und was uns noch so bevorsteht, behandeln Ilija Trojanow und Juli Zeh in „Angriff auf die Freiheit“ (176 S., 14,90 Euro, hanser.de).
Zu guter Letzt
Vladimir Sorokin ist ein scharfer Kritiker der politischen Elite in Russland. Seine Zukunftsvision „Der Tag des Opritschniks“ (220 S., 9,95 Euro, randomhouse.de/heyne) klingt wie eine russische Version von Orwells „1984“. Nick Hornbys neues Buch „Juliet, Naked“ (304 S., 19,95 Euro, kiwi-verlag.de) handelt von einem erfolglosen Rockmusiker und spleenigen Fans, Liebe und Einsamkeit. „High Fidelity“ Fans werden wissen, was sie erwartet.
ten Gasbrennern zu kochen („Im ersten Jahr hatte keiner der Köche mehr Haare auf den Armen, da es immer wieder Stichflammen gab“), seinen Erfahrungen bei der Sitzblockade gegen atomare Müllverklappung im Atlantik, bei der er im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder kam, als der Schwertransport nicht mehr bremsen konnte und einfach über ihn drüber gedonnert ist, ohne dass etwas passierte, oder von seiner Zeit in Zagreb, als er nach Ende des Jugoslawienkrieges dort mehrere Jahre die Anti-KriegsKampagne mit seinem Know-how und seinen Erfahrungen unterstützt hat. Wam Kat bat es geschafft, dass sein Buch tagelang mein ständiger Begleiter war. Warum? Es liegt zum einen daran, dass er ein guter Geschichtenerzähler ist. Zum anderen ist Wam Kat ein unglaublich faszinierender Mensch, der nicht viel Aufhebens um seine Person macht, sondern einfach zupackt, wo es etwas zu tun gibt. Und das mit viel Herzblut und Engagement für die gute Sache. Wie sagte eine Freundin von mir so schön? „Wam ist ein Mensch, der so ist, wie man selber gerne wäre“. Und ich glaube, das ist es. Uschi Herzer
auch mal auf eigene Fehler hin. Klauende One-NightStands, Tantensex auf der Familienfeier, während dem Sex einschlafende Frauen oder das ein oder andere falsch behandelte Genital – die Varianten der absurdesten Erlebnisse sind vielfältig. Alle drei Bücher sorgen für größte Unterhaltung. Hinzu kommt, dass Mia Ming mit wenigen Zeilen ihre Protagonisten derart gut beschreibt, dass beim Leser das Gefühl entsteht, man kenne diese bestens. So lassen sich die geschilderten Erlebnisse und Gefühle gut nachvollziehen und man kann sich ohne Ende an Schadenfreude erlaben. Durch und durch eine positive Überraschung! Etwas beängstigend darf man wahrscheinlich in die Zukunft blicken, weil eine Welle von Nachahmern mit noch extremeren Erlebnisberichten über schlechten Sex um die Gunst der Verlage kämpfen wird. Schließlich hat in Wirklichkeit fast jeder zu diesem Thema etwas zu sagen. Aber das braucht die Autorin nun beim besten Willen nicht mehr zu interessieren, denn sie hat die Rolle der Vorreiterin übernommen und dabei ihren Job gut gemacht. Christoph Parkinson
Marc Canter, Jason Porath
Peter Nachtnebel (Hrg.)
Der steinige Weg zum Erfolg Buch | Bosworth | bosworth.de | 348 S., 29,95 Euro || Eine sehr aufwendig gestaltete, vierfarbige Chronik von einer der wichtigsten Rockbands der amerikanischen Musikgeschichte. Besonders die 80er Jahre des Bandgeschehens werden von dem langjährigen Freund der Band, Marc Canter, ziemlich gut dokumentiert. Mit verschiedenen Interviews und O-Tönen der Bandmitglieder als auch ihren Wegbegleitern wird die Geschichte abgerundet. Das Buch brilliert durch natürlich viele dubiose Storys, interessante Hintergrundinformationen, unveröffentlichte Fotos, Flyer, Playlists, Tourberichte, etc. Viele Zufälle, weite Wege und Umwege über andere Bands, entsetzliche Konzerte und deprimierende Ereignisse sind nötig gewesen, bis sich GUNS N’ ROSES durchsetzen und den Durchbruch schaffen konnten. Ohne ein überdurchschnittliches Maß an Leidenschaft und die Aufopferung für die Musik, hätte es Alben wie „Appetite For Destruction“ nie gegeben.Vermutlich aber auch nicht ohne ihre Leidenschaft für Alkohol- und Drogenexzesse und den Unwillen, irgendeiner anderen Beschäftigung nachzugehen. Dies ist für einen großen Teil berühmter Bands aus unterschiedlichen Genres charakteristisch und grundsätzlich im Vergleich zu anderen Bandbiografien nichts Außergewöhnliches. Das macht dieses Buch aber für Fans der Band nicht weniger attraktiv und zu einem Pflichtkauf. Für andere ist es allenfalls nicht derart unterhaltsam wie die Autobiografie von Lemmy („White Line Fever“) oder die Story von MÖTLEY CRUE („The Dirt“). Christoph Parkinson
Amerikas neue Songwriter Buch | Ventil Verlag | ventil-verlag.de | 234 S., 13,90 Euro || Dieses Buch hätte vom Prinzip her auch eine neue Nummer aus der Testcard-Reihe werden können. Autoren wie Peter Nachtnebel, Martin Büsser, Jörg Scheller und zehn andere befassen sich mit der „neuen Songwriter-Generation“ aus den USA. Im Mittelpunkt stehen Themen rund um Devendra Banhart, Bright EyEs, Cat Power, Ani Difranco, LamBchop, Nina Nastasia, Joanna Newsom, Will Oldham, Bill Callahan, Rae Spoon, Sufjan Stevens und Gillian Welch. Die Herangehensweise ist sinnvoll und die Beiträge sind gut und informativ, ein mehr als beiläufiges Interesse für das Thema ist jedoch vorauszusetzen. Christoph Parkinson
IT’S (NOT) EASY – GUNS N’ ROSES
Mia Ming
SCHLECHTER SEX 1-3
Frauen und Männer berichten über ihre lustigsten, peinlichsten & absurdesten Erlebnisse Buch | Schwarzkopf & Schwarzkopf | schwarzkopfschwarzkopf.de | 197-232 S., jeweils 9,90 Euro || Die Trilogie, die Geschichten beinhaltet, über die vermeintlich keiner spricht. Die These, dass Männer schlechten Sex dumm finden, ihnen dieser aber lieber als gar kein Sex ist, darf man wohl bekräftigen. Denn schließlich geht es hier oft auch einfach nur um Statistik. Dass Frauen lieber ganz auf Sex verzichten würden, bevor er schlecht ausfällt, unterstreichen die hier veröffentlichten Geschichten. Natürlich darf man fragen, warum sich die Frauen trotzdem auf Situationen einlassen, die zum Scheitern verurteilt beziehungsweise für schlechten Sex beinahe prädestiniert sind. Vielleicht weil sich auf der Suche nach der ganzheitlichen sexuellen Befriedigung Intuition und Verstand gerne mal von Emotionen, Hoffnungen und Alkoholeinflüssen verdrängen lassen? Die befragten Frauen haben in Band eins und drei das Wort. Und sie haben sehr viel Witziges, Erschreckendes und Unglaubliches zu erzählen. Im zweiten Buch kommen die Männer zu Wort. Im Gegensatz zu den Erzählungen der Frauen muss es nicht unbedingt erst zum Sex kommen, damit der Abend total in die Hose geht, und die berichteten Männer weisen, bewusst oder unbewusst,
FOR THE SAKE OF THE SONG
Peter Hein
DIE SONGTEXTE 1979 - 2009
Buch | Lilienfeld | lilienfeld-verlag.de | 240 S. || Büchern, die sich den Songtexten eines Sängers oder einer Band widmen, habe ich eher immer mit zweifelhaftem Blick bedacht. Dies liegt aber bei mir eher daran, dass ich auch mit Gedichtbänden, auch wenn sie der Undergroundliteratur entstammen, nie viel anfangen konnte. Nun gehört aber mit Sicherheit Peter Hein zu den großen Textern deutschsprachiger Musik und hat viele Songschreiber, die nach ihm kamen, mehr als nur beeinflusst, weshalb ich gerne bereit bin, eine Ausnahme zu machen. Diese Sammlung seiner Songtexte erstreckt sich von den frühen MITTAGSPAUSE-Texten bis hin zum ersten FEHLFARBEN-Album (und natürlich auch deren späteren Platten, bei denen Hein wieder gesungen hat), der CAMP SOPHISTO-Zwischenphase und schließlich FAMILY 5. Da ich im Besitz des Gesamtwerkes des Mannes bin, war ich zumindest erstaunt, dass es doch einige Texte gab, bei denen ich einige Zeilen über die letzten 25 Jahre beim Mithören falsch verstanden hatte, und somit füllt dieses Buch bei mir schon die ein oder andere Lücke. Die zwischengeschobenen Interviewteile dürften fleißigen Lesern dieses Heftes nicht unbekannt vorkommen, bleiben jedoch für mich in Bezug auf dieses Buch das ein oder andere Mal zu sehr an der Oberfläche, auch was die Antworten angeht. Die Erklärung wird gleich mitgereicht, vieles ist lange her, und wo der Mythos anfängt und die Realität aufhört, ist oft nicht
mehr zu rekonstruieren, zumal Peter Hein sich selbst nie so wichtig genommen hat, wie es ihm oft angedichtet wird, was wohl zweifelsohne damit zusammenhängt, dass Ruhm und Ehre sich nicht durch den zwar verdienten, aber doch leider stets ausgebliebenen großen Erfolg manifestiert haben. Mir persönlich gefällt die doppelte Einleitung und vor allem die Diskographie in Prosa am Besten. Claus Wittwer Charlie Huston
KILLING GAME
Buch | Heyne 43353 | randomhouse.de | 382 S., 7,95 Euro || Sommer 1983 im nördlichen Kalifornien, nicht weit von San Francisco: Hector ist Latino, einer der wenigen in der Gegend. Darüber hinaus ist er Punkrocker, der seinen Iro mit Stolz trägt. Mit seinem besten Kumpel Paul und dem Brüderpaar George und Andy lungert er auf der Straße herum, nimmt Drogen, fährt wie besessen Fahrrad und begeht gelegentlich kleinere Diebstähle und Einbrüche. Als die vier Jungs mehr aus Dämlichkeit in eine Fehde mit den Arroyo-Brüdern rutschen, an der auch zwei Drogenhändler beteiligt sind, wird aus anfänglichen Jungenstreichen recht schnell eine fiese und blutige Angelegenheit. Charlie Huston, der Autor dieses Buches, ist einer der besten unter den neuen Krimi-Autoren Amerikas: Sein Stil ist lakonisch, und er schreibt Dialoge wie kein zweiter. Der Roman „Killing Game“ ist kein Punk-Roman, aber eine rasante Geschichte um Jugend und Gewalt, um Drogen und ein bisschen Musik – und von daher sehr wohl eine ziemlich „punkige“ Geschichte. Saugut! Klaus N. Frick Christoph Ruf, Olaf Sundermeyer
IN DER NPD
Reisen in die national befreite Zone Buch | beck’sche reihe | beck.de | 228 S., 12,90 Euro || „Nazis raus!“ ist schnell gebrüllt, und dass keiner die mag ist auch klar, doch wer jenseits von Antifa-Parolen die (geistige) Auseinandersetzung mit den neuen Nationalsozialisten sucht, hat es gerne etwas fundierter und detaillierter. Denn dass die Ideologie von NPD, DVU, Autonomen Nationalisten und freien Kameradschaften stinkt, steht außer Frage, doch das Problem ist eben komplexer, als mittels „Nazis raus!“Gegröle deren Deportation nach Thule oder sonst wohin zu fordern. Die Typen sind unter uns, in Betrieben, in Fußballvereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr – und auch in Parlamenten, auf Gemeinde- wie Landesebene (Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern). Und: Nach der Lektüre dieses Buches ist einem klar, dass leider nicht damit zu rechnen ist, dass die nationalsozialistischen Wiedergänger so schnell wieder verschwinden. Der braune Spuk ist eben keiner, sondern eine gesellschaftliche Realität. Die Journalisten Olaf Sundermeyer (u.a. FAZ, WDR, RBB) und Christoph Ruf (Spiegel Online) haben sich in den letzten Jahren intensiv mit der NPD und ihrem Umfeld beschäftigt, kommen immer wieder auf den Einzug der Partei in den Landtag von Sachsen zurück und zeigen auf, wie der rechte Marsch durch die Institutionen, der Zugang zu Fraktionsgeldern speziell über den Landtag in Sachsen, von den Rechten genutzt wird, um ihre Basis zu verbreiten. Ruf und Sundermeyer moralisieren in ihren Reportagen nicht, sie haben genau beobachtet bei ihren Recherchen, waren auf enger Tuchfühlung mit NPD-Basis und -Führung. ohne dabei à la Wallraff investigativ zu arbeiten. Das Resümee ist erschreckend: Die NPD gibt sich nach außen hin moderat (so „moderat“ das eben für eine ein extrem rechte Partei geht), doch hinter verschlossenen Türen träumt man von der Machtergreifung und dem großen Aufräumen unter den politischen Gegnern. Ruf und Sundermeyer bleiben im Ton immer sachlich, nur hin und wieder wird mit leichtem Sarkasmus kommentiert, und dieser angesichts der erschreckenden Erkenntnisse sachliche Ton ist es, der dieses Buch jenseits so vieler polemischer Texte zum Thema so ernüchternd und erschreckend macht. So ist es zwar unwahrscheinlich, dass die NPD 2009 in den Bundestag einzieht, doch die Landtage und Erfolge bei den Kommunalwahlen, auf die die Partei angesichts bekannt desolater Finanzen angewiesen ist, reichen denen vollauf aus.
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Reviews
Was zu tun bleibt: Nazis bekämpfen, mit Worten und Aktionen. Nazis und ihre Wähler leben in den gleichen sozialen Strukturen wie wir, da gilt es anzusetzen. Argumentieren und diskutieren, aber auch dafür sorgen, dass sie in Vereinen und in Betrieben die Fresse halten – und wer sagt denn, dass man einem Nazi als Kollegen oder Kunden nicht eindeutig klarmachen kann, dass für ihn kein Platz ist in unserer Gesellschaft? Joachim Hiller Vidhu Mittal
INDIEN – DIE NEUE VEGETARISCHE KÜCHE
Buch | Verlag Zabert Sandmann | zsverlag.de | 208 S., 24,80 Euro || Schon seit jeher ist die indische Küche ein Paradies für Freunde der fleischlosen Kost. Was ich persönlich daran besonders liebe sind die verschiedenen kleinen Schüsseln, die man auf den Tisch bekommt, denn in Indien ist es üblich, mehrere Gerichte zu einem Gang zu kombinieren. Das Spektrum reicht dabei von unglaublich scharf bis gnadenlos süß. Vidhu Mittal, die Autorin dieses Rezeptbuchs, veranstaltet seit mehr als 15 Jahren Kochkurse im indischen Bengaluru und weiss aus Erfahrung, wie man Kochwissen am Anschaulichsten vermittelt. Deshalb gibt es in ihrem großzügig bebilderten Kochbuch zu den meisten Rezepten Step-by-step-Fotos zum besseren Verständnis. Bei der Zusammenstellung der Rezepte hat die Autorin Wert auf traditionelle Gerichte ihrer Heimat gelegt, die aber modernisiert und unseren heutigen (westlichen) Essgewohnheiten angeglichen wurden. Das Repertoire reicht von Suppen und Snacks über aromatische Currys bis zu Brotfladen und Desserts. Daneben stellt sie den Leserinnen und Lesern nützliche Infos zu Gewürzen sowie typischen Kräutern und Gemüse zur Verfügung. Hat man die Hürde des Gewürzeinkaufs erfolgreich genommen, steht dem indisch-vegetarischen Kochvergnügen am heimischen Herd nichts mehr im Wege. Mittlerweile gibt es übrigens auch diverse Onlineshops, falls ihr keinen indischen/asiatischen Lebensmittelladen in eurer Nähe habt. Uschi Herzer Daniel Ekeroth
SCHWEDISCHER DEATH METAL
Buch + 3CD | Index Verlag | index-verlag.org | 496 S., 44,90 Euro || Nachdem mit Albert Mudrians „Choosing Death“ vor geraumer Zeit schon ein Buch zur weltweiten Geschichte des Death Metal herauskam, behandelt Daniel Ekeroth hier explizit die Entwicklung in Schweden. Allein die Aufmachung der Deluxe-Edition ist beeindruckend: eine edle 32,5 x 32,5 cm Pappbox mit Buch, Dreifach-CD (auch separat voneinander erhältlich) und Poster. Ekeroth – selbst Musiker, Fan und Augen-/Ohrenzeuge – verwebt im lockeren Erzählstil Zitate zahlreicher Szeneprotagonisten zu einer lesenswerten Rückschau auf die verschiedenen Phasen des Schwedentods. Die Reise startet bei der Tapetrading- und Fanzine-Szene Ende der Achtziger (lange vor dem Internet-Zeitalter), beleuchtet die Phase der legendären Demoaufnahmen, ruft die ersten bahnbrechenden Alben und den Szeneboom in Erinnerung und endet beim Niedergang um 1993. Auch wenn die Abhand-
lung der Alben etwas langatmig ist, sind doch gerade die Anfangstage der schwedischen Szene so interessant, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Einen „Nerd-Ansatz“ kann man dem Ganzen natürlich nicht absprechen und Ekeroth schreibt auch sehr subjektiv, was ich allerdings ehrlich und sympathisch finde, da er dabei dumpfe Heldenverehrung vermeidet (z. B. bei amüsanten Beschreibungen absolut unglamouröser JZ-Auftritte extrem legendärer Bands wie NIHILIST). Auch die Verbindung zur (Crust-)Punkszene (z. B. ANTI CIMEX, MOB 47) wird angeschnitten, und neben vielen Anekdoten strotzt das Buch nur so vor tollen Bildern. Vollkommen wahnsinnig auch der Band- und Fanzine-Index am Ende des Buches! Die CD-Compilation mit 220 Minuten Spielzeit kann ich letztendlich nur als essentiell bezeichnen. Dort findet sich von ultrararen alten Demoaufnahmen der obskursten Bands bis hin zu einer guten Auswahl schwedischer Death-Metal-Klassiker alles was das schwarze Herz begehrt. Es gibt wirklich wenig was man an einem solchen Gesamtpaket besser machen könnte, es fehlt eigentlich nur noch die DVD zum Thema. Dicke Empfehlung! Bernd Fischer Jon Ginoli
DEFLOWERED
My Life In PANSY DIVISION Buch | Cleis Press | cleispress.com | 290 S., ca. 14,00 Euro || Kurz nach meinem Interview mit Jon Ginoli, dem Bandleader der Queercore-Pioniere PANSY DIVISION, hab ich auch sein Buch lesen können. Dass sich über eine Band wie PANSY DIVISION viele delikate Geschichten erzählen lassen, dürfte klar sein. Jon Ginoli liefert hier einen amüsanten Abriss seiner Sicht der Dinge, wobei das Wort „amüsant“ vielleicht ein wenig kurz greift. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, sowohl im Guten als im Bösen. Die üble Highschoolzeit im Illinois der 70er-Jahre, seine schwierige ComingOut-Phase, erste Sexerfahrungen und bittere Enttäuschung über eine Schwulenszene, in der nichts zu zählen schien außer dämlicher Discomusik. Folglich stellte für Rockliebhaber Ginoli die Musik seine Ausbruchsmöglichkeit aus stereotypen Homo-Normen dar. Das Schicksal nahm seinen Lauf und er gründete 1991 mit PANSY DIVISION eine der (wenn nicht sogar die) ersten offen schwulen Rockbands, worauf natürlich der Fokus des Buches liegt. Wie auch die soeben erschienene DVD zur Bandgeschichte, ist das Buch
sicherlich nicht nur für Fans von PANSY DIVISION interessant, sondern für Musikliebhaber allgemein, da Mr. Ginoli in 18 Jahren Bandleben natürlich massenhaft Combos begegnet ist, die im Bereich Indierock irgendwie Rang und Namen hatten. Es gibt mehrere Tourtagebücher zu lesen, herrliches Abgeläster über BON JOVI, BLINK 182 und PENNYWISE, bittere Worte über GUTTERMOUTH und Bill Stevenson (DESCENDENTS) und massig Anekdoten über die Indie- und Punkrockszene der 90er-Jahre. Wer seine Songtexte kennt, weiß natürlich, dass Jon Ginoli mit einem köstlichen Humor gesegnet ist, den er hier auch gekonnt ausspielt. Der englische Text ist ebenfalls gut verständlich, wenn man sich ein wenig mit gewissen Slangausdrücken auskennt. Ein höchst interessantes und unterhaltsames Buch! Bernd Fischer Paul Lester
LOWDOWN: THE STORY OF WIRE
Buch | Omnibus Press | omnibuspress.com | 184 S., 19,00 Euro || Die wirkliche Bedeutung eines Albums zeigt sich oft erst durch die Anzahl und den Status der Bands, die sich später verneigen und die Songs covern. WIREs erste Album „Pink Flag“ war so ein Meilenstein, hier die Beweise: R.E.M. haben „Strange“ auf ihrem 1987er Album „Document“, Henry Rollins (aka HENRIETTA COLLINS & THE WIFE-BEATING CHILD HATERS) covern „Ex-Lion Tamer“ auf dem 1987er Album „Drive By Shooting“. MINOR THREAT hauen uns ihre Version von „12XU“ auf dem 1982er Dischord Sampler „Flex Your Head“ um die Ohren, FIREHOUSE spielen „Mannequin“, THE NEW BOMB TURKS covern „Mr. Suit“ auf dem 1993er Album „Destroy Oh Boy!“ und „Reuters“ wurde von THERAPY? als B-Seite während der „Troublegum“ Sessions eingespielt ... und das ist nur ein Ausschnitt! Die Herren Colin Newman (Gesang, Gitarre), Graham Lewis (Bass, Gesang), Bruce Gilbert (Gitarre), und Robert Gotobed (eigentlich Grey, Schlagzeug) waren bereits „Post-Punk“, als in England noch die erste Punkwelle schwappte. Die Vier stammten aus eher nördlichen Regionen des Landes, trafen sich (natürlich) auf der Kunsthochschule in Watford (bei London) und gründeten 1976 WIRE. Ihre musikalischen Einflüsse reichten von Krautrock bis hin zum Minimalismus experimenteller Bands wie VELVET UNDERGROUND. Ihr Debüt „Pink Flag“ erschien nur zwei Monate nach „Never Mind The Bollocks“ und hatte trotzdem mit diesem fast nichts gemeinsam. Autor Paul Lester, Schreiber für „Melody Maker“ und „Uncut“, beruft sich bei der Schilderung des Werdegangs nicht nur auf Interviews, die er mit der Band führte, sondern sprach auch mit Zeitzeugen, Produzenten und Managern, die den Aufstieg (und Fall) der Band miterlebten. „Lowdown:The Story Of WIRE“ enthält nicht nur Fakten, sondern interessante Anekdoten einer tollen Band, die übrigens immer noch aktiv ist. Ach ja, Johnny Marr (THE SMITHS) schreibt in seinem mehr als euphorischen Vorwort folgende Sätze: „WIRE are the only guitar band, when describing them, I’d use the word „European“. They’re the
only British guitar band that I like that makes me feel European. WIRE make British music seem as though it’s part of Europe. I can think of no higher higher compliment“. Recht hat er. Kaufen, das Buch und die Platten, los! (10) Jürgen Schattner
/HÖrBÜCHer Gerry Esser
SANTA SUZANA
CD | Surfing Antichrist | gerryesser.de | 15,00 Euro || Vorigen Sommer bereitete mir Gerry Essers SurfpunkSpionagethriller „Santa Suzana“ einiges Vergnügen. Selten zuvor las man eine solch krude Mischung von Surfer-Ambiente, Gewalt-, Alkohol- und Drogenverherrlichung gepaart mit fast schon romantischen Reisebeschreibungen. Dazu gesellte sich das völlig atemberaubende Tempo von Essers Erzählung und der konsequente Verzicht auf Feinheiten, Zwischentöne, Subtilitäten u.ä. Und diesen halsbrecherischen Ritt entlang der portugiesischen Algarveküste kann man sich nun auch ganz gepflegt vorlesen lassen. Denn „Santa Suzana“ ist als Hörbuch zweitverwertet worden, über acht Stunden dauert das Hörvergnügen, und alles passt auf eine CD, denn man hat es kurzerhand als mp3-CD veröffentlicht. Als Rezitator konnte der Schauspieler Guido Renner gewonnen werden, dessen sonor schnarrende Stimme die (auf etwa acht Stunden Spielzeit gekürzte!) Hörbuchfassung des Romans deklamiert. Leider reichen acht Stunden nicht ganz für die Route Köln - Lagos, aber die restliche Zeit kann man ja mit einem gepflegten Mix aus TRASHMEN, SONICS und AGENT ORANGE überbücken. (8) Gereon Helmer Marco Sonnleitner
DIE DREI ???
Haus des Schreckens (#131) CD | Europa/Sony BMG | dreifragezeichen.de | 6,00 Euro || Als Teil einer Menschengruppe lassen sich „Die drei Fragezeichen“ auf eine einsame Insel bringen. Darauf befindet sich ein altes Gebäude, in dem die Abenteurer gemeinsam einen fiktiven Mordfall lösen sollen. Aus dem Spiel wird allerdings Realität, als das Trio einem versperrten Ausgang gegenübersteht und ein Teilnehmer entführt wird. Fortan haben Justus, Peter und Bob alle Hände voll zu tun, den Verschwundenen wiederzufinden, Geheimnisse merkwürdiger Mitreisender aufzudecken und einen Weg aus dem labyrinthartigen Haus zu erforschen. Obwohl ähnliche Szenarien bereits seit „Das Geispensterschloss“ bekannt sind, zeigt die Spannungskurve während der gesamten 70 Minuten Spielzeit dank einer ein wenig an die beklemmende, „Saw“-ähnliche Atmosphäre von Folge 121 („Spur ins Nichts“) erinnernde Schaueratmosphäre nach oben. Dominik Winter
/faNZiNes FANZINEMACHER!
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INSIDE ARTZINE #13
Zine | inside-artzine.de | A4, 40 S., 5 Euro || Schon seit geraumer Zeit versammelt Herausgeber Jenzzz die internationale und nationale Crème de la Scum in seinem schmucken Fanzine, um die Geschmäcker zu spalten und/ oder zu kultivieren. So gesellen sich in dieser Nummer mal wieder bekannte sowie eher unbekannte Künstler aus aller Welt zum kreativen Auskotzen, wie Chet Zar, Chris Mars, Cryptonaut, Kris Kuksi, Navette und viele andere. Natürlich darf auch Jenzzz höchstpersönlich nicht fehlen, der mal wieder ein augenschmeichelndes Layout gezaubert hat. Neben den eher düsteren Pinseleien, Skulpturen und digitalen Collagen lockern Gedichte, Gedanken über Gott und die Welt sowie die obligatorischen Buchempfehlungen und augenzwinkernde Interviews die kurzweilige Lektüre auf. Alles im allen mal wieder eine lohnende Sache für Fetischisten subversiver Underground-Kunst! In diesem Sinne: „Fuck Art ... Let’s Kill!“ Uwe Kubassa
MISSY MAGAZINE #02/09
Zine | missy-magazine.de | A4, 104 S., 3,80 Euro || Ein neues feministisches Magazin. Das lässt unweigerlich lila Latzhosen und Alice Schwarzer vor meinem inneren Auge auftauchen. Dass frau das Thema heutzutage auch anders angehen kann und sollte, beweisen die Macherinnen Chris Köver und Stefanie Lohaus seit Oktober 2008 mit ihrem Missy Magazine, Untertitel „Popkultur für Frauen“, welches von Frauen für Frauen gemacht wird, die Themen Musik, Politik, Mode und Style fokussiert und vier Mal jährlich erscheint. Was für mich sofort heraussticht, ist der große D.I.Y.-Faktor. Da wird reich bebildert und mit einem Augenzwinkern Schritt für Schritt erklärt, wie man aus Elektroschrott schicke Ohrhänger bastelt, in alter Manier ein Nachmittag mit der Backanleitung „How to bake your own Salzteig-Pussy“ gestaltet oder einen „Ollie“ mit dem Skateboard hin bekommt. Interviews und Berichte dürfen natürlich auch nicht fehlen, in dieser Ausgabe ein mehrseitiges Interview mit Peaches (worin das Thema Sex eine überraschend geringe Rolle spielt), Kevin Blechdom, CHICKS ON SPEED oder mit dem Berliner Handarbeitskreis „Pussystübchen“, in dem „Mösen in allen erdenklichen Farben, Formen und Größen“ aus Stoff gefertigt werden. Ebenfalls lesenswert sind die Berichte über Michelle Obama oder die erste Stripperin der Weimarer Republik, Anita Berber. Rubriken wie „Untenrum – Neues aus der Intimzone“, in der schon mal mit einer Prise Humor Masturbationspraktiken auf ihre Öffentlichkeitstauglichkeit geprüft oder alternative Porno-Plattformen im Internet näher beleuchtet werden. Informativ fand ich den Bericht über Jobs im Musikbusiness und das Interview mit der Bookerin Andrea Wünsche. Natürlich dürfen Plattenkritiken nicht fehlen und bringen Künstlerinnen und Bands hervor, von denen ich zum Teil noch nie etwas gehört habe. Die Zielgruppe scheint bevorzugt die gut situierte, gebildete, kunst- und musikinteressierte Frau mittleren Alters zu sein, was ja nicht unbedingt verwerflich ist. Frauenmagazine, die mit profanen Themen, wie: „Hilfe, meine Oberschenkel schwabbeln! Ist mein Leben nun dem Untergang geweiht?!“ glänzen und direkt mit der passenden Diät aufwarten, gibt es ja durchaus genug bei un-
serem Hausarzt des Vertrauens zu lesen. Die nächste Grippewelle kommt bestimmt. Auch wenn das Heft vom Layout her stark an Magazine wie Intro oder Spex erinnert – die Art, wie die Mädels das Ganze angehen, ist gewitzt und sticht mit dem breiten Themenspektrum aus der Masse an schlechten Blättern hervor. Für meinen Geschmack ist das Thema Politik ein wenig unterrepräsentiert, aber Frauen müssen ja immer was zu meckern haben. JeNnY Kracht
OUT OF ORDER #1
Zine | Mülheimer Str. 81, 47057 Duisburg | myspace. com/outoforderfanzine | A5, 50 S., 1,50 Euro || Alex, Sänger und Gitarrist der Punk’n’Roll-Band DEFECATION AREA, sowie eine gewisse Suzi Senseless präsentieren hier die erste Ausgabe des Out Of Order Fanzines. Und einiges Berichtenswerte haben haben sie ja auch erlebt, sei es das NOFX-Konzert im Duisburger Landschaftspark Nord, eine Show der Comedy-Band DIE POPOLSKIS in den Flottmann-Hallen, der Streifzug durch die Asi-Kneipen von Hochfeld oder jene Party „bei die Rockers im Clubhaus“, schick mit Pomade im Haar. Nur dummerweise war mit das Erste, was ich gelesen habe, ein Konzertbericht über die BOTTROPS und 2ND DISTRICT im Duisburger unabhängigen Zentrum T5, in dem die sinnlose Suzi sich aber erst einmal seitenweise über den Laden auskotzt, denn ihr passt hier rein gar nichts: nicht das Enterieur, nicht die Getränkekarte, weder das Fotografier- noch das Rauchverbot, vor allem nicht die Anfangszeiten und ganz besonders nicht, ich zitiere, „Die Hippe an der Kasse“, denn anscheinend hat es ein bisschen gedauert, bis man ihren Fünfziger wechseln konnte. Suzis Fazit: „Schlecht vorbereitet würd ich sagen ...“ Das hat mich, ehrlich gesagt, fast schon persönlich gekränkt, so etwas schreibt einfach nur, wer nicht bis drei buchstabieren kann: D.I.Y. Und damit war das Out Of Order bei mir leider unten durch. Ute Borchardt
PANKERKNACKER #21
Zine | Pankerknacker-Verlag, Postfach 36 04 21, 10974 Berlin | pankerknacker.com | A4, 92 S., 3 Euro || Auf geht es in die nächste Runde. Ein knapp bekleidetes Babe mit Waffe und Motorrad auf dem Cover, da werden die Kollegen vom D&W-Tuning-Shop-Katalog aber ganz neidisch. Aber ist ja alles Rock’n’Roll und Punk hier, sonst gibt es ja auch noch die Emma. Da gibt es dann bestimmt nichts über King Khan, GUITAR GANGSTERS, SECRET ARMY, KREATOR, Oliver Uschmann, SS-KALIERT oder die ADICTS zu lesen. Aber hier im neuen Pankerknacker. Außerdem ein Gedicht von mir, das gibt es auch nicht oft. Und da das Layout auch wieder astrein ist, bleibt mir auch nichts anderes übrig, als euch dieses Heft wärmstens ans Herz zu legen. Nur dass Opa Knack immer irgendwelche Hamburg-Trips anmeldet und dann nicht erscheint, nehme ich langsam persönlich. Abel Gebhardt
PLASTIC BOMB #67 + CD
Zine | plastic-bomb.de | A4, 80 S., 3,50 Euro || Ziel erreicht: Die Sommer-Ausgabe des Plastic Bomb hatte eines der hässlichsten Titelbilder alle Zeiten. Mut ist, wenn man’s trotzdem macht. Zum Glück ist der Inhalt kein Stück hässlich, sondern lesenswert wie immer, beispielsweise
der Peking-Punk-Report, die Interviews mit Dennis Lyxzen, mit Justin Sullivan von NEW MODEL ARMY, mit dem Ventil Verlag, Farin Urlaub, den Franzosenpunks ATTENTAT SONORE, Marc Ader von 2ND DISTRICT, RF7 und einigen mehr. Eine CD ist auch dabei, angesichts derer ich mir die Frage stelle, mit welcher Berechtigung Häktor sich angesichts der PB-CD gegenüber der Ox-CD in den Reviews so weit aus dem Fenster lehnt. Lustig. Joachim Hiller
PUNKROCK #9
Zine | P.O. Box 10 05 23, 68005 Mannheim | punkrock-fanzine.de | A5, 104 S., 2,50 Euro || Oh, du dumme Staatsanwaltschaft, Frankfurter Polizei und Vollzugsbeamte, einen Arg- und Harmloseren hättet ihr euch gar nicht einfangen können als unseren Dennis Degenerate. Das „Verbrechen“ liegt schon fünf Jahre zurück, eine Rangelei in der S-Bahn, ein Securityscherge erhält eine Platzwunde, Dennis dafür vier Monate auf Bewährung. In der Zwischenzeit ist er Vater geworden, von Wesel nach Frankfurt gezogen und hat ein Ox-Praktikum gemacht und eine Ausbildung begonnen – aber leider vergessen, dass auch noch 500 Euro Geldstrafe zu bezahlen waren. „Wir weisen Sie darauf hin, dass von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden kann“, unter dieser Überschrift schildert er nun seine Verhaftung an einem kalten Januarmorgen, die Beklemmung auf der Wache, seine Ängste und kleinen Beobachtungen am Rande, in der Arrestzelle, auf Transport, beim ersten Hofgang. Das ist gruselig und spannend zugleich, bewahrt ihn vielleicht auch vor einem bleibenden Knacks. Ich bitte um Fortsetzung! Bei den Kolumnen und persönlichen Berichten liegt überhaupt die wahre Stärke des Fanzines, doch keine Sorge, die Freunde der italienischen Oper kommen auch in dieser Ausgabe nicht zu kurz, interviewt wurden unter anderem KICK JONESES, VADERS, THE RABBLE, TOWER BLOCKS, SPITFIRE und Dr. Sommer traf Ullah (AUWEIA!). Ute Borchardt
ROKKO’S ADVENTURES #5 + CD
Zine | rokkosadventures.at | A4, 84 S., 3,00 Euro || Jede neue Ausgabe des österreichischen Heftes ist eine wahre Freude – und tröstet völlig darüber hinweg, dass das Persona Non Grata sein Erscheinen wohl endgültig eingestellt hat. Der Inhalt – klassisch in schwarz-weiß – ist irgendwo zwischen Feuilleton und Musikmagazin anzusiedeln. Letztere Einordnung erlaubt unter anderem der Text über Kevin Rutmanis (einst COWS, MELVINS, TOMAHAWK) sowie das Interview mit Discorporate Records und Marbach Records, und von ersteren wird auch der beiligende Labelsampler gestellt. Eher harter Stoff ist der Text über einen Thanatopraktiker, denn hinter dem Wort verbirgt sich das Handwerk der kosmetischen Leichenaufbereitung. Der Artikel über den Schauspieler Georg Friedrich, der mir bislang nie auffiel, der aber als cooler Rock’n’Roller portraitiert ist, lohnt auch, die Platten-Reviews müssen mit einer Doppelseite auskommen, und allein der zweite Teil von „Die Paranoia Chroniken“ fällt negativ auf – der ganze verschwörungstheoretische Scheiss nervt. Abgesehen davon also: Lesenswert! Joachim Hiller
SECOND JOURNAL – BRIGHT YOUR BOWL
Zine | sergejvutuc.com | A5, 16 Seiten, 3,00 Euro || Sergej Vutuc – der Name kommt mir bekannt vor, als wäre es der meines Mitbewohners. Ist er aber nicht, aber nach ein wenig Recherche wundere ich mich nicht mehr über
mein „Déjà-écoutai“ (vermutlich waren wir vor etlichen Jahren in Kontakt wegen eines FIVE MINUTES TO STEVEKonzerts, das ich in Aachen organisiert hatte), da Herr Vutuc seit langer Zeit in etliche Projekte involviert ist. Angefangen mit seiner oben erwähnten Band, über sein Label/ Vertrieb Get Off Records und die Versuche als Fanziner, bis zu seinen heutigen Hauptbeschäftigungen, der Fotografie, dem Skateboarding und dem Engagement in der Galerie Basementizid in Heilbronn. Seine wirklich fantastischen Fotos bannt er hier und da in kleine Auflagen von A5ern, was zwar einen gewissen Charme hat und einhergeht mit der, ihm sehr wichtigen, D.I.Y.-Philosophie, die Wirkung seiner Werke allerdings eher beeinträchtigt. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem von Minus-Ramps gezimmerten Bowl in Heilbronn. Die ausdrucksstarken Fotos lässt Vutuc gewohnt kommentarlos stehen („mouth can never say what eyes can see“), stattdessen dokumentieren Zitate Mitwirkender und Begeisterter den Bau sowie die Atmosphäre dieses einzigartigen Skate-Spots. Mario Turiaux
TAUGENIX #9 + CD
Zine | taugenix-fanzine.de | A4, 68 S., 3,00 Euro || Das Taugenix hat sich gemausert:Vom Haus- und Hof-Fanzine des Nix Gut-Imperiums, dem man natürlich immer noch eng verbunden ist, hat sich das selbst als solches bezeichnende „Deutschpunk Fanzine“ zu einem ernst zu nehmenden Heft entwickelt. Oberstes Prinzip ist, dass die interviewten Bands auf deutsch singen, wohingegen man Deutschpunk erstaunlich weit fasst, denn die diesmal mit ihren Interviews auf dem Cover angekündigten Bands wie COR, WALTER ELF oder BOTTROPS würde ich allesamt nicht in dieses Genre rechnen. Aber nun, da hat eben jeder seine eigene Definition, und lesenswert sind die ausführlichen Interviews allemal. Ansonsten gibt es diverse politische Artikel, man stellt sich selbst vor, lässt „Let’s fight white pride“-Aktivisten zu Wort kommen, kocht vegan, und., und, und. Auf der beiliegenden CD gibt es dann wirklich Deutschpunk satt, doch bevor ich zu lobhudelnd klinge, muss ich nich loswerden, was mir wirklich sauer aufstößt: Die Werbung für das „Ehrlich & Laut Festival“, auf dem Ende Juni neben okaynen Bands auch Onkelz.Coverschrott wie FREIWILD spielte: Deutschpunk ja, Deutschrock nein! Joachim Hiller
TRUST # 136
Zine | Trust, Postfach 11 07 62 28087 Bremen | trustzine.de | A4, 2,50 Euro || Kennt ihr das? Man kommt aus dem Urlaub nach Hause, weiß eigentlich, dass niemand in der Wohnung gewesen sein kann und hat doch das Gefühl, während der Abwesenheit hat sich etwas verändert?! Diese Art milder Paranoia befällt mich beim Durchblättern dieser Trust-Nummer. Eigentlich ist alles wie immer. Dolf und seine Horde haben gute Interviews (ONLY CRIME, NORTON, SCHEISSE MINNELLI, YEAH-YEAHS und andere), dazu ein gutes Tourbooking-Special, mehr oder minder gute Kolumnen und sackweise Reviews zusammengetragen.Trotzdem ist etwas anders und ich werde herausfinden, was das ist. Ich glaube, es ist das Layout. Irgendwie hat sich bei den Reviews was getan, das sieht jetzt noch übersichtlicher aus als beim letzten Mal. Auch diese twitterartigen Single-Kurzkritiken waren früher so nicht da. Ja, wahrscheinlich ist es das, was mir an winzigen Veränderungen auffällt, ansonsten ist es das Trust das Trust, wie ich es weiterhin nicht missen möchte. Timbob Kegler
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